Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2017, Az. XII ZB 563/16

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 14061

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Gegenstand

Betreuung: Einwilligungsvorbehalt bei vermögensgefährdendem Verhalten des Betreuten


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des [X.] vom 3. November 2016 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beschwerde der Betroffenen gegen die Anordnung des [X.] zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten der Rechtsbeschwerdeverfahren, an eine andere Zivilkammer des [X.] zurückverwiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

[X.]: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die 70jährige Betroffene leidet an einer psychischen Krankheit in Form eines paranoiden Wahnsystems, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Das Amtsgericht hat eine Betreuung für die Aufgabenkreise der Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Regelung des Postverkehrs, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern und Wohnungsangelegenheiten eingerichtet und die Beteiligte als Berufsbetreuerin bestimmt. Bezüglich der Vermögensangelegenheiten hat es einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

2

Das [X.] hat die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat der Senat die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache an das [X.] zur erneuten Behandlung und Entscheidung unter anderem deswegen zurückverwiesen, weil die Voraussetzungen für die Anordnung eines [X.] nicht ausreichend festgestellt seien (Senatsbeschluss vom 27. April 2016 - [X.] 593/15 - FamRZ 2016, 1151). Mit Beschluss vom 3. November 2016 hat das [X.] die Beschwerde der Betroffenen erneut zurückgewiesen; hiergegen richtet sich deren erneute Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg, soweit sie den angeordneten Einwilligungsvorbehalt betrifft, und ist im Übrigen unbegründet.

4

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung u.a. ausgeführt: Die Betroffene verfüge über beträchtliches Vermögen, unter anderem über Grundbesitz in [X.] und in den [X.]. Genaueres hierüber in Erfahrung zu bringen sei aufgrund der fehlenden Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Betroffenen jedoch schwierig. Allem Anschein nach bestünden jedoch bereits erhebliche Steuerschulden in den [X.], die wiederum zu erheblichen Strafzahlungen geführt hätten. Ihre Immobilie in [X.] gefährde die Betroffene dadurch, dass sie sich gegen die stattgefundene Hausbesetzung durch Obdachlose nicht in angemessener Weise zur Wehr gesetzt habe.

5

2. Auch diese Ausführungen des [X.]s halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Erneut hat das [X.] die Voraussetzungen für die Anordnung eines [X.] nicht ausreichend festgestellt.

6

a) Gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt), soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - [X.] 92/15 - FamRZ 2015, 1793 Rn. 7 mwN). Auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten darf ein Einwilligungsvorbehalt nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf einen einzelnen Vermögensgegenstand oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (Senatsbeschlüsse vom 28. September 2016 - [X.] 275/16 - FamRZ 2016, 2088 Rn. 6; vom 27. April 2016 - [X.] 7/16 - FamRZ 2016, 1070 Rn. 16 und vom 28. Juli 2015 - [X.] 92/15 - FamRZ 2015, 1793 Rn. 9 f. mwN).

7

b) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung erneut nicht gerecht. Konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art sind nicht dargelegt und Feststellungen dazu, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Anordnung des [X.] erforderlich ist, um eine erhebliche Gefahr abzuwenden, hat das [X.] nicht getroffen.

8

Das [X.] beschränkt sich vielmehr auf Mutmaßungen, dass die Betroffene sich selbst durch das Unterlassen gebotener Maßnahmen Schaden zugefügt habe. Das betrifft sowohl das Unterlassen der rechtzeitigen Begleichung möglicher Steuerschulden in den [X.] als auch das Unterlassen der gebotenen Maßnahmen zur Abwehr einer Hausbesetzung durch Obdachlose.

9

Um die Betroffene in diesen Angelegenheiten zu unterstützen und das krankheitsbedingte Unterlassen notwendiger Maßnahmen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung abzuwenden, ist die Beteiligte zur Betreuerin bestellt worden. [X.] dieses Amtes liegt es in ihrer Zuständigkeit, die notwendigen Maßnahmen sowohl in Bezug auf die Steuerschulden in den [X.] als auch in Bezug auf die Hausbesetzung in [X.] zu ergreifen, um die daraus resultierenden Vermögensgefährdungen abzuwenden.

Es sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es für die Umsetzung dieser Maßnahmen eines [X.] bedarf. Der Einwilligungsvorbehalt schützt den Betroffenen vor Vermögensgefährdungen durch [X.]. Für die Anordnung eines [X.] hätte daher eine konkrete Gefährdung des Vermögens der Betroffenen durch [X.] der Betroffenen festgestellt werden müssen, indem sie etwa vermögenserhaltende und -schützende Maßnahmen der Betreuerin konterkarierte oder andere vermögensschädigende Maßnahmen träfe. Solche Feststellungen sind jedoch nicht getroffen.

3. Der angefochtene Beschluss kann daher, was den Einwilligungsvorbehalt betrifft, erneut keinen Bestand haben.

Der Senat kann in der Sache insoweit nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann. Er hat von der Möglichkeit der Zurückverweisung an einen anderen Spruchkörper des Gerichts Gebrauch gemacht (§ 74 Abs. 6 Satz 3 FamFG), weil die Sache zuvor bereits wegen nicht ausreichender Feststellungen zu den Voraussetzungen für die Anordnung eines [X.] an das [X.] zurückverwiesen worden war, ohne dass es solche im [X.] an die Zurückverweisung hinreichend tragfähig nachgeholt oder den Einwilligungsvorbehalt aufgehoben hat.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung, namentlich was die unbegründete Beschwerde gegen die Anordnung der Betreuung betrifft, wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose     

       

Klinkhammer     

       

Günter

       

Nedden-Boeger     

       

Krüger     

       

Meta

XII ZB 563/16

15.03.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Wuppertal, 3. November 2016, Az: 9 T 226/15

§ 1903 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2017, Az. XII ZB 563/16 (REWIS RS 2017, 14061)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14061

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