Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.07.2018, Az. 4 AZR 534/17

4. Senat | REWIS RS 2018, 6207

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Tenor

I. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 11. Oktober 2017 - 3 Sa 608/17 - aufgehoben.

II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 28. März 2017 - 1 Ca 1940/16 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 256,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Dezember 2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 192,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. März 2017 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 1. März 2017 nach der [X.]) des Lohntarifvertrags für den Einzelhandel [X.] vom 18. August 2015 und vom 29. August 2017 zu vergüten.

[X.] Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags auf ihr Arbeitsverhältnis und in diesem Zusammenhang über [X.].

2

Die Klägerin, die Mitglied der [X.] ([X.]) ist, ist seit 2002 bei der Beklagten als Abteilungshilfe Food in Teilzeit beschäftigt.

3

Im Arbeitsvertrag vom 9. Februar 2003 heißt es ua.:

        

3.    

Auf das Arbeitsverhältnis finden die jeweils geltenden Tarifverträge des Einzelhandels in der jeweils gültigen Fassung sowie die jeweils geltenden Gesamtbetriebsvereinbarungen bzw. Betriebsvereinbarungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

        

…       

        
        

5.    

Der Mitarbeiter erhält ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 1.140,68 €

                 

[X.]: 1.140,68 € Tarifgruppe: L II b im ______

                 

Berufs-/Tätigkeitsjahr.“

4

Die Beklagte war zunächst ordentliches Mitglied in [X.], ua. im [X.]V.

5

Im Juni 2015 kündigte sie ihre Mitgliedschaften und ist seit dem 17. Juni 2015 Mitglied ohne Tarifbindung.

6

Am 18. August 2015 schloss der [X.]V. mit der [X.] [X.] einen Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in [X.] ([X.] 2015). Am 29. August 2017 wurde ein Folgetarifvertrag ([X.] 2017) abgeschlossen.

7

Mit Datum vom 29. Juli 2016 schlossen die [X.] und die Beklagte auf der einen mit der [X.] [X.] auf der anderen Seite einen [X.] ([X.]). Dort heißt es auszugsweise:

        

§ 1   

        

Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für alle Betriebe, Betriebsstätten und Verkaufsstellen des Unternehmens [X.] in der [X.] einschließlich der Verwaltungen und Läger. …

        

§ 2     

        

Anerkennung der Tarifverträge des Einzelhandels

        

(1) Alle gültigen (einschließlich nachwirkenden) regionalen Tarifverträge des Einzelhandels werden von [X.] anerkannt. Diese Tarifverträge gelten dynamisch, also für den jeweiligen räumlichen Geltungsbereich in ihrer jeweiligen Fassung und mit ihrem jeweiligen Rechtsstatus.

        

(2) Ausnahmen von der Anerkennung nach Abs. 1 sind in diesem Tarifvertrag abschließend vereinbart.

        

(3) Werden Tarifverträge oder Teile von ihnen gekündigt, gelten sie auch zwischen den Parteien dieses Anerkennungstarifvertrages als gekündigt.

        

§ 3     

        

Ausnahmen von der Geltung der Flächentarifverträge

        

(1) Die Parteien vereinbaren folgende Abweichungen von den Regelungen in den Flächentarifverträgen:

        

1.    

Die [X.]erhöhungen werden für die [X.], 2016, 2017 nicht gezahlt.

        
        

2.    

Für die Kalenderjahre 2017 bis einschließlich 2019 werden die aus den tariflichen Bestimmungen entstehenden Ansprüche auf Zahlung von Urlaubsgeld befristet reduziert auf 40 %. Die Berechnung des Anspruchs erfolgt auf der Basis der jeweiligen Entgelttabellen der Flächentarifverträge.

        
        

3.    

Für die Kalenderjahre 2016 bis einschließlich 2018 werden die aus den tariflichen Bestimmungen entstehenden Ansprüche auf Zahlung einer tariflichen Sonderzuwendung (‚Weihnachtsgeld‘) befristet reduziert auf 40%; im Kalenderjahr 2019 wird die tarifliche Sonderzuwendung auf 70 % reduziert. Die Berechnung des Anspruchs erfolgt auf der Basis des individuell dem anspruchsberechtigten Arbeitnehmer zustehenden [X.]s.

        
        

…“    

8

Bis einschließlich Juli 2016 erhielt die Klägerin ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 1.468,07 Euro. Ab August 2016 zahlte die Beklagte monatlich nur noch 1.404,07 Euro brutto.

9

Mit ihrer Klage hat die Klägerin [X.] geltend gemacht und die Feststellung begehrt, dass ihr ein Vergütungsanspruch entsprechend der „[X.] b des Gehalts- und Lohntarifvertrags Einzelhandel [X.]“ zustehe.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihr Gehalt zu kürzen. Ihr Arbeitsvertrag enthalte eine dynamische Bezugnahme auf den [X.] 2015 und den [X.] 2017. Die Klausel verweise demgegenüber nicht auf den [X.] und damit nicht auf die Regelungen, nach denen die Tariferhöhungen der [X.], 2016 und 2017 nicht weitergegeben würden. Der [X.] sei schon kein Tarifvertrag des Einzelhandels, weil er von nicht für den Einzelhandel zuständigen Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden sei. Die Kürzung des [X.] mit Wirkung zum 1. August 2016 sei auch deshalb unwirksam, weil der [X.] (unechte) Rückwirkung entfalte. Der Arbeitsvertrag enthalte gegenüber dem [X.] günstigere Regelungen, so dass diese im Rahmen eines Günstigkeitsvergleichs denen des normativ geltenden [X.] vorgingen.

Die Klägerin hat zuletzt - sinngemäß - beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 256,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Dezember 2016 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 192,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Januar 2017 zu zahlen;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 1. März 2017 nach der Lohngruppe II Lohnstaffel b) des Lohntarifvertrags für den Einzelhandel [X.] vom 18. August 2015 und vom 29. August 2017 zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig. Es handele sich um einen Globalantrag, ein Rechtsschutzinteresse sei deshalb nicht gegeben. Im Übrigen fänden der [X.] 2015 und [X.] 2017 keine Anwendung. Da sie seit dem 17. Juni 2015 nicht mehr tarifgebundenes Mitglied im Arbeitgeberverband sei, gölten die - nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen - [X.] für sie nicht mehr. Diese fänden auch nicht aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Bezugnahmeklausel erfasse auch den [X.] als Tarifvertrag des Einzelhandels. Dazu gehörten auch die Haustarifverträge einzelner Arbeitgeber in der entsprechenden Branche. Eine Beschränkung auf [X.] sei der Klausel nicht zu entnehmen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet.

I. Die Klage ist in Form der zuletzt gestellten Anträge zulässig.

1. [X.] sind zulässig, insbesondere sind sie hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Feststellungsantrag ist in seiner zuletzt gestellten Form als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage (zB [X.] 28. Februar 2018 - 4 [X.] - Rn. 14 mwN) ebenfalls zulässig.

2. Der Zulässigkeit der Anträge stände es auch nicht entgegen, wenn der von der [X.] in der Revision erbrachte Vortrag zuträfe, zum 8. Juni 2018 habe ein Betriebsübergang stattgefunden. Die Rechtskraft eines gegen den früheren Arbeitgeber ergehenden Urteils wirkt in entsprechender Anwendung der §§ 265, 325 Abs. 1 ZPO für und gegen den neuen Arbeitgeber, wenn der Betriebsübergang - wie ggf. hier - nach Recht[X.]ängigkeit erfolgt ist (vgl. nur [X.] 19. November 2014 - 4 [X.] 761/12 - Rn. 23 mwN, [X.]E 150, 97).

II. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Feststellungsantrag ist begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der [X.] 2015 und der [X.] 2017 aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung.

a) Zwar gelten der [X.] 2015 und der [X.] 2017 für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.]). Die Beklagte hat seit dem 17. Juni 2015 den Status eines Mitglieds ohne Tarifbindung. Sie ist de[X.]alb an die im August 2015 und August 2017 abgeschlossenen Tarifverträge nicht mehr gebunden.

b) Der [X.] 2015 und der [X.] 2017 finden aber aufgrund der arbeitsvertraglichen [X.] auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Entgegen der Auffassung der [X.] erfasst diese nicht den [X.], dh. den Haustarifvertrag der [X.]. Das ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags (zu den Maßstäben der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vgl. [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] 796/08 - Rn. 15, [X.]E 134, 283).

aa) Hierfür spricht schon der Wortlaut von Ziff. 3 des Arbeitsvertrags, der auf die „jeweils geltenden Tarifverträge des Einzelhandels“ verweist.

(1) Die Klausel stellt eine - zeitdynamische - Bezugnahme auf die Tarifverträge einer bestimmten Branche, dh. eines bestimmten Wirtschaftszweigs, dar. Da eine Branche regelmäßig eine Vielzahl von Unternehmen umfasst, ist unter einem Branchentarifvertrag üblicherweise ein Flächentarifvertrag zu verstehen. So findet sich beispielsweise im [X.] unter „Arten der Tarifverträge“ als Definition des Begriffs Branchen-/Flächentarifverträge die Formulierung: „Flächentarifverträge sind solche Tarifverträge, bei denen zwischen den [X.] vereinbart wurde, dass der Tarifvertrag für ganze Branchen und bestimmte regionale Bereiche - z.B. für ganz [X.] - gelten soll“. Danach ist ein Verweis auf die Tarifverträge einer bestimmten Branche als Verweis auf die jeweiligen Flächentarifverträge zu verstehen. Ob von der [X.] ggf. auch ein firmenbezogener Verbandstarifvertrag erfasst wäre (vgl. [X.] 11. Oktober 2006 - 4 [X.] 486/05 - Rn. 16 ff., [X.]E 119, 374), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

(2) Da es im Einzelhandel keine bundesweiten Tarifverträge gibt und sich der Arbeitsort der Klägerin in [X.] befindet, bezieht sich die Klausel auf die Flächentarifverträge für den Einzelhandel im Land [X.]. Solche sind, soweit ersichtlich, nur zwischen dem Handelsverband [X.] e.V. und der [X.] [X.] geschlossen worden. Danach umfasst die arbeitsvertragliche [X.] den [X.] 2015 und den [X.] 2017.

(3) Dafür, dass auch die Beklagte selbst den Begriff der „Tarifverträge des Einzelhandels“ als Bezugnahme auf die Flächentarifverträge versteht und den [X.] nicht als deren Bestandteil ansieht, spricht auch, dass in §§ 2 und 3 [X.] dessen eigenständige Bestimmungen gerade von denen der „Tarifverträge des Einzelhandels“ ausdrücklich abgegrenzt werden. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem zusätzlichen Verweis auf die „regionalen“ Tarifverträge. Dem Zusatz kommt in diesem Zusammenhang erkennbar nur die Funktion einer Konkretisierung auf den nach seinem räumlichen Geltungsbereich einschlägigen Tarifvertrag zu.

[X.]) Der Arbeitsvertrag enthält auch ansonsten keine Anhaltspunkte dafür, dass die [X.] auch [X.] eines einzelnen Arbeitgebers erfassen sollte.

(1) Entgegen der Auffassung der [X.] lässt der Verweis auf die „[X.] bzw. Betriebsvereinbarungen“ keinen Rückschluss auf den Willen der Parteien betreffend die in Bezug genommenen Tarifverträge zu. Die arbeitsvertragliche „Bezugnahme“ auf Tarifverträge einerseits und Betriebsvereinbarungen andererseits betrifft unterschiedliche Normenwerke mit grundlegend unterschiedlichen Wirkungen. Während Betriebsvereinbarungen „automatisch“ normativ auf das Arbeitsverhältnis einwirken (§ 77 Abs. 4 BetrVG), gelten Tarifverträge grundsätzlich nur dann unmittelbar und zwingend, wenn die Arbeitsvertragsparteien - kongruent - tarifgebunden sind. Unabhängig davon kann ein Tarifvertrag auch im Wege einer arbeitsvertraglichen [X.] zur Anwendung gebracht werden, wobei die Frage der [X.]szugehörigkeit des jeweiligen Arbeitnehmers dann strukturell keine Rolle spielt ([X.] 22. April 2009 - 4 [X.] 100/08 - Rn. 38, [X.]E 130, 237). Diese Vereinbarung unterliegt - vorbehaltlich einer Kontrolle nach §§ 305 ff. [X.] - der Vertragsfreiheit der Parteien. De[X.]alb können insbesondere auch fachlich und räumlich nicht einschlägige ([X.] 14. Dezember 2011 - 4 [X.] 26/10 - Rn. 43; 22. Januar 2002 - 9 [X.] 601/00 - zu A I 2 a der Gründe, [X.]E 100, 189) oder sogar unwirksame ([X.] 30. August 2017 - 4 [X.] 443/15 - Rn. 15 mwN, [X.]E 160, 106) Tarifverträge in Bezug genommen werden. Eine solche arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge hat konstitutive Wirkung (ausf. [X.] 22. April 2009 - 4 [X.] 100/08 - Rn. 38 mwN, aaO), während einem Hinweis auf die Geltung von Betriebsvereinbarungen wegen der gesetzlichen Geltungsanordnung in § 77 Abs. 4 BetrVG regelmäßig nur deklaratorischer Charakter zukommt (zB [X.] 13. März 2012 - 1 [X.] 659/10 - Rn. 15 mwN; 12. März 2008 - 10 [X.] 256/07 - Rn. 24). Dem Umstand, dass die Arbeitsvertragsparteien die - räumlich einschlägigen - Betriebsvereinbarungen und [X.] in Bezug genommen haben, kommt de[X.]alb für die Auslegung der Bezugnahme auf die Tarifverträge keine Bedeutung zu. Soweit vereinzelten Entscheidungen des Senats ([X.] 23. Januar 2008 - 4 [X.] 602/06 - Rn. 24; 23. März 2005 - 4 [X.] 203/04 - zu I 1 b [X.] (2) (a) der Gründe, [X.]E 114, 186) Gegenteiliges zu entnehmen sein sollte, hält der Senat daran nicht fest.

(2) Die Entwicklungen im Unternehmen und im Einzelhandel können entgegen der Auffassung der Revision nicht zur Auslegung der [X.] herangezogen werden. Sie haben in deren Wortlaut keinen Niederschlag gefunden.

2. [X.] sind ebenfalls begründet. Die Klägerin hat nach Durchführung des sog. Günstigkeitsvergleichs (§ 4 Abs. 3 [X.]) Anspruch auf das von ihr geltend gemachte weitere Arbeitsentgelt einschließlich der Zinsen.

a) Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt zwar der [X.] aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit. Zugleich finden der [X.] 2015 und der [X.] 2017 aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Eine Kollision zwischen [X.] beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 [X.]) zu lösen ([X.] 15. April 2015 - 4 [X.] 587/13 - Rn. 27, [X.]E 151, 221). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt sich aus einem Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich). Zu vergleichen sind dabei die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen (sog. Sachgruppenvergleich, [X.]. nur [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] 587/13 - Rn. 27 f., aaO; 30. März 2004 - 1 [X.] 85/03 - zu II 4 b [X.] der Gründe mwN). Für die Durchführung eines Günstigkeitsvergleichs sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog. ambivalente Regelung), ist keine „Günstigkeit“ iSv. § 4 Abs. 3 [X.] gegeben ([X.]. nur [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] 587/13 - Rn. 29 mwN, aaO).

b) Danach ist der Günstigkeitsvergleich im Streitfall bezogen auf die Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ durchzuführen, da die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeitsentgelt als Teile der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] 587/13 - Rn. 35, [X.]E 151, 221; 12. Dezember 2012 - 4 [X.] 328/11 - Rn. 46). In dieser Sachgruppe sind die tariflichen Regelungen des [X.] 2015 und des [X.] 2017 günstiger als die des [X.]. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] werden - bei gleichbleibender Arbeitszeit - die Tarifentgelterhöhungen für die [X.], 2016 und 2017 nicht gezahlt. Damit ist das Arbeitsentgelt für diese Jahre nach dem Haustarifvertrag der [X.] niedriger als nach den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Lohntarifverträgen. Als iSv. § 4 Abs. 3 [X.] günstigere Tarifverträge verdrängen sie in diesem Punkt den normativ geltenden [X.].

c) Die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Entgeltdifferenzbeträge entspricht den tarifvertraglichen Regelungen und steht im Übrigen zwischen den Parteien auch nicht im Streit.

d) Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

III. Die Beklagte hat gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Kiefer    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 AZR 534/17

11.07.2018

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hamm, 28. März 2017, Az: 1 Ca 1940/16, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.07.2018, Az. 4 AZR 534/17 (REWIS RS 2018, 6207)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6207

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