Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.08.2013, Az. 1 StR 665/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3345

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Insolvenzverschleppung: Feststellung der Zahlungsunfähigkeit mit der betriebswirtschaftlichen und der wirtschaftskriminalistischen Methode


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. September 2012 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO). Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer tätige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung sowie wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen und formellen Rechts gestützten Revision. Im Hinblick auf die Rüge der fehlenden sachlichen Zuständigkeit des [X.]s verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des [X.]. Da bereits die Sachrüge zum vollen Erfolg des Rechtsmittels führt, bedarf es eines [X.] auf die weiteren Verfahrensrügen nicht mehr.

I.

2

1. Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:

3

Der Angeklagte war Vorstand der [X.]     . Bei der [X.]  handelte es sich um die Muttergesellschaft eines Konzerns, unter deren Kontrolle mehrere Tochtergesellschaften standen. Hauptaktionär der [X.]war die [X.] (im Folgenden: [X.]  ), deren Geschäftszweck in der Sanierung und dem anschließenden Verkauf von Gesellschaften bestand. Anfang 2007 hatte die [X.]        90 Prozent der Gesellschaftsanteile an der [X.] (im Folgenden: [X.]   ) erworben.

4

Die wirtschaftliche Lage des [X.]-Konzerns war schlecht. Die Muttergesellschaft und „ihre Töchter hätten in 2009 Insolvenzantrag stellen müssen, sofern die [X.] nicht bereit gewesen wäre, Geld einzuschießen“. Dies wollte die liquide [X.] aber nicht im erforderlichen Umfang, sie wollte vielmehr nur eine „bilanzielle Überschuldung verhindern“, um den gesamten [X.] -Konzern bis zum Verkauf an einen Investor am Leben zu erhalten. Ein Investor wurde schließlich im [X.] 2009 gefunden; am 17. Juli 2009 erfolgte die Veräußerung der von der [X.] gehaltenen Geschäftsanteile an der [X.] an [X.] Privatpersonen. Mit diesem Tag trat der Angeklagte von allen Ämtern bei der [X.] und der [X.] zurück.

5

Anlässlich einer Gesellschafterversammlung der [X.]am 18. Februar 2009 war in Anwesenheit des Angeklagten seine Bestellung zum Geschäftsführer - er war bereits Geschäftsführer der weiteren [X.]-Tochter CO. - beschlossen worden. Die Bestellung sollte mit der förmlichen Annahme vollzogen werden. Hierzu kam es aber in Folge nicht. Bis zur Annahme war dem Angeklagten eine uneingeschränkte Generalvollmacht nach § 54 HGB erteilt worden. Das Vorgehen sollte der engmaschigen Kontrolle des Geschäftsführers [X.]durch die [X.]   dienen. Nachdem am 17. April 2009 [X.]verstorben war, agierte der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer der [X.].

6

Sämtliche Einkäufe und Zahlungen durch die [X.] wurden durch ihn genehmigt. Obwohl er wusste, dass die Mittel der [X.]nicht reichten, um sämtliche von ihr getätigten Bestellungen zu bezahlen, genehmigte er Bestellungen bei dem Lieferanten [X.].     am 5., 6., 7., 12., 15., 19., 26., 28. und 29. Mai sowie am 2., 3., 4., 5., 9., 10., 12. und 16. Juni 2009 in Höhe von insgesamt 76.998,17 € und am 13. Mai 2009 bei dem Lieferanten AO. in Höhe von 60.509 €. Am 7. Juli 2009 unterbreitete der Angeklagte der [X.].     einen [X.], Zahlungen erfolgten jedoch nicht.

7

Die finanziellen Verhältnisse der [X.] waren angespannt, die vorhandenen Mittel „reichten nicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen“. [X.]ätestens ab Ende April 2009 war die [X.]  „zahlungsunfähig“, was der Angeklagte billigend in Kauf nahm. Er stellte dennoch zunächst keinen Insolvenzantrag. Er konnte darauf hoffen, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe finanzielle Unterstützung der Hauptgesellschafterin [X.]zu erlangen“. Eine Gewähr hierfür hatte er nicht. Insolvenzantrag stellte er erst am 4. August 2009, nachdem die [X.]n Investoren nicht bereit waren, Geld für den [X.]   -Konzern zur Verfügung zu stellen. Das Verfahren wurde am 1. Oktober 2009 eröffnet.

8

2. a) Das [X.] hat den Straftatbestand des § 15a Abs. 4 [X.] zugrunde gelegt und die Verpflichtung des Angeklagten zur Stellung des Insolvenzantrags aus § 15a Abs. 1 und Abs. 3 [X.] abgeleitet. Seine Feststellungen zur Insolvenzreife der [X.]hat es auf folgende Überlegungen gestützt:

9

Eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen Mittel im Rahmen eines Finanzplanschemas sei nicht möglich, da die Zahlen aus der Buchhaltung nicht richtig sein könnten. Die in der Summen- und [X.] ausgewiesenen Forderungen gegen Dritte könnten nicht richtig sein, da sie mit den zweifellos gegebenen Zahlungsschwierigkeiten der [X.]nicht in Einklang zu bringen seien. Vielmehr spreche das umgehende Eintreiben von [X.] gegen das Bestehen von werthaltigen Forderungen gegenüber Dritten in Höhe von mehr als 1 Mio. €.

Daher sei auf die „sogenannte wirtschaftskriminalistische Methode“ abzustellen. Schon da im April 2009 „offene Verbindlichkeiten“ bestanden hätten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden seien, sei „im Hinblick auf [X.], [X.].: [X.] vom 12.10.2006, von Zahlungsunfähigkeit der [X.] auszugehen“. Maßgeblich sei zudem, dass das Geld nicht ausgereicht habe, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen, was die [X.] der [X.]  belegten. Freie Kreditlinien hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine schriftliche Anfrage durch den von der [X.] hinzugezogenen Sachverständigen an die Gläubiger der [X.] habe ergeben, dass sich der Schuldenstand von 99.658,06 € im Januar 2009 auf 370.835,68 € im April 2009, auf 590.186,83 € im Mai 2009, auf 630.485,59 € im Juni 2009 und auf 698.165,50 € im Juli 2009 erhöht hätte.

b) Die Strafbarkeit wegen Betruges hat das [X.] darauf gestützt, dass der Angeklagte spätestens ab April 2009 um die Insolvenzlage der [X.]  gewusst bzw. damit ernsthaft gerechnet habe. Dennoch habe er die Einkäufe jeweils genehmigt. Dies sei „strafbar im Rahmen eines sogenannten Organisationsdelikts“.

II.

Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die strafbewehrte Pflicht, Insolvenzantrag zu stellen, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das [X.] legt insoweit einen falschen Maßstab zugrunde; davon ausgehend sind seine Feststellungen auch lückenhaft bzw. nicht nachvollziehbar.

1. Nach § 17 Abs. 2 [X.] ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann. Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist die bloße [X.], d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von maximal drei Wochen zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist, sich binnen dieser Frist die benötigten Beträge darlehensweise zu beschaffen. Sonst liegt Zahlungsunfähigkeit vor ([X.], Beschluss vom 23. Mai 2007 - 1 StR 88/07, [X.]R GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsfähigkeit 2 mwN).

Die Feststellung derselben erfolgt in der Regel durch die sogenannte betriebswirtschaftliche Methode. Dies setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraus ([X.], Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 [X.], [X.], 154; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 [X.], [X.], 546). Zur Abgrenzung von der bloßen [X.] ist diese Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen, ob innerhalb der [X.] mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen. Das geschieht durch eine Finanzplanrechnung, aus der sich die hinreichend konkret zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben der nächsten 21 Tage ergeben (vgl. hierzu im Einzelnen [X.]/[X.]/Wittig-[X.], Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2011, § 15a [X.] Rn. 65 f. mwN).

Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 [X.] kann aber auch durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (wirtschaftskriminalistische Methode; vgl. hierzu [X.], Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 [X.], [X.], 154). [X.]s wirtschaftskriminalistische Warnzeichen kommen u.a. in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, gescheiterte Vollstreckungsversuche, Nichtzahlung von [X.] und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten, Scheck- und Wechselproteste oder Insolvenzanträge von Gläubigern (vgl. zu den [X.] im Einzelnen auch [X.]/Ransiek-Wegner, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., 7. Teil [X.]. Rn. 93; [X.], aaO Rn. 68 mwN).

2. Hieran gemessen tragen die [X.] die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nicht.

a) Soweit die [X.] als ausschlaggebendes wirtschaftskriminalistisches Anzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit wertet, dass im fraglichen Zeitraum Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, liegt dem ein unzutreffender Maßstab zugrunde. Denn es handelt sich insoweit um die Grundsätze zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit durch den Tatrichter bei Insolvenzanfechtung. Denn dies stellt ein Verfahren dar, welches auf eine rückblickende Betrachtung unter Berücksichtigung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung - etwa im Hinblick auf die Verbindlichkeiten - zurückgreifen kann, mithin auf eine prognostische Beurteilung gerade nicht angewiesen ist. Anders verhält es sich aber bei der Frage, ob eine Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a [X.] besteht, da nach den oben dargelegten Maßstäben insoweit eine prognostische Beurteilung erforderlich ist. Auf diesen Unterschied weist der [X.] in der vom [X.] in Bezug genommenen Entscheidung ausdrücklich hin ([X.], Urteil vom 12. Oktober 2006 - [X.] Rn. 28).

Dass im Tatzeitraum „offene Verbindlichkeiten“ bestanden, die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 2009 noch nicht beglichen worden waren, ist daher kein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Annahme des zeitlich vorgelagerten Eintritts der Zahlungsunfähigkeit.

Auch im Weiteren sind keine ausreichend tragfähigen Beweisanzeichen für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit dargelegt. Zwar kann es sich bei Kredit- und Darlehenskündigungen von Banken um ein [X.] handeln, die Kündigung des Darlehens in Höhe von 172.129,21 € durch die [X.] mit Schreiben vom 10. Juni 2009 ist jedoch für sich genommen nicht hinlänglich aussagekräftig, zumal offen bleibt, ob die Forderung beglichen worden ist. Auch ist es nicht ausreichend, dass das [X.] darlegt, die wirtschaftliche Lage sei „angespannt“ gewesen, Außenstände seien sofort eingetrieben worden und „das Geld“ hätte jedenfalls seit April 2009 nicht ausgereicht, „sämtliche Gläubiger der [X.] zu befriedigen“.

b) Soweit das [X.] Ausführungen zu Verbindlichkeiten der [X.]  und ihren Möglichkeiten zur Begleichung derselben macht - was jedoch der Sache nach unter die betriebswirtschaftliche Methode zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit fällt - boten die Feststellungen aber ebenfalls keine hinreichende Grundlage für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit.

aa) Dies gilt schon deswegen, weil die [X.] bei der Darstellung der Verbindlichkeiten nicht deutlich danach unterscheidet, ob es sich um nur bestehende oder auch um fällige Forderungen handelt.

So ist nicht festgestellt, welche konkreten fälligen Forderungen bestanden, die nicht beglichen werden konnten. Die Feststellung, dass nicht „sämtliche Gläubiger“ hätten befriedigt werden können, ersetzt das Erfordernis einer Liquiditätsbilanz nicht. So belegt der von der [X.] ihrer Annahme der Zahlungsunfähigkeit zugrunde gelegte Zahlungsplan vom 8. Juni 2009 gerade nicht ausreichend, dass fällige Forderungen nicht beglichen werden konnten. Danach standen der [X.] an diesem Tag aus dem Eingang von Zahlungen 130.000 € zur Verfügung. Diese wurden aufgewandt, um mehrere fällige Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 111.000 € zu begleichen. Zu einer dieser Teilforderungen in Höhe von 10.000 € ist vermerkt: „Gesamt OP ca. 90.000 €“. Hieraus folgert das [X.] als Beleg für die Zahlungsunfähigkeit, dass zusätzlich zu den 111.000 € weitere 90.000 € nicht beglichen werden konnten. Dass es sich bei diesen 90.000 € um schon fällige und noch nicht - wie z.B. durch die Teilzahlung von 10.000 € - zumindest teilweise beglichene Forderungen handelte, ist dadurch jedoch nicht belegt. Dies - insbesondere im Zusammenhang mit der Zugrundelegung des falschen Maßstabs (vgl. oben a) - vertieft die Besorgnis, dass das [X.] den Aspekt der Fälligkeit im Tatzeitraum nicht ausreichend in den Blick genommen und bestehende Forderungen mit fälligen Forderungen gleich gesetzt hat.

Vor diesem Hintergrund vermag auch die vereinzelte Feststellung, es habe sich bei der dargestellten Entwicklung der Schulden um „fällige Schulden“ gehandelt, die Zahlungsunfähigkeit nicht hinreichend sicher zu belegen. Diesen Feststellungen mangelt es zum einen an einer nachvollziehbaren Grundlage. Hierzu wird nur mitgeteilt, dass die Zahlen aus einer schriftlichen Anfrage an die Gläubiger der [X.] durch den Sachverständigen resultierten. Unklar bleibt jedoch, was genau Inhalt dieser Anfrage war und ob die von den Gläubigern angegebenen Forderungen tatsächlich den Schluss auf die Fälligkeit derselben im Tatzeitraum und nicht lediglich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulassen. Insbesondere lässt sich nicht nachvollziehen, ob eine Stundung (vgl. hierzu [X.]/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 76 Rn. 57 mwN) erfolgte, was angesichts der Feststellungen zumindest teilweise - z.B. hinsichtlich der Gläubiger CO. und [X.].   - durchaus nahe liegt, jedoch vom unzutreffenden Rechtsmaßstab der [X.] aus keine weitere Erörterung erfuhr. Bei gestundeten Forderungen handelt es sich aber nicht um fällige Forderungen im Sinne des § 17 Abs. 2 [X.].

Einen Vergleich der dergestalt „angemeldeten“ Forderungen, die nur in ihrer jeweiligen monatlichen Gesamthöhe mitgeteilt werden und eine weitere [X.]ezifizierung vermissen lassen, mit den Erkenntnissen aus den Insolvenzunterlagen oder den Zahlen aus der Buchhaltung hat das [X.] nicht angestellt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, zumal die vom [X.] dargelegten Erkenntnisschwächen der Buchhaltungsunterlagen nicht auf Verbindlichkeiten der [X.] selbst bezogen sind.

bb) Zudem sind die Feststellungen zu den zur Verfügung stehenden Zahlungsmitteln nicht ausreichend. [X.]s solche kommen nämlich gemäß den oben dargelegten Grundsätzen nicht nur „freie Kreditlinien“ in Betracht, sondern auch anderweitige kurzfristig herbeizuschaffende Finanzmittel.

Deswegen hätte in diesem Zusammenhang erörtert werden müssen, dass ausweislich der Feststellungen zwei Bankkonten im gesamten Tatzeitraum noch relevantes Guthaben aufwiesen, so das Konto bei der [X.].          und das bei der H.                    , welche zusammengenommen ein Guthaben von über 180.000 € im Mai 2009 und von über 160.000 € im Juni 2009 aufwiesen. Zudem wäre in die Betrachtung einzubeziehen gewesen, mit welchen Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb der [X.]  hinreichend sicher stichtagsbezogen zu rechnen war. Denn das [X.] stellt schließlich fest, dass werthaltige Forderungen gegen Kunden der [X.]  in einer Höhe von bis zu 1 Mio. € nicht auszuschließen seien. Auch die Umstände, unter denen die [X.]bereit gewesen wäre, Finanzmittel für die [X.]    zur Verfügung zu stellen („zur Vermeidung einer bilanziellen Überschuldung“, „im ‚Notfall‘“, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe“) wären näher aufzuklären und die gegebenenfalls so ermittelten Beträge in die Gegenüberstellung einzubeziehen gewesen.

III.

Da die Zahlungsunfähigkeit der [X.]nicht ausreichend belegt ist, die Feststellungen zum Betrug aber hieran anknüpfen, war die Verurteilung auch insoweit mit den Feststellungen aufzuheben. Sollte das neue Tatgericht sich abermals davon überzeugen, dass die Bestellungen durch den Angeklagten in der festgestellten Weise, mithin durch die jeweilige Genehmigung der Bestellungen betrügerisch erfolgten, so handelt es sich nicht um die Begehung eines einheitlichen Delikts, sondern um mehrere selbständige Betrugstaten.

IV.

Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubeurteilung zu ermöglichen, hebt der Senat die Feststellungen insgesamt auf, auch wenn diejenigen zur faktischen [X.] (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 23. Januar 2013 - 1 [X.], [X.], 272) für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffen sind.

Das neue Tatgericht wird insbesondere aufzuklären haben, inwieweit die [X.]   zur Nachschießung von finanziellen Mitteln an die [X.]  verpflichtet und hierzu unter Berücksichtigung der 1 Mio. €, die im April bzw. Mai 2009 von der [X.]  an die [X.]    geflossen ist, in der Lage war. [X.] sein wird auch, ob und unter welchen Bedingungen die liquide [X.] zu Zahlungen bereit bzw. verpflichtet war. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 [X.] auf den Antrag des [X.] hin.

Wahl                         [X.]                          [X.]

            Cirener                        [X.]

Meta

1 StR 665/12

21.08.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Landshut, 18. September 2012, Az: 3 KLs 59 Js 32158/09, Urteil

§ 15a Abs 4 InsO, § 17 Abs 2 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.08.2013, Az. 1 StR 665/12 (REWIS RS 2013, 3345)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3345

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 665/12 (Bundesgerichtshof)


5 StR 538/17 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverschleppung: Anforderungen an die Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit


1 StR 456/18 (Bundesgerichtshof)

(Erforderliche Feststellungen bei einer Beitragsvorenthaltung)


4 StR 319/18 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren gegen einen GmbH-Geschäftsführer und Alleingesellschafter wegen Insolvenzverschleppung: Anforderungen an die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und …


3 StR 518/14 (Bundesgerichtshof)

Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung: Wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen für das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit; Nachweis einer Überschuldung der Gesellschaft


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.