Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 22.06.2016, Az. 1 BvR 1643/14

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2016, 9518

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bei unzureichenden Darlegungen zur Wahrung der Zweiwochenfrist (§ 93 Abs 2 S 2 BVerfGG) für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Kenntnis von Fristversäumung einer per Einschreiben mit Rückschein versandten Beschwerdeschrift bereits mit Zugang des Rückscheins


Tenor

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

[X.] nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil sie unzulässig ist und daher keine Aussicht auf Erfolg hat.

2

1. a) Die Verfassungsbeschwerde ist verfristet, weil die Beschwerdeführerin die mit ihr angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen, deren Kenntnis für die verfassungsrechtliche Beurteilung unverzichtbar ist, innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 [X.] weder vorgelegt noch ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben hat (vgl. insoweit [X.] 78, 320 <327>; 88, 40 <45>; 93, 266 <288>; [X.]K 5, 170 <171>).

3

b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Beschwerdeführerin nicht zu gewähren. Sie hat die Frist zur Begründung der Verfassungsbeschwerde zwar unverschuldet versäumt, da die Absendung der vollständigen Verfassungsbeschwerdeschrift einschließlich der angegriffenen Entscheidungen zwei Tage vor Fristablauf im Hinblick auf die für den Normalfall angegebenen Postlaufzeiten keine Verletzung der verfassungsprozessualen Obliegenheiten der Beschwerdeführerin darstellte (vgl. [X.] 40, 42 <45>; 62, 334 <337>; 98, 169 <196 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 5. Juni 2013 - 2 BvR 586/13 -, NVwZ 2013, S. 1207 <1208>).

4

Die Beschwerdeführerin hat jedoch nicht dargelegt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb der Frist gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 [X.] gestellt zu haben. Mangels hinreichender Darlegungen kann nicht geprüft werden, ob die Antragsfrist von zwei Wochen ab Wegfall des Hindernisses eingehalten ist. Die Frist begann hier nicht erst mit dem Zugang des Hinweises des [X.] zu laufen, dass die Verfassungsbeschwerde bis zum Ablauf der Frist zu ihrer Einlegung und Begründung nur unvollständig als Telefax vorlag. Das Hindernis entfällt, wenn es nicht mehr unverschuldet ist und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand damit nicht mehr rechtfertigen kann. Das ist der Fall, sobald ein Beschwerdeführer beziehungsweise sein Bevollmächtigter Kenntnis von der Fristversäumung erhält oder bei Anwendung der von ihm in der konkreten Situation zu erwartenden Sorgfalt hätte haben können und müssen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 11. Januar 1991 - 1 BvR 1435/89 -, NJW 1992, [X.]; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 13. April 1994 - 2 BvR 2107/93 -, NJW 1994, S. 1856 f.; Beschluss der [X.] des [X.] vom 15. September 1998 - 1 BvR 1540/98 -, juris, Rn. 7). Wird wie hier die Versandform des Einschreibens mit Rückschein verwendet, besteht die Möglichkeit einer entsprechenden Kenntniserlangung bereits mit dem Zugang des Rückscheins, da dieser das Datum der Postzustellung ausweist (vgl. insoweit auch [X.], Beschluss vom 14. Dezember 1994 - II R 35/92 -, juris, Rn. 6).

5

Wann ihr der Rückschein zugegangen ist, hat die Beschwerdeführerin nicht mitgeteilt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann ihr daher nicht gewährt werden. Denn hierfür müssen innerhalb der Frist des § 93 Abs. 2 Satz 2 [X.] alle insoweit relevanten Tatsachen - sofern sie nicht offenkundig sind - mitgeteilt werden. Lediglich deren Glaubhaftmachung kann gemäß § 93 Abs. 2 Satz 3 [X.] auch noch während des weiteren Verfahrens erfolgen (vgl. [X.]K 9, 242 <244>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 5. Oktober 1995 - 1 BvR 1566/95 -, juris, Rn. 1; Beschluss der [X.] des [X.] vom 15. September 1998 - 1 BvR 1540/98 -, juris, Rn. 6). Zu den hiernach [X.] Tatsachen gehören auch diejenigen, aus denen sich ergibt, dass der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt wurde (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 30. März 1995 - 2 BvR 2119/94 -, NJW 1995, [X.]). Dies darzulegen hat die Beschwerdeführerin versäumt. Dass der Antrag rechtzeitig gestellt worden wäre, ist auch nicht nach Aktenlage offensichtlich. Vielmehr spricht mit Blick auf die gewöhnlichen Postlaufzeiten eine Vermutung dafür, dass den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin der Rückschein so frühzeitig erreicht hat, dass der Wiedereinsetzungsantrag verspätet war.

6

2. Im Übrigen kommt eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung unabhängig von ihrer Verfristung auch deshalb nicht in Betracht, weil [X.] nach § 93a Abs. 2 [X.] nicht vorliegen.

7

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1643/14

22.06.2016

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 1. April 2014, Az: 21 ZB 14.178, Beschluss

§ 93 Abs 1 S 1 BVerfGG, § 93 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 93 Abs 2 S 2 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 22.06.2016, Az. 1 BvR 1643/14 (REWIS RS 2016, 9518)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9518

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2 BvR 586/13

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