Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.02.2020, Az. 30 W (pat) 809/18

30. Senat | REWIS RS 2020, 38

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Gegenstand

Designbeschwerdeverfahren – Nichtigkeitsverfahren - "Fahrradsattel" – zur Frage, ob ein Bauelement eines komplexen Erzeugnisses bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt – Unterscheidung Sichtbarkeit und Einsehbarkeit – Erfordernis, dass das Bauelement während des bestimmungsgemäßen Gebrauchs optisch wahrgenommen werden kann – die Unterseite eines Fahrradsattels ist bei bestimmungsgemäßem Gebrauch des Fahrrads als Fortbewegungsmittel nicht sichtbar


Leitsatz

Fahrradsattel

1. Für die Frage, ob ein Bauelement eines komplexen Erzeugnisses bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt, ist ausschließlich auf den Zustand abzustellen, in dem das Bauelement in das komplexe Erzeugnis eingefügt, d.h. eingebaut ist.

2. Ein in ein komplexes Erzeugnis eingefügtes Bauelement ist nicht schon dann „sichtbar“, wenn es „einsehbar“ ist. Erforderlich ist vielmehr, dass das Bauelement gerade während des bestimmungsgemäßen Gebrauchs seitens des Endbenutzers oder auch Dritter optisch wahrgenommen werden kann.

3. In diesem Sinne ist die Unterseite eines Fahrradsattels bei bestimmungsgemäßem Gebrauch des Fahrrads, d.h. während dessen Nutzung als Fortbewegungsmittel, weder für den Endbenutzer noch für Dritte sichtbar.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Design 40 2011 004 383 – 0001

(hier: [X.] 45/16)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 27. Februar 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

[X.] Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Designabteilung 3.5 des [X.] vom 9. August 2018 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das eingetragene Design 40 2011 004 383 - 0001 nichtig ist.

I[X.] Es wird festgestellt, dass der Beitritt der Frau P… zum

Verfahren unwirksam ist.

II[X.] Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt. Die Kosten des Beitritts trägt die [X.].

[X.] Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des eingetragenen Designs

2

40 2011 004 383-0001 mit dem Anmeldetag 9. September 2011. Das Design wurde am 3. November 2011 mit folgender einziger Darstellung

Abbildung

3

in das [X.] eingetragen. Als Erzeugnis ist „Sättel für Fahrräder oder Motorräder“ erfasst.

4

Gegen dieses eingetragene Design haben der Rechtsvorgänger der vormaligen Antragstellerin zu 1 sowie die vormalige Antragstellerin zu 2 und jetzige allein im Verfahren verbliebene Antragstellerin und Beschwerdeführerin mit getrennten, jeweils am 27. Juli 2016 beim [X.] ([X.]) eingegangenen Schriftsätzen einen auf den [X.] der fehlenden Neuheit/ Eigenart (§ 2 [X.]) gestützten Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit gestellt.

5

Zur Begründung ihrer Nichtigkeitsanträge haben sie vorgetragen, dass das angegriffene Design gegenüber dem vorbekannten [X.] nicht neu sei und auch die Eigenart fehle. Vor allem sei es aber auch nach § 4 [X.] vom Designschutz ausgeschlossen, da es als Bauelement der komplexen Erzeugnisse „Fahrrad“ bzw. „Motorrad“ bei deren bestimmungsgemäßer Verwendung nicht sichtbar sei. Ein Sattel werde bei bestimmungsgemäßer Verwendung in dem Erzeugnis, in das er eingebaut werde (Fahrrad bzw. Motorrad) nur von oben, möglicherweise auch von der Seite, aber niemals von unten sichtbar. Ein Ab- und Aufmontieren des Sattels sei dabei nicht zu berücksichtigen, da es sich dabei um für eine bestimmungsgemäße Verwendung nicht relevante Maßnahmen der Instandhaltung, Wartung und Reparatur handele. Zudem wäre beim Ab- und Aufmontieren die Sicht auf das Design durch Klemm- bzw. Schraubschellen verdeckt.

6

Die Anträge sind der [X.] jeweils durch Übergabeeinschreiben vom 22. August 2016 zugestellt worden. Die [X.] hat den Anträgen jeweils mit Schreiben vom 15. September 2016, eingegangen per Fax am selben Tag, widersprochen.

7

Sie hat geltend gemacht, dass das angegriffene Design bei bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar sei, § 4 [X.] daher keine Anwendung finde.

8

Am 26. September 2016 ist der Rechtsvorgänger der vormaligen Antragstellerin zu 1 verstorben. Diese hat das danach ausgesetzte [X.] am 20. Dezember 2016 aufgenommen.

9

Die unter den Aktenzeichen N 45/16 und [X.] zunächst getrennt geführten [X.] hat die Designabteilung 3.5 mit Beschluss vom 5. September 2017 unter dem Verfahren N 45/16 als leitendem Verfahren verbunden.

Die Designabteilung hat nach Durchführung des [X.]s mit Beschluss vom 9. August 2018 die Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit zurückgewiesen.

Die zulässigen Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit des streitgegenständlichen eingetragenen Designs, denen die Antragsgegnerin rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 34a Abs. 2 [X.] widersprochen habe, seien in der Sache unbegründet.

Das angegriffene Design sei neu und eigenartig [X.]. § 2 [X.]. Insbesondere bestehe kein [X.] nach § 4 [X.].

Zwar handele es sich bei dem das angegriffene Design aufnehmenden Erzeugnis, nämlich einem Fahrrad- bzw. Motorradsattel, um ein Bauelement eines komplexen Erzeugnisses iS des § 4 [X.], nämlich eines Fahrrads bzw. Motorrads. Denn ein Sattel sei über das Sattelrohr entweder in den Fahrradrahmen fest eingeklemmt (und dann ohne Werkzeug herausnehmbar) oder aber mit diesem fest verschraubt. Auch nach der Verkehrsauffassung werde ein Sattel als Bauelement eines Fahrrads oder Motorrads verstanden, weil diese ohne Sattel nicht fahrtüchtig seien. Zudem sei der Sattel auch kein geringwertiger Bestandteil von deutlich kürzerer Lebensdauer und er sei auch kein Verbrauchsgut.

Einer Anwendung des § 4 [X.] stehe jedoch entgegen, dass die designgegenständliche Unterseite eines [X.] bei bestimmungsgemäßer Verwendung des komplexen Erzeugnisses sichtbar bleibe.

Zur bestimmungsgemäßen Verwendung jedenfalls des komplexen Erzeugnisses „Fahrrad“ zähle vorliegend neben dem Fahren, dem Auf- und Absteigen sowie dem Auf- und Absperren auch ein Ab- und Aufmontieren des Sattels durch den Fahrer des Fahrrades als „[X.]“, jedenfalls soweit es nicht zum Zwecke der Instandhaltung, Wartung oder Reparatur geschehe, sondern zum Schutz gegen Diebstahl erfolge oder zwecks Austausches eines funktionstüchtigen Sattels gegen einen Sattel, der besser passe, gefalle oder hochwertiger sei (Produktverbesserung). Denn dies sei nach allgemeinem Sprachverständnis weder eine Instandhaltung noch eine Wartung noch eine Reparatur. Durch einen solchen Austausch des Sattels werde der Sinn und Zweck von § 4 [X.], der darin bestehe, den Markt für Ersatzteile komplexer Erzeugnisse von Monopolen der Hersteller des komplexen Erzeugnisses freizuhalten, nicht tangiert. Zudem sei das Ab- und Aufmontieren eines Sattels zum Diebstahlsschutz jedenfalls bei hochwertigen Fahrrädern ein so alltäglicher Vorgang, dass ihn auch die Verkehrsauffassung als bestimmungsgemäße Verwendung eines Fahrrads ansehe.

Beim Ab- und Aufmontieren und auch beim Tragen des Sattels werde die Unterseite des Sattels jedoch regelmäßig sichtbar. Jedenfalls soweit dünne Klemm- oder Schraubschellen zur Befestigung am Sattelrohr verwendet würden, sei der Blick auf die Unterseite des Sattels auch dann kaum beeinträchtigt, wenn der Sattel – wie beim Abnehmen zum Diebstahlsschutz regelmäßig üblich – zusammen mit dem Sattelrohr aus dem Rahmen genommen werde.

Die [X.] müsse daher bei der Prüfung der Neuheit und Eigenart des angegriffenen Designs berücksichtigt werden.

Ausgehend davon stünde der Neuheit und der Eigenart des angegriffenen Designs [X.]. § 2 [X.] kein älteres Design entgegen.Die zehn Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 00245741-0001 bis -0010 könnten die Neuheit und die Eigenart des angegriffenen Designs offensichtlich nicht in Frage stellen, da kein Design dieser Sammelanmeldung die Unteransicht eines Sattels zeige.

Der Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 14. August 2018 zugestellt. Diese haben mit einem am 3. September 2018 vorab per Telefax dem [X.] übermittelten Schriftsatz gegen den vorgenannten Beschluss „namens und im Auftrag der Antragsteller“ Beschwerde eingelegt. Der Rechtspfleger hat die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller mit Verfügung vom 20. November 2018 darauf hingewiesen, dass ausweislich der Zahlungsanzeige vom 7. September 2018 lediglich eine [X.] für die im Rubrum des angefochtenen Beschlusses als „Antragstellerin zu 2“ bezeichnete Antragstellerin und Beschwerdeführerin eingezahlt worden sei, nicht jedoch für die im Rubrum aufgeführte Antragstellerin zu 1., so dass deren Beschwerde als nicht eingelegt zu gelten habe. Eine entsprechende Mitteilung wurde auch der Inhaberin des angegriffenen Designs zugestellt.

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2018 hat der Rechtspfleger festgestellt, dass die Beschwerde der vormaligen Antragstellerin zu 1., Frau [X.], gegen den

Beschluss der Designabteilung 3.5 des [X.]s als nicht eingelegt gelte.

Zur Begründung der Beschwerde macht die im Verfahren verbliebene Antragstellerin und Beschwerdeführerin geltend, dass es dem angegriffenen Design, dessen Gegenstand entgegen der Angabe im Register nicht ein „Sattel für Fahrräder oder Motorräder“, sondern ausschließlich die Unterseite eines solchen Sattels sei, an den [X.] der Neuheit und Eigenart fehle, und zwar nicht nur im Hinblick auf den vorbekannten [X.], sondern vor allem auch unter Berücksichtigung von § 4 [X.].

Bei Fahrrädern bzw. Motorrädern, für die Sättel nach dem [X.] gedacht seien und auf die sie montiert würden, handele es sich um komplexe Erzeugnisse im Sinne des § 1 Nr. 3 [X.]. Bei deren bestimmungsgemäßer Verwendung sei die den Gegenstand des Designs bildende Unterseite eines Sattels für Fahr- und/ oder Motorräder nicht sichtbar und daher gemäß § 4 [X.] einem Designschutz nicht zugänglich.

Bestimmungsgemäße Verwendung eines Fahrrads oder eines Motorrads durch den [X.] iS von § 1 Nr. 4, § 4 [X.] sei entgegen der Auffassung der Designabteilung allein das Fahren mit dem Fahrrad oder Motorrad, jedoch nicht das Auf- und/oder Abmontieren von einzelnen seiner Bestandteile. Daher könne weder eine Demontage eines funktionstüchtigen Sattels, um ihn gegen einen anderen Sattel auszutauschen, der besser passe/gefalle oder hochwertiger sei, noch ein Auf- und/oder Abmontieren eines Sattels zum Zwecke des Schutzes gegenüber Diebstählen als „bestimmungsgemäße Verwendung“ angesehen werden.

Dies gelte auch für eine Aufbewahrung und Lagerung jedenfalls eines Fahrrades [X.] in der Wohnung, der Überwindung von Hindernissen durch Tragen oder dem Transport eines Fahrrades im öffentlichen Nahverkehr. Diese hätten ebenfalls nichts mit der Verwendung des Fahrrades als Fortbewegungsmittel zu tun, so dass es bereits aus diesem Grunde nicht darauf ankomme, ob die Unterseite eines Sattels dabei sichtbar werde.

Bei einem danach als bestimmungsgemäße Verwendung des komplexen Erzeugnisses Fahrrad/Motorrad allein anzusehenden Fahren mit dem Fahrrad oder Motorrad sitze der Nutzer auf dem Sattel, so dass noch nicht einmal die [X.], auf der er sitze, geschweige denn die Unterseite des Sattels zu erkennen sei. Selbst bei einem Schieben des Fahrrads oder des Motorrads – so dies überhaupt als bestimmungsgemäße Verwendung angesehen werden könne – sei die [X.] nicht sichtbar.

Zudem erfolge das Ab- und Aufmontieren eines Sattels regelmäßig samt Sattelrohr, was zwangsläufig zur Folge habe, dass der Blick auf die [X.] auch wegen der der Befestigung dienenden Klemm- bzw. Schraubschellen weitgehend versperrt sei.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss der Designabteilung 3.5 des [X.]s vom 9. August 2018 aufzuheben und die Nichtigkeit des eingetragenen Designs 40 2011 004 383 – 0001 festzustellen.

Die Inhaberin des angegriffenen Designs beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie vertritt zunächst die Auffassung, dass die Beschwerde der Antragstellerin unzulässig sei, da diese die mit Einlegung der Beschwerde fällige Gebühr nicht entrichtet habe. Die lediglich einmal eingezahlte [X.] sei mangels Angaben zur Zuordnung der eingezahlten Gebühr der im Rubrum des angefochtenen Beschlusses an erster Stelle genannten Antragstellerin zu 1., Frau [X.], zuzuord-

nen, nicht jedoch der im Verfahren verbliebenen Antragstellerin, so dass deren Beschwerde mangels rechtzeitiger Einzahlung der [X.] als unzulässig zu gelten habe. Unerheblich sei insoweit die Zuordnung der [X.] zur Antragstellerin zu 2. durch den Rechtspfleger, da dieser insoweit keine eigene Auswahlentscheidung treffen könne.

In der Sache macht sie geltend, dass die „bestimmungsgemäße Verwendung“ eines Fahrrads bzw. des [X.] nicht darauf beschränkt werden könne, dass der Fahrradfahrer auf dem Sattel sitze und das Fahrrad fahre. Vielmehr sei in diesem Zusammenhang die Lagerung des Fahrrades im Haus oder in der Wohnung ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass bei Nutzung des Fahrrades gelegentlich Hindernisse oder auch Treppen durch Anheben und Tragen des Fahrrades überwunden werden müssten. Dies gelte insbesondere im Sportbereich. Zu beachten sei auch die Nutzung des Fahrrades im öffentlichen Nahverkehr, wo insbesondere Falt- und Klappräder gebräuchlich seien, sowie das Sichern des Fahrrades vor Beendigung der Verwendung, bei der es häufig zu einem von der Designabteilung erwähnten Abmontieren des Sattels zum Schutz vor Diebstahl komme. Bei all diesen Verwendungsmöglichkeiten blieben die die Neuheit und Eigenart begründenden Merkmale des [X.]s sichtbar.

Nicht zuletzt werde die Gestaltung einer [X.] von den Herstellern auch regelmäßig als Verkaufsargument eingesetzt. Entsprechend prominent würden Detailabbildungen der [X.] bei Werbung und Vermarktung herausgestellt.

Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2019 hat die vormalige Antragstellerin zu 1., Frau [X.], ihren Beitritt zum Verfahren erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. Beschwerdegegenständlich ist allein die Beschwerde der vormaligen Antragstellerin zu 2., welche als alleinige Antragstellerin und Beschwerdeführerin im Verfahren verblieben ist. Denn hinsichtlich der Beschwerde der vormaligen Antragstellerin zu 1. ist durch Beschluss des [X.] vom 18. Dezember 2018 festgestellt worden, dass diese mangels Einzahlung der Beschwerdegebühr als nicht eingelegt gilt. Da die vormalige Antragstellerin zu 1. gegen diesen Beschluss keine Erinnerung eingelegt hat, ist sie nicht mehr verfahrensbeteiligt, und zwar ungeachtet der – allerdings gegebenen – sachlichen Richtigkeit des Beschlusses des [X.] vom 18. Dezember 2018 und der Frage der Wirksamkeit und Zulässigkeit der Beschwerde der im Verfahren verbliebenen Antragstellerin und Beschwerdeführerin.

Soweit die vormalige Antragstellerin zu 1. im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 28. Juni 2019 ihren Beitritt zum vorliegenden Verfahren erklärt hat, ist dieser unwirksam. Ein Beitritt zu einem [X.] ist nur unter den Voraussetzungen des § 34c [X.] wirksam. Diese liegen nicht vor. Zum einen ist die Antragsbefugnis nach § 34c Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 [X.] nicht glaubhaft gemacht worden. Voraussetzung für einen wirksamen Beitritt ist nach § 34c Abs. 2 Satz 1 i.V.m. mit § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] zudem ein eigener Nichtigkeitsantrag. Daran fehlt es ebenfalls.

Es ist daher festzustellen, dass der Beitritt nicht wirksam ist.

B. Die Beschwerde der allein im Verfahren verbliebenen Antragstellerin ist entgegen der Auffassung der Inhaberin des angegriffenen Designs wirksam eingelegt worden, da die mit Einlegung der Beschwerde nach § 3 Abs. 1 PatKostG fällige und gemäß § 23 Abs. 4 Satz 4 [X.] i.V.m. § 73 Abs. 2 Satz 1 [X.], § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist zu zahlende Beschwerdegebühr seitens der Antragstellerin und Beschwerdeführerin entrichtet worden ist.

Soweit die Inhaberin des angegriffenen Designs geltend macht, dass die seitens der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin eingelegte Beschwerde unzulässig sei bzw. als nicht eingelegt zu gelten habe, weil die [X.] lediglich einmal, und zwar mangels Angaben zur Zuordnung der [X.] für die vormalige Antragstellerin zu 1. eingezahlt worden sei, trifft dies nicht zu.

Zwar wurde zu der von beiden vormaligen Antragstellern fristgerecht eingelegten Beschwerde die [X.] nur einmal und damit nicht wie erforderlich der Anzahl der Beschwerdeführer entsprechend eingezahlt (vgl. [X.], 1255 [X.]. 11 – [X.]). Die eingezahlte [X.] ist jedoch entgegen der Auffassung der Inhaberin des angegriffenen Designs im vorliegenden Fall nicht deswegen der vormaligen Antragstellerin zu 1. zuzuordnen, weil Angaben zur Person des Einzahlenden fehlen und daher nach der Rechtsprechung des [X.] die Gebühr dem an erster Stelle im Rubrum aufgeführten Beteiligten, nämlich der vormaligen Antragstellerin zu 1., zuzuordnen ist (vgl. dazu [X.], 1286 [X.]. 30 – Mehrschichtlager). Vielmehr wurde – worauf der Rechtspfleger auch die Inhaberin des angegriffenen Designs mit Verfügung vom 20. November 2018 hingewiesen hat – die [X.] ausweislich der Zahlungsanzeige ausdrücklich für die Antragstellerin und Beschwerdeführerin eingezahlt. Die eingezahlte [X.] ist daher seitens des [X.] zutreffend dieser Beteiligten zugeordnet worden (vgl. [X.], 1286 [X.]. 27 – Mehrschichtlager).

Weitere Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde der im Verfahren verbliebenen Antragstellerin und Beschwerdeführerin bestehen nicht.

C. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Denn der auf die absoluten Nichtigkeitsgründe der fehlenden Neuheit bzw. Eigenart (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 2, 3 [X.]) gestützte Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des eingetragenen Designs ist zulässig und entgegen der Auffassung der Designabteilung auch begründet. Das eingetragene Design 40 2011 004 383 – 0001 ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 nichtig, weil es über keine Neuheit und/oder Eigenart iS von § 2 Abs. 3 [X.] verfügt. Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Nichtigkeit des angegriffenen Designs festzustellen (§ 33 Abs. 3 [X.]).

1. Über die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der fehlenden Neuheit/Eigenart ist in der Sache zu befinden, nachdem die Antragsgegnerin dem zulässigen Nichtigkeitsantrag, welcher ihr durch Übergabeeinschreiben vom 22. August 2018 zugestellt wurde, mit einem beim [X.] am 15. September 2016 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 34a Abs. 2 [X.] eingegangenen Schriftsatz widersprochen hat.

2. Zugunsten der [X.] kann zunächst ohne abschließende Sachprüfung unterstellt werden, dass der aus der als Design hinterlegten einzigen Abbildung

Abbildung

sich ergebende Gegenstand hinreichenden Abstand zum vorbekannten [X.] einhält.

Zudem sind seitens der Antragstellerin keine Entgegenhaltungen in das vorliegende [X.] eingeführt worden, entgegen der Auffassung der Designabteilung insbesondere auch nicht die Gemeinschaftsgeschmacksmuster 00245741 – 0001 bis – 0010: Diese werden lediglich in dem als Anlage Ast 1 zum Nichtigkeitsantrag eingereichten Beschluss des [X.] vom 22.06.2016 ([X.].: 2-06 O 58/16) erwähnt. Die Antragstellerin hat diese jedoch zu keinem Zeitpunkt selbst in das [X.] eingeführt, sondern ihren Antrag allein und ausschließlich damit begründet, dass es dem angegriffenen Design an Neuheit/Eigenart fehle, weil der Gegenstand des Designs als Bauelement eines komplexen Erzeugnisses bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung nicht sichtbar sei und daher einem Schutzausschluss nach § 4 [X.] unterliege. Da es nach § 34a Abs. 1 Satz 2 [X.] i. V. m. § 21 Abs. 2 Nr. 4 [X.] dem Antragsteller obliegt, die Übereinstimmung und/oder den übereinstimmenden Gesamteindruck mit einer vorbekannten Gestaltung darzulegen und zu beweisen, (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 6. Aufl. 2019, § 2 [X.]. 67; § 34a [X.]. 23), besteht insoweit auch grundsätzlich kein Anlass, die in dem vorgenannten Beschluss des [X.] erwähnten Gemeinschaftsgeschmacksmuster von Amts wegen aufzugreifen.

Letztlich kann dies aber offenbleiben. Denn auch bei einem hinreichenden Abstand zum vorbekannten [X.] fehlt es dem eingetragenen Design an Neuheit und Eigenart, weil es jedenfalls in seiner möglichen Erscheinungsform als Unterseite eines [X.] gemäß § 4 [X.] vom Designschutz ausgeschlossen ist.

3. Nach § 4 [X.] gilt ein Design, das bei einem Erzeugnis, das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses ist, benutzt oder in dieses Erzeugnis eingefügt wird, nur dann als neu und hat nur dann Eigenart, wenn das Bauelement, das in ein komplexes Erzeugnis eingefügt ist, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt und diese sichtbaren Merkmale des Bauelements selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen.

a. Die Schutzbeschränkung nach § 4 [X.] findet im vorliegenden Fall Anwendung. Denn das angegriffene Design kann in seiner naheliegenden Erscheinungsform als Unterseite eines [X.] bei einem Erzeugnis benutzt werden, welches als Bauelement in ein komplexes Erzeugnis eingefügt werden kann.

„Bauelemente“ eines „komplexen Erzeugnisses“ sind verschiedene Einzelteile, die zu einem komplexen industriellen oder handwerklichen Gegenstand zusammengebaut werden sollen und sich ersetzen lassen, so dass ein solcher Gegenstand auseinander- und wieder zusammengebaut werden kann, und deren Fehlen dazu führen würde, dass das komplexe Erzeugnis nicht bestimmungsgemäß verwendet werden kann (vgl. zu Art. 3 Buchst. c GGV EuGH GRUR 2018, 284 Rn. 65 – [X.]/ [X.]; [X.], Urt. v. 30. Januar 2020, I ZR 1/19 – Front kit, veröffentlicht auf der Internetseite des [X.]). Ob ein komplexes Erzeugnis vorliegt, bestimmt sich somit danach, ob die einzelnen Bauelemente untereinander eine Funktionseinheit bilden (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO., § 1 [X.]. 52).

Davon kann bei einem Fahrrad, welches aus einer Vielzahl einzelner, austauschbarer bzw. ersetzbarer und zueinander in einer Funktionseinheit stehender Bauelemente wie [X.] Rahmen, Räder, Schaltung besteht, ohne weiteres ausgegangen werden. Ein Bauelement eines Fahrrades ist auch ein regelmäßig über ein Sattelrohr mit dem Fahrrad fest verbundener, jedoch ohne weiteres austauschbarer Sattel. Dieser bildet auch eine Funktionseinheit mit dem komplexen Erzeugnis „Fahrrad“, da ein Fahrrad ohne Sattel nicht seiner Bestimmung entsprechend als Fortbewegungsmittel genutzt werden kann.

Unerheblich ist, dass das verfahrensgegenständliche Design nur einen Teil der Erscheinungsform des Bauelements „Fahrradsattel“, nämlich dessen Unterseite, wiedergibt. Denn auch ein lediglich einen Teil eines Bauelements (eines komplexen Erzeugnisses) wiedergebendes Design ist als „Teil eines Erzeugnisses“ iS von § 1 Nr. 1 [X.] nur dann einem Designschutz zugänglich, wenn die schutzbegründenden Merkmale des designgegenständlichen Teils des Bauelements nach dessen Einfügung in das komplexe Erzeugnis bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleiben.

b. Die designgegenständliche Unterseite eines [X.] ist entgegen der Auffassung der Designabteilung als Teil eines in das komplexe Erzeugnis „Fahrrad“ eingefügten Bauelements bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung auch nicht sichtbar.

aa. So kann zunächst eine schutzbegründende Sichtbarkeit der Unterseite des [X.] nicht damit begründet werden, dass jedenfalls bei einer Abnahme der Sattelstütze mit darauf montiertem Sattel [X.] zum Zwecke des Austauschs gegen einen anderen Sattel („Produktverbesserung“) oder auch aus Gründen des Diebstahlschutzes eine Sicht auf die Unterseite eröffnet sei.

Denn nach § 4 [X.] sind von vornherein nur solche Bauelemente einem Designschutz zugänglich, die nach Einbau/Einfügung in das komplexe Erzeugnis als dessen Bestandteil sichtbar bleiben. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 4 [X.], wonach ein in ein Bauelement aufgenommenes Design nur dann als neu und eigenartig gilt, „wenn das Bauelement, das in ein komplexes Erzeugnis eingefügt ist, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt“. Ein Bauelement ist in ein komplexes Erzeugnis eingefügt, wenn es Bestandteil dieses Erzeugnisses ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO., § 4 [X.]. 4). Zwingend erforderlich ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 [X.] daher, dass ein in dem komplexen Erzeugnis eingefügtes und verbautes Bauelement als dessen Bestandteil bei bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt; hingegen kann eine erst durch oder bei Trennung des Bauelements von dem komplexen Erzeugnis sich eröffnende Sicht keine einem Schutzausschluss nach § 4 [X.] entgegenwirkende Sichtbarkeit begründen.

Letzteres ist aber der Fall, wenn die Unterseite des [X.] erst mit dessen Ausbau zum Zwecke des Austauschs oder des [X.] und damit zu einem Zeitpunkt, in dem das Bauelement „Fahrradsattel“ nicht mehr – wie es § 4 [X.] erfordert – in das komplexe Erzeugnis „eingefügt ist“, sichtbar wird. Eine sich (erst) infolge Demontage bzw. Abnahme des Sattels eröffnende Sicht auf die Unterseite des Sattels kann daher ungeachtet der Frage, ob es sich dabei überhaupt um eine „bestimmungsgemäße Verwendung“ des komplexen Erzeugnisses „Fahrrad“ handelt, nicht die für einen Schutz eines Bauelements erforderliche „Sichtbarkeit“ begründen.

Dies gilt auch für eine vor Einbau des Bauelements in das komplexe Erzeugnis mögliche Erkennbarkeit der Unterseite und eine damit verbundene „Sichtbarkeit“, wie es [X.] bei einem Kauf eines [X.] als Einzelteil der Fall ist, da es auch in diesem Fall an einer für einen Schutz nach § 4 [X.] erforderlichen Sichtbarkeit des in ein komplexes Erzeugnis eingefügten Bauelements fehlt.

In danach für die Beurteilung der Sichtbarkeit allein maßgeblichem eingebautem bzw. „eingefügtem“ Zustand ist die Unterseite eines [X.] jedoch bei „bestimmungsgemäßer Verwendung“ des Fahrrades nicht sichtbar.

bb. Maßgeblich für die Frage einer „Sichtbarkeit“ des Bauelements ist dabei nicht die „bestimmungsgemäße Verwendung“ des Bauelements, sondern des komplexen Erzeugnisses (Fahrrad). Als „bestimmungsgemäße Verwendung“ gilt gemäß § 1 Nr. 4 [X.] die Verwendung durch den [X.], ausgenommen Maßnahmen der Instandhaltung, Wartung oder Reparatur. „[X.]“ iS des § 1 Nr. 4 [X.] ist dabei vorliegend (allein) der Fahrer eines Fahrrades – worauf auch die Designabteilung zutreffend abstellt – nicht hingegen ein Dritter, welcher sich ein Fahrrad [X.] interessehalber betrachtet oder ein „Mitfahrer“, da ein Fahrrad grundsätzlich bestimmungsgemäß nur für die Nutzung durch eine Person vorgesehen ist.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob es für den Schutz eines Bauelements nach § 4 [X.] allein auf die Sichtbarkeit für den [X.] ankommt oder ob insoweit auch die Sichtbarkeit des Bauelements durch einen [X.] (bei bestimmungsgemäßer Verwendung des komplexen Erzeugnisses durch den [X.]) einem Schutzausschluss entgegenwirkt. Diese – soweit ersichtlich – bisher in der Rechtsprechung nicht geklärte Frage kann vorliegend jedoch offenbleiben, da die designgegenständliche Unterseite eines [X.] bei bestimmungsgemäßer Verwendung des komplexen Erzeugnisses „Fahrrad“ durch den [X.] weder für diesen noch für einen [X.] „sichtbar bleibt“.

cc. Allerdings würde es für eine schutzbegründende „Sichtbarkeit“ nach dem Wortlaut des § 4 [X.] auf Grundlage eines nach dem Bedeutungs- und Sinngehalt möglichen Verständnisses von „sichtbar“ iS von „einsehbar“ genügen, dass die Unterseite eines [X.], die in aller Regel offen ist und nicht abgedeckt wird, anders als ein vollständig in ein komplexes Erzeugnis verbautes Bauelement ohne weitere Aus- oder Umbaumaßnahmen insbesondere auch bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung durch einen einfachen Blick „von unten“ ganz oder zumindest zu einem großen Teil äußerlich „einsehbar“ bleibt. Die Schutzbeschränkung des § 4 [X.] wäre bei einem solchen, nach dem Kenntnisstand des Senats in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher weder angenommenen noch ausgeschlossenen, Verständnis von vornherein nur auf vollständig oder zumindest teilweise verbaute und insoweit äußerlich nicht mehr einsehbare Bauelemente anwendbar.

Zu bedenken ist nach Auffassung des Senats aber, dass § 4 [X.] eine Sonderregelung darstellt, bei der nicht auf den Gegenstand der Anmeldung und damit die Sichtbarkeit der darin sichtbar wiedergegebenen Merkmale, sondern auf die Verwendung eines designmäßigen Erzeugnisses abgestellt wird (vgl. [X.]/ [X.]/[X.]/[X.], aaO., § 4 [X.]. 5). Vor diesem Hintergrund ist dann aber eine Auslegung des § 4 [X.] dahingehend geboten, dass es für den Schutz eines Bauelements nicht allein genügt, dass dieses äußerlich „einsehbar“ ist, sondern erforderlich ist, dass das entsprechende Bauelement im Rahmen der bei einer bestimmungsgemäßen Verwendung durch den [X.] anfallenden Benutzungshandlungen für diesen oder auch für einen [X.] „sichtbar“ bleibt. Daher unterliegen auch nach Einfügung in ein komplexes Erzeugnis „einsehbare“ Bauelemente einem Schutzausschluss nach § 4 [X.], wenn sie bei bestimmungsgemäßer Verwendung durch den [X.] für diesen oder ggf. für einen [X.] nicht sichtbar bleiben.

Maßgebend ist somit, ob im Rahmen einer bestimmungsgemäßen Verwendung durch den [X.] des Fahrrades eine Sicht auf die Unterseite eines [X.] veranlasst ist bzw. diese mit sich bringt. Dies ist aber nicht der Fall.

dd. Wie bereits dargelegt, gilt als „bestimmungsgemäße Verwendung“ gemäß § 1 Nr. 4 [X.] die Verwendung durch den [X.], ausgenommen Maßnahmen der Instandhaltung, Wartung oder Reparatur. Entgegen der Auffassung der Designabteilung kann danach nicht jede Verwendung durch den [X.], die keine Maßnahme zur Instandhaltung, Wartung oder Reparatur darstellt, als bestimmungsgemäße Verwendung iS von §§ 1 Nr. 4, 4 [X.] angesehen werden. Vielmehr ist mit dieser Definition einer bestimmungsgemäßen Verwendung lediglich klargestellt, dass es auf die Verwendung durch den [X.] ankommt und Instandhaltungs-, Wartungs- oder Reparaturarbeiten nicht einer „bestimmungsgemäßen Verwendung“ zuzurechnen sind.

Ausgehend von der begrifflichen Bedeutung des Adjektivs „bestimmungsgemäß“ iS von „der Bestimmung entsprechend“ ist die „bestimmungsgemäße Verwendung“ aus der Sicht des Herstellers zu definieren, der ein Erzeugnis einem bestimmten Zweck widmet. Maßgebend für eine „bestimmungsgemäße Verwendung“ eines komplexen Erzeugnisses ist daher, wozu dieses bestimmt ist.

Danach stellt zunächst die Benutzung eines Fahrrades als Fortbewegungsmittel und damit der [X.] eine „bestimmungsgemäße Verwendung“ dar. Denn die Bestimmung eines Fahrrades besteht darin, durch einen Benutzer als Fortbewegungsmittel genutzt zu werden, d.h. gefahren zu werden. Allerdings ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin eine „bestimmungsgemäße Verwendung“ nicht auf die Betätigung des Fahrrades als Fortbewegungsmittel und damit die Durchführung des [X.]s durch den Fahrer zu beschränken. Denn dies hätte zur Folge, dass auch die Oberseite des Bauelements „Fahrradsattel“ möglicherweise einem Designschutz nicht zugänglich wäre, da der Fahrer während der Durchführung der Fahrt auf diesem Sattel sitzt. Dies legt aber nahe, als bestimmungsgemäße Verwendung auch Handlungen und Maßnahmen anzusehen, die zur Aufnahme und Beendigung der Nutzung als Fortbewegungsmittel erforderlich sind, nämlich das Auf- und Absteigen vom Fahrrad.

Letztlich kann dies zugunsten der [X.] auch unterstellt werden. Denn sowohl beim [X.] selbst als auch beim Auf- und Absteigen vom Fahrrad ist die Unterseite des Sattels für den Fahrer als [X.] (oder auch für Dritte) nicht erkennbar, da sie vollständig von der Oberseite und den Seitenteilen des Sattels verdeckt ist und somit nicht ins Blickfeld eines Fahrers (oder Dritter) gerät, demnach nicht „sichtbar“ iS von § 4 [X.]. „Sichtbar“ wird die Unterseite eines Sattels bei diesen Handlungen vielmehr allein durch einen Blick „von unten“. Dazu besteht aber seitens eines Fahrradfahrers als [X.] weder beim Auf- und Absteigen noch während der Fahrt Veranlassung bzw. die Möglichkeit; es sei denn, dies ist aus Gründen der Instandhaltung, Wartung und/oder Reparatur wie [X.] Festschrauben eines Sattels, „Umdrehen“ des Fahrrades zwecks Reparatur o.ä. veranlasst. Solche Maßnahmen der Instandhaltung, Wartung und/oder Reparatur begründen aber nach § 4 [X.] keine „Sichtbarkeit“ des Bauelements. Ansonsten ist eine Sicht „von unten“ im Rahmen einer bestimmungsgemäßen Verwendung des komplexen Erzeugnisses Fahrrad beim [X.] völlig unüblich und vermag daher keine Sichtbarkeit iS von § 4 [X.] zu begründen.

ee. Ist danach aber beim Fahren eines Fahrrades sowie beim Auf- und Absteigen des Fahrers eine Sicht auf die Unterseite eines [X.] nicht eröffnet, ist das angegriffene Design mangels Sichtbarkeit in dem komplexen Erzeugnis bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung nur dann nicht nach § 4 [X.] vom Designschutz ausgeschlossen, wenn sich (weitere) bestimmungsgemäße Verwendungsweisen und/oder -möglichkeiten des komplexen Erzeugnisses feststellen lassen, bei denen die designgegenständliche Unterseite des [X.] für den [X.] oder ggf. auch einen [X.] sichtbar bleibt. Dies ist jedoch nicht der Fall.

aaa. So führt insbesondere die von der [X.] geltend gemachte Sichtbarkeit der Unterseite des Sattels bei einem Abstellen des Fahrrades [X.] in dafür vorgesehenen Vorrichtungen (Ständer) sowie bei dessen Aufbewahrung/Lagerung im Haus oder in der Wohnung nicht aus der Schutzbeschränkung nach § 4 [X.] heraus, selbst soweit diese Handlungen in tatsächlicher Hinsicht eine Sicht auf die Unterseite eines solchen Sattels ermöglichen – was zugunsten der [X.] unterstellt werden kann –, da es sich dabei nicht um eine nach § 4 [X.] erforderliche „Sichtbarkeit“ im Rahmen einer „bestimmungsgemäßen Verwendung“ des komplexen Erzeugnisses „Fahrrad“ handelt.

Denn beim Abstellen des Fahrrades [X.] in dafür vorgesehenen Vorrichtungen (Ständer) sowie bei dessen Aufbewahrung/Lagerung im Haus oder in der Wohnung handelt es sich um Maßnahmen und Handlungen, welche zur bestimmungsgemäßen Verwendung eines Fahrrades durch den Benutzer (Fahrer) als Fortbewegungsmittel nicht erforderlich sind. Mögen diese auch im Rahmen einer Verwendung eines Fahrrades als Fortbewegungsmittel regelmäßig anfallen und durchaus üblich sein, so sind sie dennoch kein Bestandteil des [X.]s und damit der Verwendung, für die ein Fahrrad bestimmt ist. Sie dienen daher nicht der Bestimmung des Fahrrades, die darin besteht, gefahren zu werden, und sind daher nicht Teil einer „bestimmungsgemäßen Verwendung“ des komplexen Erzeugnisses Fahrrad iS von § 4 [X.].

Dies gilt auch für ein durch einen schadhaften Untergrund/Fahrbahnbelag bzw. durch im Weg liegende Hindernisse oder bei einer Nutzung zu Sportzwecken veranlasstes Absteigen, welches ein Tragen des Fahrrades durch den Fahrer erforderlich macht. Dabei kann zwar auch die Unterseite eines [X.] in dessen Blickfeld rücken, jedoch besteht die Bestimmung eines Fahrrades nicht darin, getragen zu werden.

Solche Handlungen und Maßnahmen der Lagerung, der Aufbewahrung oder des Transports sind vielmehr einer „bestimmungsgemäßen Verwendung“ vor- und/oder nachgelagert, nicht aber selbst Teil einer solchen Verwendung.

bbb. Anders würde es sich nur dann verhalten, wenn eine „bestimmungsgemäße Verwendung“ iS von § 4 [X.] begrifflich auch eine „übliche Benutzung/Verwendung“ [X.] würde bzw. dieser gleichzusetzen wäre. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Denn während für eine „bestimmungsgemäße Verwendung“ – wie bereits dargelegt – die Bestimmung des Erzeugnisses maßgebend ist, bestimmt sich die Üblichkeit der Benutzung/Verwendung weitergehend aus der Sicht des Endverbrauchers, welcher die Üblichkeit durch entsprechende Übung definiert (vgl. Müller-Broich, [X.] bei bestimmungsgemäßer Benutzung im Geschmacksmusterrecht, Mitt. 2008, 201, 210); maßgebend ist danach somit, wozu und wie das betreffende Erzeugnis benutzt wird. Zwar spricht auch [X.] die [X.] bzw. französische Fassung der [X.]/[X.] in Art. 3 Nr. 3a) insoweit von „normal use“ bzw. „utilisation normale“, was sich sprachlich durchaus mit „normaler“ iS von „üblicher Verwendung“ übersetzen lässt. Die [X.] Fassung der [X.] wie auch § 4 [X.] bzw. § 4 [X.] stellen aber für die Frage der Sichtbarkeit eines Bauelements unmissverständlich und eindeutig auf die „bestimmungsgemäße Verwendung“ ab. Maßgebend ist somit allein, wozu das komplexe Erzeugnis (hier: „Fahrrad“) bestimmt ist, nicht wie es üblicherweise gebraucht und benutzt wird. Soweit danach lediglich aus Sicht des [X.]s im Rahmen einer „üblichen Verwendung“ liegende Benutzungs- und Verwendungsweisen eine Sicht auf ein Bauelement eröffnen, kann dies daher nicht eine „Sichtbarkeit“ des Bauelements iS von § 4 [X.] begründen.

ff. Weitere Handlungen, Maßnahmen und Situationen, die eine „Sichtbarkeit“ im Rahmen einer bestimmungsgemäßen Verwendung des komplexen Erzeugnisses Fahrrad ermöglichen, sind seitens der [X.] weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich. Dies geht zu Lasten der [X.]. Zwar obliegt die Darlegungs- und Beweislast für einen Ausschluss vom Designschutz nach § 4 [X.] und damit auch für die Frage, ob das Bauelement bei bestimmungsgemäßer Verwendung nicht sichtbar ist, grundsätzlich der sich auf die Regelung nach § 4 [X.] berufenden Antragstellerin (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO., § 2 [X.]. 67; § 4 [X.]. 12). Steht aber fest, dass bei einer „bestimmungsgemäßen Verwendungsweise“ des komplexen Erzeugnisses Fahrrad eine Sichtbarkeit des Bauelements nicht gegeben ist, wie es aus den vorgenannten Gründen sowohl beim Auf- und Absteigen wie auch beim [X.] selbst der Fall ist, obliegt es der [X.], weitere bestimmungsgemäße Verwendungsmöglichkeiten darzulegen und ggf. zu beweisen, welche eine Sichtbarkeit des Bauelements mit sich bringen.

c. Das angegriffene Design gilt daher nach § 4 [X.] mangels Sichtbarkeit des das Design aufnehmenden Bauelements in dem komplexen Erzeugnis, in welchem das Bauelement eingefügt ist, als nicht neu und eigenartig iS von § 2 Abs. 2, 3 [X.] und kann daher keinen Schutz beanspruchen.

4. Antragsgemäß ist daher die Nichtigkeit des Designs festzustellen (§ 33 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 [X.]).

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23 Abs. 4 Satz 5 [X.] i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 [X.], § 91 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der durch den Beitritt veranlassten Kosten aus § 101 Abs. 1, 2. Halbsatz ZPO analog.

E. Hinsichtlich der in der Rechtsprechung bisher nicht geklärten Frage, ob für eine schutzbegründende Sichtbarkeit eines Bauelements eines komplexen Erzeugnisses iS von § 4 [X.] ausreicht, dass das Bauelement nach Einfügung in ein komplexes Erzeugnis bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung äußerlich „einsehbar“ bleibt, oder ob insoweit erforderlich ist, dass das entsprechende Bauelement im Rahmen der bei einer bestimmungsgemäßen Verwendung anfallenden Benutzung für einen [X.] oder auch für einen [X.] erkennbar bleibt, war nach § 23 Abs. 5 [X.] i. V. m. § 100 Abs. 2 Nr. 1 [X.] die Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasst, da es sich insoweit um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt.

Meta

30 W (pat) 809/18

27.02.2020

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

nachgehend BGH, 1. Juli 2021, Az: I ZB 31/20, EuGH-Vorlage

§ 4 GeschmMG 2004, § 1 Nr 4 GeschmMG 2004

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.02.2020, Az. 30 W (pat) 809/18 (REWIS RS 2020, 38)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 38


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 31/20

Bundesgerichtshof, I ZB 31/20, 15.06.2023.

Bundesgerichtshof, I ZB 31/20, 01.07.2021.


Az. 30 W (pat) 809/18

Bundespatentgericht, 30 W (pat) 809/18, 27.02.2020.


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