Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.09.2020, Az. VII ZR 69/19

7. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1121

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Gegenstand

Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers: Bewertung des geschaffenen Kundenstamms; Anspruch gegenüber dem Hersteller auf Auskunft über den von diesem mit dem Produkt erzielten Rohertrag


Leitsatz

1. Der Vorteil des Unternehmers oder Herstellers im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB besteht darin, die vom Handelsvertreter oder Vertragshändler geschaffenen Geschäftsverbindungen nach Beendigung des Vertrags weiterhin nutzen zu können. Es geht damit um eine Bewertung dieses vom Handelsvertreter oder Vertragshändler geschaffenen Kundenstamms ("goodwill").

2. Ein Anspruch des Vertragshändlers gegenüber dem Hersteller auf Auskunft über den von diesem mit dem Produkt insgesamt erzielten Rohertrag zur Durchsetzung eines Ausgleichsanspruchs besteht nicht.

Tenor

Auf die Revision der [X.]eklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] mit Sitz in [X.] vom 13. März 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die [X.]erufung der [X.]eklagten gegen die Verurteilung zur Auskunft über die von ihr im letzten Vertragsjahr vom 1. August 2013 bis zum 30. Juli 2014 realisierten Deckungsbeiträge (bilanzrechtlicher Deckungsbeitrag I = Rohertrag) für die in der Anlage [X.] und Anlage [X.] näher bezeichneten Verkäufe von [X.] und Ersatzteilen zurückgewiesen worden ist.

Auf die [X.]erufung der [X.]eklagten wird das Teilurteil der 12. Zivilkammer - 1. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts [X.] vom 6. März 2018 hinsichtlich des Tenors zu Ziffer 3 abgeändert und der Klageantrag zu 3.a (Auskunft) insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des [X.]erufungsverfahrens sind von der Klägerin zu 1/3 und von der [X.]eklagten zu 2/3 zu tragen.

Die Kosten des [X.] haben die [X.]eklagte zu 44% und die Klägerin zu 56% zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach [X.]eendigung eines Vertragshändlervertrags - soweit für das Revisionsverfahren noch von [X.]edeutung - über Ansprüche der Klägerin auf Auskunftserteilung über von der [X.] für die Zeit des letzten Vertragsjahres realisierte Deckungsbeiträge (bilanzrechtlicher Deckungsbeitrag I = Rohertrag) für näher bezeichnete Verkäufe von [X.] sowie von Ersatzteilen, die die Klägerin nach ihrer Darstellung zur [X.]ezifferung ihres Ausgleichsanspruchs entsprechend § 89b HG[X.] benötigt.

2

Die [X.]eklagte ist Generalimporteurin für Fahrzeuge der Marke M.      für das Gebiet der [X.]. Sie schloss mit der Klägerin im Juni/Juli 2003 einen "M.      -Händlervertrag Pkw" sowie einen "M.      -Servicevertrag Pkw". Durch den M.      -Händlervertrag wurde der Klägerin ein nicht exklusives Marktverantwortungsgebiet zugewiesen, es wurden Jahreszielvereinbarungen geschlossen, die Klägerin hatte die Verkaufsstandards der [X.] einzuhalten sowie unentgeltliche Serviceleistungen unter den im Vertrag genannten Voraussetzungen zu erbringen, sie unterlag [X.] und war außerdem verpflichtet, der [X.] sämtliche Kundendaten zu liefern.

3

Die Klägerin vertrieb neben den Produkten der [X.] auch Fahrzeuge der Marke S.     und schloss in der Folgezeit auch einen Vertragshändlervertrag mit dem Hersteller [X.]    . Mit Schreiben vom 23. Mai 2012 beklagte die Klägerin gegenüber der [X.], diese erfülle die ihr obliegenden Vertragspflichten nur mangelhaft, was zu einem erheblichen Umsatzrückgang geführt habe, und schlug vor, den [X.] aufzuheben. Nach weiterem Schriftwechsel kündigte die [X.]eklagte mit zwei Schreiben vom 19. Juli 2012 sowohl den Händlervertrag als auch den Servicevertrag fristgemäß zum 31. Juli 2014.

4

Mit der Klage hat die Klägerin die Zahlung einer Vergütung in Höhe von 50.659,95 € für die in einer Anlage A aufgeführten Ersatzteile Zug um Zug gegen Rückgabe dieser Ersatzteile verbunden mit der Feststellung verlangt, dass sich die [X.]eklagte mit der Rücknahme der Ersatzteile in Annahmeverzug befindet. Weiter hat sie im Wege der Stufenklage auf der ersten Stufe Auskunft über die von der [X.] für die Zeit des letzten Vertragsjahres erzielten Deckungsbeiträge (bilanzrechtlicher Deckungsbeitrag I = Rohertrag) aus dem Verkauf von Neufahrzeugen an die in einer Anlage [X.] aufgeführten [X.] sowie über die in einer Anlage [X.] aufgeführten Verkäufe von Ersatzteilen unter Vorlage sämtlicher Unterlagen verlangt. Auf der letzten Stufe hat sie die Zahlung eines noch zu beziffernden Ausgleichs entsprechend § 89b HG[X.] begehrt; hilfsweise hat sie die Zahlung eines Ausgleichs auf der [X.]asis ihrer Provisionsverluste in Höhe von 105.897,06 € geltend gemacht.

5

Das [X.] hat durch Teilurteil dem [X.] über 50.659,95 € Zug um Zug gegen Rückgabe der in der dem Urteil beigefügten Anlage A aufgeführten Ersatzteile stattgegeben und festgestellt, dass sich die [X.]eklagte mit der Rücknahme der näher bezeichneten Ersatzteile in Annahmeverzug befindet. Es hat die [X.]eklagte ferner unter Abweisung des weitergehenden Klageantrags zu Ziffer 3.a (Auskunft) auf der ersten Stufe zur Auskunft für den Zeitraum des letzten Vertragsjahrs vom 1. August 2013 bis zum 30. Juli 2014 über von ihr realisierte Deckungsbeiträge (bilanzrechtlicher Deckungsbeitrag I = Rohertrag) für näher bezeichnete Verkäufe von [X.] und Ersatzteilen verurteilt.

6

Das [X.]erufungsgericht hat die wechselseitigen [X.]erufungen der Parteien zurückgewiesen. Im Hinblick auf die abweichende Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 27. Januar 2017 - 16 U 171/15, [X.] 2017, 111) hat es die Revision zugelassen, soweit die [X.]eklagte verurteilt worden ist, der Klägerin für die Zeit des letzten Vertragsjahrs vom 1. August 2013 bis zum 30. Juli 2014 Auskunft zu erteilen über die von ihr realisierten Deckungsbeiträge (bilanzrechtlicher Deckungsbeitrag I = Rohertrag) für näher bezeichnete Verkäufe von [X.] sowie von Ersatzteilen.

7

Die [X.]eklagte hat Revision eingelegt, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, und hat zuletzt beantragt, das [X.]erufungsurteil aufzuheben, soweit ihre [X.]erufung gegen die Verurteilung zur Auskunft über die von ihr im letzten Vertragsjahr vom 1. August 2013 bis zum 30. Juli 2014 realisierten Deckungsbeiträge (bilanzrechtlicher Deckungsbeitrag I = Rohertrag) für näher bezeichnete Verkäufe von [X.] und Ersatzteilen zurückgewiesen worden ist. Die von der [X.] vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von 50.659,95 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe näher bezeichneter Ersatzteile und der Feststellung von Annahmeverzug hat der Senat mit gesondertem [X.]eschluss zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.]eklagten, die sich gegen die Zurückweisung ihrer [X.]erufung gegen die Verurteilung zur Auskunft über die von ihr im letzten Vertragsjahr vom 1. August 2013 bis zum 30. Juli 2014 realisierten Deckungsbeiträge (bilanzrechtlicher Deckungsbeitrag I = Rohertrag) für die in den Anlagen [X.] und [X.] näher bezeichneten Verkäufe von [X.] und Ersatzteilen wendet, ist begründet.

I.

9

Das [X.]erufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.] 2019, 248 veröffentlicht ist, hat - soweit für die Revision von Interesse - zur [X.]egründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Klägerin stehe ein Auskunftsanspruch zur Konkretisierung der Höhe des Ausgleichsanspruchs entsprechend § 89b HG[X.] zu. Ein Auskunftsanspruch scheitere nicht schon daran, dass eine analoge Anwendung von § 89b HG[X.] nach Änderung der [X.] 2002 (Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 der [X.] vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor) nicht mehr in [X.]etracht komme. Dass die Klägerin in die [X.] der [X.]eklagten eingegliedert gewesen sei, folge aus der Pflicht zur Übertragung des Kundenstamms, der Zuordnung eines Marktverantwortungsgebiets, den Jahreszielvereinbarungen, den [X.], der Verpflichtung zur Einhaltung von Verkaufsstandards sowie der Serviceleistungspflicht. Die [X.]eklagte könne sich nicht darauf berufen, die Vertragsbeendigung sei von der Klägerin ausgegangen. Es fehle auch nicht an konkretem Vortrag der Klägerin zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 89b HG[X.].

Die Klägerin sei für den Ausgleichsanspruch auf die von ihr begehrte Auskunft angewiesen. Maßgeblich seien gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 1 HG[X.] die Unternehmervorteile, die nach der Neufassung der Vorschrift nicht mehr durch die Höhe der Provisionsverluste des Handelsvertreters beschränkt seien. Da die Klägerin nicht über eine entsprechende Kenntnis der Unternehmervorteile verfüge, stehe ihr der Auskunftsanspruch zu. Der Verweis auf die [X.]erechnung des Ausgleichsanspruchs anhand der Provisionsverluste, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände dafür sprächen, dass die Unternehmervorteile die Provisionsverluste überstiegen (so [X.], Urteil vom 27. Januar 2017 - 16 U 171/15, [X.] 2017, 111), widerspreche Sinn und Zweck der mit der Neufassung des § 89b HG[X.] vorgenommenen Gesetzesänderung als Reaktion auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.], Urteil vom 26. März 2009 - [X.]/07, [X.] 2009, 212 - Semen). Da es dem Handelsvertreter in der Praxis kaum möglich sein werde darzulegen, dass die Unternehmervorteile die Provisionsverluste überstiegen, da dafür gerade Kenntnisse der internen Kalkulation und der internen Unternehmenssteuerung notwendig seien, würde so die europarechtskonforme Neufassung der Vorschrift ausgehöhlt. Die Erteilung der Auskunft sei für die [X.]eklagte auch nicht unmöglich oder unzumutbar.

II.

1. Das [X.]erufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das [X.]erufungsgericht die [X.]erufung der [X.]eklagten gegen die Verurteilung zur Auskunft über die von ihr im letzten Vertragsjahr vom 1. August 2013 bis zum 30. Juli 2014 realisierten Deckungsbeiträge (bilanzrechtlicher Deckungsbeitrag I = Rohertrag) für die in den Anlagen [X.] und [X.] näher bezeichneten Verkäufe von [X.] und Ersatzteilen zurückgewiesen hat.

Es kann offen bleiben, ob die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Klägerin als Vertragshändlerin einen Ausgleich in entsprechender Anwendung des § 89b HG[X.] dem Grunde nach mit Erfolg geltend machen kann, und ob die insoweit von der Revision erhobenen [X.] durchgreifen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch hinsichtlich der von der [X.]eklagten im letzten Vertragsjahr realisierten Deckungsbeiträge (bilanzrechtlicher Deckungsbeitrag I = Rohertrag) aus näher bezeichneten Verkäufen von [X.] sowie von Ersatzteilen jedenfalls deshalb nicht zu, weil die mit der Auskunft begehrten Informationen zur [X.]emessung eines etwaigen Ausgleichsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 89b HG[X.] nicht hinreichend aussagekräftig und daher nicht erforderlich sind.

a) Nach § 89b Abs. 1 HG[X.] in der seit dem 5. August 2009 geltenden Fassung kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer nach [X.]eendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach [X.]eendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und die Zahlung eines Ausgleichs unter [X.]erücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der [X.]illigkeit entspricht. Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht. Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch ist danach, dass der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit vom Handelsvertreter neu geworbenen Kunden oder einer von diesem geschaffenen, der Werbung von Neukunden entsprechenden wesentlichen Erweiterung der Geschäftsverbindung mit [X.]estandskunden nach [X.]eendigung des [X.] erhebliche Vorteile hat.

aa) Der Vorteil für den Unternehmer besteht danach in der Möglichkeit, die vom Handelsvertreter aufgebaute Geschäftsverbindung zu Neukunden oder einer dieser gleichstehenden wesentlichen Erweiterung einer bestehenden Geschäftsverbindung zu einem Kunden nach [X.]eendigung des [X.] zu weiteren Geschäftsabschlüssen zu nutzen. Erforderlich ist eine Prognose im Zeitpunkt der [X.]eendigung des Vertrags. Dass oder in welchem Umfang der Unternehmer tatsächlich nach [X.]eendigung des [X.] Geschäfte mit diesen Kunden schließt, ist dagegen für das Vorliegen eines erheblichen Vorteils ohne [X.]edeutung (vgl. [X.]aumbach/[X.]/[X.], HG[X.], 39. Aufl., § 89b Rn. 15; Wauschkuhn in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 89b HG[X.] Rn. 100 ff.; [X.], [X.] 2011, 7, 12 f.; [X.]GH, Urteil vom 15. Oktober 1964 - [X.], [X.]GHZ 42, 244; vgl. auch Urteil vom 29. März 1990 - [X.], NJW 1990, 2889, juris Rn. 26). Der Ausgleichsanspruch dient dazu, die Schaffung eines Kundenstamms durch den Handelsvertreter abzugelten, den der Unternehmer nach [X.]eendigung des [X.] weiter nutzen kann (vgl. [X.]GH, Urteil vom 6. Oktober 2010 - [X.] Rn. 29, NJW-RR 2011, 389; Urteil vom 13. Januar 2010 - [X.] Rn. 19, NJW-RR 2010, 1263; Urteil vom 6. August 1997 - [X.], [X.], 66, juris Rn. 41).

Diese Grundsätze gelten entsprechend für den Ausgleichsanspruch des [X.]. Da dem Vertragshändler ein Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung des § 89b Abs. 1 HG[X.] nur dann zusteht, wenn er verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (vgl. [X.]GH, Urteil vom 25. Februar 2016 - [X.] Rn. 11, 19, [X.]R 2016, 120; Urteil vom 5. Februar 2015 - [X.]/13 Rn. 11, [X.]R 2015, 122; Urteil vom 6. Oktober 2010 - [X.] Rn. 17 m.w.N., NJW 2011, 848), kommt es auch für den vom Vertragshändler zu beanspruchenden Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung des § 89b Abs. 1 HG[X.] für den Umfang der Unternehmervorteile darauf an, welchen Wert der vom Vertragshändler geschaffene Kundenstamm für den Hersteller oder Lieferanten hat.

Die Vorteile des Unternehmers bestehen regelmäßig mindestens in dem Umfang, in dem der Handelsvertreter durch die Vertragsbeendigung Provisionen aus Geschäften mit ausgleichsfähigen Kunden verliert oder der Vertragshändler [X.] mit solchen Kunden nicht mehr in Anspruch nehmen kann (vgl. [X.]GH, Urteil vom 6. Oktober 2010 - [X.] Rn. 20, NJW-RR 2011, 389; Urteil vom 13. Januar 2010 - [X.] Rn. 17, NJW-RR 2010, 1263; Urteil vom 29. März 1990 - [X.], NJW 1990, 2889, juris Rn. 29). Der Vorteil des Herstellers oder Lieferanten besteht dementsprechend in den dem Vertragshändler im Vertrag gewährten [X.]n, die infolge der Vertragsbeendigung entfallen. Denn es entspricht einer Wirtschaftlichkeitsvermutung, dass der Unternehmer in dem Umfang, in dem er sich dem Handelsvertreter zur Zahlung von Provision verpflichtet hat, tatsächlich Vorteile aus den Geschäften mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden zieht. Entsprechendes gilt im Verhältnis Vertragshändler zum Hersteller, wenn sich dieser dem Vertragshändler zur Gewährung von [X.]n verpflichtet hat (vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 2017 - 16 U 171/15 Rn. 55, [X.]R 2017, 111; [X.], D[X.] 2011, 2761, 2763).

bb) Dieses Verständnis des [X.]egriffs der Unternehmervorteile ist auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (Urteil vom 26. März 2009 - [X.]/07, [X.] 2009, 212) weiter maßgeblich (vgl. [X.]GH, Urteil vom 11. November 2009 - [X.]/08 Rn. 15, [X.] 2010, 154; Urteil vom 15. Juli 2009 - [X.] Rn. 15, NJW-RR 2010, 43; [X.], [X.], 844, 847; [X.], D[X.] 2010, 1333, 1336; [X.], NJW 2010, 647, 649). Der Gerichtshof hat den [X.]egriff des [X.] nicht neu definiert, sondern ausgesprochen, dass die Unternehmervorteile nicht von vornherein durch die Provisionsverluste des Handelsvertreters begrenzt sind (vgl. [X.], Urteil vom 26. März 2009 - [X.]/07 Rn. 24 f., [X.] 2009, 212).

Der Gerichtshof hat in seiner Entscheidung zudem auf den [X.]ericht der [X.] über die Anwendung von Artikel 17 der Richtlinie des [X.] betreffend die selbständigen Handelsvertreter vom 23. Juli 1996 ([X.] [96] 364 endg) hingewiesen ([X.], Urteil vom 26. März 2009 - [X.]/07 Rn. 22, [X.] 2009, 212), der detaillierte Angaben über die tatsächliche [X.]erechnung des Ausgleichs enthält und eine einheitliche Auslegung der Vorschrift erleichtern soll (vgl. auch [X.], Urteil vom 23. März 2006 - [X.]/04 Rn. 35, [X.] 2006, 341). In dem [X.]ericht wird ausgeführt, dass der Ausgleich die fortwährenden Vorteile darstelle, die der Unternehmer aus der Arbeit des Handelsvertreters zieht. Der Handelsvertreter erhalte nur während der Dauer des Vertragsverhältnisses eine Provision, die den Wert des für den Unternehmer erwachsenen "goodwill" nicht typischerweise wiedergebe. Aus diesem Grund sei die Zahlung eines "goodwill-Ausgleichs" kommerziell gerechtfertigt. Danach betreffen die Unternehmervorteile, die durch den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ausgeglichen werden sollen, den "goodwill", also den durch die vom Handelsvertreter durch die geworbenen Neukunden geschaffene oder die Erweiterung der Geschäftsbeziehung zu bestehenden Kunden herbeigeführte Steigerung des Geschäfts- oder Firmenwerts des Geschäftsbetriebs des Unternehmers. Aus dem [X.]ericht der [X.] ([X.] [96] 364 endg, [X.]) geht außerdem hervor, dass das Ausgleichssystem in Art. 17 der Richtlinie in Anlehnung an § 89b HG[X.] gestaltet wurde.

cc) Der vom Unternehmer mit dem betreffenden Produkt insgesamt erzielte Rohertrag, der diesem von seinen Erlösen nach Abzug der variablen Kosten verbleibt, ist jedenfalls keine taugliche Grundlage für die [X.]erechnung der Vorteile des Unternehmers im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HG[X.], weshalb ein darauf gerichteter Auskunftsanspruch des Handelsvertreters nicht besteht. Für die [X.]erechnung der Vorteile des Herstellers bei einer analogen Anwendung von § 89b HG[X.] gilt Entsprechendes.

Denn der Vorteil des Unternehmers besteht darin, die vom Handelsvertreter oder Vertragshändler geschaffene Geschäftsverbindung nach [X.]eendigung des Vertrags weiterhin nutzen zu können. Es geht damit um eine [X.]ewertung des vom Handelsvertreter oder Vertragshändler geschaffenen Kundenstamms. Dieser Wert ist von der Gewinnmarge zu unterscheiden, die der Unternehmer insgesamt mit dem Vertrieb des Produkts erzielen kann. Der [X.]eitrag des Handelsvertreters zu dem vom Unternehmer erzielten Gewinn besteht in der Vermittlung von Geschäften für den Unternehmer, für die er die vertraglich vereinbarte Provision erhält; der Handelsvertreter ist dagegen nicht für die Herstellung und die Qualität des vertriebenen Produkts verantwortlich. Der Vertragshändler, dem in entsprechender Anwendung des § 89b HG[X.] nach [X.]eendigung des Vertrags ein Ausgleichsanspruch gegen den Unternehmer zusteht, ist vergleichbar einem Handelsvertreter in die [X.] des Unternehmers eingegliedert und in gleicher Weise zur Förderung des Vertriebs des vom Unternehmer hergestellten Produkts und nach [X.]eendigung des [X.] verpflichtet. Für ihn gelten diese Erwägungen deshalb entsprechend.

dd) Es kann dahinstehen, ob in anderen Fällen ein Auskunftsanspruch des Handelsvertreters oder [X.] gegen den Unternehmer oder Hersteller als (nach)vertragliche Nebenpflicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 [X.]G[X.]) in [X.]etracht zu ziehen ist, beispielsweise wenn der Handelsvertreter oder Vertragshändler weitergehende Unternehmervorteile als Grundlage seines Ausgleichsanspruchs auf einen von ihm behaupteten höheren Wert des von ihm geschaffenen Kundenstamms stützt (vgl. [X.], [X.], 844, 848; [X.] [X.][X.] 2009, 2327, 2328), der Unternehmer oder Hersteller bei Veräußerung seines Unternehmens im Hinblick auf den vom Handelsvertreter oder Vertragshändler geworbenen Kundenstamm einen entsprechend höheren Übernahmepreis erzielt (vgl. [X.]GH, Urteil vom 27. März 1996 - [X.], NJW 1996, 1752, juris Rn. 10 ff.) oder wenn kein Provisionsverlust oder Wegfall von [X.]n in Rede steht - wie etwa bei [X.] oder dem Vertrieb langlebiger Wirtschaftsgüter -, der Unternehmer aus dem vom Handelsvertreter oder Vertragshändler geschaffenen Kundenstamm nach Vertragsbeendigung jedoch weiter Vorteile zieht (vgl. [X.], Urteil vom 25. Juni 2010 - 16 [X.], juris Rn. 33; [X.], [X.], 844, 849; [X.], D[X.] 2010, 1333, 1334 ff.).

b) Die von der Klägerin begehrte Auskunft betrifft den von der [X.]eklagten mit den von der Klägerin im letzten Vertragsjahr an Neukunden vertriebenen Neufahrzeugen und Ersatzteilen erzielten bilanzrechtlichen Deckungsbeitrag I, der ein Synonym für den Rohertrag eines Produkts oder einer Produktgruppe darstellt. Er wird definiert durch die Formel: Deckungsbeitrag I = Erlöse abzüglich variable Kosten (vgl. [X.], [X.], [X.], 18. Aufl., [X.]). Dieser Parameter ist mit den Vorteilen, die Grundlage des Ausgleichsanspruchs entsprechend § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HG[X.] sind, nicht identisch. Es ist auch kein Erfahrungssatz dahingehend ersichtlich, dass dem vom Vertragshändler geschaffenen Kundenstamm, den der Hersteller nach [X.]eendigung des Vertragsverhältnisses nutzen kann, ein objektiv zu ermittelnder, bestimmter prozentualer [X.]ruchteil des vom Hersteller mit dem vom Vertragshändler vertriebenen Produkt insgesamt erzielten [X.] zugeordnet werden kann. Auch die Klägerin zeigt die Relevanz der von ihr begehrten Information für die [X.]erechnung der Vorteile nicht auf.

2. Die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts kann daher keinen [X.]estand haben, soweit dieses die [X.]erufung der [X.]eklagten gegen die Verurteilung zur Auskunft über den von ihr mit den von der Klägerin im letzten Vertragsjahr an Neukunden vertriebenen Neufahrzeugen und Ersatzteilen erzielten Deckungsbeitrag (bilanzrechtlicher Deckungsbeitrag I = Rohertrag) zurückgewiesen hat. Insoweit ist das [X.]erufungsurteil auf die Rechtsmittel der [X.]eklagten aufzuheben und die Klage in Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen. Der [X.] kann gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das gestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Über den von der Klägerin auf der letzten Stufe geltend gemachten, beim [X.] Ausgleichsanspruch wird bei Fortführung des Verfahrens beim [X.] zu befinden sein.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 ZPO.

[X.]     

      

Halfmeier     

      

Kartzke

      

Graßnack     

      

Sacher     

      

Meta

VII ZR 69/19

24.09.2020

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 13. März 2019, Az: 12 U 37/18, Urteil

§ 89b Abs 1 S 1 Nr 1 HGB, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.09.2020, Az. VII ZR 69/19 (REWIS RS 2020, 1121)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 1451-1453 WM 2021, 2010 NJW 2021, 69 REWIS RS 2020, 1121

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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