Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.01.2010, Az. III ZB 64/09

III. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9882

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[X.] BESCHLUSS III ZB 64/09 vom 28. Januar 2010 in dem Rechtsstreit - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat am 28. Januar 2010 durch den Vizepräsidenten [X.] sowie [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des [X.] vom 8. Juli 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 297,25 • festgesetzt. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Gründe: [X.] In dem der Rechtsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahren hat die Klägerin, vertreten durch eine Anwaltskanzlei aus [X.], im Urkundspro-zess gegen die Beklagte eine Forderung über 1.140,81 • nebst [X.] - 3 - cher Kosten und Zinsen geltend gemacht. Nach der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]am 27. Februar 2008 haben sich die [X.]en verglichen (Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom 24. April 2008). Hierbei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der gegeneinan-der aufgehobenen Kosten des Vergleichs übernommen. Im Rahmen des [X.] hat die Klägerin unter anderem 303 • (2 x 0,30 • x 505 km) Fahrtkosten sowie 60 • Abwesenheitsgeld ihrer Prozessbevollmächtig-ten nach Nr. 7003, 7005 [X.] geltend gemacht. Das [X.]hat stattdessen lediglich die fiktiven Kosten eines in [X.]ansässigen Un-terbevollmächtigten zur Teilnahme am Verhandlungstermin in Höhe von 65,75 • berücksichtigt. Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat die 5. Zivilkammer des [X.]durch ihren Vorsitzenden als Einzelrichter mit Be-schluss vom 14. Mai 2009 zurückgewiesen. Auf die hiergegen erhobene Ge-hörsrüge gemäß § 321a ZPO hat die 5. Zivilkammer - erneut durch den [X.] als Einzelrichter - mit Beschluss vom 8. Juli 2009 das Beschwerdever-fahren gemäß § 321a Abs. 5 ZPO fortgeführt und den Beschluss vom 14. Mai 2009 - unter Aufrechterhaltung im Übrigen - dahingehend ergänzt, dass die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelas-sen wird. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Ihre Zulassung ist nicht deshalb [X.], weil der Einzelrichter entgegen § 568 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden hat. Der angefochtene Beschluss unterliegt jedoch der Aufhebung, weil er unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzli-2 - 4 - [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Der Einzelrichter durfte auf der Grundlage seiner Auffassung, wonach die Rechtsbeschwerde zur Si-cherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen ist, nicht selbst [X.]. Nach § 568 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO überträgt der Einzelrichter das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfas-sungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn die Rechtssache grundsätzli-che Bedeutung hat. Hierbei umfasst der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung - wie in § 348 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und § 526 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1 ZPO - neben der grundsätzlichen Bedeutung im engeren Sinne die in § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - wie in § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO - genannten Fälle der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. nur [X.], 200, 202; [X.], Beschlüsse vom 9. März 2006 - [X.]/05 - juris Rn. 11; 22. Januar 2008 - [X.]/07 - juris Rn. 5; 16. Juli 2009 - [X.]/09 - juris Rn. 7; 17. September 2009 - [X.]/09 - juris Rn. 5). Mit seiner gegenteiligen Ent-scheidung hat der Einzelrichter damit die Beurteilung der grundsätzlichen Be-deutung der Sache dem [X.] als [X.] entzogen. Dies führt wegen Verletzung des Verfassungsgebots des ge-setzli[X.] zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der Sache an das Beschwerdegericht ([X.], aaO; siehe auch Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2005 - [X.]/05 - juris Rn. 3 zu § 17a Abs. 4 Satz 4-6 GVG). - 5 - II[X.] Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: 3 Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO sind Reisekosten eines Rechts-anwalts, der nicht im Bezirk des [X.] niedergelassen ist und am Ort des [X.] auch nicht wohnt, insoweit zu erstatten, als seine Zuzie-hung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. 4 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] (vgl. nur Beschlüsse vom 16. Oktober 2002 - [X.]/02 - juris Rn. 14 ff; 11. März 2004 - [X.]/03 - NJW-RR 2004, 858; 2. Dezember 2004 - [X.] - juris Rn. 19; 13. September 2005 - [X.]/04 - NJW-RR 2005, 1662; 16. April 2008 - [X.]/04 - NJW 2008, 2122, 2123 f, Rn. 7, 14) stellt die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der [X.] ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende [X.] im Regelfall eine solche Maß-nahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung dar. Ein tragender Grund [X.] ist die Annahme, dass üblicherweise ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich und gewünscht ist. Ferner ist von Bedeutung, dass die [X.] grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran hat, sich durch einen Rechtsan-walt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen. [X.] ist ein entscheidender Gesichtspunkt bereits für die Änderung des Lokali-sationsprinzips in § 78 ZPO gewesen (vgl. BT-Drucks. 12/4993, [X.], 53) und vom [X.] im Streit um die Singularzulassung als ein rechtlich anzuerkennender Vorteil für den Mandanten gewürdigt worden ([X.] 103, 1, 16). 5 - 6 - b) Soweit das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang - unter Be-zugnahme auf den diesbezüglichen Hinweis der Beklagten, dass die Klägerin vorprozessual sowie im Klage- und im Kostenfestsetzungsverfahren durch un-terschiedliche sachbearbeitende Rechtsanwälte vertreten gewesen sei - das Fehlen eines "besonderen" bzw. "speziellen" anwaltlichen Vertrauensverhältnis-ses, das die Anreise eines dieser Rechtsanwälte zum Termin nach [X.]gerechtfertigt habe, moniert hat, ist dies rechtsfehlerhaft. 6 Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzie-renden Beurteilung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich ergebenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darum ge-stritten werden kann, ob die Kosten zu erstatten sind oder nicht (vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 2. Dezember 2004, aaO Rn. 16; 13. September 2005, aaO; 28. Juni 2006 - I[X.]/05 - NJW 2006, 3008, 3009, Rn. 13; 11. Dezember 2007 - [X.] - NJW-RR 2008, 1378, Rn. 8; 16. April 2008, aaO S. 2124, Rn. 19). Deshalb bedarf es für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten nicht der Feststellung im Einzelfall, dass die [X.] zu dem den Termin wahrnehmen-den Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis gehabt hat. Abgesehen davon hat das Beschwerdegericht - selbst bei Zugrundelegung seiner [X.] - nicht berücksichtigt, dass die Klägerin durchgängig durch Rechtsanwälte der [X.]aus [X.]vertreten worden ist, wobei [X.], der die mündliche Verhandlung in [X.] für die Klägerin wahrgenommen hat, im Übrigen bereits die Anspruchsbegründung vom 16. November 2007 sowie die Replik vom 11. Januar 2008 unterzeichnet, es sich mithin bei ihm ersichtlich um den im Prozess sachbearbeitenden Rechts-anwalt der Kanzlei gehandelt hat. 7 - 7 - c) Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der [X.] ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende [X.] im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung darstellt, kann allerdings dann eingrei-fen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts feststeht, dass ein eingehendes [X.] für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies kommt zum Beispiel in Betracht bei gewerblichen Unternehmen, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, die die Sache bearbeitet hat. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts am Ort des [X.] kann ferner zur Kostenersparnis zumutbar sein, wenn bei einem in tatsächlicher Hinsicht über-schaubaren Streit um eine Geldforderung die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber einer Klage keine Einwendungen zu er-heben (vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 16. Oktober 2002, aaO Rn. 20; [X.], aaO Rn. 20 f; 28. Juni 2006, aaO Rn. 8; 16. April 2008, aaO Rn. 8). Dass ein solcher Fall hier vorliegt, ist nicht ersichtlich und vom [X.] auch nicht festgestellt worden. Nicht ausreichend ist es [X.], wenn es sich - wie das Beschwerdegericht rückblickend meint - um einen einfach gelagerten Rechtsstreit handelt. Denn welche Schwierigkeiten die Führung eines Rechtsstreits aufwirft, ist für die rechtlich nicht versierte [X.] in der Regel nicht überschaubar und hängt darüber hinaus wesentlich vom Verhal-ten der Gegenseite während des Prozesses ab (vgl. nur [X.], Beschluss vom 16. Oktober 2002, aaO Rn. 21). 8 d) Ist danach die Hinzuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der [X.] ansässigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, ist der [X.] regelmäßig auch das Recht zuzubilligen, sich durch diesen mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung 9 - 8 - vertreten zu lassen, so dass dessen Reisekosten in vollem Umfang und nicht beschränkt auf die fiktiven Kosten eines unterbevollmächtigten Terminsvertre-ters zu ersetzen sind (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. September 2005, aaO; 11. Dezember 2007, aaO Rn. 9 f; siehe auch MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl., § 91 Rn. 66; [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., § 91 Rn. 13, Stichwort: [X.]). Auch im umgekehrten Fall, dass eine [X.], weil aus-nahmsweise eine entsprechende Hinzuziehung nicht erforderlich ist, einen am Ort des [X.] ansässigen Rechtsanwalt beauftragt, würden Reise-kosten - dann der [X.] zu einem Informationsgespräch mit dem Anwalt - er-stattungsfähig sein (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Oktober 2002, aaO Rn. 17). § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO verlangt insoweit keine zusätzliche Prüfung, ob im konkreten Einzelfall auch die Wahrnehmung des [X.] gerade durch diesen Rechtsanwalt unbedingt erforderlich war. Vielmehr ist das Interesse der [X.] an der [X.] durch ihren Anwalt gegen-über dem Interesse der Gegenseite an einer Kostenersparnis grundsätzlich vor-rangig. Dem Umstand, dass die Reisekosten im Einzelfall - bei geringen Streit-werten und großer Entfernung zwischen Kanzleisitz und Prozessgericht - die Kosten eines Unterbevollmächtigten deutlich übersteigen können, kommt inso-weit keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Dezember 2007 - [X.] - aaO Rn. 10). IV. Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrich-ter, der den angefochtenen Beschluss erlassen hat. 10 - 9 - Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch. 11 [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 07.07.2008 - 17 C 174/07 - [X.], Entscheidung vom 08.07.2009 - 5 [X.]/08 -

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III ZB 64/09

28.01.2010

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.01.2010, Az. III ZB 64/09 (REWIS RS 2010, 9882)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9882

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