Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2012, Az. 3 BGs 82/12

Ermittlungsrichter | REWIS RS 2012, 9314

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Bundesgerichtshof
Ermittlungsrichter
3 [X.]82/12
2 [X.]8/12-2
BESCHLUSS
vom

9. Februar 2012

in dem Ermittlungsverfahren gegen

H. G.

wegen des Verdachts

BGHR:
ja
BGHSt:
nein

[X.]§ 119, § 126 Abs. 1, § 169 Abs. 1 Satz 2; [X.]§§ 133 ff.,
134a Abs.
1 Satz 2
Sitzt der Beschuldigte aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.]in Untersuchungshaft, ist für die Anordnung von Beschrän-kungen, die dem Beschuldigten aufgrund des Zwecks der Untersuchungshaft aufzuerlegen sind, gemäß § 126 Abs. 1, §
169 Abs. 1 Satz 2 [X.]der Ermitt-lungsrichter des [X.]bis zur Anklageerhebung auch dann zu-ständig, wenn die Untersuchungshaft in [X.]vollzogen wird. § 134a Abs. 1 Satz 2 [X.]ändert hieran nichts.
Die aufgrund des Zwecks der Untersuchungshaft erforderlichen Beschränkun-gen bestimmen sich (auch) in diesem Fall nach §
119 [X.]und nicht nach §§ 133 ff. [X.](entgegen Oberlandesgericht Celle, StV 2010, 194; [X.]an OLG Oldenburg, StV 2008, 195;
vgl. auch OLG Frankfurt, NStZ-RR 2010, 294; OLG Rostock, NStZ 2010, 350; OLG Hamm, NStZ-RR 2010, 221 [3.
Strafsenat] und NStZ-RR 2010, 292 [2.
Strafsenat]; KG, StV 2010, 370; OLG Köln, NStZ 2011, 55).
BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 -
3 [X.]82/12 -
-
2
-
Auf
Antrag des [X.]wird der Beschluss des Ermitt-lungsrichters des [X.]vom 14.
November 2011 -
3 [X.]12/11

abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Vollzug der Untersuchungshaft wird gemäß § 119 Abs. 1 StPO wie folgt geregelt:
1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.
Im Übrigen gelten für den Beschuldigten die im [X.]Justizvollzugsgesetz (NJVollzG) allgemein getroffenen Regelungen, sofern sie diesem Beschluss nicht entgegenstehen.
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-
14.

Gründe:
I.
Durch Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.]vom 14.
November 2011 -
3 [X.]12/11

sind dem Beschuldigten gemäß § 119 Abs.
1
[X.]Beschränkungen in der Untersuchungshaft auferlegt worden, die allesamt der Sicherung des Verfahrens dienen und damit den Zweck der Unter-suchungshaft betreffen. Der [X.]hat wegen der Fortentwick-lung des Verfahrensstandes
eine Anpassung dieser
Beschränkungen bean-tragt. Diesem Antrag entsprechend werden hiermit die dem Beschuldigten [X.]Beschränkungen wie aus dem Tenor ersichtlich geändert und neu ge-fasst. Dieser Beschluss tritt an die Stelle des vorgenannten Beschlusses vom 14. November 2011.

II.
Für verfahrenssichernde Anordnungen im Zusammenhang mit dem [X.]der Untersuchungshaft des Beschuldigten G.
in der [X.](Niedersachsen) ist ausschließlich der Ermittlungsrichter des Bundesgerichts-hofs
zuständig
(§ 169 Abs. 1 Satz 2, § 126 Abs. 1
StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 6, §
142a GVG, §
129a StGB).
Die dem Beschuldigten in der Untersuchungshaft aufgrund des Zwecks der Untersuchungshaft aufzuerlegenden Beschränkungen bestimmen sich nach § 119 StPO
und nicht nach den Vorschriften des Nieder-1
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sächsischen Justizvollzugsgesetzes (NJVollzG), insbesondere den §§ 133 ff. NVollzG.
1. Allerdings ist gemäß § 134a
Abs. 1 [X.]Gericht im Sinne des den Vollzug der Untersuchungshaft betreffenden Teils dieses Gesetzes das für die Haftprüfung (§ 117 StPO) zuständige Gericht; handelt es sich hierbei nicht um ein Gericht des Landes Niedersachsen, so ist nach § 134 Abs. 1 Satz 2 [X.]das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk sich der Gefangene in Untersuchungshaft befindet.
Neben dieser die gerichtliche Zuständigkeit betreffenden Regelung ent-hält das [X.]Vorschriften, die unmittelbar den Zweck der [X.]betreffen.
So können dem Gefangenen etwa gemäß §
135 Abs. 2 [X.]Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft erfor-dert.
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2. Die vorstehend genannten Bestimmungen vermögen weder in [X.]Hinsicht etwas an der ausschließlichen
Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des [X.]zu ändern,
noch führen sie sachlich dazu, dass sich die zur Sicherung des Verfahrens dienenden Beschränkungen in der Untersu-chungshaft hier nicht nach § 119 StPO, sondern nach den Vorschriften des [X.]zu richten hätten.
a) Zwar vertritt das [X.](StV 2010, 194) -
als für das Amtsgericht L., in dessen Bezirk sich die Justizvollzugsanstalt
befindet, in der der Beschuldigte derzeit einsitzt, zuständiges
Obergericht -
die Auffassung, dass sich Anordnungen zur Ausgestaltung der Untersuchungshaft in [X.]alleine nach den §§ 135 ff [X.]richten und § 119 StPO nF in [X.]keine Anwendung finde. Diese Auffassung vermag indes nicht zu überzeugen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass dem [X.]Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz zur Schaffung von Rege-lungen, die den Zweck der Untersuchungshaft unmittelbar betreffen, ebenso fehlt wie die Gesetzgebungskompetenz für eine Änderung der haftrichterlichen Zuständigkeit, namentlich der hier maßgeblichen Zuständigkeit in Ermittlungs-verfahren, die in die Zuständigkeit des [X.]beim Bundesge-richtshof und damit hinsichtlich der vor Anklageerhebung zu treffenden gericht-lichen Maßnahmen in die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des [X.]fallen.
b) Seit dem 1. September 2006 ist nach der Änderung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006
(BGBl. I S. 2034) das Recht des Untersuchungshaftvollzugs

nicht hin-gegen das die Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft sowie die Auf-erlegung von der [X.]dienenden Beschränkungen betreffende gerichtliche Verfahrensrecht -
ausschließlich Sache der Länder. Der Bundesge-5
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-
setzgeber kann im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung -
nach wie vor -
solche Maßnahmen regeln, die den Zweck der Untersuchungshaft (Abwehr von Flucht-, Verdunkelungs-
und
Wiederholungsgefahren) betreffen (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 119 Rn. 2; BeckOK-StPO/Krauß, Stand: 15. Oktober 2011, §
119 Rn. 1
f.; König, NStZ 2010, 185 f.; Paeffgen, StV 2009, 46; Kazele, StV 2010, 258; OLG Oldenburg, StV 2008, 195, 196).
Von dieser Gesetzgebungs-befugnis hat der Bundesgesetzgeber bereits durch § 119 Abs. 3 Alt. 1 StPO aF vor der oben genannten Änderung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG und anschlie-ßend durch die seit dem 1. Januar 2010 geltende Neufassung des § 119 StPO Gebrauch gemacht,
so dass sich Beschränkungen, die wegen des Zwecks der Untersuchungshaft erforderlich sind, nach § 119 StPO nF richten (siehe nur OLG Köln,
NStZ 2011, 55; OLG Frankfurt,
NStZ-RR 2010, 294; OLG
Oldenburg, aaO S. 196 f.; Meyer-Goßner, aaO; BeckOK-StPO/Krauß, aaO Rn.
1a
und 2; König, aaO; Paeffgen, aaO; Kazele, aaO).

c) Hiervon ist ersichtlich auch der Gesetzgeber ausgegangen. So lassen sich der Entstehungsgeschichte der oben genannten Änderung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (vgl. nur BT-Drs. 16/813, S. 9 und
12) keine Hinweise darauf ent-nehmen, dass hierdurch dem Haftrichter Kompetenzen entzogen werden sollten (ebenso Kazele, aaO
S. 260; Paeffgen, aaO.). Aus den Materialien des Geset-zes zur Änderung des Untersuchungshaftrechts (vgl. insbesondere BT-Drs. 16/11644, S. 1, 12, 23 ff.) ergibt sich vielmehr eindeutig, dass der Gesetzgeber davon ausging, in die Gesetzgebungskompetenz des [X.]falle auch nach der Föderalismusreform noch die zuvor in § 119 Abs. 3 Alt. 1 StPO aF geregel-te Anordnung solcher Beschränkungen, die zur Erreichung des Zwecks der [X.]erforderlich sind. Der Gesetzgeber wollte mithin die insoweit bestehenden Kompetenzen des [X.]im Zuge der Föderalismusreform ersichtlich nicht einschränken.
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Soweit die Landesgesetze

wie hier das [X.]-
bezüglich der Re-gelung von Maßnahmen, die der Zweck der Untersuchungshaft erfordert, von der Strafprozessordnung, namentlich von § 119 StPO, abweichende Regelun-gen enthalten, ist entsprechendes Landesrecht im Hinblick auf die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG unwirksam (Krauß, aaO Rn. 1a mwN; vgl. hierzu auch die zum [X.]bereits erfolgten Vorlagen gemäß Art. 100a Abs. 1 GG
an das Bundesverfassungsgericht, die mangels Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage indes für unzulässig erklärt worden sind [[X.]121, 233; BVerfG, Beschluss
vom 20.
November 2008

2 BvL 16/08, juris]).

III.
Die im Tenor genannten Beschränkungen sind aufgrund des Zwecks der Untersuchungshaft notwendig und auch verhältnismäßig.

Dr.
Bünger

Richter
am Bundesgerichthof

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Meta

3 BGs 82/12

09.02.2012

Bundesgerichtshof Ermittlungsrichter

Sachgebiet: BGs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2012, Az. 3 BGs 82/12 (REWIS RS 2012, 9314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9314

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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