Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.12.2015, Az. 2 StR 457/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 103

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:231215U2STR457.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 457/14
vom
23. Dezember
2015
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 25.
November
2015,
in der Sitzung am 23. Dezember 2015, an denen
teilge-nommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Appl

als Vorsitzender,

[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],
[X.] am [X.]
Zeng,
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],

[X.] beim [X.]

und
Staatsanwalt beim [X.]

in der Verhandlung,
[X.] beim [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwältin

in der Verhandlung

als Verteidigerin
für den Angeklagten J.

,
Rechtsanwältin

in der Verhandlung

als Verteidigerin
für die Angeklagte F.

,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Auf die Revision der Angeklagten F.

wird das Urteil des [X.] vom 20.
Mai 2014, soweit es sie be-trifft und sie verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorge-nannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Angeklagten J.

und F.

im [X.] der Anklage freigesprochen worden sind,
b) soweit die Angeklagte F.

verurteilt worden ist
aa) im Fall 9 der Anklage,
bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

-
4
-
Gründe:
Das [X.] hat den
Angeklagten
J.

wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamt-freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Angeklagte F.

hat die [X.] unter Freisprechung im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Men-ge und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs [X.] und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Men-ge in zwei Fällen und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer (weiteren) Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt; die von der Angeklagten in [X.] ([X.]) erlittene Auslieferungshaft hat es im Verhältnis 1:2 angerechnet.
Die Angeklagte F.

beanstandet mit ihrer Revision das Verfahren und erhebt die Sachrüge, soweit sie verurteilt ist. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten der beiden Angeklagten auf die Verletzung
formel-len und materiellen Rechts
gestützten Revision
gegen den Freispruch im [X.] der Anklage. Außerdem beanstandet sie, dass die Angeklagte F.

im Fall
9 der Anklage lediglich wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge und nicht auch -
tateinheitlich -
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Die [X.] haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1
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-
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-

I.
Das [X.] hat -
soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung
-
u.a. folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Zwischen beiden aus der [X.] stammenden [X.] Angeklagte J.

wohnte zuletzt in [X.]

, die Angeklagte F.

arbeitete als Prostituierte in verschiedenen Clubs, unter anderem auch in [X.].
a) Im [X.] 2012 erklärte sich die Angeklagte F.

bereit, gemeinsam mit dem nicht
revidierenden Angeklagten

[X.]

ein Kokaingeschäft über 2 kg Kokain durchzuführen. Der Angeklagte J.

überwies auf Bitten der Angeklagten F.

und in Kenntnis des Verwendungszwecks dem als Kurier tätigen Zeugen B.

für desie Angeklagte F.

stellte u.a. den Kontakt zu den Drogenlieferanten in der [X.] her. Der erwartete Gewinn sollte zwischen den Angeklagten geteilt werden.
Anlässlich einer Zollkontrolle in Br.

wurden im [X.] insgesamt 4,4 kg Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 80% festgestellt;
die dominikanischen Drogenlieferanten hatten auf Veranlassung der Angeklagten F.

eine größere Kokainmenge in dem Koffer versteckt
(Fall 1 der Anklage).
b) Ende Dezember 2012/Anfang Januar 2013 kamen der nicht
revidie-rende Angeklagte

[X.]

und die Angeklagte F.

erneut überein, mit der zuvor beschriebenen Aufgabenverteilung Kokain schmuggeln zu lassen, um es anschließend gewinnbringend zu
veräußern. Die Angeklagte F.

besorgte u.a. die Flugunterlagen für den als Kurier vorgesehenen Zeugen Ho.

und finan-3
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6
-
zierte die Fahrt zum [X.]. Auf seinem Rückflug hatte der Zeuge Ho.

214,1 Gramm Kokain inkorporiert, mit einem -
von der [X.] geschätz-ten -
Wirkstoffgehalt von 50% (Fall 2 der Anklage).
c) Anfang 2013 erklärte sich die Angeklagte F.

anlässlich eines ge-meinsamen Treffens in D.

gegenüber dem nicht
revidierenden Angeklagten

[X.]

und einer [X.] Käufergruppe bereit, 1
kg Kokain zu liefern. Zu einer solchen Lieferung kam es letztlich nicht (Fall 4 der Anklage).
d) Wenige Wochen später kam es auf Veranlassung der Angeklagten F.

zu einem Treffen in einem Restaurant in A.

zwischen ihr, dem nicht
revidierenden Angeklagten

[X.]

, [X.] Kaufinteressen-ten und zwei dunkelhäutigen potentiellen
Verkäufern, die die Angeklagte dort einbestellt hatte, um eine Lieferung von 1 kg Kokain zu vermitteln. Zu einem
Geschäftsabschluss kam es nicht (Fall
5 der Anklage).
e) Im Juni 2012 erschien der drogenabhängige Zeuge

S.

auf einer Polizeidienststelle in [X.]

und gab an, 2 kg Kokain aus der [X.] nach [X.] geschmuggelt und dafür 15.000

l-ieb, machte in der Folgezeit Angaben zu weiteren Drogengeschäften und wurde wenig später wegen ver-schiedener Bedrohungen in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen.
Als der Zeuge

S.

im Rahmen des [X.] am 22. September 2012 zu seinem neuen [X.] gebracht werden sollte, überreichte er den ihn begleitenden Polizeibeamten eine Tasche, in der sich sieben in gleicher Weise eingepackte graue Pakete befanden,
die insgesamt 322,22
Gramm Kokain enthielten. In der persönlichen Habe des Zeugen fanden sich zwei Tage später zwei weitere Pakete mit insgesamt 19,1
Gramm Kokain, das eine mit dem
zuvor sichergestellten Kokain identische 7
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-
Zusammensetzung hinsichtlich des [X.]s
und der Beimischung aufwies. Der Wirkstoff betrug insgesamt 240,35 Gramm [X.]. DNA-Spuren, die sich an einem der von dem Zeugen übergebenen [X.] fanden, stimmten mit dem DNA-Muster der Angeklagten F.

überein
(Fall
9 der Anklage).
f) Im [X.] der Anklage hat das [X.] die beiden Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Den Angeklagten ist vorgeworfen worden, die Zeugin Ba.

beauftragt zu haben, im September 2012 insge-samt 30 Plomben
gefüllt mit insgesamt etwa 300 Gramm Kokain nach [X.] zu transportieren. Die [X.] hat zu diesem Vorwurf [X.] Angeklagte J.

hat sich zur Sache nicht [X.], die Angeklagte F.

hat den
Vorwurf bestritten. Nach Auffassung der [X.] habe die einzige Belastungszeugin Ba.

, die jetzt in [X.] lebt, und gegen die insoweit selbst als Beschuldigte ermittelt worden ist,

umfassend von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht nach §
55 [X.] Gebrauch gemacht. Ihre im Rahmen der Rechtshilfe in [X.] durchgeführte -
die Ange-klagten belastende -
frühere richterliche Vernehmung sei aufgrund eines Form-fehlers nicht verwertbar.
Allein der Umstand, dass von dem Angeklagten J.

verschiedene Geldbeträge an die Zeugin Ba.

überwiesen worden sind, reiche für eine Verurteilung nicht aus.
2. Die Angeklagte F.

hat eine Tatbeteiligung im Fall 1 abgestritten; hinsichtlich des Falles 2 hat die Angeklagte F.

das äußere Geschehen einge-räumt; sie habe letztlich aber nur eine untergeordnete Rolle gespielt. In den [X.] und 5 habe sie zwar die Treffen organisiert,
aber zum einen sei es nicht darum gegangen, Drogen von ihr zu kaufen, zum anderen sei sie an den Ge-sprächen, die sie aufgrund der Sprachschwierigkeiten schon nicht verstanden 11
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habe, nicht beteiligt gewesen. Im Fall 9 schließlich habe der Zeuge

S.

die Unwahrheit gesagt.
Das [X.] hat sich unter anderem
aufgrund der Aussage des nicht
revidierenden Angeklagten

[X.]

, der Aussagen der Zeugen B.

und Ho.

und weiterer Zeugen im Sinne der getroffenen Feststellungen über-zeugt. Im Fall 9 hat die [X.] zwar ihre
Überzeugung zur Tatbeteiligung der Angeklagten F.

nicht auf die Aussage des Zeugen

S.

ge-stützt, weil dessen Angaben massive Widersprüche und Einschränkungen auf-gewiesen hätten. Das [X.] hat aber aufgrund der der Angeklagten F.

zuzuordnenden DNA-Spuren die Überzeugung gewonnen, dass die Angeklagte in [X.] mit den Drogen in Kontakt gekommen sei, als sie diese etwa nach [X.]

transportiert oder zumindest eine gewisse Zeit aufbewahrt ha.
3. Das [X.] hat die Angeklagte F.

in den Fällen 1, 2 und 4 der Anklage jeweils wegen (täterschaftlichen) Handeltreibens mit Betäubungsmit-teln in nicht geringer Menge und in den Fällen 5 und 9 der Anklage jeweils we-gen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen.
II.
Revision der Angeklagten F.

1. Die Revision der Angeklagten F.

hat mit der [X.], die [X.] habe gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) [X.] und den Grundsatz des fairen Verfah-rens verstoßen, weil sie der der [X.] nicht mächtigen Angeklag-ten erst am 7. [X.] eine schriftliche Übersetzung der [X.] überlassen und einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens zurück-gewiesen habe, Erfolg.
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9
-
a) Der [X.] liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
Der Vorsitzende der [X.] verfügte am 4. November 2013 die (formlose) Übersendung der 19 Seiten umfassenden Anklage der [X.] vom 29.
Oktober 2013 an alle drei Angeklagten, verbunden mit dem Zusatz, dass die Zustellung an den jeweiligen Verteidiger erfolge
und die Übersetzung in die [X.] veranlasst sei. Die Anklageschrift ging der Verteidigerin der Angeklagten F.

am 5. November 2013 zu. Am 15.
November 2013 ging die übersetzte Anklageschrift auf der Geschäftsstelle der [X.] ein. Mit Verfügung
der Geschäftsstelle vom 18. November 2013 wurde die formlose Übersendung der übersetzten Anklageschriften an alle drei inhaftierten Angeklagten veranlasst. Die Angeklagte F.

hat -
anders als die beiden anderen Angeklagten -
die Übersetzung der Anklageschrift nicht [X.]; ein schriftliches Empfangsbekenntnis oder ein sonstiger
Nachweis dafür, dass die der [X.] nicht mächtige Angeklagte F.

die in die [X.] übersetzte Anklageschrift in der [X.] erhalten hat, existiert nicht. Es kann lediglich nachgewiesen werden, dass der
Angeklagten zu einem früheren Zeitpunkt
eine Übersetzung des sechs Seiten umfassenden Haftbefehls vom 23. Mai 2013 ausgehändigt worden war, der aber nur einen Teil der später
angeklagten Taten zum Gegenstand hatte.
Am 11. Februar 2014, dem ersten [X.], wurde die [X.] verlesen und durch eine Dolmetscherin für die [X.] über-setzt. Weder an diesem Tag noch an den weiteren fünf Verhandlungstagen hat die Angeklagte eine schriftliche Übersetzung der Anklageschrift erhalten.
Am 17. März 2014 stellte die Verteidigerin der Angeklagten F.

im Rahmen einer weiteren Besprechung mit dieser fest, dass die Angeklagte ledig-lich -
wie von ihr behauptet und wovon das Gericht aufgrund angestellter Nach-16
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forschungen ausgeht -
im Besitz einer Übersetzung des Haftbefehls vom 23.
Mai 2013 war, eine schriftliche Übersetzung der Anklageschrift hingegen nicht erhalten hatte. Nachdem die Angeklagte F.

sich am folgenden Verhand-lungstag (18. März 2014) zum Tatvorwurf eingelassen hatte, rügte die Verteidi-gerin, dass die Angeklagte keine schriftliche Übersetzung der Anklageschrift erhalten habe und beantragte die Aussetzung des Verfahrens.
Die [X.] hat den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens mit [X.] vom selben Tag zurückgewiesen. Ein Grund für eine Verfahrensaus-setzung sei nicht gegeben,

as Gericht erst am heutigen siebten Verhandlungstag erfahren
hat, dass die Angeklagte F.

die an sie bereits im November 2013 übersandte Übersetzung der Anklage nach ihren Angaben nicht erhalten hat. Die Angeklagte ist anwaltlich vertreten. Der Nichterhalt der Übersetzung der Anklage hätte gegebenenfalls dem Gericht spätestens zu Be-ginn der Hauptverhandlung mitgeteilt werden können. Im Übrigen ist die Verle-sung des Anklagesatzes am ersten [X.] auch in die [X.] Angeklagten wurde sodann ein [X.] der übersetzten Anklage ausgehändigt.
Die von der Verteidigerin erhobene Gegenvorstellung im [X.] blieb ohne Erfolg. Unmittelbar danach wurde die Hauptverhandlung mit der Beweisaufnahme an weiteren sieben Verhandlungstagen fortgesetzt.
b) Die Verfahrensrüge ist begründet.
Die Entscheidung der [X.], den Antrag auf Aussetzung zurückzuweisen
und die Hauptverhandlung [X.] fortzusetzen, ist rechtsfehlerhaft und verstößt gegen Art.
6 Abs.
3 Buchst.
a) [X.] sowie den Grundsatz des fairen Verfahrens.
aa) Ein Angeklagter
kann auf die das Strafverfahren abschließende Ent-scheidung nur dann hinreichend Einfluss
nehmen, wenn ihm der Verfahrensge-20
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-
genstand in vollem Umfang bekannt ist. Dies setzt auch die Kenntnis der [X.]schrift voraus. Deshalb hat ein Angeklagter nach Art. 6 Abs. 3 Buchst.
a) [X.] das Recht, innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihm verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Be-schuldigung unterrichtet zu werden. Dieses Recht beinhaltet für den der [X.] nicht hinreichend mächtigen Beschuldigten grundsätzlich die Übersendung einer Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständli-chen Sprache; dies hat in aller Regel schon vor der Hauptverhandlung zu [X.]
(vgl. [X.], Beschluss vom 10. Juli 2014 -
3 [X.], [X.]R [X.] Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) Unterrichtung 1).
Die Überlassung der übersetzten Anklageschrift an die Angeklagte F.

am siebten Verhandlungstag war deshalb zu spät. Die mündliche Übersetzung allein des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung genügt nur in [X.], namentlich dann, wenn -
wie hier gerade nicht -
der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen ist ([X.]/[X.], [X.], 58. Aufl., Art. 6 [X.] Rn. 18 mwN).
Der Umstand, dass die Angeklagte eine Verteidigerin hat, führt -
auch unter Berücksichtigung des § 187 Abs.
2 Satz 5 [X.] -
zu keiner abweichenden rechtlichen Bewertung (vgl. [X.], [X.] vom 10. Juli 2014 -
3 [X.], [X.]R [X.] Art. 6 Abs. 3 Buchst.
a) Unterrichtung 1).

bb) Ein Angeklagter, dem die Anklageschrift nicht ordnungsgemäß mitge-teilt wurde, kann grundsätzlich die Aussetzung der Hauptverhandlung verlan-gen, um seine Verteidigung genügend vorbereiten zu können (vgl. [X.], [X.] vom 14. September 1977 -
3 [X.]/77,
bei Holtz
MDR 1978, 111
f.; [X.],
[X.] 1998, 531, 532; [X.],
in:
Löwe/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
201 Rn.
46; [X.],
in:
KK-[X.], 7. Aufl., §
201 Rn.
11; [X.]/[X.], aaO, § 201 Rn.
10, jeweils mwN). Dem Tatrichter steht bei der 24
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-
Entscheidung über einen solchen Aussetzungsantrag entsprechend
§
265 Abs.
4 [X.] ein Ermessensspielraum zu (vgl. [X.],
in:
Löwe/[X.], aaO, § 265 Rn.
109). Ob dieser Ermessensspielraum wegen der Funktion der (übersetzten) Anklageschrift für die Vorbereitung einer sachge-rechten Verteidigung auf Null reduziert
ist und dem Gericht ein Ermessen [X.] nur im Rahmen der Entscheidung darüber zusteht, wie lange
es den Zeit-raum bemisst, den es dem Angeklagten für die Vorbereitung der
(Fortsetzung der) Hauptverhandlung zur Verfügung stellt (vgl. [X.], [X.] 1998, 531, 532; Rübenstahl, [X.] 2005, 30, 32), oder ob (bereits) eine angemessene Unterbrechung der Hauptverhandlung genügt (vgl. auch [X.],
in:
Löwe/[X.], aaO, §
265 Rn. 112; [X.],
in:
KK-[X.], aaO, §
265 Rn.
30; [X.]/[X.], aaO, § 265 Rn. 39),
kann der [X.] hier offen lassen.
Denn dem Beschluss vom 18. März 2013, mit dem die [X.] den [X.] zurückgewiesen hat, ist
schon nicht zu entnehmen, dass sich das [X.] überhaupt seines
Ermessens
bewusst gewesen ist.
cc) Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das Urteil, das nach Über-lassung der schriftlichen Übersetzung der Anklageschrift nach sieben weiteren [X.]en ergangen ist, auf einem etwaigen Informationsdefizit beruht, zumal sich die Angeklagte in Unkenntnis der schriftlichen Übersetzung der Anklage bereits am siebten [X.] zu den Tatvorwürfen eingelassen hat (vgl. -
insoweit anders gelagert -
[X.], Beschluss vom 10.
Juli 2014 -
3 [X.], [X.]R [X.] Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) Unterrichtung 1).

26
-
13
-
III.
Revision der Staatsanwaltschaft
Die zu Ungunsten der beiden Angeklagten J.

und F.

eingelegte und wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet mit ei-ner Aufklärungs-
und einer Beweisantragsrüge den Freispruch der Angeklagten im [X.] der Anklage. Außerdem wendet sie sich dagegen, dass die Ange-klagte F.

im Fall 9 der Anklage
außer wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht auch -
tateinheitlich -
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Bereits die Aufklärungsrüge dringt hinsichtlich der
Teilfreisprüche
durch. Die Sachrüge führt sowohl zugunsten wie auch zuungunsten der Angeklagten F.

zur Aufhebung im Fall 9 der Anklage.
1. Die von der Staatsanwaltschaft erhobene [X.] der Verletzung der Aufklärungspflicht
(§ 244 Abs. 2 [X.]) führt zur Aufhebung hinsichtlich der
Freisprüche
im [X.] der Anklage.
a) Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass die [X.] rechts-fehlerhaft davon ausgegangen sei, die Zeugin Ba.

habe sich umfassend auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 [X.] berufen; deswegen
ha-be sie rechtsfehlerhaft von weiteren Anstrengungen, die Zeugin -
gegebenen-falls im Rahmen einer audiovisuellen Vernehmung im [X.] -
zu ver-nehmen, Abstand genommen. Der [X.] liegt folgender Verfahrensablauf zu-grunde:
Die Zeugin
Ba.

war
ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung am 11.
Februar 2014 geladen worden, jedoch nicht erschienen. Ausweislich des verlesenen Schreibens des [X.] T.

vom 5. Februar 2014 hat
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-
14
-

dheitlichen önne
Zu einem weiteren [X.] am 12. März 2014 erschien sie ebenfalls nicht. [X.] des verlesenen Schreibens des [X.] T.

vom 12. März 2014 hat

teilzunehmen, zumindest in der nahen Zukunft, weil dies gewisse Risiken für ihre Schwangerschaft birgen könnte, nachdem sie sich einer künstlichen Be-t

erklärt, dass sie im Rahmen dieses Strafverfahrens bereits ausführlich ausge-;
insofern betrachte sie ihre weitere Teilnahme an einer Verhandlung als überflüssig.
Im [X.] vom 31. März 2014 hat die [X.] .

nicht erfolgen soll, da nach ihren Erklärungen, die sie auf Veranlassung des Gerichts gegenüber
den [X.] Polizeibehörden abgegeben hat und die von [X.] an das Gericht mitgeteilt worden sind, davon auszugehen ist, dass die

b) Die zulässig erhobene Verfahrensrüge ist begründet. Der von der [X.] gezogene Schluss, die Zeugin Ba.

-
unbeschadet dessen, ob und in welchem Umfang ihr ein solches Recht zu-steht -
rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Wie sich aus den verlesenen Mittei-lungen der [X.] Polizei ergibt, ist die Zeugin zuvörderst aus gesundheit-lichen Gründen zu beiden [X.]en nicht erschienen. Eine ausdrückliche (vgl. auch [X.], Beschluss vom 9. August 1988 -
4 [X.], [X.]R [X.] § 244 Abs. 2 Zeugenvernehmung 5; [X.],
in:
KK-[X.], 7.
Aufl., 31
32
-
15
-
§
55 Rn. 12 mwN) Weigerung
der Zeugin, (umfassend) auszusagen, ist weder gegenüber den [X.] Beamten noch gegenüber dem [X.] Gericht erklärt worden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Zeugin auch [X.] ihre Teilnahme an einer Verhandlung als
überflüssig bewertet
hat, weil sie sich auf ihre im Ermittlungsverfahren gemachte ausführliche
Aussage berief, liegt der Schluss der [X.] fern, sie habe damit von ihrem (umfassen-den) Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Das [X.] hätte demzufolge gesteigerte Anstrengungen unter-nehmen müssen, die Hauptbelastungszeugin Ba.

entweder in der [X.] oder zumindest in Form einer audiovisuellen Vernehmung im [X.] zu vernehmen.
Auf der Verletzung der Amtsaufklärungspflicht beruhen
auch die
Teilfreisprüche
im [X.] der Anklage.
Wie die Beschwerde-führerin ausführt, hätte die Zeugin bekundet,
zu beiden Angeklagten J.

und F.

u.a. auch in D.

Kontakt gehabt zu haben
und von diesen als Drogen-kurierin eingesetzt worden zu sein; im September 2012 habe sie im Auftrag der beiden Angeklagten 30 Plomben Kokain von [X.]

nach [X.] gebracht und dafür auf Weisung der Angeklagten F.

durch den Angeklagten J.

1.000

Der [X.] kann demnach nicht ausschließen, dass das [X.] zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre, wenn es die Zeugin vernommen hätte.
2. Da die
Freisprüche
im [X.] der Anklage bereits auf diesem
Verfah-rensverstoß beruhen, kommt es auf die weitere Verfahrensrüge der Beschwer-deführerin
nicht an, die [X.] habe fehlerhaft einen Beweisantrag auf Vernehmung der beiden [X.] Ermittlungsbeamten, die der richterlichen Vernehmung der Zeugin Ba.

in [X.] beigewohnt hatten,
als unzulässig (§
244 Abs. 3 Satz 2 [X.]) abgelehnt. Der [X.] verweist insoweit auf die [X.] vom 26. Februar 2015.
33
34
-
16
-
3.
Die Sachrüge führt sowohl zugunsten wie auch zuungunsten der [X.] F.

zur
Aufhebung
ihrer Verurteilung
im Fall 9 der Anklage.
a) Es mangelt bereits an tragfähigen Feststellungen
für eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Insbesondere fehlen Feststellungen dazu, wo sich im Einzelnen die der Angeklagten F.

zuzuordnenden DNA-Spuren h-ten als Bodypack mit Umhüllung und Bindfaden bezeichneten mit heller Folie Der [X.] kann somit schon nicht prüfen, ob die Überzeugung des [X.]s, die Angeklagte sei in [X.] ([X.]) .

nachvoll-ziehbar ist oder es sich letztlich nur um eine Vermutung handelt.
Zudem belegen die knappen schlussfolgernden Ausführungen, die An-geklagte habe sich angesichts der DNA-Spuren an einem der [X.] an dem späteren Verkauf des
-
zumal gesamten -
Kokains
beteiligen wollen, für sich genommen noch
keine tatsächlich erfolgte Förderung oder Erleichterung der Haupttat
(vgl. auch [X.], Beschluss vom 9. Juli 2015 -
2 StR 58/15, [X.], 343, 344 mwN).

b) Ebensowenig ermöglichen die bisherigen -
lückenhaften -
Feststellun-gen zu den gesicherten DNA-Spuren einen Schluss auf die Besitzverhältnisse an den Betäubungsmitteln. Besitzen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein bewusstes tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsver-hältnis sowie [X.] und [X.] voraus, die darauf gerichtet sind, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf das Betäubungsmittel zu erhalten (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Juni 2014 -
2 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 6; [X.], BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 1298 ff., je-35
36
37
38
-
17
-
weils mwN). Eine kurze Hilfstätigkeit ohne Herrschaftswillen genügt für die An-nahme eines Besitzes nicht (vgl. [X.], Urteil vom 16.
April 1975 -
2 StR 60/75, [X.]St 26, 117
f.; [X.], aaO, Rn. 1325). Der [X.] kann nicht ausschließen, dass weitere Feststellungen dazu getroffen werden können, in welcher Intensi-tät und in welchem Umfang die Angeklagte mit den Betäubungsmitteln in Be-rührung gekommen ist.
4. [X.] der Anklage zieht die Aufhebung der
gegen die Angeklagte F.

verhängten
(ersten) Gesamtstrafe nach sich. Wie der Ge-neralbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt hat, wird die neu zur Ent-scheidung berufene [X.] für die Angeklagte F.

nunmehr eine ein-heitliche Gesamtstrafe zu bilden haben, nachdem -
die auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls erfolgte [X.] bezog sich [X.] lediglich auf die Fälle 1, 8 und 9 der Anklage -
einem Nachtragsersu-chen für die Fälle 2, 4 und 5 der Anklage von
dem [X.] d'Appell de Basse 39
-
18
-
Terre rechtskräftig stattgegeben worden ist, wodurch ein diesbezügliches Voll-streckungshindernis entfallen ist (vgl. auch [X.], Beschluss vom 12.
August 1997 -
4 [X.], [X.]R StGB § 55 Abs. 1 Einbeziehung 7; Beschluss vom 27. Juli 2011 -
4 StR 303/11, [X.]R IRG
§ 83h Abs.
2 Nr. 3 Spezialität 1).
Appl [X.] [X.]

Zeng [X.]

Meta

2 StR 457/14

23.12.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.12.2015, Az. 2 StR 457/14 (REWIS RS 2015, 103)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 103

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 74/19 (Bundesgerichtshof)

Hinweispflichten des Tatrichters in der Hauptverhandlung: Veränderung der Sachlage


5 StR 434/22 (Bundesgerichtshof)

Strafprozessrecht: Bewertung der Einlassung eines Angeklagten; Wahrscheinlichkeit einer Sekundärübertragung bei DNA-Spuren


4 StR 248/16 (Bundesgerichtshof)


4 StR 234/14 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Hinweispflicht bei unvollständiger Fassung der …


Referenzen
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Zitiert

2 StR 457/14

3 StR 262/14

2 StR 58/15

2 StR 246/10

4 StR 303/11

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