Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2009, Az. 1 StR 289/09

1. Strafsenat | REWIS RS 2009, 2612

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[X.] vom 8. Juli 2009 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 8. Juli 2009 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. November 2008 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtferti-gung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen. Zu der Rüge, die abgelehnten [X.] hätten ein Ablehnungsgesuch zu Unrecht als unzulässig verworfen (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 338 Nr. 3 StPO), bemerkt der [X.] ergänzend: [X.] ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil das [X.] die Grenzen, innerhalb derer die abgelehnten [X.] selbst über den Antrag [X.] konnten (vgl. hierzu [X.] NJW 2005, 3410; 2006, 3129; [X.], [X.]. vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06), nicht überschritten hat. a) Die Vorschrift des § 26a StPO gestattet nur ausnahmsweise, dass ein abgelehnter [X.] selbst über einen gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag entscheidet. Voraussetzung für diese Ausnahme von dem in § 27 StPO erfass-ten Regelfall der Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten [X.]s ist, dass keine Entscheidung in der Sache getroffen wird, vielmehr die Beteiligung des abgelehnten [X.]s auf eine echte Formalentscheidung oder die Verhin-derung des Missbrauchs des Ablehnungsrechts beschränkt bleibt ([X.] NJW 2005, 3410). Die Anwendung des § 26a StPO darf nicht dazu führen, dass der - 3 - ablehnende [X.] sein eigenes Verhalten beurteilt und damit —[X.] in eige-ner [X.] wird. Dies gilt auch für die Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. [X.], 267; NStZ 2008, 523, 524). Allerdings ist es zum Beleg der [X.] regelmäßig erforderlich, dass die [X.] das [X.] im Rahmen des Prozessgeschehens schildern. Allein hierdurch werden sie indes nicht zu [X.]n in eigener Sache ([X.], 473). Der Gesetzgeber hat aus Gründen der Vereinfachung und [X.]eunigung des Ablehnungsverfahrens von einer Zuständigkeit dergestalt abgesehen, dass der abgelehnte [X.] auch in den klaren Fällen eines unzulässigen oder miss-bräuchlich angebrachten [X.] an der Mitwirkung bei der Ent-scheidung über das Gesuch gehindert ist. Die Mitwirkung des abgelehnten [X.]s bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines [X.] oder über die Frage seiner missbräuchlichen Anbringung, wie § 26a StPO sie erlaubt, verhindert ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren unter Hinzuziehung von Vertretern in Fällen gänzlich untauglicher oder rechts-missbräuchlicher Ablehnungsgesuche; bei strenger Beachtung ihrer tatbestand-lichen Voraussetzungen gerät sie mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt, weil die Prüfung keine Beurteilung des eige-nen Verhaltens des abgelehnten [X.]s voraussetzt und deshalb keine echte Entscheidung in eigener Sache ist ([X.], [X.]. vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06). b) Nach diesen Maßstäben hält die Verwerfung des gegen die [X.] gerichteten [X.] als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO rechtlicher Nachprüfung stand. - 4 - Das [X.] hat die Verwerfung des [X.] gegen die Berufsrichter der [X.] auf § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO gestützt. Es hat [X.] seine Überzeugung von der dem Antrag zugrunde liegenden Verschlep-pungsabsicht rechtsfehlerfrei gewonnen aus dem Befangenheitsantrag selbst (dort wurde, wie die Revision selbst einräumt, die Rechtslage zur Möglichkeit der Fristsetzung für Beweisanträge - [X.]St 51, 333, 344; [X.], 716 - falsch dargestellt und der [X.] tatsächlich unzutreffend vorgeworfen, Beweisanträge pauschal zurückgewiesen zu haben), der Verfahrenssituation (Ende des von der [X.] vorgesehenen Beweisprogramms) sowie aus dem dem Antrag vorangehenden Prozessgeschehen (durch die Verteidigung wurden in Beweisanträgen an drei aufeinanderfolgenden Tagen drei miteinan-der unvereinbare Sachverhaltsbehauptungen in das Wissen derselben 31 [X.] gestellt). Zur Begründung der Prozessverschleppungsabsicht kamen die abge-lehnten [X.] nicht umhin, das dem Befangenheitsantrag vorausgegangene Prozessgeschehen und damit auch eigenes Verhalten und den Inhalt von Be-schlussbegründungen zu schildern. Zu [X.]n —in eigener [X.] sind sie [X.] nicht geworden (vgl. [X.], 473). Denn das [X.] hat in dem Zurückweisungsbeschluss nicht eigenes Verhalten bewertet, sondern vielmehr anhand des Inhalts der in dem Befangenheitsgesuch beanstandeten [X.] aufgezeigt, dass die Behauptung der Verteidigung, Be-weisanträge würden nach Ablauf der Frist —pauschal als verspätet [X.], objektiv unwahr ist. Dies war zur Darlegung der Verschleppungsabsicht, deren Feststellung gesetzliche Voraussetzung der Anwendung des § 26a Abs. 1 Satz 3 StPO ist, zulässig. Dasselbe gilt für das Aufzeigen und die Bewertung weiterer Umstände aus dem Prozessverhalten des [X.], die das Land-gericht zum Beleg der Prozessverschleppungsabsicht herangezogen hat. Auch - 5 - die Tatsache, dass das [X.] schon bei der vorangehenden Ablehnung von Beweisanträgen wegen Prozessverschleppung gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO eine Verschleppungsabsicht festgestellt hat, führt nicht dazu, dass die [X.] zu [X.]n —in eigener [X.] geworden wären. c) Selbst wenn man dies anders bewerten wollte, wäre der absolute [X.] des § 338 Nr. 3 StPO nicht gegeben, weil jedenfalls eine willkürli-che oder offensichtlich unhaltbare Anwendung des § 26a StPO nicht gegeben ist. Unterlaufen dem Tatgericht Fehler bei der Anwendung des § 26a StPO, begründet dies nicht ohne weiteres den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO. Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO führt vielmehr nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn diese Vorschriften willkürlich angewendet werden oder die richterli-che Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie ver-kennt ([X.] NJW 2005, 3410, 3411; [X.], [X.]. vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; [X.]St 50, 216, 219; [X.], 161). In Fällen, in [X.] sich die Verwerfung als nicht offensichtlich unhaltbar erweist und es sich mithin um einen —einfachen Rechtsverstoßfi und nicht um einen Verfassungs-verstoß handelt, ist dem Revisionsgericht die Überprüfung nach [X.] ([X.], 464) und sogar der mögliche Austausch des [X.] erlaubt ([X.], 267). Auch nach den dann anzuwendenden [X.] wäre die Entscheidung des [X.]s rechtlich nicht zu beanstanden, weil angesichts des Prozessgeschehens offensichtlich ist, dass durch das Ablehnungsgesuch - 6 - das Verfahren nur verschleppt werden sollte. Dies ergibt sich aus folgendem Prozessgeschehen: Die von der [X.] nach dem Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) für erforderlich gehaltenen Beweiserhebungen waren be-reits Ende August 2008 im Wesentlichen durchgeführt. Am 49. [X.], dem 10. Oktober 2008, setzte der Vorsitzende der [X.] den [X.] eine Frist bis zum 17. Oktober 2008, —andernfalls - ohne über-zeugende Begründung für die verspätete Antragstellung - mit einer Ablehnung wegen Verfahrensverzögerung gerechnet werdenfi müsse. Die Fristsetzung wurde am 14. Oktober 2008 durch [X.]uss der [X.] gemäß § 238 Abs. 2 StPO bestätigt. In diesem [X.]uss wurde festgestellt, dass der [X.] bereits am 30. September 2008 unter Hinweis auf eine bevorstehende Fristsetzung für etwaige weitere Beweisanträge darauf hingewiesen habe, dass die [X.] beabsichtige, die Beweisaufnahme - nach einer [X.] von zehn Tagen, die zur Vorbereitung weiterer Beweisanträge ge-nutzt werden konnte - am 10. Oktober 2008 zu schließen. In der nächsten, statt am 17. Oktober erst am 21. Oktober 2008 stattfin-denden Hauptverhandlung stellte der Verteidiger des Angeklagten vier [X.], u.a. gerichtet auf die Vernehmung von 73 Zeugen, die von der [X.] am 24. Oktober 2008 - zum Teil gewertet als bloße Beweisermittlungs-anträge ohne Angabe einer hinreichend konkreten [X.] - zurückge-wiesen wurden, ohne dass die Zurückweisung auf Prozessverschleppung ge-stützt wurde. Dem an diesem Tag gestellten Beweisantrag auf Vernehmung des Bruders des Angeklagten kam das [X.] nach. Auf Frage des [X.] erklärte die Verteidigung des Angeklagten dabei, —dass sie zu diesem Zeit-punkt keine weiteren Beweisanträge stellen werde, was nicht heiße, dass [X.] 7 - ter keine weiteren Beweisanträge gestellt [X.] und —dass sie weiterhin [X.] in den Sitzungssaal stellen werde und diese für kommenden Dienstag und Freitag bereits geladen habefi. Weitere noch an diesem Hauptverhandlungstag gestellte Beweisanträge lehnte die [X.] ab, ebenfalls ohne die Ableh-nung auf Prozessverschleppung zu stützen. Zu Beginn der Hauptverhandlung am 28. Oktober 2008 präsentierte der Verteidiger des Angeklagten einen von ihm geladenen und auch erschienenen Zeugen und stellte zudem einen Beweisantrag auf Vernehmung von 30 der be-reits zuvor benannten 73 Zeugen, nun einzeln benannt und mit konkret auf sie bezogenen [X.]n. Die [X.] lehnte die beantragte [X.] wegen beabsichtigter Verfahrensverschleppung ab (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), weil die in den Beweisanträgen erst am 52. Verhandlungstag be-nannten Zeugen und Beweisthemen der Verteidigung des Angeklagten seit Be-ginn des Verfahrens bekannt gewesen seien. Nach Verkündung der [X.] lehnte der Verteidiger des Angeklagten mit einem erkennbar vorgefertigten —Befangenheitsantragfi, in den handschriftlich lediglich noch die Daten und Uhrzeiten der Beweisanträge und [X.] eingetragen wurden, die Berufsrichter der [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die behauptete Besorgnis der Befan-genheit wurde - ohne dass die Rechtsprechung des [X.] für Fristsetzung für Beweisanträge ([X.]St 51, 333, 344; [X.], 716) erwähnt wurde - allgemein damit begründet, dass derjenige [X.], der nach einer von ihm selbst bestimmten Frist nicht mehr bereit sei, den vom Angeklag-ten vorgetragenen Beweisanträgen nachzugehen, den Eindruck erwecke, dass er die elementaren Verteidigungsrechte eines Angeklagten nicht in [X.] Maße würdige. —[X.] im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut - 8 - des § 246 Abs. 1 StPO lasse die am 10. Oktober 2008 erlassene Verfügung des Vorsitzenden und die am 14. Oktober 2008 verkündete Ausschlussfrist Zweifel an der Unvoreingenommenheit der zur Entscheidung berufenen [X.] aufkommen. Für die Verteidigung war jedoch klar erkennbar, dass sich die [X.] mit der Fristsetzung an die Vorgaben der Rechtsprechung (vgl. [X.] aaO) gehalten hat, auch nach Fristablauf noch beantragte Beweiserhebungen [X.] hat und im Übrigen Beweisanträge nicht pauschal, sondern mit fundier-ter Begründung wegen Prozessverschleppung abgelehnt hat. - 9 - Angesichts des gesamten Prozessverhaltens der Verteidigung nach [X.] des von der [X.] nach dem Maßstab der Aufklärungspflicht abgearbeiteten Beweisprogramms und nach Fristsetzung für weitere Beweisan-träge durch die [X.] ist offensichtlich, dass durch die Ablehnung der [X.] nur das Verfahren verschleppt werden sollte. [X.]Wahl Hebenstreit Ri[X.] Prof. Dr. Sander ist in Urlaub und deshalb an der Unterschrift verhindert. [X.]

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1 StR 289/09

08.07.2009

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2009, Az. 1 StR 289/09 (REWIS RS 2009, 2612)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2612

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