Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.07.2014, Az. IV ZR 85/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3671

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 85/12

Verkündet am:

30. Juli 2014

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO, in dem Schriftsätze bis zum 23.
Juli 2014 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerseite
gegen das Urteil des 7.
Zivilsenats des [X.] vom 8.
Februar 2012 wird als unzulässig verworfen, so-weit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a [X.] erklärten Widerspruch
gestützt ist.

Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsur-teil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 2.728,78

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer/in: im Folgenden d. [X.]) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) 1
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Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversiche-rung.

Diese wurde

unter Wahl einer monatlichen Prämienzahlung -
auf-grund eines Antrags d.
[X.] mit Vertragsbeginn zum
1. Dezember 2002
nach dem so genannten Policenmodell des § 5a [X.] in der bei [X.] gültigen Fassung
(im Folgenden §
5a [X.]) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde d. [X.] nicht in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht nach § 5a [X.]
belehrt.
Im April 2009 kündigte
d. [X.] den Vertrag
und der [X.] zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 8.
Juni 2010 erklärte d. [X.] schließlich den Widerspruch nach §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.] und den Widerruf gemäß §
355
BG[X.]

Mit der Klage verlangt d. [X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag ge-leisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.].

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des

gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden

§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] habe der [X.] noch erklärt werden
können. Außerdem hätten die auf den Vertragsschluss gerichteten Erklärungen nach §§ 355, 495 BGB a.F. wi-derrufen werden können, weil es sich bei der vereinbarten unterjährigen Prämienzahlung um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub i.S.
von § 499 Abs. 1 BGB a.F.
handele.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d. [X.] das

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist bezüglich eines [X.]s nach § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 355, 495, 499 BGB a.F. als unzulässig zu verwer-fen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

A. Dieses hat einen
Prämienrückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint. Der Versicherer habe zwar nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über das Widerspruchsrecht [X.]. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs.
2 Satz 4 [X.] ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam gewor-den.
Auch ein Widerrufsrecht nach §
355, §
499 Abs. 1, §
495 Abs. 1 BGB a.F. bestehe nicht.

[X.] Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Widerrufsrechts aus § 355 Abs. 3 Satz 3, §
495 Abs. 1, §
499 Abs. 1 BGB a.F. nicht zulässig.

Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch
nach § 5a Abs. 1 [X.] für unwirksam erachtet und einen daraus ab-geleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat.
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Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage zugelassen, ob die Vorschriften des § 5a [X.] den Regelungen der [X.] entsprechen. Diese im Tenor und auch in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebote-nen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisions-zulassung ist wirksam (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014

[X.]/11, [X.], 817, 818
Rn.
11;
für BGHZ
vorgesehen). Der dem Bereiche-rungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für das [X.] maßgeblichen Prozessstoff beurteilt
werden. Im Übrigen hätte
die Revision insoweit auch in der Sache keinen
Erfolg. Durch Senatsurteil vom 6. Februar 2013 ([X.], [X.], 150) ist mittlerweile ge-klärt, dass die vertraglich vereinbarte unterjährige Zahlungsweise von Versicherungsprämien keine Kreditgewährung in Form eines entgeltli-chen Zahlungsaufschubs ist.

C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.

[X.] Der Anspruch auf Prämienrückzahlung folgt dem Grunde nach aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.

1. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war

ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] normierten Jahresfrist

rechtzeitig.
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a) Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte der
Versicherer d. [X.] nicht ordnungs-gemäß i.S. von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] über das Widerspruchs-recht.
Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.]
zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.

Das Widerspruchsrecht bestand hier aber
nach Ablauf der [X.] und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.]
auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19. Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 ([X.]/11,
[X.], 817, 819 ff.
Rn.
19-34) entschieden
und im Einzelnen [X.], die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversi-cherungen zur Lebensversicherung
grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d.
[X.]

wie hier -
nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat
(im Einzelnen da-zu Senatsurteil vom 7. Mai 2014
aaO Rn. 22-34).

b)
Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.).
Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits 14
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vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).

2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen
Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).

I[X.] Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss
sich d. [X.] bei
der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den
jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).

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Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben
(vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014
aaO Rn. 46).

[X.] [X.] [X.]

[X.]

[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.06.2011 -
5 O 171/10 -

OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 08.02.2012 -
7 [X.] -

20

Meta

IV ZR 85/12

30.07.2014

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.07.2014, Az. IV ZR 85/12 (REWIS RS 2014, 3671)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3671

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 76/11

IV ZR 230/12

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