Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.11.2022, Az. 3 StR 371/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7622

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Gegenstand

Elektronischer Rechtsverkehr in Strafsachen: Anforderungen an die Anschlusserklärung im Rahmen der Nebenklage per beA


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2022 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und das [X.] eingezogen. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch und zur Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Strafausspruch hat demgegenüber keinen Bestand, weil sich die [X.] als rechtsfehlerhaft erweist.

3

Das [X.] hat der Strafzumessung den gemäß §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt. Das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne des § 213 StGB hat die [X.] unter Berücksichtigung lediglich der allgemeinen Strafzumessungsumstände verneint. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

4

Sieht das Gesetz einen besonderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vor und ist - wie hier - auch ein gesetzlich vertypter [X.] gegeben, muss bei der [X.] zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten [X.] verwirklichenden Umstände in die Betrachtung einzubeziehen. Erst wenn das Tatgericht die Anwendung des milderen Strafrahmens danach weiterhin nicht für gerechtfertigt hält, darf es seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gesetzlich vertypten [X.]es gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; s. etwa [X.], Beschlüsse vom 17. Oktober 2017 - 3 [X.], juris Rn. 18; vom 5. Mai 2021 - 3 [X.], juris Rn. 4, jeweils [X.]).

5

Daran fehlt es hier. Die [X.] hat nicht geprüft, ob ein minder schwerer Fall anzunehmen ist, weil der gesetzlich vertypte [X.] des Versuchs vorliegt. Dieser Rechtsfehler beschwert den Angeklagten, weil der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB hinsichtlich der Strafunter- und -obergrenze höher liegt als derjenige von § 213 StGB. Es ist nicht auszuschließen, dass das [X.] bei Beachtung der aufgezeigten Grundsätze eine mildere Strafe verhängt hätte.

6

Die Strafe ist deshalb neu zu bemessen. Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen bleiben von dem Rechtsfehler unberührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 [X.]).

7

2. Soweit der [X.] in seiner Antragsschrift angemerkt hat, das Tatopfer habe bisher nicht rechtswirksam seinen [X.] als Nebenkläger erklärt, besteht Anlass zu folgendem Bemerken:

8

a) Seit dem 1. Januar 2022 gelten nach § 32d Satz 2 [X.] für die dort bezeichneten Prozesshandlungen neue [X.]. Rechtsanwälte müssen nunmehr die [X.]erklärung bei der Nebenklage den Strafverfolgungsbehörden als elektronisches Dokument übersenden. Da die Erklärung gemäß § 396 Abs. 1 Satz 1 [X.] der Schriftform unterliegt, ist sie nach § 32a Abs. 3 [X.] außerdem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Rechtsanwalts zu versehen oder auf einem sicheren Übermittlungsweg einzureichen. Als ein solcher gilt nach § 32a Abs. 4 Nr. 2 [X.] derjenige zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a [X.] [X.]) und der elektronischen Poststelle der Behörde oder des Gerichts (s. im Einzelnen [X.], Beschluss vom 8. September 2022 - 3 StR 251/22, juris Rn. 4 ff. [X.]; zur [X.]erklärung des [X.] ausdrücklich [X.]/[X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 32a Rn. 4; [X.]/[X.], Stand: 5. September 2022, § 32a [X.] Rn. 27; [X.] [X.]/[X.], [X.].; SSW-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 32a Rn. 6). Nach § 32a Abs. 2 Satz 1 [X.] muss das Dokument überdies für die Bearbeitung durch die Strafverfolgungsbehörde geeignet sein (s. hierzu näher [X.], Beschluss vom 7. Juni 2022 - 4 OLG 4 Ss 67/22, juris Rn. 10 ff.).

9

b) Die letztgenannte Anforderung erfüllt das mit dem Namen des Rechtsanwalts versehene und elektronisch im Dateiformat [X.] an das [X.] der Staatsanwaltschaft übermittelte Schreiben. Dafür, dass es der Rechtsanwalt auch von [X.] aus verschickt hat, spricht der automatisiert bei der Behörde erstellte Eingangsvermerk. Dieser weist den Rechtsanwalt und die ihm von der Bundesrechtsanwaltskammer für [X.] ausgestellte [X.] - eine 49-stellige Kombination aus Zahlen, Buchstaben und Zeichen - als Absender aus. Aus dem Dokument selbst ergibt sich die Übermittlung "per beA" ebenfalls.

Schäfer     

  

Berg     

  

Erbguth

  

Kreicker     

  

Voigt     

  

Meta

3 StR 371/22

16.11.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Osnabrück, 14. Juni 2022, Az: 6 Ks 2/22

§ 32a Abs 2 S 1 StPO, § 32a Abs 3 Alt 2 StPO, § 32a Abs 4 S 1 Nr 2 StPO, § 32d S 2 StPO, § 396a Abs 1 S 1 StPO, § 31a BRAO, § 2 Abs 1 ERVV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.11.2022, Az. 3 StR 371/22 (REWIS RS 2022, 7622)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7622

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