Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.06.2010, Az. 3 ZA (pat) 17/09

3. Senat | REWIS RS 2010, 5882

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsberufungsverfahren – Kostenfestsetzung – Doppelvertretungskosten - regelmäßige Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Mitwirkung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt


Leitsatz

Doppelvertretungskosten, Nichtigkeitsberufungsverfahren

Im Nichtigkeitsberufungsverfahren sind die entstandenen Kosten für die Mitwirkung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt als regelmäßig für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig und damit als erstattungsfähig anzusehen.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 485 483

([X.])

hier: Kostenfestsetzung

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] am 15. Juni 2010 unter Mitwirkung…

beschlossen:

1. Die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] vom 22. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Erinnerungsverfahrens wird auf 23.489,57 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit [X.]uss des [X.] [X.] vom 20. Mai 2008 sind der [X.] die Kosten des [X.] auferlegt worden, nachdem sie die Berufung einen Tag vor der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] zurückgenommen hatte. Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist auf … € festgesetzt worden. Ein [X.] ist neben dem [X.] nicht anhängig gewesen.

2

Die Klägerin hat [X.] beantragt. Dabei hat sie u. a. neben den für den bevollmächtigten Patentanwalt entstandenen Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt eine 1,3 Prozessgebühr, eine 1,3 Verhandlungsgebühr, eine 1,3 Beweisgebühr, den [X.] für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie Reisekosten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] beansprucht. Die Rechtspflegerin des [X.] hat u. a. die für die Doppelvertretung entstandenen Kosten - bis auf die 1,3 Verfahrensgebühr - als gerechtfertigt angesehen und mit [X.]uss vom 22. Januar 2009 die von der [X.] an die Klägerin zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens auf 54.464,33 € nebst Zinsen unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags der Klägerin festgesetzt.

3

Die Beklagte hat gegen diesen [X.]uss Erinnerung eingelegt, soweit damit über einen Betrag von 30.974,76 € hinaus weitere Kosten, nämlich für den vor dem [X.] neben dem Patentanwalt mitwirkenden Rechtsanwalt, festgesetzt worden sind. Die Beklagte hält die Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts nicht für erstattungsfähig und ist der Auffassung, auch im [X.] vor dem [X.] sei eine Doppelvertretung grundsätzlich nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i. S. v. § 91 ZPO erforderlich anzusehen. Patentanwälten sei vom Gesetzgeber unabhängig von einem Rechtsanwalt ein alleiniges Vertretungsrecht vor dem [X.] eingeräumt worden. Der Patentanwalt sei im Rahmen seiner in § 3 Abs. 2 Ziff. 3 [X.] normierten beruflichen Aufgabe grundsätzlich auch für die Vertretung im [X.] hinreichend ausgebildet. Die Betreuung von [X.] und [X.] gehörten zu den regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben eines Patentanwaltes, so dass dieser mit allen Aspekten des [X.]s einschließlich einer Beweisaufnahme vertraut sei. Vorliegend seien keine besonderen rechtlichen Fragestellungen zu beurteilen gewesen. Allein der Umstand, dass das [X.] vor dem [X.] letztinstanzlich erfolge und dieses regelmäßig eine Beweiserhebung durch [X.] und Befragung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung umfasse, rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung.

4

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

5

den [X.]sbeschluss vom 22. Januar 2009 insoweit aufzuheben, als damit ein 30.974,76 € übersteigender Betrag festgesetzt worden ist.

6

Die Klägerin beantragt,

7

 die Erinnerung zurückzuweisen.

8

Sie führt aus, sie habe die Bevollmächtigung eines Rechts- und Patentanwaltes zur Wahrung ihrer Interessen als sachdienlich ansehen dürfen. Ein Patentanwalt bringe nicht sämtliche für das [X.] erforderlichen juristischen Kenntnisse mit. Die rechtlichen Problemstellungen vor einem obersten und letztinstanzlich entscheidenden Gericht begründeten die konkrete Notwendigkeit des Zusammenwirkens eines Patent- und eines Rechtsanwalts wie in [X.], zumal es sich bei Patentnichtigkeitsverfahren um sehr umfangreiche, rechtlich und wirtschaftlich äußerst bedeutsame Verfahren handele. In einem Patentnichtigkeitsverfahren vor dem [X.] stellten sich bei der regelmäßig dort angeordneten Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung nicht selten schwierige zivilprozessuale Fragen.

9

Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Die - zulässiger Weise auf einen Teil des angegriffenen [X.]sbeschlusses beschränkte - Erinnerung ist auch im Übrigen gemäß § 23 Abs. 2 RPflG i. V. m. § 104 Abs. 3 ZPO, § 84 Abs. 2 zulässig.

Sie ist aber nicht begründet. Die geltend gemachten Kosten für den im [X.] neben dem verfahrensbevollmächtigten Patentanwalt beauftragten Rechtsanwalt waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. §84 Abs. 2 [X.].

1. Rechtsgrundlage für die Erstattung von Kosten eines mitwirkenden Rechtsanwalts im Patentnichtigkeitsverfahren vor dem [X.] ist nicht § 143 Abs. 3 [X.] in analoger Anwendung, sondern - über die Verweisung in § 84 Abs. 2 S. 2 [X.] - § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. § 143 Abs. 3 [X.] regelt die Kosten eines neben dem Rechtsanwalt im Patentstreitverfahren mitwirkenden Patentanwalts. Der [X.] behält insofern seine bisherige Rechtsprechung bei, dass eine analoge Anwendung mangels Vorliegens einer planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke nicht in Betracht kommt (vgl. bereits B[X.]E 51, 62 = [X.] 2009, 128 = [X.]. 2008, 570 - Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts). Dies entspricht auch der Rechtsauffassung anderer Nichtigkeitssenate des [X.] (vgl. B[X.]E 51, 67 = [X.], 706 - Doppelvertretungskosten im [X.] I; zuletzt B[X.], [X.]. v. 31. März 2010 - 10 ZA (pat) 5/08 m. w. N. - LS bei juris).

2. Die einer obsiegenden [X.] entstandenen Kosten sind nach § 91 ZPO erstattungsfähig, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Hierbei sind als notwendig nur Kosten für solche Handlungen anzusehen, die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet erscheinen, das im Streit stehende Recht zu verfolgen oder zu verteidigen. Maßstab ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige [X.] die die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte ([X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 91 RdNr. 12; vgl. auch B[X.]E 51, 62). Dabei darf die [X.] ihr berechtigtes Interesse verfolgen und alle [X.]el zur Wahrung ihrer Interessen nutzen.

3. Nach der neueren Rechtsprechung der Nichtigkeitssenate des [X.] sind die für die Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendigen Kosten im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu ermitteln. Von einigen [X.]en wird insoweit die Auffassung vertreten, im Rahmen der geforderten typisierenden Betrachtungsweise sollten Doppelvertretungskosten jedenfalls dann als notwendige Kosten anerkannt werden, wenn zeitgleich mit dem [X.] ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig ist. In diesem Fall sei das Vorgehen regelmäßig aufeinander abzustimmen, beispielsweise im Hinblick auf die Beurteilung der Tragweite einer beschränkten Verteidigung des Patents im [X.] (B[X.], [X.]. v. 21. November 2008 - 1 ZA (pat) 13/07 zu 1 Ni 11/05, [X.], 706; [X.]. v. 22. Dezember 2008 - 1 ZA (pat) 13/08 zu 4 Ni 23/05 ([X.]), [X.], 707; [X.]. v. 12. März 2009 - 2 ZA (pat) 82/07 - juris) oder im Hinblick auf einen im [X.] zu schließenden Vergleich, der das Streitverfahren in der Regel abschließend mit erledigt. Auch insofern ist ein beachtlicher Abstimmungsbedarf anerkannt worden (B[X.], [X.], 706). Dem hat sich nunmehr auch der 10. [X.] des [X.] angeschlossen (a. a. O. - [X.]. v. 31. März 2010 - 10 ZA (pat) 5/08).

Diese Fallgruppe ist indessen vorliegend nicht einschlägig, weil während des [X.]s kein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig gewesen ist.

4. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung des [X.], insbesondere auch des beschließenden [X.]s (vgl. grundsätzlich B[X.], [X.]. v. 19. April 1982 - 3 ZA (pat) 2/82, B[X.]E 24, 4215), die Mitwirkung eines Rechtsanwalts im Rahmen eines [X.] als typischerweise angebracht, die entstehenden Kosten demgemäß als regelmäßig für die Rechtsverfolgung zweckentsprechend und damit als erstattungsfähig anzusehen. Dabei ist zwar zunächst ohne weiteres davon auszugehen, dass der Patentanwalt nach seiner Ausbildung und dem Berufsbild seines Standes grundsätzlich befähigt ist, Patentgerichtsverfahren auf dem ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgabengebiet mit hinreichendem juristischem Sachverstand durchzuführen (vgl. auch B[X.], [X.]. v. 21. August 2008 - 3 ZA (pat) 44/08, B[X.]E 511, 62 = [X.] 2009, 128, ebenso [X.]. v. 29. Januar 2009 - 4 ZA (pat) 81/08, a. a. O.; [X.]. v. 21. September 2009 - 5 W (pat) 432/06, B[X.]E 51, 81 = [X.], 556 - Medizinisches Instrument). Zutreffend hat die Rechtspflegerin jedoch ausgeführt, auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung der [X.]e des [X.] habe sich an der Rechtfertigung der Erstattung der Kosten für einen mitvertretenden Rechtsanwalt in einem [X.] vor dem [X.] nichts geändert. Insbesondere erscheint es weiterhin maßgeblich, dass der [X.] als gemeinsame oberste Instanz in allen Patenterteilungs-, Nichtigkeits- und Verletzungsverfahren ständig zur einheitlichen Auslegung und Fortbildung des Patentrechts im Rahmen der Gesamtrechtsordnung berufen ist und hierzu auch der kundigen und auf allen Rechtsgebieten erfahrenen Mitwirkung von umfassend juristisch geschulten Rechtsanwälten in besonderem Maße bedarf. Ferner gilt weiterhin, dass aus der Sicht der vertretenen [X.] berücksichtigt werden darf, dass der [X.] im Patentnichtigkeitsverfahren als Berufungsgericht letztinstanzlich entscheidet. Anders als bei dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem [X.] besteht somit keine Möglichkeit mehr, unsachgemäßen, lückenhaften oder gar falschen [X.] in einem späteren Stadium des Prozesses klarzustellen, zu ergänzen oder zu berichtigen. Es kann daher insbesondere nicht als "übertriebenes [X.]" angesehen werden, wenn eine [X.] sich für das Verfahrens vor dem [X.] der Mitwirkung eines Rechtsanwalts versichert, selbst wenn zunächst (ex ante) keine rechtlich schwierigen oder besonders komplexe Rechtsfragen für das [X.] erkennbar sind.

III.

[X.] beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.] ergibt sich aus dem mit der Erinnerung zur Überprüfung gestellten Betrag.

Meta

3 ZA (pat) 17/09

15.06.2010

Bundespatentgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ZA (pat)

§ 91 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.06.2010, Az. 3 ZA (pat) 17/09 (REWIS RS 2010, 5882)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5882

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

4 ZA (pat) 58/10

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10 ZA (pat) 5/08

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