Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.12.2019, Az. III ZR 112/18

3. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 767

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Gegenstand

Amtspflichtverletzung des Notars: Mitwirkung an aufeinanderfolgenden Grundstückskaufverträgen mit großer Differenz zwischen Ankaufs- und Weiterverkaufspreis durch Beurkundung und Abwicklung; Erklärbarkeit des Preisunterschieds


Leitsatz

1. Eine große Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis eines Grundstücks bei kurz aufeinanderfolgenden Verträgen ist ein Anhaltspunkt für die Verfolgung unerlaubter oder unredlicher Zwecke, an welcher der Notar weder durch die Beurkundung noch durch die Abwicklung der Kaufverträge mitwirken darf (Bestätigung von Senat, Urteil vom 17. Juli 2014 - III ZR 514/13, WM 2014, 1611 Rn. 32 und BGH, Beschluss vom 28. Juli 2008 - NotSt (B) 1/08, BeckRS 2008, 17806).

2. Dieser Anhaltspunkt kann jedoch nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls nicht durchgreifen, insbesondere wenn der Preisunterschied erklärbar ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 24. April 2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.] hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten unter dem Vorwurf notarieller Amtspflichtverletzungen auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der beklagte Notar beurkundete seit September 2004 eine Reihe von Vertragserklärungen betreffend den An- und Verkauf von Wohnungen in drei Wohnungseigentumsanlagen in [X.]      . Die Anlagen waren in den 1970er Jahren von der [X.] für [X.] errichtet, sodann in Wohnungseigentum aufgeteilt, an Dritte verkauft und zurückgemietet worden. Die Rechtsvorgängerin der Streithelferin des Beklagten (im Folgenden nur Streithelferin) erwarb die Wohnungen ab dem [X.] von den bisherigen Eigentümern und veräußerte sie an [X.] weiter. Dabei lagen die Preise, die die Streithelferin an den jeweiligen Verkäufer zahlte, deutlich unterhalb der mit den [X.]n vereinbarten Weiterverkaufspreise. Diese wurden - wie auch im Fall der Klägerin - von der [X.] (nachfolgend [X.]) in vollem Umfang kreditfinanziert. Die [X.] wurden unter Verwendung eines von der Streithelferin aufgelegten Prospekts zum Kauf von Wohnungen als Investitionsobjekt unter anderem unter Hinweis auf die sicheren Mietzahlungen angeworben.

3

Am 2. August 2007 ließ die Klägerin vor einem [X.] Notar zwei an die Streithelferin gerichtete notarielle Angebote zum Abschluss von Kaufverträgen über je 72 m² große Eigentumswohnungen in einer der Wohnanlagen ("W.     I") zum Kaufpreis von jeweils netto 97.632,73 € zuzüglich der Kosten für den Erwerb eines Stellplatzes (2.155,17 €) sowie weiterer Nebenkosten je Wohnung beurkunden. Der Gesamtaufwand pro Wohnung einschließlich der später zurückgezahlten Umsatzsteuer betrug 120.592,87 €. In § 10 der jeweiligen Kaufvertragsangebote wurde darauf hingewiesen, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen hatte, die Anlage "umfangreich zu sanieren, modernisieren und renovieren" und dafür von jedem Eigentümer eine Sonderumlage zu leisten war, die aus den von einer Verwaltungsgesellschaft eingezogenen Mieteinnahmen beglichen werden sollte. Damit Erwerber - wie die Klägerin - dennoch Mieten ausgekehrt erhielten, verpflichtete sich die Streithelferin, die noch offene Sonderumlage aus dem Kaufpreis zu begleichen. Die Annahmeerklärungen der Streithelferin beurkundete der Beklagte am 8. August 2007 ([X.]. 173 und 175/2007), ebenso die Ankaufverträge zwischen dem früheren Wohnungseigentümer und der Streithelferin zum Kaufpreis von jeweils 44.000 € ([X.]. 169 und 171/2007). Den von der [X.] vereinbarungsgemäß auf ein [X.] des Beklagten überwiesenen Kaufpreis leitete dieser an die verschiedenen im Kaufvertrag benannten Empfänger weiter. Jeweils 4.832,74 € entfielen dabei auf die von der Streithelferin übernommene Sonderumlage.

4

Nachdem der Abzug der [X.] Truppen beschlossen worden war, kündigte die [X.] die Mietverträge mit Wirkung zum 30. April 2015. Inzwischen sind die Wohnungen der Klägerin anderweitig vermietet.

5

Die Klägerin verklagte unter anderem die Streithelferin im Jahr 2012 auf Vertragsrückabwicklung und Schadensersatz, nahm die Klage nach einer außergerichtlichen Einigung 2016 aber wieder zurück.

6

Wegen der in Rede stehenden Vorgänge erhob die Präsidentin des [X.] gegen den Beklagten eine auf dessen Entfernung aus dem Amt gerichtete Disziplinarklage mit dem Vorwurf, er habe an betrügerischen Geschäften mitgewirkt. Der angerufene Notarsenat des [X.] konnte jedoch einen Verstoß gegen § 14 Abs. 2 [X.] nicht feststellen und verhängte wegen eines anderen - für das vorliegende Verfahren nicht relevanten - Dienstvergehens lediglich eine Geldbuße.

7

Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, systematisch an der Durchführung sogenannter Kettenkaufverträge zum Nachteil der Erwerber und der finanzierenden Bank mitgewirkt zu haben. Sie hat behauptet, die Streithelferin habe den Dritterwerbern und ihren Banken einen zu hohen Immobilienwert vorgespiegelt, um sie zum Abschluss eines Kauf- und Darlehensvertrages zu veranlassen, den sie bei Kenntnis des wahren Werts nicht abgeschlossen hätten. Insbesondere aufgrund der hohen Kaufpreisaufschläge, die die Streithelferin innerhalb kurzer Zeit realisiert habe, sowie der in den Kaufpreisen versteckten Innenprovisionen habe sich dem Beklagten die Einsicht aufdrängen müssen, an einem unredlichen oder unerlaubten Geschäft mitzuwirken. Er hätte daher von der Beurkundung der notariellen Annahmeerklärungen beziehungsweise der Abwicklung der Verträge absehen müssen.

8

Das [X.] hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Verkehrswert der Wohnungen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und ihr auch im Übrigen im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

Das [X.] hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt, der [X.]eklagte habe bei [X.]eurkundung der Annahmeerklärungen der Streithelferin seine Amtspflicht aus § 14 Abs. 2 [X.] und § 4 [X.]eurkG nicht verletzt. Erhebliche Abweichungen der Preise zwischen Ankaufs- und [X.] seien lediglich ein Indiz für die Unredlichkeit des Geschäfts, vor dem der Notar die Augen nicht verschließen dürfe. Es stehe bereits nicht fest, dass der [X.]eklagte bei der [X.]eurkundung der Annahme des Kaufangebots durch die Streithelferin die erheblichen Differenzen zwischen An- und Verkaufspreisen erkannt habe. Eine Kenntnis von der Höhe des abgegebenen Angebots habe sich der [X.]eklagte nicht zu verschaffen brauchen. Jedenfalls habe er Anlass zu der Annahme gehabt, die Verkaufspreise seien infolge hoher Sanierungsaufwendungen und aufgrund eines entsprechenden Verkehrswerts der Wohnungen berechtigt gewesen. Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit bestünden nur, wenn die Preisunterschiede sachlich nicht erklärbar seien. Auch eine Amtspflichtverletzung im Sinne von § 54d [X.]eurkG a.F. habe er bei Abwicklung der Verträge nicht begangen. Zwar sei dem [X.]eklagten bei Vornahme der Auszahlungen der jeweilige Verkaufspreis und damit dessen erhebliche Differenz zu dem von ihm selbst beurkundeten Ankaufspreis bekannt gewesen. Ihm sei jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu widerlegen, dass er hätte annehmen dürfen, für die erheblichen Preisunterschiede gebe es sachliche Gründe. Ein Teil der Differenz sei mit dem von der Streithelferin pro Wohnung gezahlten [X.]etrag von 4.832,74 € zu erklären gewesen. Die [X.] sei ferner nicht wertlos gewesen. Außerdem habe aus der maßgeblichen damaligen Sicht des [X.]eklagten die Möglichkeit bestanden, dass der Ankaufspreis, den die Streithelferin dem Voreigentümer habe zahlen müssen, besonders niedrig gewesen sei und der Verkehrswert der Wohnungen deutlich höher gelegen habe. Insbesondere habe die Streithelferin dem [X.]eklagten nach dessen unwiderlegter Darstellung vor den [X.]eurkundungen mehrere Gutachten vorgelegt, aus denen sich ein hoher Verkehrswert ergeben habe. Auf die Wertangaben der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen habe er sich verlassen dürfen. Dies habe auch der Notarsenat des [X.]s angenommen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht hat das [X.]erufungsgericht einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 [X.] verneint.

Auf der Grundlage der verfahrensfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat das [X.]erufungsgericht mit Recht angenommen, dass der [X.]eklagte seine (etwaig) gegenüber der Klägerin bestehenden Amtspflichten (siehe zu den Amtspflichten eines Notars auch gegenüber der an der von ihm vorgenommenen [X.]eurkundung einer Annahmeerklärung nicht beteiligten vertragsanbietenden [X.], Senat, Urteil vom 21. Januar 2016 - [X.], [X.], 302 Rn. 15 f mwN) nicht verletzt hat.

1. Nach § 14 Abs. 2 [X.], § 4 [X.]eurkG hat ein Notar seine Amtstätigkeit zu versagen beziehungsweise die [X.]eurkundung abzulehnen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere, wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. Aus den gleichen Gründen hat der Notar gemäß § 54d Nr. 1 [X.]eurkG in der vorliegend maßgeblichen Fassung des [X.] und anderer Gesetze vom 31. August 1998 ([X.] I S. 2585 im Folgenden: a.F.; entspricht § 61 [X.]eurkG in der Fassung des [X.] und zur Errichtung des [X.] bei der [X.] sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 1. Juni 2017, [X.] I S. 1396, im Folgenden: n.F.) von der Auszahlung eines hinterlegten [X.]etrages abzusehen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2014 - [X.], [X.], 1611 Rn. 32).

Ein unerlaubter oder unredlicher Zweck in diesem Sinne kann etwa vorliegen, wenn eine Immobilie zu einem sittenwidrig überhöhten Preis verkauft werden soll oder der Verdacht besteht, dass die Tätigkeit des Notars der [X.]egehung einer Straftat dient ([X.], [X.]eschlüsse vom 24. Juli 2017 - [X.]([X.]) 2/17, [X.], 482 Rn. 25 und vom 23. November 2015 - [X.]([X.]) 4/15, [X.] 2016, 227 Rn. 17), etwa weil der beurkundete Kaufpreis zur Täuschung einer kreditgebenden [X.]ank oder eines späteren Erwerbers zu hoch oder zu niedrig angesetzt wird ([X.], [X.]eschlüsse vom 14. Dezember 2009 - [X.]([X.]) 2/09, [X.] 2011, 71 Rn. 2 und 10 ff; vom 17. November 2008 - [X.] 13/08, [X.] 2009, 290 Rn. 2 und 7 ff und vom 28. Juli 2008 - [X.]([X.]) 1/08, [X.]eckRS 2008, 17806 Rn. 24 ff). Dabei sind insbesondere erhebliche Differenzen zwischen An- und Verkaufspreisen bei sogenannten [X.] ein - für den Notar erkennbarer - Anhaltspunkt für einen unerlaubten oder unredlichen Zweck. Die Pflichtwidrigkeit einer Amtshandlung des Notars und damit eine Haftung gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Verbindung mit § 14 Abs. 2 [X.] und § 4 [X.]eurkG beurteilt sich aufgrund der tatrichterlichen Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls, die im [X.] nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. Senat aaO Rn. 33). Nichts anderes kann für die nachfolgende Abwicklung eines solchen Vertrages und die Pflicht gemäß § 54d [X.]eurkG a.F. (§ 61 [X.]eurkG n.F.) gelten.

Für sich betrachtet, ist es nicht unredlich, eine Immobilie mit einem erheblichen Aufschlag weiterzuverkaufen (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 14. Dezember 2009 aaO Rn. 13 und vom 28. November 2005 - [X.]([X.]) 3/05, [X.]eckRS 2005, 14931; [X.], [X.]eckRS 2015, 14519). Eine Unredlichkeit liegt aber umso näher, je massiver die Kaufpreissteigerungen sind und je kurzfristiger An- und Verkauf aufeinander folgen (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 8. November 2013 - [X.] ([X.]) 1/13, [X.] 2014, 301 Rn. 13 f; vom 28. Juli 2008 aaO Rn. 24 und vom 28. November 2005 aaO; [X.] aaO). Es kommt daher entscheidend darauf an, ob der Notar nach entsprechender Prüfung davon ausgehen kann, dass die in den [X.] enthaltenen außerordentlichen Kaufpreissteigerungen gerechtfertigt sind beziehungsweise es für sie eine sachliche oder nachvollziehbare Erklärung gibt, die - neben einer angemessenen Gewinnspanne des Zwischenerwerbers - etwa in durchgeführten oder beabsichtigten Instandsetzungsmaßnahmen liegen kann (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 14. Dezember 2009 aaO Rn. 15 und vom 28. Juli 2008 aaO). Nichts anderes gilt, wenn es - wie im vorliegenden Fall - um die [X.]eurkundung einer Vielzahl von Vertragserklärungen oder die Abwicklung solcher Verträge geht.

2. Dies zugrunde gelegt, ist das [X.]erufungsgericht in [X.] tatrichterlicher Würdigung unter Ausschöpfung des Sachverhalts und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze davon ausgegangen, dass der [X.]eklagte weder bei der [X.]eurkundung der Annahmeerklärungen noch bei der Abwicklung der beiden Kaufverträge Kenntnis von Umständen hatte, die eine sittenwidrige Kaufpreisüberhöhung zum Nachteil der Klägerin nahelegten, oder ihm insoweit eine fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen gewesen wäre. Auch wenn die wiederholte [X.]eurkundung von [X.] mit erheblichen Unterschieden zwischen An- und Verkaufspreisen eine Pflicht des Notars zu erhöhter Wachsamkeit begründet, durfte der [X.]eklagte nach der beanstandungsfreien tatrichterlichen Würdigung des [X.]erufungsgerichts seinerzeit annehmen, dass es für die Preisdifferenzen einen nachvollziehbaren Grund gab. Entgegen der Auffassung der Revision hat das [X.]erufungsgericht insoweit nicht nur auf die bloße (theoretische) Möglichkeit einer sachlichen Rechtfertigung des [X.] abgestellt, sondern auf die dem [X.]eklagten bekannten, den vorliegenden Fall konkret prägenden tatsächlichen Umstände.

a) Zutreffend hat das [X.]erufungsgericht angenommen, dass auch bei [X.], bei denen An- und Verkauf kurz aufeinander folgen und erhebliche Preissteigerungen erzielt werden, der Anhaltspunkt für eine Unredlichkeit nicht durchgreifen muss, wenn die Preisunterschiede erklärbar sind. Der Ankaufspreis als solches muss nicht zwingend etwas über den wahren Wert der Immobilien und damit ein Missverhältnis zwischen dem Verkaufspreis und der dafür erhaltenen Gegenleistung aussagen. Vielmehr kann es eine Vielzahl von Gründen geben, sich von Immobilien zu einem niedrigen Preis zu trennen, weshalb bei ihrem Weiterverkauf hohe Preisspannen entstehen können (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 14. Dezember 2009 aaO Rn. 13). [X.]ei einer hohen Differenz zwischen An- und Verkaufspreis bleibt für sich betrachtet offen, welcher der beiden Preise den wahren Verkehrswert des [X.] abbildet oder ob keiner von beiden Preisen dem entspricht. Mehr als ein Indiz für einen überteuerten [X.] stellt eine solche Abweichung daher nicht dar.

b) Nach den [X.] Feststellungen des [X.]erufungsgerichts durfte der [X.]eklagte die Preisunterschiede zwischen An- und Verkauf - gleichgültig, ob er sie bereits zum Zeitpunkt der [X.]eurkundung der Erklärung der Annahme des Kaufangebots der Klägerin durch die Streithelferin kannte - für unbedenklich halten. Aus damaliger Sicht bestand kein Grund dafür anzunehmen, die - als solches zulässige Gewinnaufschläge und Provisionen enthaltenden - Verkaufspreise seien nicht durch einen entsprechenden Verkehrswert gerechtfertigt.

aa) Das [X.]erufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen und hat darauf abgestellt, dass dem [X.]eklagten die Wertgutachten zweier öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger vorlagen, die aus seiner damals maßgeblichen Sicht der Annahme einer sittenwidrigen Überteuerung des Kaufpreises entgegenstanden.

(1) Von einem den Vorwurf der Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 [X.]G[X.]) begründenden besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann bei [X.] erst dann ausgegangen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (ständige Rechtsprechung, vgl. z.[X.]. [X.], Urteil vom 24. Januar 2014 - [X.], [X.], 1440 Rn. 8 mwN). Diese Voraussetzung ist regelmäßig erst ab einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90 % erfüllt ([X.] aaO).

(2) Eine solche sittenwidrige Überteuerung der von der Klägerin zu zahlenden Kaufpreise war nach den von dem [X.]eklagten vorgelegten Gutachten der Sachverständigen [X.]und Prof. Dipl.-Ing. [X.].   indes auszuschließen. Vielmehr ergab sich aus dem Gutachten des Sachverständigen [X.]vom 6. Juni 2006 für eine in demselben Wohnkomplex belegene Wohnung mit einer Größe von 82,50 m² zum [X.]ewertungsstichtag 18. Mai 2006 ein Verkehrswert von 140.000 € (= 1.696,97 €/m² - insoweit unter [X.]erücksichtigung einer zu der Wohnfläche hinzuzurechnenden Garage). Ein ähnlicher Verkehrswert von ca. 158.000 € - bezogen auf den [X.]ewertungsstichtag 26. Juli 2005 - war dem Gutachten des Sachverständigen [X.].    vom 5. September 2005 für eine 97 m² große (modernisierte) Wohnung (= 1.629 €/m²) zu entnehmen.

In Anbetracht dessen ist nicht zu beanstanden, dass das [X.]erufungsgericht - das ersichtlich von dem von dem Sachverständigen [X.].   ermittelten Quadratmeterpreis ausgegangen ist - angenommen hat, auf der Grundlage von dessen Gutachten habe sich für die von der Klägerin erworbenen Wohnungen ein Verkehrswert von "gut 117.000 €" (1.629 € x 72 m² = 117.288 €) ergeben. Ebenso beanstandungsfrei hat das [X.]erufungsgericht - schon wegen der übereinstimmenden Grundaussage in den Gutachten der beiden Sachverständigen - keinen Anlass dafür gesehen, warum der [X.]eklagte sich ungeachtet der Qualität der nur wenige Seiten umfassenden Ausführungen des Sachverständigen [X.].    nicht auf dessen Wertangaben hätte verlassen dürfen. Konkrete Anhaltspunkte, die den [X.]eklagten an der Richtigkeit und Zuverlässigkeit der Gutachten und der dort getroffenen Feststellungen oder sonst an deren Vergleichbarkeit mit den von der Klägerin erworbenen Objekten hätten zweifeln lassen müssen, sind nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Dass es sich um [X.]gutachten handelte, ist dabei ohne - hier nicht vorliegende - Anhaltspunkte für inhaltliche Zweifel ohne [X.]ewandtnis. Eine eigene Wertermittlung muss der Notar nicht vornehmen. Das [X.]erufungsgericht hat den beiden Gutachten auch keinen zu hohen Stellenwert beigemessen.

Der Hinweis der Revision auf eine in der Rechtsprechung des [X.]undesgerichtshofs angenommene geringere [X.]edeutung solcher Gutachten geht fehl. Insbesondere unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt entgegen der Ansicht der Revision von dem vom [X.] [X.]undesgerichtshofs mit [X.]eschluss vom 28. Juli 2008 (aaO) entschiedenen Fall sowohl hinsichtlich des [X.] als auch inhaltlich. Der [X.] nahm eine umfassende eigene tatrichterliche Würdigung des Sachverhalts vor, da er in notariellen Disziplinarsachen nicht Revisions-, sondern [X.]erufungsgericht und damit Tatsacheninstanz ist (siehe zur Rechtslage bis zum 31. Dezember 2009: §§ 105, 109 Satz 1 [X.] in den bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassungen iVm § 80 Abs. 1 Satz 1 [X.]DO; jetzt: §§ 105, 109 [X.] in der Fassung des [X.] des notariellen [X.] vom 17. Juni 2009, [X.] I S. 1282, iVm § 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.]DG). Demgegenüber ist der [X.]undesgerichtshof im Zivilprozess Revisionsgericht und damit auf eine rechtliche Überprüfung der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung des [X.]erufungsgerichts beschränkt. Dessen ungeachtet ist der der Entscheidung des Senats für Notarsachen zugrundeliegende Sachverhalt auch inhaltlich mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Der dortige [X.]eklagte konnte konkrete - die Annahme eines angemessenen Verkehrswerts bestätigende - Gutachten zu ähnlichen Wohnungen gerade nicht vorlegen, sondern beschränkte sich auf die Einreichung von Internetausdrucken ohne Aussagekraft im Einzelfall. Demgegenüber hat der [X.]eklagte Gutachten zu vergleichbaren Wohnungen tatsächlich vorgelegt.

(3) Entgegen der Rüge der Revision ist es nicht von ausschlaggebender [X.]edeutung, ob sich - wie sie geltend macht - der Notarsenat des Schleswig-Holsteinischen [X.]s bei seiner disziplinarrechtlichen [X.]ewertung des Vorgehens des [X.]eklagten nicht erschöpfend mit der Sach- und Rechtslage, insbesondere im Hinblick auf die Gutachten, auseinandergesetzt hat. Das [X.]erufungsgericht hat eine vollständige eigene Würdigung selbst vorgenommen und sich lediglich abrundend-bestätigend auf die Entscheidung des Notarsenats bezogen.

bb) Auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen An- und Verkauf - im Fall der Klägerin fielen die [X.]eurkundung des Zwischenerwerbs (Ankauf vom Voreigentümer) und der auf ihr Angebot abgegebenen Annahmeerklärung der Streithelferin auf denselben Tag - war aus der damaligen Sicht des [X.]eklagten unbedenklich. Unstreitig hatte es in zeitlichem Zusammenhang mit den beurkundeten Geschäften bereits Sanierungsmaßnahmen gegeben, die eine Wertsteigerung der Wohnungen nahelegten. Dabei hat die Klägerin mit der Revisionsbegründung selbst darauf hingewiesen, dass nach Auskunft des mit der Sanierung des Objekts befassten Architekten in der Anlage [X.] pro Wohnung Kosten in Höhe von (immerhin) ca. 25.840 € angefallen seien. Auf den genauen Zeitpunkt der Sanierung - vor oder nach dem Verkauf an die Letzterwerber - kam es für den Verkehrswert der Wohnungen für die Klägerin nicht an. Insbesondere war es nicht erforderlich, dass die Sanierung zwischen An- und Verkauf geschah. Denn es war aus Sicht des ([X.] ohne [X.]edeutung, wer die Kosten im wirtschaftlichen Ergebnis getragen hat, sofern er nicht selbst - wie hier nicht - damit belastet wurde. Dass die Klägerin die Übernahme jeglicher Kosten durch die Streithelferin sowie die Existenz eines von jener zu tragenden sogenannten "Sanierungsüberhangs" ganz allgemein in Abrede gestellt hat, ist vor diesem Hintergrund unbeachtlich. Insoweit geht der Vorwurf der Revision, das [X.]erufungsgericht habe unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin (Art. 103 Abs. 1 GG) erheblichen Sachvortrag nicht hinreichend berücksichtigt und die in diesem Zusammenhang angebotenen [X.]eweise übergangen, ins Leere.

c) Das [X.]erufungsgericht hat entgegen der Rüge der Revision seiner Würdigung auch keinen falschen Maßstab für die [X.], ab der Misstrauen des Notars geboten ist, zugrunde gelegt. Vielmehr hat es im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.]undesgerichtshofs und der Obergerichte geprüft, ob für den [X.]eklagten konkrete Verdachtsgründe für unredliche oder unerlaubte Zwecke erkennbar waren. Dabei hat es sich insbesondere mit den Aspekten auseinandergesetzt, die aus Sicht des [X.]eklagten für eine Übervorteilung der Klägerin sprachen, und diese gegen die einen solchen Verdacht ausräumenden Umstände abgewogen, wobei es - wie ausgeführt - in zumindest vertretbarer tatrichterlicher Würdigung des vorliegenden Einzelfalls zu dem Ergebnis gelangt ist, dass für den [X.]eklagten hinreichende Anhaltspunkte für unredliche oder unerlaubte Zwecke nicht bestanden. Die Klägerin, die die gegenteilige Auffassung vertritt, versucht insoweit lediglich, in revisionsrechtlich unbeachtlicher Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des [X.]erufungsgerichts zu setzen.

d) Den Vortrag der Klägerin zu im Kaufpreis enthaltenen Innenprovisionen entgegen § 286 Abs. 1 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen zu haben, kann dem [X.]erufungsgericht ebenso wenig vorgeworfen werden.

In welcher Höhe im Kaufpreis versteckte Innenprovisionen enthalten waren und ob der [X.]eklagte dies erkennen konnte, spielt schon deswegen keine Rolle, weil es bis zu den Grenzen der - hier aus Sicht des [X.]eklagten nicht gegebenen - Sittenwidrigkeit und des [X.] den Vertragsparteien überlassen bleibt, welchen Kaufpreis sie vereinbaren (z.[X.]. [X.], Urteil vom 14. März 2003 - [X.], [X.], 1686, 1688).

e) Das [X.]erufungsgericht hat auch nicht die Darlegungs- und [X.]eweislast hinsichtlich der Tatsachen verkannt, die aus Sicht des [X.]eklagten gegen eine sittenwidrige Übervorteilung der Klägerin sprachen. Vielmehr hat die Klägerin als Anspruchstellerin den zum Schadensersatz verpflichtenden Sachverhalt und damit das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung - hier die eine Sittenwidrigkeit der zwischen der Klägerin und der Streithelferin abgeschlossenen Kaufverträge und deren Erkennbarkeit durch den [X.]eklagten ausfüllenden (positiven) Tatsachen - darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. z.[X.]. Senat, Urteil vom 22. Juni 2006 - [X.], [X.] 2006, 912, 914 f und [X.]eschluss vom 26. Februar 2009 - [X.]/08, [X.]eckRS 2009, 8360 Rn. 10). Soweit sich der [X.]eklagte mit Vorbringen verteidigt hat, dem Tatsachen zugrunde liegen, die allein in seiner Kenntnissphäre liegen, hat ihn zwar die sekundäre Darlegungslast getroffen (vgl. z.[X.]. Senat, Teilurteil vom 15. Juli 2010 - [X.], [X.]Z 186, 205 Rn. 45; Urteile vom 15. März 2012 - [X.]/11, NJW 2012, 2103 Rn. 21 und vom 20. Oktober 2016 - [X.], [X.]Z 212, 303 Rn. 43). Dieser ist er jedoch nachgekommen.

Die sich aus der Diskrepanz zwischen An- und Verkaufspreis von der Klägerin gezogene Schlussfolgerung, der [X.]eklagte habe den überteuerten Kaufpreis erkannt oder vor dieser Tatsache die Augen verschlossen, hat dieser substantiiert bestritten. Dazu hat er vorgetragen, ihm hätten bereits vor der [X.]eurkundung der Annahmeerklärungen der Streithelferin und der Ankaufverträge die - auch im vorliegenden Verfahren eingereichten - Gutachten der Sachverständigen [X.].   und [X.]über die Verkehrswerte exemplarischer Wohnungen vorgelegen, welche die von der Klägerin zu zahlenden Kaufpreise als rechtlich unbedenklich erscheinen ließen. Dies hat er - persönlich angehört - im Verhandlungstermin vor dem [X.] bestätigt und näher erläutert. Diesem Vorbringen hätte die Klägerin ihrerseits mit konkretem Sachvortrag entgegentreten und gegebenenfalls hierfür [X.]eweis antreten müssen - etwa durch [X.]enennung des früheren Geschäftsführers der Streithelferin als Zeugen für einen späteren Zeitpunkt der Überlassung der Gutachten an den [X.]eklagten. [X.]eides ist jedoch unterblieben. Wenn das [X.]erufungsgericht vor diesem Hintergrund das [X.]eklagtenvorbringen seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ein unzumutbarer negativer [X.]eweis ist der Klägerin nicht auferlegt worden.

f) Schließlich kommt es entgegen der Auffassung der Revision, die diesen Punkt erstmalig aufgreift, auf den im Vergleich zu dem [X.] (niedrigen) Ankaufspreis, zu dem die Streithelferin die Wohnungen ihrerseits vom Voreigentümer erworben hatte, im Verhältnis zwischen den Streitparteien nicht an. Dies gilt bereits, weil die - insoweit jedenfalls gutgläubige - Klägerin als Eigentümerin der Wohnungen im Grundbuch eingetragen worden ist und sie nicht in den Schutzbereich einer Amtspflicht einbezogen gewesen wäre, die der [X.]eklagte gegenüber dem [X.] im Hinblick auf dessen (etwaige) sittenwidrige Übervorteilung ("negativer Wucher") möglicherweise gehabt hätte. Ebenso wenig war der - von der Revision im Ergebnis auch nicht weiter vertiefte - Aspekt einer für die [X.]ank im Übrigen ohne weiteres ersichtlichen Überfinanzierung im Verhältnis zwischen den [X.]en von [X.]edeutung.

Herrmann     

      

Liebert     

      

Arend 

      

[X.]öttcher     

      

Kessen     

      

Meta

III ZR 112/18

05.12.2019

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 24. April 2018, Az: 11 U 96/17

§ 14 Abs 2 BNotO, § 19 Abs 1 S 1 BNotO, § 4 BeurkG, § 54d Nr 1 BeurkG vom 31.08.1998

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.12.2019, Az. III ZR 112/18 (REWIS RS 2019, 767)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 377-378 WM2020,659 REWIS RS 2019, 767

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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