Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2008, Az. 2 StR 501/08

2. Strafsenat | REWIS RS 2008, 561

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[X.] vom 28. November 2008 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja StGB §§ 76a, 74b Abs. 2 Auch in Fällen einer obligatorischen Sicherungseinziehung hat das Gericht nach § 74b Abs. 2 StGB anzuordnen, dass die Einziehung (lediglich) vorbehalten bleibt, und eine weniger einschneidende Maßnahme zu treffen, wenn durch diese der Sicherungszweck der Einziehung erreicht werden kann. Ein Ermes-sen ist dem Gericht nicht eröffnet. [X.], Beschluss vom 28. November 2008 - 2 [X.] - [X.] in dem selbständigen Einziehungsverfahren gegen - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 28. November 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Nebenbeteiligten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 17. Juni 2008 mit den Feststellungen [X.]. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat im selbständigen Einziehungsverfahren nach § 76a StGB die Einziehung von drei im Eigentum des Nebenbeteiligten stehenden [X.] angeordnet. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt der Nebenbeteiligte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. 1 Nach den Feststellungen des [X.] waren auf den im Oktober 2003 beim Beschwerdeführer sichergestellten Festplatten u. a. Fotodateien und Videoclips, welche die Darstellung "von Hand-, Mund- und Vaginalverkehr von erkennbar unter 14jährigen" zeigen, gespeichert. Insoweit zutreffend hat das [X.] diese als pornografische Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB), die den se-xuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben und deren Besitz nach § 184 Abs. 5 Satz 2 a.F. StGB strafbewehrt ist, behandelt. An einer Verurteilung des Nebenbeteiligten hat sich das [X.] gleichwohl gehindert gesehen, 2 - 3 - weil nicht festgestellt werden konnte, "wer für die Speicherung der Bilder und Videoclips" auf dem auch für dritte Personen zugänglichen Rechner des [X.] verantwortlich gewesen war; das subjektive Verfahren hat das [X.] nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Zwar hat die [X.] - worauf der [X.] zutreffend hinweist - damit [X.] allein auf die Tathandlung des Sichverschaffens im Sinne des § 184 Abs. 5 Satz 1 a.F. StGB abgestellt. [X.] gelassen hat sie die Tathandlung des Besitzes gemäß § 184 Abs. 5 Satz 2 a.F. StGB. Dieser umfasst das [X.] eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses aufgrund Besitzwillens e-benso wie das schlichte Unterlassen der Entledigung durch Vernichten oder Abliefern. Jedoch sind die Voraussetzungen einer Einziehung der Festplatten nach § 184 Abs. 7 Satz 2 a.F. StGB i.V.m. §§ 76a Abs. 3, Abs. 1, 74 Abs. 4, Abs. 2 Nr. 2 StGB gegeben, ohne dass es auf die Feststellung einer Täterschaft des Nebenbeteiligten ankommt. Denn es handelt sich bei den Datenträgern um Gegenstände von jedenfalls individueller Gefährlichkeit i.S.d. § 74 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. StGB, deren Einziehung auch als Beziehungsgegenstände der Tat nach § 184 Abs. 7 Satz 2 a.F. StGB zwingend anzuordnen ist. Auf die zusätzlichen Voraussetzungen des § 74a StGB kommt es nicht an. Nicht beachtet hat das [X.] allerdings die Vorschrift des § 74b Abs. 2 StGB. Danach hat das Gericht in den Fällen der §§ 74 und 74a StGB anzuordnen, dass die Einziehung (lediglich) vorbehalten bleibt und eine weniger einschneidende Maßnahme zu treffen, wenn der Zweck der Einziehung auch durch sie erreicht werden kann. § 74b Abs. 2 StGB hat - anders als die Absätze 1 und 3 dieser Norm - als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ([X.] NJW 1996, 246) auch in Fällen obligatorischer Einziehung zwingenden Charakter ([X.] NStZ 1981, 104). Soweit die [X.] in diesem Zusam-menhang ohne nähere Feststellungen ausführt, der Nebenbeteiligte habe kei-nen Anspruch darauf, dass lediglich die kinderpornografischen Inhalte auf sei-3 - 4 - nen Festplatten unter Bewahrung seiner Dateien im Übrigen gelöscht werden, weil ein solches Verfahren "zwar technisch möglich, aber kostenintensiv" sei, ist dies rechtsfehlerhaft. Steht mit der Löschung der inkriminierten Dateien nämlich ein milderes geeignetes Mittel als die vorbehaltlose Einziehung zur Verfügung, so hat der Tatrichter die Einziehung vorzubehalten und eine entsprechende An-ordnung zu treffen; ein Ermessen ist ihm nicht eröffnet. Den insoweit lückenhaften Feststellungen des [X.] kann nicht entnommen werden, ob die Löschung nur der inkriminierten Dateien in einer Weise vorgenommen werden kann, die ihre spätere Wiederherstellung unmög-lich macht oder ob. [X.] allein eine vollständige Formatierung der Festplatten ein geeignetes Mittel darstellt, die von den Datenträgern ausgehende Gefahr zu beseitigen. Das Urteil war deshalb mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben. Der neue Tatrichter wird zu bedenken haben, dass - weil eine Rückgabe der Datenträger an den Nebenbeteiligten zur Löschung der Dateien durch diesen selbst ausgeschlossen ist - die Durchführung entsprechender Maßnahmen durch die Vollstreckungsbehörde anzuordnen sein wird. 4 [X.]

Meta

2 StR 501/08

28.11.2008

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2008, Az. 2 StR 501/08 (REWIS RS 2008, 561)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 561

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