Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2017, Az. 2 StR 428/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 10145

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:310517B2STR428.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 [X.]/16
vom
31. Mai
2017
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 31. Mai
2017
gemäß §
349 Abs.
4
[X.] beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21.
April 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugend-kammer zuständige Strafkammer des [X.].

Gründe:

[X.] Kindes in 108 Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Hiergegen richtet sich seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision.
Das Rechtsmittel hat mit der auf den absoluten Revisionsgrund des §
338 Nr. 6 [X.] gestützten Verfahrensrüge Erfolg.
1
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3
-
1. Das [X.] hat im Hauptverhandlungstermin vom 7.
April 2016 beschlossen, während der Erstattung des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen und seiner Erörterung gemäß §
171b Abs.
1 Satz
1 GVG die Öffentlichkeit auszuschließen. Nach Verkündung des Beschlusses hat die Kammer den Sachverständigen belehrt und

noch vor Erstattung des Gutach-tens

mit dem Angeklagten und den Verfahrensbeteiligten zwei Lichtbildmap-pen in Augenschein genommen. Diese enthielten auf 77 Seiten 183 Lichtbilder von der Wohnung des Angeklagten und verfahrensrelevanten Gegenständen, u.a. kindliche Zeichnungen und Liebesbriefe (wohl von der Geschädigten) an den Angeklagten, die im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung sichergestellt worden waren. Nach zehnminütiger Unterbrechung der Hauptverhandlung hat der Sachverständige sein Gutachten erstattet und als Zeuge ausgesagt. [X.] hat sich der Angeklagte zur Sache geäußert. Nach der Anordnung, den Sachverständigen unvereidigt zu lassen und zu entlassen, hat der [X.] verfügt, die Hauptverhandlung zu unterbrechen und am 21.
April 2016 fortzusetzen. Das Protokoll vermerkt nicht, dass die Öffentlichkeit vor der Inau-genscheinnahme der Lichtbilder, vor der
Äußerung des Angeklagten zur Sache und vor der Verfügung des [X.] wiederhergestellt worden ist.
Die Wiederherstellung der Öffentlichkeit gehört jedoch zu den [X.], für welche die besondere Beweiskraft des Protokolls nach §
274 [X.] gilt (vgl. [X.], Beschluss vom 31. März 1994

1 StR 48/94, [X.]R [X.] §
274 Beweiskraft 15; [X.], Beschluss vom 21.
Juli 2000

3 [X.], bei [X.] NStZ-RR 2001, 264 Nr. 26 jeweils mwN). Das

weder lückenhafte noch widersprüchliche

Protokoll beweist daher, dass die an die genannten [X.] jeweils anschließende weitere Hauptverhandlung

wie von der Revision geltend gemacht

in Abwesenheit der Öffentlichkeit stattge-funden hat.
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4
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2. Während für die Anberaumung des [X.] die Öffent-lichkeit nicht wiederhergestellt werden musste (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
September 2005

3 [X.], [X.], 117), liegt in der [X.] vor Einnahme des Augenscheins und Äußerung des Angeklagten jeweils ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlich-keit.
Zwar deckt der Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit für den Zeitraum der Vernehmung einer Beweisperson auch die im Zusammenhang mit dieser in unmittelbarem Zusammenhang stehenden oder sich aus ihr entwi-ckelnden [X.] ab (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
November 2015

5 [X.], [X.], 118
mit Anm. Bittmann; Urteile vom 17.
Dezember 1987

4 [X.], [X.], 190
zur Augenscheinseinnah-me; vom 15.
April 2003

1 [X.], [X.]St 48, 268 zur Entlassung eines Zeugen; vom 20.
September 2005

3 [X.], [X.], 117 zu Erklä-rungen des Angeklagten nach §
257 [X.]).
Die in Augenschein genommenen Lichtbilder hatten jedoch ersichtlich keinen Bezug zum Inhalt des erstatteten Gutachtens und zu den zeugenschaft-lichen Bekundungen des Sachverständigen. Auch erfolgte die [X.] prozessualen Funktion als persönliches Beweismittel begrifflich nicht gehört ([X.]/[X.], [X.], 60.
Aufl., [X.]. Rn.
75, 100).
Auch die Äußerungen des Angeklagten standen in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur Gutachtenerstattung, weil
er nach dem Protokoll nicht nur eine Erklärung zur vorangegangenen Beweiserhebung nach §
257 [X.] abgab,

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5
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Da auch ersichtlich kein Fall vorliegt, in dem das Beruhen des Urteils auf dem [X.] denkgesetzlich ausgeschlossen werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Juli 1995

1 [X.], NJW 1996, 138), war das Urteil insgesamt aufzuheben.
Appl

Eschelbach

Zeng

Grube

Schmidt

9

Meta

2 StR 428/16

31.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2017, Az. 2 StR 428/16 (REWIS RS 2017, 10145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10145

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 428/16

5 StR 467/15

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