Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.04.2009, Az. XII ZR 95/07

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 4191

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 1. April 2009 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: nein BGB §§ 584 Abs. 1, 542 Ein unter einer auflösenden Bedingung (hier: behördliche Nutzungsuntersagung) ge-schlossener Pachtvertrag ist als unbefristeter Vertrag ordentlich kündbar, wenn die Parteien die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung nicht ausgeschlossen haben. Ein solcher Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kann auch schon in der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung als solcher zu finden sein. Ob der Vereinbarung eine solche weitergehende, das ordentliche Kündigungsrecht aus-schließende Bedeutung zukommt, hat im Streitfall diejenige Vertragspartei darzule-gen und zu beweisen, die sich auf diese Bedeutung beruft. [X.], Urteil vom 1. April 2009 - [X.]/07 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 2009 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 27. Juni 2007 wird [X.]. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Parteien streiten über den Fortbestand eines von ihnen geschlosse-nen Pachtvertrags. 1 Der Kläger hat dem Beklagten 1994 den auf seinem Grundstück befindli-chen [X.] (nebst aufstehenden Gebäudeteilen und Anlagen) für gewerbliche Zwecke für 500 DM (= 255,65 •) pro Jahr verpachtet. Im [X.] ist u. a. folgendes geregelt: 2 - 3 - "§ 2 Pachtzeit Das Pachtverhältnis beginnt am 1. April 1994. Der Pachtvertrag läuft [X.], bis die Nutzung des Schießstandes als Schießstand aufgrund be-hördlicher Anordnung untersagt wird. § 3 Außerordentliches Kündigungsrecht Der Verpächter kann das Pachtverhältnis unter den Voraussetzungen der §§ 553, 554, 554a BGB [a. F.] fristlos kündigen. Die [X.] für gewerbliche Anlagen sind zu beachten.fi Bei Vertragsschluss haben die Parteien nicht darüber gesprochen, ob das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen sein sollte. Mit Schreiben vom 19. September 2006 hat der Kläger die ordentliche Kündigung zum 31. März 2007 erklärt. Der Kläger begehrt die Räumung und Herausgabe des Schießstandes. 3 Das Amtsgericht hat die Kündigung für wirksam erachtet. Es hat den [X.] verurteilt, den Schießstand geräumt an den Kläger herauszugeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klagabweisungsbegehren weiter. 4 Entscheidungsgründe: Die Revision ist nicht begründet. 5 - 4 - 1. Das [X.] hat - ebenso wie zuvor das Amtsgericht - die ordentli-che Kündigung des Pachtvertrags durch den Kläger für wirksam erachtet, weil die Parteien die ordentliche Kündigung vertraglich nicht ausgeschlossen hätten. 6 7 Der Pachtvertrag sei unter einer auflösenden Bedingung - der [X.] Nutzungsuntersagung - geschlossen. Er sei deshalb wie ein unbefristeter Pachtvertrag zu behandeln, da der Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden [X.] nicht feststehe. Als unbefristeter Vertrag sei der Pachtvertrag ordent-lich kündbar. Dieses Ergebnis folge auch aus der Auslegung des Vertrags. [X.] Wortlaut noch Systematik rechtfertigten die Annahme, dass die Parteien das ordentliche Kündigungsrecht hätten ausschließen wollen. Abreden, die we-sentliche Rechte einer Partei - hier das Recht des [X.] zur ordentlichen Kündigung des Pachtvertrags (§ 584 BGB) - einschränkten, seien im Zweifel eng auszulegen. Zwar bliebe auch bei einem vertraglichen Ausschluss der or-dentlichen Kündigung dem Kläger die Möglichkeit unbenommen, den [X.] gemäß §§ 581 Abs. 2, 544 BGB nach Ablauf von 30 Jahren zu kündigen. Auch ein solcher langfristiger Aufschub der Kündigungsmöglichkeit stelle jedoch eine wesentliche Einschränkung der Rechte des [X.] dar, von der ohne ent-sprechende ausdrückliche Formulierung nicht ausgegangen werden könne. Die Aussage des Steuerberaters des Beklagten, der den [X.] habe, stehe nicht entgegen. Zwar habe dieser bekundet, er habe mit der Formulierung des Vertrags den Ausschluss des ordentlichen Kündigungs-rechts beabsichtigt. Doch habe der Zeuge - nach seinem Bekunden - hierüber mit dem Kläger nicht gesprochen; auch unter den Parteien sei diese Frage nicht erörtert worden. 8 Ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts lasse sich auch nicht im Hinblick auf die vom Beklagten getätigten Investitionen rechtfertigen. Der 9 - 5 - Beklagte werde insoweit bereits durch die §§ 539, 581 Abs. 2 BGB geschützt. Außerdem sei zumindest der Beklagte bei Vertragsschluss vom baldigen Erlass einer behördlichen Untersagungsverfügung ausgegangen. Habe er dennoch Investitionen in Höhe von (nach seinem Vortrag) über 50.000 • getätigt, so tra-ge er das Risiko einer vorzeitigen Beendigung des Vertrags. 10 2. Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. a) Ein Pachtverhältnis kann, wenn die Pachtzeit nicht bestimmt ist, nach § 584 Abs. 1 i.V.m. § 542 BGB (zur Anwendbarkeit neuen Rechts: vgl. Art. 229 § 3 EGBGB) ordentlich gekündigt werden. Die Pachtzeit ist unbestimmt, wenn nicht nur ungewiss ist, wann ein Ereignis eintreten wird, das nach dem [X.] zu dessen Beendigung führen soll, sondern wenn außerdem ungewiss ist, ob dieses Ereignis überhaupt jemals eintreten wird. 11 So liegen die Dinge hier. Nach § 2 des Pachtvertrags sollte das [X.] über den Schießstand solange —laufenfi, bis die Nutzung be-hördlich untersagt würde. Damit haben die Parteien die Geltung des [X.]s an eine auflösende Bedingung geknüpft; denn im Zeitpunkt des Vertrags-schlusses war nicht nur ungewiss wann, sondern auch ob überhaupt eine be-hördliche Nutzungsuntersagung erfolgen würde. Das ergibt sich aus den Fest-stellungen des Amtsgerichts, auf die im Berufungsurteil ergänzend Bezug ge-nommen wird. Danach war bei Abschluss des Pachtvertrags nicht ersichtlich, ob es überhaupt zu einer behördlichen Untersagung der Nutzung des Schieß-standes kommen würde. Aus dem vom [X.] festgestellten Umstand, bei Abschluss des Pachtvertrages sei zumindest der Beklagte davon ausgegangen, dass eine entsprechende Untersagungsverfügung erfolgen würde, folgt nichts Gegenteiliges. Auch wenn der Beklagte eine künftige Untersagung als wahr-scheinlich ansah, so besagt dies nicht, dass eine solche künftige Untersagung 12 - 6 - von ihm bereits als gewiss angesehen wurde. Erst recht lässt sich daraus nicht herleiten, dass beide Parteien von einer solchen Gewissheit ausgingen und deshalb ihren Vertrag - entgegen dessen objektivem Wortlaut - nicht unter eine auflösende Bedingung stellen, sondern auf den (ungewissen) Zeitpunkt einer beiderseits als sicher erwarteten Nutzungsuntersagung befristen wollten. 13 b) Die Frage, ob ein unter einer auflösenden Bedingung geschlossener Mietvertrag vor [X.] ordentlich gekündigt werden kann, ist [X.] namentlich im [X.] umstritten. Die Frage dürfte sich grundsätzlich in gleicher Weise auch für gewerbliche Miet- oder Pachtverträge stellen. Nach einer Auffassung sind solche Verträge wie andere unbefristete Mietverhältnisse zu behandeln mit der Folge, dass sie vor [X.] ordentlich gekündigt werden können ([X.]/[X.]. § 572 Rdn. 5). Nach anderer Auffassung sind solche Verträge nicht ordentlich künd-bar; denn mit der Aufnahme der Bedingung solle nicht eine Lösungsmöglichkeit zusätzlich zum Kündigungsrecht geschaffen, sondern der Bestand des Vertrags einzig vom Eintreten der Bedingung abhängig gemacht werden (vgl. etwa [X.], Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 572 BGB Rdn. 13 m.w.[X.]). Nach einer dritten Auffassung ist auf den beim Vertragsschluss zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien abzustellen. Solle die auflösende Bedingung der alleinige Grund für die Vertragsbeendigung sein, sei das Nutzungsverhältnis vor Eintritt der Bedingung grundsätzlich nicht ordentlich kündbar. Sei die auflösende [X.] dagegen nur als spätestmöglicher [X.] bestimmt, könne das Nutzungsverhältnis auch schon vor [X.] ordentlich ge-kündigt werden ([X.]/[X.] BGB [2006] § 572 Rdn. 11 f. m.w.[X.]; ähnlich auch [X.] in [X.] Mietrecht 9. Aufl. § 572 Rdn. 13). Der Senat folgt im Ergebnis der letztgenannten Auffassung. Unter einer auflösenden Bedingung geschlossene Pachtverträge sind als unbefristete [X.] - 7 - träge zwar grundsätzlich ordentlich kündbar. Die Vertragsparteien sind jedoch nicht gehindert, die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung auszuschließen. Ein solcher Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kann auch schon in der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung als solcher zu finden sein. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Parteien mit der auflösen-den Bedingung die Beendigung des Nutzungsverhältnisses - vorbehaltlich des Eintritts außerordentlicher Kündigungsgründe - abschließend regeln und nicht nur einen Zeitpunkt festlegen wollten, zu dem das Nutzungsverhältnis in jedem Falle - also unbeschadet der Möglichkeit einer früheren Auflösung - enden soll-te. Ob der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung eine solche weiterge-hende, das ordentliche Kündigungsrecht ausschließende Bedeutung zukommt, hat im Streitfall diejenige Vertragspartei darzulegen und zu beweisen, die sich auf diese Bedeutung beruft. c) Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Parteien der vereinbarten auflösenden Bedingung des Pachtvertrags eine solche weitergehende Bedeu-tung beigemessen haben. Über einen Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung haben die Parteien unstreitig nicht ausdrücklich gesprochen. Er [X.] sich auch nicht aus der getroffenen Vereinbarung. 15 Nach der vom [X.] vorgenommenen Auslegung des § 2 des Pachtvertrags wollten die Parteien zwar, dass ihr Pachtvertrag im Falle einer behördlichen Nutzungsuntersagung automatisch enden sollte. Einen konkluden-ten Ausschluss der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vermochte das [X.] dieser Abrede nach Wortlaut und Systematik jedoch nicht zu [X.]. Diese tatrichterliche Auslegung lässt revisionsrechtlich bedeutsame Fehler nicht erkennen. Insbesondere ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass das [X.] für die Auslegung wesentliche Tatsachen übersehen, ge-setzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln verletzt oder gegen die 16 - 8 - Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat (zur revisions-rechtlichen Nachprüfung tatrichterlicher Vertragsauslegung vgl. etwa [X.] Urteil vom 21. März 2000 - [X.] - NJW 2000, 2508, 2509 sub II.2.a)). 17 Aus dem Wortlaut der Abrede ergibt sich lediglich, dass der Pachtvertrag enden soll, wenn die Behörde die Nutzung des [X.] als Schießstand untersagt. Daraus folgt keineswegs zwingend, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Ohne die vereinbarte [X.] hätte der Beklagte nämlich bei einer behördlichen Nutzungsun-tersagung den Pachtzins mindern oder sogar Schadens- oder [X.] gegen den Kläger geltend machen können (§ 581 Abs. 2 i.V.m. §§ 537, 538 BGB in der beim Vertragsschluss geltenden Fassung). Diese Mög-lichkeit wurde ihm durch die Vereinbarung der auflösenden Bedingung versagt, so dass der Vereinbarung insoweit ein eigenständiger Sinn zukommen kann. Aus § 3 des Pachtvertrags ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zwar fällt auf, dass die Parteien die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung - unter Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften - ausdrücklich erwähnen, die Mög-lichkeit einer ordentlichen Kündigung jedoch unerwähnt lassen. Daraus lässt sich jedoch nicht zwingend folgern, dass das ordentliche Kündigungsrecht habe ausgeschlossen werden sollen. Vielmehr erscheint es möglich, dass die [X.] in einer etwaigen künftigen Nutzungsuntersagung einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gesehen haben und klarstellen wollten, dass mit der für diesen Fall vertraglich vorgesehenen automatischen Beendigung des Pachtverhältnisses der Rückgriff auf (andere) wichtige Gründe, die eine außer-ordentliche Kündigung rechtfertigen könnten, nicht verschlossen werden sollte. 18 Auch die für beide Seiten erkennbare Interessenlage fordert kein ande-res Verständnis. Zum einen ist nicht festgestellt, ob und in welchem Umfang die 19 - 9 - vom Beklagten geltend gemachten Investitionen notwendig und für den Kläger vorhersehbar waren. Auch die absehbare Notwendigkeit von umfänglichen In-vestitionen würde im übrigen nicht ohne weiteres die Annahme eines Aus-schlusses jeder ordentlichen Kündigungsmöglichkeit nahe legen, da der [X.] in dem von § 581 Abs. 2 i.V.m. §§ 536a, 539 BGB gezogenen Rahmen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann. Zudem hat er die behaupteten In-vestitionen getätigt, obwohl er - nach seinem eigenen Vortrag - eine baldige Nutzungsuntersagung für wahrscheinlich erachtet hat. Dies spricht gegen die Annahme, der Beklagte habe die behaupteten Investitionen nur im Hinblick auf die langfristige Dauer eines ordentlich nicht kündbaren Pachtverhältnisses getä-tigt. Zum andern fällt ins Gewicht, dass der Kläger sich mit einem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit jeder anderweitigen wirtschaftlichen Verwertung - 10 - des Grundstücks auf Dauer begeben hätte. Von einem solchen Verzicht ist an-gesichts des [X.] von nur 255,65 • pro Jahr ohne eine eindeutige [X.] nicht ohne weiteres auszugehen. [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 03.01.2007 - 4 C 972/06 - [X.], Entscheidung vom 27.06.2007 - 1 S 56/07 -

Meta

XII ZR 95/07

01.04.2009

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.04.2009, Az. XII ZR 95/07 (REWIS RS 2009, 4191)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 4191

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