15. Kammer | REWIS RS 2011, 304
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Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.03.2010 – 3 Ca 1983/09 – werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungs- und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten weiterhin um die rechtliche Wirksamkeit einer fristlosen sowie einer weiteren fristgemäßen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Der Rechtsstreit ist vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 27.07.2011 – 10 AZN 551/11 – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden.
Der 42-jährige Kläger ist geschieden, jedenfalls einem in der Lohnsteuerkarte 2009 eingetragenen Kind, nach klägerischer Behauptung zwei Kindern zum gesetzlichen Unterhalt verpflichtet und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 und dem Zusatzvermerk "G". Die Fußbehinderung bereitet dem Kläger verschiedentlich Schmerzen unterschiedlicher Weise und Intensität.
Seit März 1988 war der Kläger bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie, das derzeit regelmäßig etwa 600 Arbeitnehmer beschäftigt, als Schweißer tätig, zuletzt zu einem durchschnittlichen Bruttoentgelt von monatlich 3.312,74 EUR einschließlich einer Akkordzulage.
Wegen Nichteinhaltung von Arbeitsanweisungen erteilte die Beklagte dem Kläger im Jahr 2007 zwei schriftliche Abmahnungen, für deren Inhalte im Einzelnen auf die entsprechenden überreichten Kopien (Bl. 63, 64 d.A.) verwiesen wird.
Am 27.05.2009 traten während der Tätigkeit des Klägers Störungen an einem Schweißroboter auf, die der Kläger selbst nicht beseitigen konnte. Für Abhilfe sorgte der Programmierer B3, der hierfür jedenfalls eine Stunde benötigte. B3 bescheinigte dem Kläger wegen der Maschinenstörung dementsprechend eine Zeitlohnstunde.
Gegen Schichtende um 14.00 Uhr kam es zwischen dem Kläger und dem für die Genehmigung von Zeitlohnstunden zuständigen Schichtleiter G1 zu einem streitig geführten Gespräch, innerhalb dessen der Kläger eine Zeitgutschrift für insgesamt zwei Stunden wegen der Störungen am Schweißroboter verlangte. Der Schichtleiter lehnte die Gutschrift einer zweiten Stunde mangels Begründung durch den Kläger ab. Im Verlauf des Streitgesprächs zerknüllte der verärgerte Kläger den Beleg über die Zeitgutschrift und warf ihn auf den Boden. Die weiteren Einzelheiten der verbalen Auseinandersetzung sind streitig.
Der Kläger entfernte sich und zog sich um. Während der nachfolgenden Nachtschicht meldete sich der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis auf einen beabsichtigten Arztbesuch für die Frühschicht des 28.05.2009 ab.
Der am 28.05.2009 aufgesuchte Arzt bescheinigte dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeit für den 28. und 29.05.2009; die entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reichte der Kläger bei der Beklagten ein.
Unter dem 29.05.2009 beantragte die Beklagte bei dem LWL-Integrationsamt Westfalen, Münster, die Zustimmung zur außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Am Nachmittag des 15.06.2009 übermittelte das LWL-Integrationsamt-Westfalen der Beklagten durch Telefonat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung; ein entsprechendes Telefax erhielt die Beklagte am 16.06.2009 gegen 11.00 Uhr. Die schriftliche Begründung der Entscheidung erfolgte unter dem 18.06.2009. Zugleich erteilte das LWL-Integrationsamt unter dem 18.06.2009 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Für die weiteren Einzelheiten der schriftlichen Entscheidungen wird auf Bl. 65 – 70 d.A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 02.06.2009 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Für die Einzelheiten des Inhalts des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 72, 73 d. A. verwiesen.
Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 04.06.2009 (Bl. 75, 76 d.A.) der in Aussicht genommenen außerordentlichen fristlosen, ersatzweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Mit Schreiben vom 16.06.2009 (Bl. 3 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.
Mit weiterem Schreiben vom 22.06.2009 (Bl. 9 d.A.) sprach die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2009 aus.
Mit seiner am 18.06.2009 beim Arbeitsgericht Bielefeld eingereichten Feststellungsklage sowie der am 25.06.2009 eingereichten Klageerweiterung hat sich der Kläger gegen beide Kündigungen gewandt.
Er hat vorgetragen, den Schichtleiter G1 am 27.05.2009 nicht mit dem Hinweis unter Druck gesetzt zu haben, er werde am Folgetag krank sein, wenn der Schichtleiter ihm nicht eine weitere Stunde an Zeitgutschrift gebe. Er habe bereits gegen Schichtende des 27.05.2009 starke Schmerzen verspürt und dies auch möglicherweise dem Schichtleiter mitgeteilt. Dies könne – so der Kläger im Kammertermin vom 24.03.2009 – der bei dem Gespräch mit dem Schichtleiter anwesende Zeuge Ö1 bestätigen. Missverständnisse könnten auf Sprachschwierigkeiten beruhen. Auch anderen Mitarbeitern gegenüber habe er am 27.05.2009 von Schmerzen gesprochen und davon, dass er bei Verschlimmerung den Arzt aufsuchen müsse. Tatsächlich, so hat der Kläger behauptet, habe sich sein Gesundheitszustand im Verlaufe des 27.05.2009 verschlimmert. Schließlich habe sich der Schichtleiter G1 auch zu Unrecht geweigert, ihm eine weitere zweite Stunde gutzuschreiben. Der Mitarbeiter B3 habe ihn, den Kläger, zum Schichtleiter geschickt mit dem Hinweis, er könne und solle sich zwei Stunden an Zeitgutschrift bescheinigen lassen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 16.06.2009 – zugegangen am selben Tag mit sofortiger Wirkung beendet worden ist, nicht durch andere Beendigungstatbestände endet oder geendet hat, sondern unverändert fortbesteht;
2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 22.06.2009 zum 31.10.2009 beendet wird, nicht durch andere Beendigungstatbestände endet oder geendet hat, sondern unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die fristlose Kündigung sei berechtigt; jedenfalls sei die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung vom 22.06.2009 wirksam. Der Inhalt der Gespräche des Klägers am 27.05.2009 mit dem Schichtleiter G1 und dem Programmierer B3 seien allein so zu verstehen gewesen, dass der Kläger eine Zeitgutschrift habe erzwingen wollen. Zu keiner Zeit habe der Kläger darauf hingewiesen, dass er tatsächlich Schmerzen habe und zum Arzt gehen wolle, wenn sich diese verschlimmerten.
Die Kammer des Arbeitsgerichts hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Schichtleiters G1, des Programmierers B3 und des Abteilungsleiters S2 als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.03.2010 (Bl. 163 – 167 d. A.) verwiesen.
Mit Urteil vom 24.03.2010 hat das Arbeitsgericht Bielefeld der Feststellungsklage gegen die fristlose Kündigung vom 16.06.2009 stattgegeben und den weitergehenden Kündigungsschutzantrag abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das erstinstanzliche Gericht zunächst ausgeführt, der Vorfall vom 27.05.2009 liefere keinen wichtigen Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Zwar habe eine Pflichtverletzung des Klägers durch Ankündigung einer Krankschreibung für den Fall vorgelegen, dass eine Zeitgutschrift für eine zweite Stunde nicht erfolgen würde. Unter Berücksichtigung der vorzunehmenden Interessenabwägung und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der tatsächliche Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit nicht zu widerlegen sei, rechtfertige sich keine fristlose, wohl aber eine ordentliche Kündigung. Für das Arbeitsgericht hat nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme festgestanden, dass der Kläger gegenüber dem Schichtführer G1 im Zusammenhang mit der Aufforderung, ihm eine zweite Stunde an Arbeitszeit gutzuschreiben, erklärt habe, er werde sowieso morgen krank. Dies sei als Druckmittel zu verstehen gewesen, die Gutschrift doch noch zu gewähren. Die Äußerung, am Folgetag krank zu sein, hätten sowohl der Zeuge G1 wie auch der Zeuge S2 als Druckmittel verstanden. Der Schichtleiter sei unmissverständlich von einer Drohung mit einer Krankschreibung ausgegangen. Auf (zunehmende) Schmerzen habe der Kläger nicht hingewiesen. Der Zeuge Ö1 sei nicht zu vernehmen gewesen. Der Kläger sei nämlich dem Vorbringen, Ö1 habe wegen mangelnder Sprachkenntnisse den Gesprächsverlauf nicht deutlich verstehen können, nicht entgegengetreten und habe auch nicht behauptet, Ö1 hätte einen Hinweis auf tatsächlich bestehende Schmerzen bekunden können. Zudem sei der Beweisantritt Ö1 gemäß § 282 ZPO verspätet erfolgt. Gleichwohl rechtfertige die Drohung des Klägers keine fristlose Kündigung, denn die unberechtigte Herbeiführung einer Krankschreibung für zwei Tage sei nicht feststellbar gewesen, und zwar insbesondere wegen des unstreitigen Grundleidens des Klägers. Auch seien zugunsten des Klägers seine längere Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten zu berücksichtigen. Die Pflichtverletzung rechtfertige jedoch eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen. Der Kläger habe gegenüber seinem vorgesetzten Schichtleiter nicht den Grund für eine weitere Zeitgutschrift genannt. Ein solcher habe ihm auch nicht aus seiner subjektiven Sicht gewährt werden müssen. Gegen eine Pflichtverletzung spreche auch nicht, dass der Kläger am 27.05.2009 möglicherweise bereits unter Schmerzen gelitten habe, denn er habe auf solche zu keiner Zeit hingewiesen. Die Abmahnungen zur Nichteinhaltung von Arbeitsanweisungen wiesen einen sachlichen Zusammenhang mit dem Kündigungssachverhalt auf und ließen ein Beharren des Klägers auf vermeintlichen Rechten bzw. ein beharrliches Ignorieren von Anweisungen erkennen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 29.04.2010 zugestellte Urteil am 31.05.2010 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.07.2010 am 29.07.2010 eingehend begründet.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 03.05.2010 zugestellte Urteil am 31.05.2010 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 29.06.2010 eingehend begründet.
Der Kläger hat sich gegen das erstinstanzliche Urteil gewendet, soweit dieses die Klage gegen die fristgemäße Kündigung vom 22.06.2009 abgewiesen hat.
Er hat vorgetragen:
Es gebe erhebliche Verständigungsschwierigkeiten, sich mit ihm in deutscher Sprache zu unterhalten. Deshalb hätte das Gericht den tatsächlichen Sachverhalt weiter aufklären und insbesondere ihn persönlich zu Ablauf, Anlass und Hintergrund des Gesprächs vom 27.05.2009 befragen müssen.
Nicht zutreffend sei die Annahme, er habe nicht behauptet, dass der Zeuge Ö1 einen Hinweis auf tatsächlich bestehende Schmerzen seinerseits hätte bekunden können. Das Gegenteil sei richtig und von ihm im Schriftsatz vom 09.10.2009 vorgetragen worden. Der Zeuge Ö1 habe dem Gespräch zwischen ihm, dem Kläger und dem Schichtführer auch beigewohnt. Özer spreche so gut oder schlecht Deutsch wie er.
Wenn er vortrage, mit dem Zeuge K1 vor dem streitigen Vorfall gesprochen zu haben, sei er ausdrücklich dem Vortrag der Beklagten entgegen getreten, der Zeuge sei an diesem Tag nicht da gewesen.
Die Beklagte habe den Betriebsrat fehlerhaft angehört, weil sie diesem nicht mitgeteilt habe, dass aus seiner Sicht er anderen Mitarbeitern gegenüber bereits über bestehende Schmerzen gesprochen und wegen dieser in Aussicht gestellt habe, am darauffolgendem Tat möglicherweise arbeitsunfähig krank zu sein.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.03.2010, 3 Ca 1983/09, zurückzuweisen;
2. das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.03.2010, 3 Ca 1983/09, abzuändern, soweit es die Klage gegen die fristgemäße Kündigung vom 22.06.2009 abgewiesen hat und nach den erstinstanzlichen Anträgen des Klägers zu erkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
1. die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.03.2010, 3 Ca 1983/09, zurückzuweisen;
2. das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.03.2010, 3 Ca 1983/09, abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Sie hat das Urteil des Arbeitsgerichts verteidigt, soweit es die gegen die fristgemäße Kündigung vom 22.06.2009 gerichtete Klage abgewiesen hat.
Hingegen hat die Beklagte das erstinstanzliche Urteil insoweit für unzutreffend gehalten, als es die fristlose Kündigung mangels eines wichtigen Grundes als nicht gerechtfertigt ansieht.
Die vom Arbeitsgericht durchgeführte Interessenabwägung sei fehlerhaft. Ihre Interessenlage, das Arbeitsverhältnis zu beenden, sei vorrangig. Der Vorwurf gegenüber dem Kläger sei gravierend und berühre nachhaltig den erforderlichen Vertrauensbeweis in die Ehrlichkeit und Redlichkeit des Klägers. Zu Lasten des Klägers spreche sein früheres Verhalten während der (nur) elfjährigen Betriebszugehörigkeit. Wenn das Arbeitsgericht die Interessenabwägung auf die Unterhaltspflichten für zwei Kinder stützen wolle, hätte es Beweis erheben müssen. Unzutreffend habe das Arbeitsgericht angenommen, dass der tatsächliche Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht zu widerlegen sei. Denn aufgrund der gesamten Einzelfallumstände sei davon auszugehen gewesen, dass die Arbeitsunfähigkeit unberechtigt herbeigeführt und der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sei, zumal der Kläger angebliche akute Schmerzen niemandem gegenüber erwähnt hätte. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB seien aber auch bereits dann erfüllt, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Klägers für den 28./29.05.2009 vorgelegen hätte. Der Vorwurf betreffe nämlich nicht eine etwaige Arbeitsunfähigkeit des Klägers, sondern dessen Drohung mit dem Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit, sofern die zweite Zeitstunde nicht bewilligt werde.
Der Kläger hat das erstinstanzliche Urteil, soweit es die Unwirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung annimmt, als zutreffend verteidigt.
Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.12.2011 – 15 Sa 1516/10 – die Berufungen von Kläger und Beklagter zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Kläger eine grobe und schwerwiegende Pflichtverletzung seines Arbeitsverhältnisses dadurch begangen habe, dass er anlässlich der Aufforderung zur Vornahme einer Zeitgutschrift von zwei Arbeitsstunden gegenüber seinem Vorgesetzten Schichtführer erklärt habe, am nächsten Tag sowieso krank zu werden und dass der Kläger diese Aussage als Druckmittel eingesetzt habe, die Zeitgutschrift zu erlangen. Dies stehe zur Überzeugung der Berufungskammer nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme fest. Der Kläger habe insbesondere nicht darauf hingewiesen, sich tatsächlich bereits krank zu fühlen. Auch habe er nicht über (zunehmende) Schmerzen gesprochen.
Eine Vernehmung insbesondere des Zeugen Ö1 zu den Beweisthemen des Vorhandenseins tatsächlicher Schmerzen bei dem Kläger bereits am 27.05.2009 und des Hinweises des Klägers auf solche Schmerzen sei nicht geboten gewesen. Der Vortrag des Klägers, er habe insoweit auch mit dem Zeugen Ö1 gesprochen, sei sowohl in erster wie auch in zweiter Instanz unsubstantiiert geblieben.
Gleichwohl sei die fristlose Kündigung vom 16.06.2009 unwirksam. Im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung seien die Besonderheiten des konkreten Falles sowie Art und Gewicht des Vorfalls zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen. Insbesondere sei es dem mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehinderten Kläger nicht zu widerlegen, dass er schon vor dem Vorfall vom 27.05.2009 Schmerzen gehabt habe. Auch habe er für die Tage 28. und 29.05.2009 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen können. Der Beklagten sei daher die Einhaltung der Kündigungsfrist von vier Monaten nicht völlig unzumutbar gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch aus den dargestellten Gründen durch die ordentliche Kündigung vom 22.06.2009 mit dem 31.10.2009 aufgelöst worden.
Das Landesarbeitsgericht hat in dem Tenor seiner Entscheidung die Revision nicht zugelassen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 27.07.2011 – 10 AZN 551/111 – das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.03.2010 – 3 Ca 1983/09 – zurückgewiesen und über die Kosten entschieden hat, und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise im Sinne der §§ 72 Abs. 2 Nr. 3, 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG verletze. Die Nichtanhörung des Zeugen Ö1 zu Inhalt und Ablauf des Gesprächs am 27.05.2009 finde im Prozessrecht keine Stütze.
Der Kläger beantragt weiterhin,
1. die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.03.2010, 3 Ca 1983/09, zurückzuweisen;
2. das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.03.2010, 3 Ca 1983/09, abzuändern, soweit es die Klage gegen die fristgemäße Kündigung vom 22.06.2009 abgewiesen hat und nach den erstinstanzlichen Anträgen des Klägers zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
3 Ca 1983/09, abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Sie trägt nach Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht ergänzend vor, der Zeuge Ö1 habe das Gespräch zwischen dem Kläger und dem Schichtleiter G1 nur zu einem Teil mitbekommen, da er nicht durchgehend anwesend gewesen sei. Außerdem habe er aufgrund von Sprachschwierigkeiten den Gesprächsinhalt nur teilweise aufnehmen können. Der Kläger habe bislang nicht vorgetragen, was genau der Zeuge Ö1 von dem Gespräch mitbekommen haben soll.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Wegen des Inhalts der bereits in diesem Rechtsstreit ergangenen Urteile und des Beschlusses wird auf die entsprechenden Entscheidungen verwiesen.
Die Berufungskammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Schweißers Ö1 und des Konstruktionsmechanikers G1 als Zeugen. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift vom 15.12.2011 (Bl. 374 ff. d. A.).
I.
Die Berufungen von Kläger und Beklagter sind weiterhin unbegründet.
1. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16.06.2009 hat das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht rechtswirksam aufgelöst.
Zur Begründung der Rechtsauffassung der Berufungskammer wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 16.12.2010, dort S. 10 ff., insbesondere die Erwägungen zur Interessenabwägung auf S. 14, 15 (Bl. 332 ff., 336, 337 d. A.).
2. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist jedoch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22.06.2009 zum 31.10.2009 aufgelöst, so dass die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers letztlich erfolglos bleiben musste.
a) Unter Berücksichtigung der rechtlichen Maßstäbe, die die erkennende Berufungskammer ihrer Entscheidung vom 16.12.2010 zugrunde gelegt hat (dortige Entscheidungsgründe S. 10 – 12, Bl. 332 – 334 d. A.) war davon auszugehen, dass der Kläger eine grobe und schwerwiegende Pflichtverletzung seines Arbeitsverhältnisses dadurch begangen hat, dass er anlässlich der Aufforderung zur Vornahme einer Gutschrift von zwei Arbeitsstunden gegenüber dem vorgesetzten Schichtführer G1 erklärte, er werde sowieso morgen krank, und dass der Kläger diese Aussage als Druckmittel einsetzte, die Zeitgutschrift zu erlangen.
aa) Nach dem Ergebnis der erst- und zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Kläger seine Krankschreibung für den Fall ankündigte, dass eine Zeitgutschrift für eine zweite Stunde nicht erfolgen sollte. Zu diesem Ergebnis war bereits das Arbeitsgericht nach Vernehmung der Zeugen G1, B3 und S2 sowie nach sorgfältiger Beweiswürdigung gelangt.
Unter Einbeziehung der nunmehr durch die Berufungskammer nachgeholten Zeugenvernehmung Ö1 zum Ablauf und zum Inhalt des Gesprächs vom 27.05.2009 ergibt sich nichts anderes.
(1) Der Zeuge Ö1 konnte bei seiner Vernehmung zwar Ausführungen zu dem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Schichtleiter G1 machen. Er erlebte auch die verbale Auseinandersetzung zwischen ihnen, verließ den Ort jedoch nach seiner Erinnerung eher als der Kläger. Solange er anwesend gewesen sei, so seine Aussage, habe er nicht gehört, dass der Kläger gesagt habe, er – der Schichtleiter – werde schon sehen, was er davon habe und dass er – der Kläger – dann eben morgen krank sei. Der Kläger habe in dem Gespräch mit dem Schichtleiter G1 nichts von Schmerzen gesagt und im Übrigen auch an dem gesamten Tag sich nicht zu Schmerzen geäußert. Er – der Zeuge – spreche etwas schlechter Deutsch als der Kläger.
(2) Demgegenüber bekundete der Zeuge G1 sowohl bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung wie auch bei der erneuten Einvernahme durch die Berufungskammer, der Kläger habe, als er das Papier zerknüllte, geäußert, dann sei er morgen krank. Zweitinstanzlich erklärte der Zeuge präzisierend, die Äußerung sei noch vor dem Zusammenknüllen des Papiers erfolgt – "unmittelbar hintereinander bzw. in diesem Zusammenhang".
(3) Die Berufungskammer hat aus der in zwei Instanzen durchgeführten Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger seine Erkrankung für den Folgetag in dem Gespräch mit dem Schichtleiter G1 ankündigte.
(a) Der Zeuge G1 konnte in seinen beiden zeugenschaftlichen Vernehmungen glaubhaft bekunden, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Zerknüllen des Papiers seine Erkrankung ankündigte. Seine Aussage wird nicht dadurch entwertet, dass er die Äußerung des Klägers bei seiner Anhörung als präsenter Zeuge vor der Berufungskammer dahin präzisierte, dass die Äußerung zeitlich vor dem Zusammenknüllen des Papiers erfolgt sei. Diese Präzisierung belegt vielmehr das Bemühen des Zeugen um ein möglichst genaues zeitliches Einordnen des Geschehens und steht daher auch nicht im Widerspruch zu seiner erstinstanzlichen Aussage. Der Zeuge selbst relativierte im Übrigen seine Zeitangabe, wenn er im weiteren Verlauf seiner Einvernahme bekundete, Aussage und Zusammenknüllen seien "unmittelbar hintereinander bzw. in diesem Zeitraum" erfolgt. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der wiedergegebene Sachverhalt mehr als zweieinhalb Jahre zurücklag, konnte eine minutiöse Darstellung nicht erwartet werden.
Der Zeuge hat auf die Berufungskammer einen glaubwürdigen Eindruck gemacht, ruhig und besonnen ausgesagt und zudem eingeräumt, nichts dazu sagen zu können, ob der Zeuge Ö1 das Gespräch im Einzelnen vernommen hat.
Zutreffend hat bereits das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass auch der Zeuge S2 bestätigt habe, dass die Äußerung, am nächsten Tag krank zu sein, tatsächlich erfolgte und als Druckmittel zu verstehen war.
(b) Hingegen war die Aussage des Zeugen Ö1 für die Berufungskammer insgesamt nicht glaubhaft. Zwar hat der Zeuge bekundet, er habe die inkriminierten Äußerungen des Klägers nicht gehört, und zwar insbesondere nicht in zeitlichem Zusammenhang mit dem Zerknüllen des Papiers. Der Zeuge war während dieses Zeitraums auch anwesend. Insofern besteht ein Widerspruch zu den Aussagen des Zeugen G1.
Andererseits schränkt der Zeuge Ö1 seine Aussage selbst mehrfach dadurch ein, dass er äußerte, solange er anwesend gewesen sei, habe er entsprechende Bemerkungen des Klägers nicht vernommen; was davor und danach besprochen worden sei, wisse er nicht. Die insoweit leicht defensive Haltung des Zeugen Ö1 war für die Berufungskammer nachvollziehbar wegen des engen persönlichen Verhältnisses des Zeugen zu dem Kläger, mit dem er befreundet und der für ihn eine große Respektperson ("Bruder") ist. Der Zeuge Ö1 wirkte demzufolge auf die Kammer insgesamt nicht persönlich frei und unbeeinflusst durch den Kläger. Seine Aussage erfolgte mit einer gewissen Zurückhaltung und war von einer erkennbaren Schüchternheit geprägt. Hinzu tritt, dass der Zeuge seinen eigenen Angaben nach noch etwas schlechter Deutsch spricht als der Kläger, der seinerseits für Verhandlungstermine in beiden Instanzen die Hinzuziehung eines Dolmetschers benötigte. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Zeuge das Gespräch zwischen dem Kläger und dem vorgesetzten Schichtleiter nicht vollumfänglich sowohl akustisch wie auch inhaltlich erfasst hat.
bb) Das Rechtfertigungsvorbringen des Klägers zu einer bereits am 27.05.2009 vorliegenden Erkrankung greift nach wie vor nicht.
Zwar obliegt dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines die Kündigung begründenden Sachverhalts. Es kann von ihm indes nicht verlangt werden nachzuweisen, dass irgendeine Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung einer künftigen Krankmeldung überhaupt nicht vorgelegen haben kann. Deshalb muss der Arbeitnehmer zunächst vortragen, welche konkreten Erkrankungen bzw. Krankheitssymptome im Zeitpunkt der Ankündigung der Krankschreibung vorgelegen haben und weshalb er darauf schließen durfte, auch darüber hinaus arbeitsunfähig zu sein.
Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht auch insoweit fest, dass der Kläger nicht darauf hingewiesen hat, sich tatsächlich krank zu fühlen. Ebenso wenig hat er nach übereinstimmender Aussage der Zeugen G1, B3 und S2 über (zunehmende) Schmerzen gesprochen.
Darüber hinaus war eine Vernehmung des Zeugen K1 zu den Beweisthemen des Vorhandenseins tatsächlicher Schmerzen bei dem Kläger bereits am 27.05.2009 und des Hinweises des Klägers auf solche Schmerzen nicht geboten. Der Zeuge K1 war bereits deshalb nicht zu vernehmen, weil das Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 09.10.2009 unschlüssig ist. Wann und unter welchen Umständen der Kläger am 27.05.2009 "insbesondere" mit dem Zeugen K1 über erhebliche Schmerzen und ein Sich-krankmelden-müssen für den darauffolgenden Tag gesprochen haben will, ist offen geblieben. Dem Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren, dass der Zeuge K1 am 27.05.2009 den Betrieb der Beklagten nicht vor Schichtbeginn um 21.20 Uhr betreten hat, somit ein Gespräch mit dem Kläger jedenfalls am Vormittag/Mittag des 27.05.2009 objektiv nicht führen konnte, ist der Kläger nicht entgegen getreten. Dahinstehen konnte, ob der Kläger – wie in der Berufungsverhandlung behauptet – den Zeugen K1 am Abend des 27.05.2009 gegen 19.30 Uhr angerufen hat.
Des Weiteren hat auch der Zeuge Ö1 bei seiner Vernehmung vor der Berufungskammer bekundet, der Kläger habe am 27.05.2009 weder in dem Gespräch mit seinem Schichtleiter noch sonst an diesem Tag von Schmerzen gesprochen.
b) Die Kammer folgt im Übrigen den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts auf S. 8 – 11 des Urteils vom 24.03.2010 (Bl. 184 – 187 d. A.), § 69 Abs. 2 ArbGG.
Die Berufung des Klägers gibt allerdings zu folgenden Ergänzungen Anlass:
aa) Eine Abmahnung des Klägers vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung war entbehrlich. Es kann daher dahinstehen, ob die dem Kläger 2007 erteilten schriftlichen Abmahnungen einschlägig im Sinne eines sachlichen Zusammenhangs mit dem Kündigungssachverhalt sind.
Zwar gilt das in § 314 Abs. 2 BGB konkretisierte Erfordernis einer Abmahnung grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (BAG vom 19.04.2007 – 2 AZR 180/06, AP Nr. 20 zu § 174 BGB; BAG vom 12.05.2010 – 2 AZR 845/08, NZA 2010, 1348). Die Abmahnung ist dabei entbehrlich unter besonderen Umständen, § 318 Abs. 2 S. 2 BGB i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB. Die können vorliegen, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartbar ist oder wenn die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass ihre Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich und für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist (BAG vom 23.06.2009 – 2 AZR 103/08, AP Nr. 7 Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG vom 19.04.2007, a.a.0.).
Danach war eine Abmahnung entbehrlich. Der Kläger hat durch die Ankündigung seiner Krankschreibung für den Fall der Nichtgewährung einer weiteren Zeitgutschrift seine Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB vorsätzlich und nachhaltig verletzt. Der mit dieser Pflichtverletzung bei der Beklagten eingetretene gravierende Verlust ihres Vertrauens in die Redlichkeit und Loyalität des Klägers wiegt so schwer, dass auch ohne vorausgehende Abmahnung eine zumindest ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt ist (vgl. auch BAG vom 12.03.2009, a.a.0.).
bb) Der Kläger kann sich rechtfertigend nicht auf unzureichende Kenntnisse der deutschen Sprache berufen. Hierzu hat die Beklagte von dem Kläger unbestritten vorgetragen, dass es in der Vergangenheit zu keiner Zeit sprachliche Verständigungsschwierigkeiten mit dem Kläger gegeben hat. Auch die Darstellung des streitigen Gesprächs des Klägers mit dem zeugenschaftlich vernommenen Schichtleiter G1 lässt zu Tage getretene sprachliche Verständnisprobleme nicht erkennen. Wenn sich im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens, wie der Kläger mit seiner Berufung vorträgt, erhebliche Verständnisschwierigkeiten bei der klägerischen Anhörung hinreichend deutlich ergeben hätten, hätten diese im Urteil selbst ihren Niederschlag gefunden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Auch hat der Kläger keinen Berichtigungsantrag bezogen auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils gestellt. Schließlich hat sich die Berufungskammer im Verhandlungstermin vom 16.12.2010 vollständig davon überzeugen können, dass der Kläger die deutsche Sprache jedenfalls so beherrscht, dass er in der Lage war, die an ihn gerichteten Fragen des Vorsitzenden ohne weiteres zu verstehen und sinnvoll zu beantworten.
c) Die Kündigung vom 22.06.2009 verstößt nicht gegen § 102 Abs. 1 BetrVG. Inhaltlich entsprachen die dem Betriebsrat mitgeteilten Informationen den an eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung zu stellenden Anforderungen.
Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nicht sämtliche objektiv bestehenden Kündigungsgründe mitteilen, sondern allein solche, die aus seiner subjektiven Sicht zum einen die Kündigung rechtfertigen und zum anderen für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind (zum Grundsatz der subjektiven Determinierung grundlegend BAG vom 13.07.1978 – 2 AZR 798/77, AP Nr. 18 zu § 18 BetrVG 1972; vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch etwa Entsch. vom 06.07.2006 – 2 AZR 520/05, AP Nr. 80 zu § 1 KSchG 1969).
Für den Kündigungsentschluss der Beklagten war maßgeblich die Ankündigung des Klägers, arbeitsunfähig krank zu werden für den Fall, dass die Zeitgutschrift für eine zweite Stunde nicht erfolgen würde, ohne dass der Kläger eine Begründung für die weitere Gutschrift abgab.
Ein Mangel der Anhörung kann sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht daraus ergeben, dass die Beklagte den Betriebsrat nicht darauf hingewiesen habe, dass an dem Tag Korbmangel herrschte mit der Folge von Betriebs- und Produktionsablaufstörungen, die der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderteneigenschaft nicht habe auffangen können. Ein eventueller Korbmangel ist jedenfalls für den Sachverhalt, auf den die Beklagte ihre Kündigung stützt, nicht von Bedeutung. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat nur die Tatsachen mitzuteilen, auf die er seine Kündigung stützen will; das genügt.
Allerdings kann zu einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats gehören, diesem auch entlastende Umstände mitzuteilen. Gleichwohl liegt ein Anhörungsmangel nicht deshalb vor, weil die Beklagte dem Betriebsrat nicht mitgeteilt hat, dass jedenfalls aus Sicht des Klägers er anderen Mitarbeitern gegenüber bereits über bestehende Schmerzen gesprochen und wegen dieser in Aussicht gestellt hatte, am folgenden Tag eventuell arbeitsunfähig krank zu sein. Derartige Gespräche des Klägers mit anderen Mitarbeitern waren der Beklagten im Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens nicht bekannt, sind zudem streitig und vom Kläger selbst erst im Rahmen des Anhörungsverfahrens bzw. während des Rechtsstreits zur Sprache gebracht worden. Eine mangelnde Anhörung ist daher und im Ergebnis nicht anzunehmen.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Entsprechend dem wechselseitigen Obsiegen und Unterliegen waren die Kosten der Berufung einschließlich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zwischen den Parteien zu quoteln.
2. Im Hinblick darauf, dass gemäß § 563 Abs. 2 ZPO der Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde zu legen war, kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zu, so dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorlagen.
Meta
15.12.2011
Landesarbeitsgericht Hamm 15. Kammer
Urteil
Sachgebiet: Sa
Nachgehend: Bundesarbeitsgericht, 10 AZN 551/11 - Beschluss vom 27.07.11 - zurückverwiesen an das LAG Hamm
Zitiervorschlag: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 15.12.2011, Az. 15 Sa 1423/11 (REWIS RS 2011, 304)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 304
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