Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2014, Az. IX ZB 91/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7885

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 91/12

vom

13. Februar 2014

in dem Verbraucherinsolvenzverfahren

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], den Richter [X.], die Richterin [X.], [X.] Pape und die Richterin Möhring

am
13. Februar 2014
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde
des weiteren Beteiligten wird der Be-schluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 27.
Juni 2012
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

festgesetzt.

Gründe:

I.

Am 15. März 2012 wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und
der weitere Beteiligte (fortan: [X.])
zum Treuhänder bestellt. Der Schuldner ist abhängig beschäftigt und ver-u-sammenlebt. Sein monatliches Einkommen wird auf sein Girokonto bei der S.

überwiesen. Am 30. März 2012 beantragte er bei der 1
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S.

die Umwandlung seines Kontos in
ein Pfändungsschutzkonto. Die S.

stellte sich auf den Standpunkt, der Treuhänder müsse der [X.] zustimmen.
Am 27. April 2012 überwies sie das Kontoguthaben von .
Seit dem 30. April 2012 wird das Konto als Pfändungsschutzkonto geführt.

Am 9. Mai 2012 hat der Schuldner
beim Insolvenzgericht
die Freigabe des
im April 2012
zur Masse gezogenen, seiner Ansicht nach unpfändbaren Guthabens beantragt. Der Treuhänder
hat dem Antrag widersprochen.
Er hat die Ansicht vertreten, der [X.] zwischen dem Schuldner und der S.

sei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß §§ 115, 116 [X.] beendet worden. Das
Konto
habe
deshalb
nicht nach
§ 850k Abs. 7 ZPO in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt werden
können. Das Konto, das seit dem 4. Mai 2012 als Pfändungsschutzkonto geführt werde, sei als
ein
neu eröffnetes Konto anzusehen. Er, der Treuhänder, habe dem Schuldner zur Deckung der Lebenshaltungskosten

zur Verfügung gestellt.

Am
13. Juni 2012 hat das Insolvenzgericht folgenden Beschluss
gefasst:

o-gene Guthaben vom Girokonto des Schuldners bei der [X.]

in Höhe eines Betrages von [X.] aus der
Insolvenzmasse freigegeben gemäß
§ 4 [X.] i.V.m. § 765a

Die sofortige Beschwerde des Treuhänders
ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom
Beschwerdegericht

Einzelrichter

zugelassenen [X.] verfolgt der Treuhänder den Antrag auf Abweisung des Freigabeantrags des Schuldners weiter.
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II.

1. Die
nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, §§
724, 573, 567 Abs.
1 ZPO, §
4 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Der Beschluss des [X.] kann
schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand
haben. Misst der
Einzelrichter
einer
Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung bei, hat er sie nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im [X.] vorgeschriebenen Besetzung zu übertragen.
Entscheidet er selbst und
bejaht er
mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters nach Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG ([X.], Beschluss vom 7.
Mai 2013 -
IX
ZB 51/12, [X.], 1516 Rn.
5 mwN). Die Entscheidung unterliegt der Aufhebung und Zurückverweisung
(§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgende rechtliche Ge-sichtspunkte hin:

a)
Der
Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil eine höchstrichterliche Entscheidung zum Problem der [X.] eines Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO im Insolvenzverfahren trotz §§ 115, 116 [X.] noch nicht ergangen sei. Die Entscheidung der Rechtssache
hängt jedoch nicht von der Beantwortung von Rechtsfragen ab, die sich im Zusammenhang mit der Umwandlung des Kontos in ein Pfändungsschutzkonto stellen könnten. Für den
auf eine wirksame oder 5
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mit Rückwirkung zu fingierende Umwandlung des Kontos in ein Pfändungs-schutzkonto gestützten
Antrag, den Treuhänder zur Rücküberweisung des an ihn ausgekehrten Guthabens zu veranlassen, ist das Insolvenzgericht nicht zu-ständig.

aa) Nach § 36 Abs. 4 [X.] ist das
Insolvenzgericht für Entscheidungen darüber zuständig, ob ein Gegenstand nach den in § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung, darunter diejenige des § 850k ZPO, zur Insolvenzmasse gehört. Nach der Eröffnung des [X.] tritt das Insolvenzgericht an die Stelle des [X.]. Es trifft diejenigen Entscheidungen, für die außerhalb des Insolvenzver-fahrens das Vollstreckungsgericht zuständig ist. Voraussetzung einer Entschei-dung nach § 36 Abs. 4 [X.] ist deshalb, dass die in Bezug genommene
Vor-schrift
der Zivilprozessordnung überhaupt eine Maßnahme oder Entscheidung des Vollstreckungsgerichts vorsieht
(vgl. [X.], Beschluss vom 13. Dezember 2012

[X.], [X.] 2013, 64 Rn. 5 mwN).

[X.]) Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Umwandlung eines Gi-rokontos in ein Pfändungsschutzkonto wird
gemäß § 850k
Abs. 7
ZPO
zwi-schen dem Kunden und dem Kreditinstitut
vereinbart. Das Vollstreckungsgericht ist daran nicht beteiligt.
Für ein Tätigwerden des Insolvenzgerichts gibt es des-halb keine
gesetzliche
Grundlage. Insbesondere ist das Insolvenzgericht nicht befugt, die Rechtswirksamkeit einer vereinbarten Umwandlung einschließlich des Zeitpunktes ihres Wirksamwerdens
(vgl. § 850k Abs. 1 Satz 4 ZPO)
für die Verfahrensbeteiligten bindend
festzustellen.
Die Auszahlung des Guthabens an den Treuhänder beruhte ebenfalls nicht auf einer Maßnahme oder einem Be-schluss des Insolvenzgerichts. Auch sie kann deshalb
nicht Gegenstand eines Verfahrens nach § 36 [X.] sein.

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cc) Ob der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen noch die Umwandlung des Kontos in ein Pfändungsschutzkonto beanspruchen konnte
(vgl. hierzu etwa [X.],
[X.], 1954, 1955; [X.],
[X.] 2013, 196, 197; [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], 2.
Aufl., § 36 Rn. 76;
Günther, Z[X.] 2013, 859, 861 f;
Sudergat,
[X.] 2013, 169, 170 ff), wäre im Wege der Klage gegen die S.

zu klären gewesen, notfalls unter Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes (§ 935 ZPO). Die Rückzahlung des an den Treuhänder ausgekehrten Guthabens
unter Berufung auf § 850k ZPO
kann der Schuldner
allenfalls
im Wege einer (Zahlungs-)Klage gegen den Treuhänder erreichen.

b)
Die Vorschrift des § 765a ZPO ist im Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar ([X.], Beschluss vom 16. Oktober 2008

[X.], [X.], 48 Rn. 14 ff). Zuständig für die Entscheidung über einen Vollstreckungsschutz-antrag
ist das Insolvenzgericht ([X.], Beschluss vom 15. November 2007

[X.], [X.], 93 Rn. 10; zu den Voraussetzungen einer Anordnung nach § 765a ZPO vgl. etwa [X.], Beschluss vom 2. Dezember 2010

IX ZB 120/10, [X.], 134 Rn. 9). Eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende ganz besondere Härte könnte
darin liegen, dass das Kontoguthaben am Tag nach

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dem Eingang des Arbeitslohns
auf dem Konto
an den Treuhänder ausgezahlt worden ist, so dass dem Schuldner

möglicherweise

keinerlei
Mittel zur Be-streitung seines Lebensunterhalts verblieben sind.

Kayser [X.] [X.]

Pape Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.06.2012 -
4 [X.] 123/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 27.06.2012 -
13 [X.] -

Meta

IX ZB 91/12

13.02.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2014, Az. IX ZB 91/12 (REWIS RS 2014, 7885)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7885

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