Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.07.2011, Az. 26 W (pat) 546/10

26. Senat | REWIS RS 2011, 5046

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Cayenne" – Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 040 404.6

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 6. Juli 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des [X.] vom 11. Mai 2010 aufgehoben, soweit die Anmeldung der Wortmarke 30 2009 040 404.6 „[X.]“ auch für die Waren „Klasse 32: Mineralwässer, Fruchtsäfte“ zurückgewiesen worden ist.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 11. Mai 2010 hat die Markenstelle für Klasse 32 des [X.] die Anmeldung der Wortmarke 30 2009 040 404.6

2

[X.]

3

für die Waren

4

„Klasse 32:  Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; [X.] und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken

5

Klasse 33:  alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“

6

unter Vorlage von Belegen mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem freihaltebedürftigen [X.] zugleich das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.]. „[X.]“ bezeichne eine bestimmte Chilivarietät; „Chili“ sei als Geschmacksrichtung bei alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken weit verbreitet. Zur Beschreibung dieser Geschmacksrichtung eigne sich nicht nur der Oberbegriff „Chili“, sondern auch die Bezeichnung der speziellen Chilisorte „[X.]“.

7

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, dass „[X.]“ keine Produktmerkmalsbezeichnung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] darstelle. Die angesprochenen Verbraucher verstünden „[X.]“ bei Verwendung als Bezeichnung für ein Getränk weder als Beschreibung einer enthaltenen Zutat noch als Herkunftsbezeichnung, sondern als Fantasiebezeichnung. Denn ihnen sei nicht nur die gleichnamige Hauptstadt von [X.], sondern auch der Umstand unbekannt, dass es sich bei „[X.]“ um eine bestimmte Chilivariante handele. Bekannt sei dem inländischen Verbraucher lediglich das Gewürz „[X.]pfeffer“, welches er jedoch nicht in einem Getränk vermuten werde.

8

Die Anmelderin beantragt,

9

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des [X.] vom 11. Mai 2010 aufzuheben.

II.

Die gem. §§ 66 Abs. 1, 2 [X.] zulässige Beschwerde ist überwiegend unbegründet. Erfolg hat sie nur insoweit, als die Anmeldung der Wortmarke 30 2009 040 404.6 „[X.]“ auch für die Waren „Klasse 32: Mineralwässer, Fruchtsäfte“ zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen bleibt sie erfolglos, weil einer Eintragung des Zeichens „[X.]“ insoweit wegen seiner Eignung zur Beschreibung einer Geschmacksrichtung ein Freihaltebedürfnis entgegensteht, § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.], und ihm für die weiteren in Klasse 32 angemeldeten und sämtliche in Klasse 33 angemeldeten Waren jegliche Unterscheidungskraft fehlt, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

1.

Nach § 8 Abs 2 Nr. 2 [X.] sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können.

a)

Wie bereits die Markenstelle zutreffend unter Vorlage von Belegen ermittelt hat, bezeichnet „[X.]-Pfeffer“, ein Synonym für Chilis und Guineapfeffer, objektiv die Früchte von Capsicum frutescens und Capsicum fastigiatum (vgl. [X.], [X.], 17. Auflage, 3. Bd. 1967). Die in [X.], [X.] und [X.] angebauten Früchte verwendet man als Küchengewürz, das auch in [X.] im Handel in ganzen Schoten, gemahlen und in Form von sehr scharfen Saucen erhältlich ist. Da [X.] Produktverpackungen und Warenbeschreibungen dieses Gewürzes als Sachangabe sowohl in Alleinstellung als auch gleichzeitig die Wörter „[X.]“, „[X.] Pfeffer“ und „Chili“ verwenden (vgl. http://www.pure-gewuerze.de/bilder/produkte/gross/[X.]-Pfeffer-[X.]pfeffer-gemahlener-Chili-kaufen.jpg, [X.]), ist dem [X.]n, an diesem Produkt interessierten Verbraucher bekannt, dass es sich bei „[X.]“ um ein Synonym für Chili handelt. Namensgeber der erstmals im 16. Jahrhundert schriftlich erwähnten Züchtung ist [X.], die Hauptstadt von [X.], welche, in [X.] liegend, zum Territorium der [X.] zählt (vgl. [X.]).

Biere, Wässer, [X.] und Getränkegrundstoffe sind am [X.]n Markt, wie von der Markenstelle zutreffend ermittelt, in den verschiedensten Geschmacksrichtungen erhältlich. Im Zusammenhang mit diesen Waren besteht für „[X.]“ ein zumindest künftiges Freihaltebedürfnis. [X.]-Extrakt wird als Nahrungsergänzungsmittel bereits am [X.]n Markt vertrieben (vgl. http://www.amazon.de/BioPr%C3%A4p-Biopr%C3%A4p-[X.]-Extrakt-20ml/dp/B001Q8WCPG). Zur Herstellung eines „[X.] Cocktails“, der sowohl als Partygetränk, als auch als Grundnahrungsmittel für eine so genannte [X.]pfefferdiät empfohlen wird, benötigt man Wasser, Zitronensaft, Ahornsirup und [X.]pfeffer, zur Herstellung eines Cocktails mit dem Namen „[X.]“ sind Zitronensaft, [X.]pfeffer, Rohrzucker, Bier und Eis erforderlich (vgl. http://www.theschellcafe.com/?p=1527; [X.]; http://www.yumsugar.com/Low-Calorie-Healthy-Beer-Cocktail-13622555). Das Rezept für den Cocktail „[X.]“ (vgl. http://www.cocktailmaking.co.uk/displaycocktail.php/339-Bloody-Mary), der aus den Zutaten Eis, Worcestershire Sauce; Tabasco Sauce, Wodka, Tomatensaft, Zitronensaft, Salz und [X.]pfeffer hergestellt wird, zeigt, dass am Markt auch alkoholische Getränke mit [X.]pfeffer-Zusatz angeboten werden.

Lediglich auf die von der Anmelderin ebenfalls beanspruchten Waren „Fruchtsäfte“ und „Mineralwässer“, bei welchen [X.]pfeffer nicht zu den nach der Fruchtsaftverordnung vom 24. Mai 2004 ([X.] I S. 1016, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 21. Mai 2010, [X.] [X.]) bzw. der Mineral- und Tafelwasserverordnung vom 1. August 1984 ([X.] I S. 1036, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 1.12.2006 ([X.] I S. 2762) zulässigen Inhaltsstoffen gehört, trifft dies nicht zu.

Auch Wettbewerbern der Anmelderin muss es jedoch unbenommen bleiben, künftig die von ihr beanspruchten Waren mit Ausnahme von „Fruchtsäften“ und „Mineralwässern“ nicht nur mit dem Synonym „Chili“, sondern auch mit „[X.]“ als Sachhinweis darauf zu bezeichnen, dass ihre Getränke und Getränkezusätze [X.]pfeffer enthalten.

b)

Für „Fruchtsäfte“ und „Mineralwässer“ steht einer Eintragung des angemeldeten [X.]es nicht deshalb des Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen, weil „[X.]“ zugleich eine geographische Herkunftsangabe darstellt, die die Hauptstadt von [X.] bezeichnet.

Für die Frage der Schutzfähigkeit geographischer Herkunftsangaben ist maßgeblich, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung von Betrieben zur Produktion der beanspruchten Waren bzw. zur Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. [X.], [X.], 723, 726, Nr. 31-34 - [X.]). Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist nur überwunden, wenn auszuschließen ist, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise in Verbindung gebracht werden können (vgl. [X.], [X.], 723, 726, Nr. 31-34 – [X.]; [X.] GRUR 2010, 534, 536 – [X.]; [X.], 509, 510 – [X.]; [X.], [X.], 666, 672; [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., Rn. 280 zu § 8). Nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] GRUR 2010, 534, 536, Rz. 26 ff. - [X.]) müssen die angesprochenen Verkehrskreise sofort und ohne weiteres Nachdenken in der Lage sein, einen konkreten und direkten Bezug zwischen den fraglichen Zeichen und den betreffenden Waren und Dienstleistungen herzustellen.

 Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.], die in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c Markenrichtlinie ergangen ist, verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass unmittelbar warenbeschreibende Angaben, einschließlich solcher über die geographische Herkunft, von [X.] frei verwendet werden können ([X.] [X.], 723, 725, Nr. 25 - [X.]). Im Vordergrund stehen dabei die Interessen der Mitbewerber auf dem Markt. Einer Registrierung von geographischen Bezeichnungen steht aber auch das Allgemeininteresse entgegen, welches insbesondere darauf beruht, dass diese nicht nur die Qualität und andere Eigenschaften der betreffenden Warengruppen anzeigen, sondern auch die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, etwa dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verbinden ([X.] [X.], 723, 725, Nr. 26 - [X.]). Insoweit kommt bei der Prüfung, ob ein geographischer Begriff als Produktmerkmalsbezeichnung in Betracht kommt, auch dem Verständnis und den Vorstellungen der Endverbraucher Bedeutung zu. Erkennt der inländische Verkehr die geographische Herkunftsangabe nicht als solche, wird er die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit dem betreffenden Ort vernünftigerweise weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft in Verbindung bringen.

Der Umstand, dass „[X.]“ nicht nur eine bestimmte Pfefferart, sondern zugleich die Hauptstadt von [X.] bezeichnet, ist in [X.] den angesprochenen Fachkreisen und Interessenten für Mineralwässer und Fruchtsäfte weitgehend unbekannt. Im hier betroffenen inländischen Getränkehandel entspricht es nicht der Üblichkeit, Mineralwässer aus [X.] nach [X.] zu importieren. Für Säfte aus exotischen Früchten und deren Ausgangserzeugnisse sind solche Importe zwar erforderlich. Im Rahmen seiner Recherchen sind dem Senat jedoch keine der Fruchtsaftherstellung in [X.] oder dem inländischen Handel mit diesen Produkten dienenden Exporte aus [X.] bekannt geworden.

Auch andere, beispielsweise politische oder touristische Bezüge, die dazu führen könnten, dass [X.] von wesentlichen Teilen des angesprochenen Verkehrs als geographische Herkunftsangabe erkannt wird, ließen sich nicht nachweisen. Die [X.] [X.] unterhält in [X.] keine eigene Botschaft, das zu [X.] gehörende [X.] in [X.] keine Auslandsvertretung. Derzeit werden aus der [X.] keine Direktflüge nach [X.] angeboten. Ein Freihaltebedürfnis von „[X.]“ für „Fruchtsäfte“ und „Mineralwässer“ lässt sich auf dieser Grundlage nicht annehmen.

2.

Zugleich fehlt dem [X.] für „Fruchtsäfte“ und „Mineralwässer“ nicht das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft, weil für dieses Schutzhindernis ebenfalls das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise maßgeblich ist, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] (vgl. [X.], [X.]/[X.], 9. Aufl., Rn. 108 u. Verweis auf Rn. 272 - 299 zu § 8; Rn. 109 unter Verweis auf Rn. 321 - 334 zu § 8). Da der Handel mit „Fruchtsäften“ und „Mineralwässern“ in [X.] durch die oben genannten Verordnungen reglementiert wird, haben sie keine Veranlassung anzunehmen, dass diese Produkte am Markt mit „[X.]-Pfeffer“ versetzt oder in dieser Geschmacksrichtung angeboten werden könnten. Aus den oben dargelegten Gründen werden sie „[X.]“ auch nicht für eine geographische Herkunftsangabe halten.

Trifft der Verbraucher allerdings auf mit „[X.]“ bezeichnete Getränke und Getränkegrundstoffe der von der Anmelderin beanspruchten Art mit Ausnahme von „Fruchtsäfte“ und „Mineralwässer“, wird er „[X.]“ als Sachhinweis auf deren Geschmacksrichtung, aber nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. An eine solches Verständnis ist der durchschnittliche, inländische Getränkeverbraucher gewöhnt. Denn am [X.]n Lebensmittelmarkt begegnen ihm Produkte wie Saucen, Kartoffelchips und Schokolade, bei welchen „[X.]“ und „Chili“ deren Geschmacksrichtung bezeichnen. Da diese Produkte häufig zusammen mit Bieren, alkoholfreien Getränken und Präparaten für deren Zubereitung konsumiert und eingekauft werden, wird er „[X.]“ auch dann für einen Sachhinweis auf deren Geschmacksrichtung halten, wenn ihm dieses Wort zur Kennzeichnung der konkret beanspruchten Ware im Handel zum [X.] begegnet.

Aus diesen Gründen war der Beschwerde stattzugeben, soweit „[X.]“ für die Waren „Klasse 32: Mineralwässer, Fruchtsäfte“ zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.

Meta

26 W (pat) 546/10

06.07.2011

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.07.2011, Az. 26 W (pat) 546/10 (REWIS RS 2011, 5046)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5046

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