Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2003, Az. V ZB 22/03

V. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1382

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[X.]/03vom2. Oktober 2003in dem [X.]:[X.]:ja[X.]R: [X.] §§ 42, 139; BGB § 214Weist der [X.] nach Widerspruch gegen einen Mahnbescheid den [X.]n mitder Zustellung der [X.] darauf hin, daß der Anspruch ver-jährt sei, besteht Grund, ihn abzulehnen; dasselbe gilt, wenn der Hinweis zwar anden Kläger gerichtet, aber auch dem [X.]n zuzustellen ist.[X.], [X.]. v. 2. Oktober 2003 - [X.] - [X.] AG Zerbst- 2 -Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 2. Oktober 2003 durch [X.] des [X.] Dr. [X.] und die [X.] Tropf,[X.], [X.] und [X.]:Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin werden die [X.]üsseder 1. Zivilkammer des [X.] vom 24. [X.] und des [X.] vom 24. Januar 2003 aufgeho-ben.Das Ablehnungsgesuch gegen den [X.] am [X.]wird für begründet erklärt.Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 800 Gründe:[X.] einem dem [X.]n am 26. Oktober 2002 zugestellten [X.] hat die Klägerin Herausgabe von Nutzungsentgelt nach den Vorschrif-ten über das Sachenrechtsmoratorium (Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 4 und Satz 8EGBGB) geltend gemacht. Nach Widerspruch hat das Amtsgericht im schriftli-chen Vorverfahren dem [X.]n die [X.] und einebeglaubigte Abschrift folgenden, an den Kläger ergangenen Hinweises zuge-stellt:- 3 -"Der Anspruch nach Satz 4 dürfte gemäß Satz 7 verjährt sein,wenn der [X.] die Einrede der Verjährung [X.] [X.], der zunächst nur Einwendungen gegen das Bestehen [X.] erhoben hatte, berief sich in der Folge auch auf Verjährung. [X.] hat den Amtsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.Das Ablehnungsgesuch ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom [X.] zu-gelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Ablehnungsgesuchweiter.II.Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und [X.] übrigen zulässig. In der Sache hat sie Erfolg.1. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit dieAblehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegendie Unparteilichkeit des [X.]s zu rechtfertigen. Maßgeblich ist, ob aus [X.] der den [X.] ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung allerUmstände Anlaß gegeben ist, an dessen Unvoreingenommenheit und objekti-ver Einstellung zu zweifeln (st. Rspr. [X.]Z 77, 70, 72; [X.], [X.]. [X.] Dezember 1994, [X.], NJW 1995, 1677, 1679; zu § 19 [X.]:[X.] 20, 1, 5; 102, 122, 125). Kriterium für die Unparteilichkeit des [X.]sist die Gleichbehandlung der Parteien. Der Ablehnung setzt er sich aus, wenner, ohne Stütze im Verfahrensrecht, die Aequidistanz zu den Parteien [X.] sich zum Berater einer Seite macht. Bei der materiellen [X.], zuder die in § 139 ZPO vorgesehenen Erörterungen, Fragen und Hinweise [X.] 4 -len (vgl. auch §§ 136 Abs. 3, 141, 279 Abs. 3 ZPO), hat er, soweit für besonde-re Verfahrensarten nichts Abweichendes bestimmt ist (für Familiensachen vgl.§§ 616, 617 ZPO), das Verfügungsrecht der Parteien über das [X.] deren alleinige Befugnis zur Beibringung des Prozeßstoffes zu respektie-ren. Es ist ihm deshalb verwehrt, auf die Einführung selbständiger, einen ge-setzlichen Tatbestand eigenständig ausfüllender Angriffs- und [X.] (vgl. § 146 ZPO) in den Prozeß hinzuwirken. Dies gilt für weitere [X.] ([X.]Z 7, 208, 211; Senatsurteil vom 16. Juli 1999, [X.], [X.], 1891, 1893, jeweils für die [X.]), für die Ausübung von Ge-staltungsrechten (Senat aaO), aber auch für Leistungsverweigerungsrechte([X.], [X.]eil vom 18. November 1968, [X.], NJW 1969, 691, 693 fürdas [X.] Die Verjährung berührt nach der Konzeption des Bürgerlichen Ge-setzbuchs den anspruchsbegründenden Tatbestand und mithin das Bestehendes Rechts des Gläubigers nicht. Ihr Eintritt verschafft dem Schuldner vielmehrein Gegenrecht, nämlich die Befugnis, die Leistung zu verweigern (§ 214Abs. 1 BGB). Die Geltendmachung des [X.], die Erhebung der [X.] der Verjährung, ist eine geschäftsähnliche Handlung des sachlichen Rechts(allg. M., vgl. statt aller [X.]/[X.], 4. Aufl. § 222 Rdn. 3). [X.] die Bekundung des Willens des Schuldners voraus, die Leistung endgül-tig zu verweigern und dies - jedenfalls dem Sinne nach - mit dem Ablauf [X.] zu begründen. Bevor dies geschehen ist, steht dem Verlangendes Gläubigers auf Erbringung der Leistung nichts entgegen. Im [X.] deshalb, auch wenn die verjährungsbegründenden Umstände vom [X.] vorgetragen werden, auf Antrag Versäumnisurteil gegen den [X.] [X.]n zu ergehen (§ 331 Abs. 2 ZPO). An dieser Konzeption ([X.] -§ 222 BGB) hat der Gesetzgeber bei der Novellierung des Verjährungsrechtsdurch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz festgehalten. Überlegungen [X.] der Einredelösung (Nachweise bei [X.]/Jonas/Leipold, [X.]., § 139 Rdn. 24a; aus der Sicht des § 42 Abs. 2 ZPO vgl. auch [X.],[X.]. zu [X.], [X.]eil vom 12. November 1997, [X.], [X.] § 42Nr. 7 und [X.], [X.], 249, 250) erübrigen sich daher. Zu [X.] mithin das Beschwerdegericht, der Amtsrichter habe sich mit [X.] auf die Wiedergabe der materiellen Rechtslage beschränkt. Seineprozeßleitende Verfügung führte dem [X.]n vielmehr die Möglichkeit [X.], durch eine geschäftsähnliche Handlung die bestehende, für das [X.] verbindliche Rechtslage zum Nachteil des Klägers und zu seinen eigenenGunsten zu verändern. Ein solcher Hinweis wirkt wie eine Aufforderung, [X.] auch zu erheben.3. Für den Hinweis bietet § 139 ZPO keine Grundlage. Der [X.] hat zwar bisher die Frage, ob das Gericht nach dieser Vorschrift [X.] auf die Möglichkeit hinweisen darf, sich mit der Einrede [X.] zu verteidigen (zum Streitstand in Rechtsprechung und Literaturvgl. [X.]/[X.], ZPO, 3. Aufl. §139 Rdn. 9 mit [X.]. 64), noch nicht aus-drücklich entschieden. Die Verneinung des Rechts, auf ein vorübergehendesLeistungsverweigerungsrecht (Zurückbehaltungsrecht) aufmerksam zu machen(oben zu 1.), nimmt die Entscheidung aber im Grundsatz vorweg. Der [X.] hat sich mit der Neufassung des § 139 ZPO durch das [X.] diesen Standpunkt zu eigen gemacht. Die neuen Regeln der mate-riellen [X.] sehen nach Wortlaut und Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4722, [X.]) davon ab, den Gerichten inhaltlich engere oder detail-liertere Vorgaben zu machen als das bisherige Recht. § 139 Abs. 1 ZPO hebt- 6 -danach zwar insgesamt hervor, daß das Gericht im offenen Gespräch mit [X.] die entscheidungserheblichen rechtlichen und tatsächlichen Ge-sichtspunkte erörtern und auf eine allseits sachdienliche Verfahrensführunghinwirken soll. Er beläßt es jedoch bei dem Grundsatz, daß es nicht [X.] Gerichts ist, durch Fragen oder Hinweise neue Anspruchsgrundlagen, [X.] oder Anträge einzuführen, die in dem streitigen Vortrag der Parteiennicht zumindest andeutungsweise bereits eine Grundlage haben. Das [X.] von Hinweisen, für die danach kein Raum besteht, macht eine Entschei-dung auch nicht überraschend im Sinne des § 139 Abs. 2 ZPO (ausdrücklichzu § 139 Abs. 2 der Referentenentwurf des [X.], Stand 23. Dezember 1999,Entwurfsbegründung S. 109). Hiermit weicht der Senat nicht von der vom [X.] in der Entscheidung vom 12. November 1997 (oben zu 2.) zu § [X.]. 3 ZPO a.F. vertretenen Meinung ab. Der [X.] hat aus der in [X.] § 139 Abs. 2 ZPO entsprechenden Vorschrift nicht die allgemeineBefugnis des [X.]s hergeleitet, den Anspruchsgegner auf die [X.], er könne sich mit dem Eintritt der Verjährung verteidigen. Bei demvom [X.] zu beurteilenden Sachverhalt war es vielmehr geboten, [X.] auf eine bestimmte Rechtsprechung hinzuweisen, aus derunübersehbar die Anwendung einer bestimmten Verjährungsvorschrift folgte.Daß der abgelehnte [X.] bei den Vergleichsgesprächen in der [X.] auf diese Rechtsfolge hingewiesen hatte, machte ihn nicht [X.] Der Senat hat nicht darüber zu befinden, ob andere Vorschriften, etwadie Pflicht, auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht zu sein(§ 278 ZPO), überhaupt, unter welchen Voraussetzungen und wenn ja, in wel-cher Weise, den Hinweis auf die Einrede erlauben. Er hat sich deshalb auchnicht mit der Gesamtheit der in Rechtsprechung und Literatur geführten Dis-- 7 -kussion über das Ablehnungsrecht der Parteien im Falle des Hinweises auf [X.] zu befassen (zum Streitstand vgl. [X.]/[X.], ZPO, 23. [X.] 42 Rdn. 27). Im [X.] entbehrte der Hinweis jeder in Frage [X.]. Der [X.] hat, noch bevor der [X.] überhaupt Gele-genheit hatte, sich zu äußern, diesem einen Weg aufgezeigt, der nach seinerAuffassung zum Erfolg der Rechtsverteidigung und zum Mißerfolg der [X.]. Damit hat er sich aus der verständlichen Sicht der Klägerin parteilichgezeigt. Daß der Hinweis unmittelbar gegenüber der Klägerin erfolgte, änderthieran angesichts des Umstandes, daß er nach der Anordnung des [X.]sdem [X.]n bekanntzugeben war, entgegen der Auffassung des Beschwer-degerichts, nichts. Ohne Einfluß auf den Erfolg des [X.] der Umstand, daß der Hinweis inhaltlich unzutreffend war (die [X.] Mahnbescheides hatte die am 8. November 2000 begonnene, zweijährigeVerjährungsfrist des Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 7 gehemmt; § 204 Abs. 1 Nr. 3BGB, Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB).5. Der Ablehnungsgrund entfällt nicht deshalb, weil das Verhalten des[X.]s jedenfalls vertretbar gewesen wäre (zu diesem Gesichtspunkt stattaller [X.]/[X.] aaO, Rdn. 27 m.w.N.). Das war nicht der Fall. Im übri-gen ist, wenn man bei der Beurteilung der Befangenheit des [X.]s auf die-sen Gesichtspunkt abstellen will (dazu auch [X.], [X.]eil vom 12. [X.], oben zu 2; [X.]uß vom 29. November 1995, [X.], [X.]RZPO § 42 Abs. 2, Rechtsauffassung 1), zwischen Äußerungen über [X.] tatsächliche Fragen im allgemeinen und einem Hinweis darauf, daß einselbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel in den Prozeß eingeführt wer-den könne, zu unterscheiden. Im letzteren Fall müssen, wegen der [X.], von einer Gleichbehandlung der Parteien abzuweichen, an die Vertret-barkeit des Hinweises strenge Anforderungen gestellt werden. [X.] es dem [X.] an die Hand gegeben, über die Grenzen seiner Neutrali-tätspflicht selbst zu entscheiden. Die danach zu stellenden Anforderungen wä-ren im Streitfall unter keinem Gesichtspunkt erfüllt gewesen.[X.]Tropf [X.] Schmidt-Räntsch

Meta

V ZB 22/03

02.10.2003

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2003, Az. V ZB 22/03 (REWIS RS 2003, 1382)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1382

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