Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2021, Az. 12 O 34/21

12. Zivilkammer | REWIS RS 2021, 9931

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Tenor

I.

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen, nachfolgende oder mit dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge über Zahlungsdienste mit Verbrauchern einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über alle Kunden zu erteilen, die Verbraucher sind, denen gegenüber die Beklagte die Formulierungen im Antrag zu 1) verwendet hat und ein Verwahrentgelt nicht individuell vereinbart hat und denen gegenüber die Beklagte anschließend ein Verwahrentgelt auf Grundlage der im Antrag zu 1) wiedergegebenen Entgeltklausel erhoben hat,

durch Bekanntgabe der Vor- und Zunamen sowie durch Bekanntgabe der Anschrift dieser Kunden.

Die Auskunft hat nach Wahl der Beklagten gegenüber dem Kläger selbst oder gegenüber einem Angehörigen der zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufe zu erfolgen, der im Falle der Nichteinigung vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Düsseldorf bestimmt wird.

Die mit der Auskunftserteilung verbundenen Kosten trägt die Beklagte.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 210,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2021 zu bezahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 64 %, die Beklagte zu 36 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung und zwar hinsichtlich des Unterlassungsantrages in Höhe von 3.000 EUR, hinsichtlich des Auskunftsantrags in Höhe von 2.500 EUR und im Übrigen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht Unterlassungsansprüche wegen der Verwendung einer Verwahrentgeltklausel gegenüber Verbrauchern geltend. Zudem begehrt der Kläger die Rückzahlung der aufgrund der Klausel erhobenen Beiträge an die Verbraucher sowie die Auskunft hinsichtlich der Verwendung der Klausel und der daraufhin erhobenen Beiträge sowie Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten.

Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 27 weiterer verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Er ist in der vom Bundesamt für Justiz in Bonn geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

Die Beklagte ist eine Bank mit Sitz in X. Sie schließt mit Verbrauchern Verträge über Zahlungsdienstleistungen ab. Sie bietet verschiedene Girokonten an, u.a. das streitgegenständliche Girokonto „VR-Komfort". Für dieses Konto erhebt die Beklagte eine monatliche Kontoführungsgebühr in Höhe von 10,90 EUR.

Ein von der Beklagten verwendeter Preisaushang, vorgelegt als Anlage K 2, enthält die folgende Klausel:

Wegen dieser Klausel mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 06.11.2020 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Folgenbeseitigung in Form von Auskunft und Rückerstattung und zur Auslagenerstattung auf. Wegen des weiteren Inhalts der Abmahnung wird auf die Anlage K 3 verwiesen.

Die Beklagte reagierte mit dem als Anlage K 4 vorgelegten anwaltlichen Schreiben vom 19.11.2020 und wies die Forderungen zurück.

Der Kläger ist der Ansicht, die Verwahrentgeltklausel stelle eine Preisnebenabrede dar und sei AGB-rechtlich unzulässig. Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs stehe bei einem Girokonto im Vordergrund; das Verwahren des Geldes sei dafür aber denklogisch notwendig.

Es komme für die Wirksamkeit der Klausel in dem Preisaushang auch nicht darauf an, ob das Verwahrentgelt individuell vereinbart worden ist. Eine solche Vereinbarung könne die Klausel nicht heilen. Außerdem handele es sich auch bei der als Anlage B 2 vorgelegten Zusatzvereinbarung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Weder eine Aufklärung noch die Beantwortung von Fragen würden ein „Aushandeln“ der Vertragsbedingungen im Einzelnen darstellen.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen, nachfolgende oder mit dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge über Zahlungsdienste mit Verbrauchern einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

              2. a) Die Beklagte zu verurteilen, allen Kunden, die Verbraucher sind, denen gegenüber die Beklagte die Formulierungen im Antrag zu 1) verwendet hat und denen gegenüber die Beklagte anschließend ein Verwahrentgelt auf Grundlage der im Antrag zu 1) wiedergegebenen Entgeltklausel erhoben hat,

dieses Verwahrentgelt auf eigene Kosten zurückzuzahlen.

b) Die Beklagte zu verurteilen,

aa) dem Kläger Auskunft über alle Kunden zu erteilen, die Verbraucher sind, denen gegenüber die Beklagte die Formulierungen im Antrag zu 1) verwendet hat und ein Verwahrentgelt nicht individuell vereinbart hat und denen gegenüber die Beklagte anschließend ein Verwahrentgelt auf Grundlage der im Antrag zu 1) wiedergegebenen Entgeltklausel erhoben hat,

durch Bekanntgabe der Vor- und Zunamen sowie durch Bekanntgabe der Anschrift dieser Kunden.

bb) Die Auskunft hat nach Wahl der Beklagten gegenüber dem Kläger selbst oder gegenüber einem Angehörigen der zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufe zu erfolgen, der im Falle der Nichteinigung vom Präsidenten des Kammergerichts bestimmt wird.

cc) Die mit der Auskunftserteilung verbundenen Kosten trägt die Beklagte.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 210,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, bislang sei eine hinreichende Kompensation der Kreditinstitute durch das mit dem Eigentumserwerb am verwahrten Geld einhergehende Recht zur Kapitalnutzung und Fruchtziehung erfolgt. In der aktuellen Negativzinsphase hingegen erfolge diese Verrechnung mangels eines von der Beklagten erzielbaren Kapitalnutzungsvorteils in ausreichender Höhe nicht oder nicht in vollem Umfang. Die Vorteile eines Kreditinstituts bei Sichteinlagen seien aufgrund der jederzeitigen Rückgabepflicht gering.

Sie behauptet zudem, Verwahrentgelte mit ihren Kunden grundsätzlich individuell zu vereinbaren. Sämtliche Kunden würden vor Unterzeichnung und Aushändigung der entsprechenden Vertragsunterlagen zu den Konten ausführlich über das Verwahrentgelt aufgeklärt werden. Mit ihren Bestandskunden werde grundsätzlich die als Anlage B 2 vorgelegte Zusatzvereinbarung geschlossen. Soweit es sich um Neukunden handele, werde diesen gegenüber ebenfalls individuell ein Verwahrentgelt vereinbart. Das als Anlage B1 vorgelegte Dokument werde sämtlichen Neukunden der Beklagten mittels Kontoauszugdrucker zur Verfügung gestellt. Die einzelnen Kundenberater hätten die betroffenen Kunden jeweils individuell angesprochen und ausführlich und umfassend über das Verwahrentgelt aufgeklärt. Im Rahmen eines solchen persönlichen Termins sei stets die Umschichtung von Vermögen in für die Bankkunden ertragreichere Anlageformen Gegenstand des Gesprächs gewesen. Würden sich die Kunden gleichwohl für den Abschluss einer Verwahrentgeltvereinbarung entscheiden, werde sodann eine entsprechende schriftliche Vereinbarung – nämlich das als Anlage B 2 beigefügte Dokument – von beiden Seiten unterzeichnet. Den Beratern sei auch eine Handreichung in Form der als Anlage B 5 beigefügten Informationen gegeben worden. Daran würden sich die Berater grundsätzlich im Rahmen der Gespräche mit ihren Kunden orientieren. Bestandskunden, die die Zusatzvereinbarung (Anlage B 2) nicht unterschrieben hätten, sei kein Verwahrentgelt berechnet worden. Auch im Falle von Neukunden würden solche umfassenden und ausführlichen Gespräche zwischen Bankberater und Kunde stattfinden.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klausel sei hinreichend transparent. Mit einer „Neuanlage“ sei gemeint,  dass ein Kunde noch kein Konto bei der Beklagten hat, ein solches aber eröffnen möchte. Sinn und Zweck eines Preis-/Leistungsverzeichnisses sei es, die jeweilige Leistung möglichst präzise und unmissverständlich zu benennen bzw. zu beschreiben, wobei eine Notwendigkeit, dass eine Klausel gar keinen Interpretationsspielraum zulässt, weder gesetzlich noch von der Rechtsprechung gefordert werde.

Sie ist der Ansicht, bei Sichteinlagen stehe die Verwahrleistung im Vordergrund. Für einen Rückgewähranspruch bestehe zudem im UWG keine Grundlage und wäre zudem auch unverhältnismäßig.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig. Im Übrigen ist sie unzulässig. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet.

I.

1. Das Landgericht Düsseldorf ist zuständig gem. § 6 Abs. 1, 2 UKlaG i.V.m. § 1 Nr. 1 der Verordnung über die gerichtliche Entscheidung in Rechtsstreitigkeiten nach §§ 1 und 2 des Unterlassungsklagengesetzes, da sich der Sitz der Beklagten im Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf befindet.

2. Im Hinblick auf den Klageantrag zu 2. a) ist die Klage unzulässig. Der Antrag ist nicht hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Grundsätzlich ist ein Klageantrag dann hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Antrag konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis absteckt, Inhalt und Umfang der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 253 Rn. 88).

Diesen Anforderungen genügt der Antrag zu 2. a) nicht. Durch die Formulierung „[…]allen Kunden, die Verbraucher sind, denen gegenüber die Beklagte die Formulierungen im Antrag zu 1) verwendet hat und denen gegenüber die Beklagte anschließend ein Verwahrentgelt auf Grundlage der im Antrag zu 1) wiedergegebenen Entgeltklausel erhoben hat, dieses Verwahrentgelt auf eigene Kosten zurückzuzahlen“ wird die Bestimmung der auszuurteilenden Verpflichtung i.S.v. § 888 ZPO letztlich in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Der Antrag lässt weder erkennen, an wen Rückzahlungen erfolgen noch in welchem Umfang sie erbracht werden sollen.

3. Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 2. b) bb) Auskunft gegenüber einem Angehörigen der zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufe begehrt, der im Falle der Nichteinigung vom Präsidenten des Kammergerichts bestimmt werden soll, so soll damit hinsichtlich des vorliegenden Rechtsstreits ersichtlich eine Bestimmung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Düsseldorf erfolgen.

II.

1. Der Kläger kann von der Beklagten nach Maßgabe des Klageantrages zu 1. a) Unterlassung verlangen gem. §§ 1 UKlaG i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 675f Abs. 5 S. 1, 700 Abs. 1, 488 Abs. 1 S. 2 BGB. Es handelt sich bei der Klausel um eine der Inhaltskontrolle unterliegende Allgemeine Geschäftsbedingung, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. Einen Anspruch auf Zahlung eines Verwahrentgelts neben einer Kontoführungsgebühr gibt es nach dem Gesetz nicht, die Klausel ist mit dem Grundgedanken der auf den Girovertrag anwendbaren Regelungen unvereinbar.

a) Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung i.S.v. §§ 4, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG aktivlegitimiert.

b) Die beanstandete Klausel ist wegen des Verstoßes nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 675f Abs. 5 S. 1, 700 Abs. 1, 488 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.

aa) Bei der Verwahrentgeltklausel in dem Preisaushang handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie ist für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert, soll den Vertragsinhalt gestalten und wird von der Beklagten als Verwenderin gestellt.

bb) Die streitgegenständliche Klausel unterliegt auch der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Sie bestimmt weder unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung. Mit der Klausel soll dem Kunden keine Leistung auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht werden, sondern es sollen vielmehr allgemeine Betriebskosten und der Aufwand der Beklagten als Verwenderin zur Erfüllung eigener Pflichten auf den Kunden abgewälzt werden (vgl. zur Kontrollfähigkeit dieser Klauseln BGH BKR 2020, 91 Rn. 23).

Das zusätzliche Verlangen eines Entgeltes für die Verwahrung ist als Preisnebenabrede zu qualifizieren (vgl. LG Berlin BeckRS 2021, 34657 Rn. 36 ff.).

Die Verwahrung ist keine Hauptleistung der Beklagten. Es handelt sich bei dem Girovertrag um einen Zahlungsdienstevertrag gem. § 675f BGB, bei dem die regelmäßig vom Geldinstitut als Zahlungsdienstleister zu erbringenden Zahlungsdienste i.S.v. § 675c Abs. 3 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 ZAG die Hauptleistungspflicht darstellen. Die Verwahrung des Geldes macht die Erbringung dieser Zahlungsdienste dabei in der Regel überhaupt erst möglich, sie stellt damit eine reine Nebenleistung zur Erfüllung zahlungsdienstevertraglicher Pflichten dar.

Es handelt sich bei der Verwahrung deshalb auch gerade nicht um eine zusätzlich angebotene Sonderleistung, die der Kunde annehmen kann oder nicht. Die Verwahrfunktion ist dem Girovertrag immanent. Der Zahlungsdienstevertrag nach § 675f BGB ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag höherer Art, für den grundsätzlich die Vorschusspflicht nach § 669 BGB gilt. Sobald sich das Guthaben auf dem Girokonto befindet – und sei es nur für eine kurze Dauer – wird es von der Bank in diesem Zeitraum verwahrt. Dass in der Praxis Zahlungsdienste auch im Rahmen von Überziehungskrediten erbracht werden, ändert an dem gesetzlichen Leitbild eines auf Guthabenbasis geführten Zahlungsdienstekontos nichts. Der Kontoinhaber kann einen Girovertrag schlicht nicht ohne Verwahrfunktion abschließen. Die Darlehens- und Verwahrungsfunktion des Girokontos ist für den Girovertrag auch nach Inkrafttreten des Zahlungsdiensterechts nach wie vor charakteristisch (vgl. BGH BKR 2020, 91 Rn. 25 f.).

Dass die Beklagte mit dem Verwahrentgelt keine Gegenleistung für eine Haupt- oder Sonderleistung verlangen, sondern nur eigene Aufwendungen auf ihre Kunden abwälzen will, geht zudem bereits aus ihrem eigenen Vortrag zu den Belastungen durch die Negativzinsphase hervor.

cc) Die Klausel ist mit dem Leitbild der gesetzlichen Regelungen unvereinbar. Der wesentliche Grundgedanke einer gesetzlichen Regelung ist betroffen, wenn die Vorschrift, von der abgewichen wird, nicht auf reinen Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern auf die Interessen beider Parteien berücksichtigenden Gerechtigkeitserwägungen beruht (Palandt/Grüneberg, 80. Aufl. 2021, BGB § 307 Rn. 30 m.w.N.). Nach dem gesetzlichen Leitbild wird ein Girokonto auf Guthabenbasis geführt, die Verwahrung des Guthabens ist dem zugrundeliegenden Vertrag immanent. Das Gesetz sieht für die Verwahrung des Guthabens kein Entgelt vor. Durch die Vereinbarung eines solchen Entgelts neben einer bestehenden Kontoführungsgebühr wird in die rechtlich geschützten Interessen des Bankkunden daher in nicht unerheblichem Maß eingegriffen.

Ein Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 675f Abs. 5 S. 1 BGB. Danach ist der Zahlungsdienstnutzer verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Die einzelnen Zahlungsdienste sind dabei im ZAG bzw. ZKG definiert. Ein Verwahrentgelt ist hier nicht vorgesehen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich ein Anspruch auf das Verwahrentgelt auch nicht über die Vorschrift des § 689 BGB begründen. Diese Vorschrift regelt die regelmäßige Verwahrung, maßgeblich sind hier indes die Vorschriften über die unregelmäßige Verwahrung nach § 700 Abs. 1 BGB. Der Bankkunde verliert die dingliche Berechtigung an seinen Einlagen und die verwahrende Beklagte erhält die Verfügungsfreiheit darüber. Inwieweit der Nutzen aus diesem Vorgehen für die Beklagte aufgrund der Negativzinsphase geschmälert ist oder nicht, ist irrelevant. Einerseits ist maßgeblich, dass das Kapitalnutzungsrecht an sich besteht. Andererseits fällt die Frage, ob und wie das überlassene Kapital gewinnbringend genutzt werden kann, grundsätzlich in die Sphäre der Beklagten. Dasselbe gilt spiegelbildlich für die durch die Verwahrung verursachten Kosten. Es ist kein Grund ersichtlich, aus dem heraus die Beklagte einen Teil ihres Geschäftsrisikos in Form eines Verwahrentgelts auf die Kunden abwälzen könnte. Für den unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gem. § 700 Abs. 1 BGB ist keine Vergütung für die Aufbewahrung vorgesehen. Die Norm verweist in Abs. 1 S. 2 Var. 1 für die Hinterlegung von Geld auf die Vorschriften über den Darlehensvertrag. Eine Pflicht zur Zahlung eines Verwahrentgelts, mithin von Negativzinsen, ergibt sich aus den §§ 488 ff. BGB nicht.

Aufgrund der bestehenden Kontoführungsgebühr erhält die Beklagte für ihre Hauptleistungen – die die Verwahrung bedingen – zudem bereits eine Gegenleistung des Kunden. Bei Erhebung eines Verwahrentgelts hätten die Kunden damit für eine einheitliche Leistung praktisch eine doppelte Gegenleistung zu entrichten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Urteil des Landgerichts Leipzig (BKR 2021, 499). Der dort entschiedene Fall unterschied sich insoweit von dem hier vorliegenden, dass dort neben dem Verwahrentgelt gerade keine Kontoführungsgebühr erhoben worden war (LG Leipzig BKR 2021, 499 Rn. 55).

dd) Auch die Tatsache, dass das Verwahrentgelt nur für ein Guthaben, das den Freibetrag von 10.000 EUR übersteigt, anfällt, führt nicht zur Zulässigkeit der Klausel. Die Beklagte widerspricht sich bereits selbst damit, wenn sie einerseits die Verwahrung als Hauptzweck des Vertrages ansieht, andererseits aber darauf verweist, dass ein Girokonto im Gegensatz zu einem Sparkonto nicht dafür gedacht sei, Guthaben in erheblicher Höhe zu lagern. Zudem ist es höchst individuell, wie viel Geld für die Teilhabe am Zahlungsverkehr benötigt wird. Ferner hat die Beklagte auch schon nicht substantiiert dazu vorgetragen, weshalb es für sie einen größeren Aufwand bedeutet, ein Guthaben von mehr als 10.000 EUR zu verwahren als ein geringeres, womit sie mithin das Verwahrentgelt konkret rechtfertigt (vgl. dahingehend auch Anm. von Knops zu LG Leipzig, Urt. v. 8.7.2021 – 05 O 640/20, BKR 2021, 499, 504).

c) Die Klausel verstößt zudem gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den AGB möglichst klar, einfach und präzise darzustellen. Dazu gehört, dass die Regelung für sich genommen klar formuliert ist. Der Vertragspartner muss ihr entnehmen können, welche Rechtsfolgen auf ihn zukommen und wie er ihren Eintritt vermeiden kann (Palandt/Grüneberg, 80. Aufl. 2021, § 307 Rn. 21).

Diesen Anforderungen wird die beanstandete Klausel nicht gerecht. Es ist nicht eindeutig erkennbar, was mit einer „Neuanlage ab 01.04.2020“ gemeint ist. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 01.12.2021 (Bl. 195 d.A.) klargestellt hat, dass mit „Neuanlage“ gemeint sein soll, dass ein Kunde noch kein Konto bei der Beklagten hat, ein solches aber eröffnen möchte, so geht dies aus dem Preisaushang selbst gerade nicht hervor. Aus Sicht des Verbrauchers könnte mit der Formulierung ebenso gemeint sein, dass etwa der Kontotyp gewechselt wird oder bei einem bestehenden Konto erstmals ab dem 01.04.2020 ein Betrag von 10.000 EUR überschritten wird. Die Beklagte führt insoweit selbst aus, dass es Sinn und Zweck eines Preis-/Leistungsverzeichnisses ist, die jeweilige Leistung möglichst präzise und unmissverständlich zu benennen und zu beschreiben. Ihr Einwand, es könne dennoch nicht gefordert werden, dass jeglicher Interpretationsspielraum ausgeschlossen  wird, verfängt nicht. Die anderen Interpretationsmöglichkeiten sind hier gerade nicht völlig abwegig, sondern ebenso wahrscheinlich wie die von der Beklagten intendierte Auslegungsweise.

d) Selbst wenn die Beklagte, wie sie behauptet, mit ihren Kunden im Einzelnen eine Regelung zu dem Verwahrentgelt trifft, ändert dies nichts an der Unzulässigkeit des Preisaushanges. Im Rahmen des Unterlassungsanspruchs kommt etwaigen weiteren Vereinbarungen keine Relevanz zu. Die Ansicht des LG Leipzig, wonach kein Kontrollbedürfnis besteht, soweit zusätzlich zu einer womöglich problematischen AGB-Klausel eine Einbeziehung über eine Individualabrede geschieht (BKR 2021, 499 Rn. 49), teilt die Kammer nicht. Dies mag bezogen auf einen konkreten Vertrag richtig sein. Streitgegenständlich ist jedoch nicht die Frage der wirksamen Vereinbarung eines Verwahrentgelts im konkreten Fall, sondern die (Un-)Wirksamkeit der beanstandeten Klausel an sich. Der Umstand, dass die Regelung zusätzlich individuell ausgehandelt wird – wobei ohnehin zweifelhaft ist, ob es sich bei den von der Beklagten als Anlagen B 1 und B 2 vorgelegten Formulare nicht auch ihrerseits um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt –  heilt die unwirksame Klausel in dem Preisausgang nicht.

e) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird aufgrund der Erstbegehung vermutet.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Auskunft nach Maßgabe des Klageantrags zu 2. b) gem. § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 242 BGB.

a) Der Auskunftsanspruch ist zur Vorbereitung eines Erstattungsanspruchs als Hauptanspruchs erforderlich. Als Hauptanspruch kommt auch ein Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, 39. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 1.108c).

b) Der Folgenbeseitigungsanspruch ist dem Grunde nach gegeben.

Der Anspruch steht insbesondere auch dem Kläger als qualifizierter Einrichtung gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG zu, ohne dass es weiterer Voraussetzungen wie der Beeinträchtigung eigener Interessen bedürfte (vgl. BGH GRUR 2018, 423, 429 – Klauselersetzung). Zudem ist die Anwendung des UWG auch nicht durch das UKlaG gesperrt (BGH GRUR 2018, 423, 428 – Klauselersetzung).

Nach § 8 Abs. 1 UWG kann auf Beseitigung in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung begeht. Unzulässig sind unlautere geschäftliche Handlungen, § 3 Abs. 1 UWG. Nach § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Dazu zählt § 307 BGB. Der Verstoß gegen § 307 BGB durch die Verwendung der streitgegenständlichen, unwirksamen Klausel stellt eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 3a UWG dar.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Rückzahlung zur Beseitigung des widerrechtlichen Störzustandes auch erforderlich. Die Störung besteht in der aufgrund der Klauseln ungerechtfertigt vereinnahmten Gelder. Der konkrete Verstoß wird gerade nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt, da diese nur in die Zukunft wirkt. Aufgrund der unwirksamen Klausel in der Vergangenheit bereits eingezogene Gebühren werden dadurch nicht berührt. Diesbezüglich dauert der Störzustand weiter an, solange keine Rückzahlung erfolgt ist. Denn Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche sind wesensverschieden und verfolgen unterschiedliche Zielrichtungen (BGH GRUR 2018, 423, 425 m.w.N. – Klauselersetzung).

c) Der Auskunftserteilung steht auch nicht Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. d DS-GVO entgegen (vgl. OLG München GRUR-RR 2019, 137; LG Berlin BeckRS 2021, 34657 Rn. 62). Gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO ist die Datenverarbeitung erlaubt, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Personen überwiegen.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Interesse der betroffenen Bankkunden am Schutz ihrer personenbezogenen Daten überwiegt nicht das Interesse des Klägers an der Unterbindung unwirksamer Klauseln im Interesse der Gesamtheit der Verbraucher. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Daten der Bankkunden neben der Höhe des vereinnahmten Verwahrentgelts auf die Bekanntgabe ihrer Vor- und Zunamen sowie ihrer Anschrift beschränkt. Der Kläger verfolgt auch keinen eigenen Geschäftszweck, zu dem er diese Daten nutzen würde. Daher kann die Auskunft datenschutzrechtlich auch unmittelbar dem Kläger selbst erteilt werden (vgl. LG Berlin BeckRS 2021, 34657 Rn. 63).

3. Der Kläger kann von der Beklagten aus §§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG, 5 UKlaG die Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 210,00 EUR verlangen, da die Abmahnung berechtigt war. Die Höhe der Kostenpauschale ist nicht zu beanstanden (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 13 Rn. 132). Dass der auch in der Abmahnung geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Verwahrentgelte mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig ist, ist unschädlich. Die Pauschale ist auch dann in voller Höhe zu entrichten, wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt ist (vgl. BGH GRUR 2009, 1064 Rn. 47 – Geld-zurück-Garantie II). Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288, 291 BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1, 2, 708 Nr. 11, 711 S. 1, 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 12.500,00 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Düsseldorf statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

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I

Meta

12 O 34/21

10.11.2021

Landgericht Düsseldorf 12. Zivilkammer

Urteil

Sachgebiet: O

Zitier­vorschlag: Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2021, Az. 12 O 34/21 (REWIS RS 2021, 9931)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9931

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