Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.02.2016, Az. 2 C 14/14

2. Senat | REWIS RS 2016, 15498

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Gegenstand

Berücksichtigung orthopädischer Hilfsmittel bei der Bestimmung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit


Leitsatz

1. Bei der Bestimmung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist die Verwendung orthopädischer Hilfsmittel zu berücksichtigen, soweit ihr Einsatz zumutbar ist und tatsächlich zu einer Steigerung der Erwerbsfähigkeit führt.

2. Ein einmal entstandener Anspruch eines früheren Beamten auf einen Unterhaltsbeitrag nach § 38 BeamtVG bleibt auch dann bestehen, wenn der frühere Beamte erneut in ein Beamtenverhältnis berufen wird, und sei es zu demselben Dienstherrn.

3. Richtige Rechtsbehelfe gegen die Änderung der Festsetzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit sind Widerspruch und Anfechtungsklage. Das gilt sowohl bei einer Anpassung aufgrund der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse als auch bei einer (Teil-)Aufhebung gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG.

Tatbestand

1

Der im Jahr 1975 geborene Kläger war im Jahr 2002 Polizeianwärter im Dienste des [X.]. Im April 2002 erlitt er einen Dienstunfall, in dessen Folge er bis heute unter einer Peroneusparese links (Fußheberlähmung) sowie einem Teiluntergang des Musculus tib. anterior links (Fußhebermuskel) leidet. Der Unfall führte zur Polizeidienstunfähigkeit des [X.]. Am 1. September 2003 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Regierungssekretäranwärter ernannt. Im [X.] an den Vorbereitungsdienst arbeitete er als Tarifbeschäftigter beim [X.]. Im Juli 2008 wurde er erneut zum Beamten in Diensten des [X.] ernannt. Infolge des [X.] erhielt der Kläger [X.], zunächst [X.] und ab dem 1. September 2003 einen Unterhaltsbeitrag auf Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert (v.H.).

2

Der Kläger trägt als Folge des [X.] eine sog. Peroneus-Schiene, ein orthopädisches Hilfsmittel, das den Fuß stabilisiert und dessen "Herabhängen" verhindert. Nachdem der Beklagte Kenntnis davon erlangt hatte, dass der Kläger mit dieser Schiene in der Lage war, an einem Fußballspiel teilzunehmen, setzte er die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit auf Null fest. Es sei von einer Verbesserung der dienstunfallbedingten Beschwerden auszugehen. In dem daraufhin erstellten ärztlichen Gutachten wurde ausgeführt, dass keine rechtlich wesentliche Änderung gegenüber dem letzten Gutachten eingetreten, die festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit weiterhin berechtigt sei. Auf ergänzende Nachfrage führte der Gutachter aus, dass durch die Nutzung orthopädischer Hilfsmittel (hier durch die Peroneus-Schiene) die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit des [X.] nur noch 15 v.H. betrage. Daraufhin stellte der Beklagte fest, dass erwerbsmindernde Folgen im Sinne des § 35 [X.] nicht vorlägen.

3

Der hiergegen gerichtete Widerspruch sowie die Klage vor dem Verwaltungsgericht blieben erfolglos. Auf die Berufung des [X.] hat das Oberverwaltungsgericht den [X.] verpflichtet, als Folgen des [X.] beim Kläger eine Erwerbsminderung in Höhe von 30 v.H. anzuerkennen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei nach der Minderung der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Bei der Bewertung sei eine Funktionsverbesserung durch Heil- oder Hilfsmittel nicht zu berücksichtigen.

4

Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision beantragt der Beklagte,

das Urteil des [X.] vom 11. März 2014 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 12. März 2010 zurückzuweisen.

5

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Das angefochtene Urteil des [X.] beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Beklagte verpflichtet sei, für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 11. März 2014 einen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. anzuerkennen.

7

1. Die im [X.] des Streits stehende Bestimmung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit des [X.] stellt eine Tatbestandsvoraussetzung für die der Sache nach vom Kläger beanspruchte Leistung eines [X.] dar. Maßgebliche Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Zeitraum ist § 38 Beamtenversorgungsgesetz ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 2001 ([X.]), welche - soweit hier von Bedeutung - den nachfolgenden Fassungen entspricht. Mit Wirkung vom 1. April 2014 ist diese Vorschrift durch § 41 [X.] Beamtenversorgungsgesetz (Sächs[X.]) in der Fassung vom 18. Dezember 2013 (SächsGVBl. [X.], 1045) ersetzt worden.

8

Während der [X.] gemäß § 35 [X.] eine Unfallfürsorgeleistung für im Dienst stehende oder in den Ruhestand getretene Beamte darstellt, erhält ein durch einen Dienstunfall verletzter früherer Beamter, dessen Beamtenverhältnis nicht durch Eintritt in den Ruhestand geendet hat, gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 [X.] einen Unterhaltsbeitrag für die Dauer einer durch den Dienstunfall verursachten Erwerbsbeschränkung. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 2 [X.], dass bei dem früheren Beamten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigsten 20 v.H. gegeben ist.

9

Die Rechtsnatur des einmal entstandenen Anspruchs auf einen Unterhaltsbeitrag ändert sich auch dann nicht, wenn der frühere Beamte erneut in ein Beamtenverhältnis berufen wird, und sei es - wie hier - in ein Beamtenverhältnis zu demselben Dienstherrn. Namentlich wandelt sich der Anspruch nicht zurück in einen ursprünglich gegebenen Anspruch auf [X.] gemäß § 35 [X.]. Das folgt aus dem Charakter des [X.], der eine Entschädigungsleistung dafür darstellt, dass der Beamte infolge der Beendigung des Beamtenverhältnisses keine weiteren Leistungen der Unfallfürsorge für sich in Anspruch nehmen kann (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 C 53.66 - [X.] 232 § 142 [X.] Nr. 4 S. 4 ff.; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], Beamtenversorgungsrecht, [X.]. 3 zu § 38 Ziff. 1.5; [X.]/[X.], in: [X.]/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 38 [X.] Rn. 31; [X.], in: [X.], § 38 [X.] Rn. 22; offen für den Fall der Begründung eines erneuten Beamtenverhältnisses zu demselben Dienstherrn: Schütz/[X.], Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 38 [X.] Rn. 5). Der Entschädigungsanspruch erlangt mit seinem Entstehen Selbstständigkeit. Die Begründung eines neuen Beamtenverhältnisses - auch zu dem früheren Dienstherrn - kann etwaige frühere Ansprüche auf [X.] nicht wiederaufleben lassen. Denn bei dem neuen Beamtenverhältnis handelt es sich um ein anderes Beamtenverhältnis als dasjenige, innerhalb dessen sich der ausgleichspflichtige Unfall ereignet hat.

2. Zentrale Voraussetzung für die Gewährung eines [X.] ist gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 [X.] die durch den Dienstunfall verursachte Erwerbsbeschränkung. Die Höhe der Leistung hängt vom Grad der festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit ab (§ 38 Abs. 2 [X.]). Dieser bestimmt sich nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben (§ 38 Abs. 6 Satz 1 [X.]). Hieraus folgt zunächst, dass es nicht um die Beeinträchtigung der Ausübung des konkret innegehabten Amtes geht. Maßstab ist vielmehr die Fähigkeit, sich unter Nutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich im gesamten Bereich des Erwerbslebens - auch außerhalb des öffentlichen Dienstes - bieten, einen Erwerb zu verschaffen (BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 27.99 - BVerwGE 112, 92 <97>; Beschluss vom 25. Februar 2013 - 2 [X.] - juris Rn. 9). Insoweit unterscheiden sich die Regelungen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge auch von denjenigen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die dort in § 56 Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch ([X.]) vorgesehene Berücksichtigung von Nachteilen, die Versicherte dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - [X.] U 3/08 R - Breith. 2010, 31), findet im Beamtenversorgungsrecht keine Entsprechung.

Der Unterhaltsbeitrag gewährt Entschädigung bzw. Schadensersatz. Er soll [X.] ausgleichen, die darauf beruhen, dass der frühere Beamte infolge der dienstunfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen nur eingeschränkt in der Lage ist, aus [X.] für ein Erwerbseinkommen zu sorgen. Es handelt sich hierbei um eine pauschale Entschädigung für einen abstrakt berechneten Erwerbsschaden durch unfallbedingte [X.] ([X.], [X.] vom 16. März 2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - [X.]K, 18, 377 <384 f.> zur Verletztenrente nach § 56 [X.]; BVerwG, Urteile vom 19. April 1996 - 8 C 3.95 - BVerwGE 101, 86 <89> und vom 21. September 2000 - 2 C 27.99 - BVerwGE 112, 92 <97>).

Da die Beurteilung der durch einen Dienstunfall verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit medizinischen Sachverstand voraussetzt, ist zur Vorbereitung der behördlichen Entscheidung regelmäßig ein ärztliches Gutachten zu erstellen. Allgemeine Erfahrungssätze, in Tabellen und Empfehlungen enthaltene Richtwerte, also antizipierte Sachverständigengutachten, bilden in der Regel die Basis für die Bewertung durch den Sachverständigen. Sie sind die Grundlage für eine gleiche Bewertung in zahlreichen Parallelfällen. Diese Richtwerte sind allerdings nur Orientierungshilfen; die konkrete Bewertung muss stets auf die Besonderheiten der Minderung der Erwerbsfähigkeit des betroffenen (früheren) Beamten in seinem individuellen Fall abstellen ([X.], Beschluss vom 1. Februar 2013 - 3 [X.] 11.1166 - juris Rn. 13; [X.], Urteil vom 7. März 2014 - 3 A 528/12 - juris Rn. 45; [X.]/[X.], in: [X.]/Wiedow, § 35 [X.] Rn. 49; vgl. ferner BSG, Urteile vom 15. Dezember 1955 - 4 [X.] - juris Rn. 18 und vom 19. Dezember 2000 - [X.] U 49/99 R - [X.], Rn. 17).

3. Eine einmal erfolgte Festsetzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit kann durch den Dienstherrn auf zweierlei Weise angepasst werden. Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau einerseits von § 38 Abs. 6 sowie § 35 Abs. 3 Satz 1 [X.], der bei der Bestimmung des [X.] ergänzend heranzuziehen ist, und § 48 VwVfG andererseits.

a) Bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die für die ursprüngliche Bestimmung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit maßgeblich gewesen sind, kann eine Anpassung nach erneuter ärztlicher Untersuchung erfolgen. Dies ergibt sich für den Unterhaltsbeitrag aus § 38 Abs. 6 Satz 2 [X.]. Dort ist die Nachprüfung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit vorgesehen. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 38 Abs. 1 Satz 1 [X.], der die Leistung des [X.] nur für die Dauer der Erwerbsbeschränkung vorsieht, und mit § 38 Abs. 2 [X.], der den Umfang der Leistung in Relation zum Umfang der Erwerbsbeschränkung setzt, folgt, dass eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse zu einer Anpassung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit führen kann.

b) War die Bestimmung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit von Anfang an fehlerhaft, ändern sich insoweit also allein die Rechtserkenntnisse des Dienstherrn, kann die Anpassung nicht auf der Grundlage von § 38 Abs. 6 Satz 2 [X.] erfolgen. Hier ist vielmehr eine vollständige oder teilweise Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung nach § 48 VwVfG erforderlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. September 1980 - 6 [X.] - [X.] 232.5 § 35 [X.] Nr. 1 S. 1 f.; [X.]/[X.], in: [X.]/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 35 [X.] Rn. 68).

4. Rechtsschutz gegen die Anpassung des [X.] aufgrund der Annahme eines geringeren Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit erlangt der frühere Beamte mittels Widerspruch und Anfechtungsklage. Die Bewilligung eines [X.] erfolgt durch einen Dauerverwaltungsakt, der darauf gerichtet ist, eine laufende Geldleistung zu gewähren (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 2 C 48.11 - [X.] 239.1 § 5 [X.] Nr. 21 Rn. 12). Dies ergibt sich unmittelbar aus der Regelung des § 38 Abs.1 Satz 1 [X.], nach der der Unterhaltsbeitrag für die Dauer der Erwerbsbeschränkung gewährt wird. Mit der im Wege des Widerspruchs und der Anfechtungsklage anzustrebenden Aufhebung eines Änderungsbescheids lebt der ursprüngliche Dauerverwaltungsakt wieder auf; es bedarf keiner erneuten Bestimmung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit und keiner erneuten Entscheidung über die Gewährung des [X.].

5. Vor diesem Hintergrund ist die Ansicht des [X.] rechtsfehlerhaft, bei der Bestimmung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit sei die Verwendung orthopädischer Hilfsmittel nicht zu berücksichtigen. Der Senat ist auch nicht an die darauf fußende Annahme des [X.] gebunden, der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage beim Kläger 30 v.H. Zwar handelt es sich bei der Bestimmung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch das [X.] grundsätzlich um eine bindende Feststellung im Sinne des § 137 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO. Vorliegend steht jedoch nicht die tatsachenbasierte arbeitsmedizinische Einschätzung der gesundheitlichen Situation des [X.] im Raume; vielmehr geht es um die revisible Rechtsfrage der Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals.

Der Rechtsstandpunkt des [X.] beruht auf einem unzutreffenden Verständnis des von § 38 Abs. 2 Nr. 2 [X.] verwendeten Begriffs der Minderung der Erwerbsfähigkeit sowie des synonym von § 38 Abs. 1 Satz 1 [X.] verwendeten Begriffs der Erwerbsbeschränkung. Schon der Wortlaut der Norm macht deutlich, dass Anknüpfungspunkt des [X.] nicht die erlittene Körperverletzung, sondern die Erwerbsbeschränkung ist. Der Unterhaltsbeitrag wird neben den Kosten für das Heilverfahren (§§ 33, 34 [X.]) gewährt. Der Umfang des [X.] richtet sich nach dem Maß der auf den [X.] zurückzuführenden, abstrakt anzunehmenden [X.]. [X.] ein orthopädisches Hilfsmittel (hier die Peroneus-Schiene) die Fähigkeit, sich im allgemeinen Erwerbsleben einen Erwerb zu verschaffen, wirkt sich dies folglich bei der Bemessung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit aus. Das folgt aus der beschriebenen Erwerbsbezogenheit des Anspruchs (vgl. zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung [X.], [X.] 2008, 142 <145>; [X.], [X.] 2004, 94 <96>; [X.], [X.] 2004, 92 <93>; a. A. für den Bereich von Amputationen: [X.]/[X.]/[X.], Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010 S. 691). Diesem Grundgedanken des Unfallfürsorgerechts widerspräche es, die Erwerbsbeschränkung allein aus dem objektiv funktionalen [X.] herzuleiten. Die sozialgerichtliche Praxis verfährt entsprechend jedenfalls im Bereich von Sehhilfen ([X.], Urteil vom 9. September 2010 - L 22 U 28/08 - juris Rn. 31) und Endoprothesen ([X.], Urteil vom 26. November 2015 - L 6 U 50/15 - juris Rn. 54 f.) und berücksichtigt deren die Erwerbsfähigkeit steigernde Funktion.

Auch der Zweck der Vorschrift zielt darauf ab, die dienstunfallbedingt eingeschränkte Fähigkeit, im allgemeinen Arbeitsleben einen Erwerb zu verdienen, abstrakt zu entschädigen. Ist diese Fähigkeit infolge des Einsatzes orthopädischer Hilfsmittel nicht oder weniger stark eingeschränkt, besteht nur ein entsprechend geringerer Bedarf für eine finanzielle Kompensation. Das entspricht dem im Entschädigungsrecht verorteten Gedanken der Schadensminderungspflicht. Gemäß § 254 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB hängt die [X.] Verpflichtung zum Schadensersatz u.a. davon ab, ob es der Geschädigte unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Dieser Rechtsgedanke lässt sich auch für die Verwendung von orthopädischen Hilfsmitteln im Recht der Unfallfürsorge heranziehen. Danach muss sich der geschädigte frühere Beamte die durch die Verwendung des Hilfsmittels erreichte Schadensminderung bei seinem Entschädigungsanspruch anrechnen lassen. Das erscheint auch deswegen angemessen, weil entsprechende Hilfsmittel regelmäßig auf Kosten des Dienstherrn im Rahmen der [X.] gemäß § 33 [X.] angeschafft werden.

Dabei können nur solche Hilfsmittel die Erwerbsfähigkeit steigern, deren Benutzung für den früheren Beamten bei Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls zumutbar ist. Gehen von dem Hilfsmittel selbst Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit anderer Art aus oder führt die Benutzung des Hilfsmittels ihrerseits zu körperlichen, seelischen oder sonstigen Beeinträchtigungen, so ist dies in die Beurteilung der Zumutbarkeit mit einzustellen. Darüber hinaus kann die Benutzung des Hilfsmittels nur in dem Umfang berücksichtigt werden, in dem sie die Erwerbsfähigkeit des Beamten im konkreten Fall auch tatsächlich steigert. Beide Aspekte (Zumutbarkeit und Maß der Steigerung der Erwerbsfähigkeit) sind von der Behörde und bereits zuvor von dem begutachtenden Arzt in die ohnehin erforderliche Betrachtung des Einzelfalls (s.o., Rn. 12) einzubeziehen.

6. Da nach den von den Beteiligten auch in der [X.] nicht bestrittenen tatsächlichen Verhältnissen die Erwerbsfähigkeit des [X.] im streitgegenständlichen Zeitraum infolge des zu berücksichtigenden Hilfsmittels nur um 15 v.H. gemindert war, scheidet die Bewilligung eines [X.] nach § 38 Abs. 2 Nr. 2 [X.] aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

Meta

2 C 14/14

25.02.2016

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 11. März 2014, Az: 2 A 862/11, Urteil

§ 38 BeamtVG, § 48 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.02.2016, Az. 2 C 14/14 (REWIS RS 2016, 15498)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15498

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