Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2005, Az. IX ZR 145/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1252

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04
Verkündet am: 20. Oktober 2005 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] §§ 55, 103, 108; [X.] §§ 1, 9 Abs. 1

a) § 108 [X.] findet auf [X.] keine Anwendung.
b) Ansprüche auf [X.] begründen für die [X.] nach Eröffnung des [X.] keine Masseverbindlichkeiten.
[X.], Urteil vom 20. Oktober 2005 - [X.]/04 - [X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2005 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision der [X.] gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 1. Juli 2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (i. F.: Schuldnerin), das am 2. Juli 2001 eröffnet wurde. Er macht Ansprüche auf rückständigen Mietzins und Nebenkosten aus Mietverträgen mit der [X.] für den [X.]raum Januar 2001 bis Mai 2003 geltend. Die Beklagte hat hiergegen unter anderem mit Er[X.]auzinsforderungen aus einem mit der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin geschlossenen Er[X.]au-rechtsvertrag vom 30. August 1960 aufgerechnet.

Das Berufungsgericht hat der [X.] die Aufrechnung versagt, soweit die [X.] nach Insolvenzeröffnung entstanden sind, und der Klage deshalb in Höhe von 12.832,41 • zuzüglich Zinsen stattgegeben. Mit der 1 2 - 3 - zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

[X.]

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt, die Beklagte habe mit ihren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen [X.]n nicht aufrechnen können. Es handele sich dabei nicht um Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 [X.], sondern um bloße Insolvenzforderungen. Die Beklagte habe als Grundstückseigentü-merin ihre Pflichten aus diesem Vertrag mit der Einräumung des Er[X.]aurechts bereits voll erfüllt. Der Er[X.]aurechtsvertrag falle nicht unter § 108 [X.], weil er kein Dauerschuldverhältnis begründe.

I[X.]

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.

1. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung scheitert die [X.] der [X.] mit Ansprüchen auf Zahlung von [X.] nicht schon an fehlender Gleichartigkeit der gegenseitigen Forderungen (§ 387 BGB). 3 4 5 6 - 4 -

Zwar handelt es sich bei dem [X.] nach § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.], §§ 1105, 1107, 1147 BGB um einen dinglichen Duldungsan-spruch auf Befriedigung aus einem Grundstück, der mit einer Geldforderung nicht gleichartig ist (vgl. [X.], Urt. v. 9. Februar 1965 - [X.], [X.], 476, 479; [X.]/[X.], 4. Aufl. § 387 Rn. 34; [X.]/[X.] BGB 13. Bearb. § 387 Rn. 63; [X.]/[X.], [X.] Aufl. § 387 Rn. 10). § 1142 Abs. 2 BGB, der über §§ 1105, 1107 BGB auf die einzelnen dinglichen Er[X.]auzinsforderungen entsprechend anwendbar ist, erlaubt nur dem Er[X.]au-berechtigten, nicht aber dem Gläubiger der Er[X.]auzinsforderung die Aufrech-nung (vgl. [X.]/[X.], BGB § 1142 Rn. 3). Der Er[X.]auberechtigte haftet aber nach § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.], §§ 1105, 1108 Abs. 1 BGB für die wäh-rend der Dauer seines Er[X.]aurechts fällig werdenden [X.] auch per-sönlich, soweit - wofür hier nichts ersichtlich ist - nicht ein anderes bestimmt ist. Dieser persönliche Anspruch des [X.] ist den Mietzinsansprüchen des Klä-gers gleichartig. Das gilt auch für einen etwaigen schuldrechtlichen Er[X.]au-zinsanspruch (vgl. [X.]/[X.], 12. Aufl. § 9 [X.] Rn. 23 f), den die Parteien nicht angesprochen haben.

2. Gegen die infolge der Erfüllungswahl des [X.] nach Insolvenzer-öffnung begründeten Mietzinsforderungen, die die Rechtsqualität originärer Masseansprüche besitzen (vgl. [X.] 150, 353, 359), kann die Beklagte nicht mit Insolvenzforderungen aufrechnen. Die von der [X.] erklärte Aufrech-nung mit nach Insolvenzeröffnung entstandenen [X.]n ist un-zulässig; denn diese stellen keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 [X.] dar.
7 8 - 5 - a) Der Er[X.]aurechtsvertrag ist kein Austauschvertrag, welcher im [X.]-punkt der Insolvenzeröffnung beiderseits noch nicht vollständig erfüllt war (§ 55 Abs. 1 Nr. 2, [X.]., § 103 [X.]). Ein wirksames Erfüllungsverlangen des [X.] im Sinne dieser Vorschriften liegt daher nicht vor. 9 - 6 - aa) § 55 Abs. 1 Nr. 2, [X.]. [X.] bezieht sich auf das Recht der [X.] des Insolvenzverwalters nach § 103 [X.], das einen beiderseits nicht oder nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag im Sinne der §§ 320 ff BGB voraussetzt. Ein Er[X.]aurechtsvertrag, in dem für die Bestellung des Er[X.]aurechts ein Er[X.]auzins ausbedungen wird (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Erb-bauVO), ist ein gegenseitiger Vertrag. Dieser ist mit dem Bewirken der ge-schuldeten Leistung vollständig erfüllt (§ 362 BGB). Was von den Vertragspar-teien geschuldet ist, hängt von der rechtlichen Einordnung des [X.] ab. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist Gegen-stand des Vertrages zur Bestellung eines Er[X.]aurechts der Kauf eines künfti-gen, erst durch den Erfüllungsakt des Verkäufers begründeten Rechts, das zum Besitz einer Sache - des Er[X.]augrundstücks oder eines Teiles davon - berechtigt (vgl. [X.] 96, 385, 386 f; [X.], Urt. v. 24. Januar 1992 - [X.], [X.], 705, 707, jeweils zu §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 445 BGB a.F.). Der Auffassung des [X.] (vgl. [X.], 418, 419; [X.] 2004, 573), der [X.] und andere Leistungen des Er[X.]auberechtigten beim Grundstückseigentümer steuerrechtlich als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betrachtet, weil sie die Gegenleistung für die Duldung der Nut-zung des Grundstücks seien, ist jedenfalls für die hier allein maßgebliche zivil-rechtliche Betrachtungsweise nicht zu folgen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Er[X.]au-VO hat der Berechtigte den Er[X.]auzins für die Bestellung des Er[X.]aurechts und nicht als Entgelt für die dauernde Duldung der Grundstücksnutzung zu [X.]. Der gesetzliche [X.] ist dinglicher Natur. Auch das Nutzungsrecht des Er[X.]auberechtigten und die korrespondierende Duldungs-pflicht des Grundstückseigentümers folgen nicht aus dem schuldrechtlichen Vertrag, sondern aus dem vom Berechtigten erworbenen dinglichen Recht. Wesensmerkmal von Miete und Pacht ist demgegenüber die im [X.] - 7 - hältnis stehende Nutzungsüberlassung gegen Entgelt. Die für diese Verträge charakteristische synallagmatische Verknüpfung der gegenseitigen Leistungspflichten besteht zwischen dem dinglichen [X.] und der Duldungspflicht des Grundstückseigentümers gerade nicht. Der [X.] eines Er[X.]aurechts ist deshalb ausschließlich als Rechtskauf anzusehen.

Daraus folgt, dass der Er[X.]aurechtsvertrag gemäß den § 437 Abs. 1, § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. seitens des Grundstückseigentümers mit der Be-stellung des Er[X.]aurechts und der Einräumung des Besitzes an den [X.] vollständig erfüllt worden ist (zutreffend [X.] 2002, 124, 126; a.A. [X.] ZIP 2002, 1264, 1265). Die Pflicht des Grundstückseigentümers, den Besitz des Er[X.]auberechtigten für die Dauer der Laufzeit des Er[X.]aurechts zu dulden, folgt entgegen der Auffassung der Revi-sion nicht aus dem [X.] des Er[X.]aurechts, sondern nach Eintragung aus dem dinglichen Recht. Dem Er[X.]auberechtigten stehen gegen den Grundstückseigentümer - wie gegen jeden anderen [X.] - die Rechte aus § 11 Abs. 1 [X.], §§ 861, 985, 1004 BGB zu (vgl. [X.]/ [X.], aaO § 11 [X.] Rn. 1; [X.]/v. [X.], 4. Aufl. § 11 [X.] Rn. 36). Dementsprechend enthält der vorliegende Er[X.]au-rechtsvertrag auch keine Bestimmungen über eine obligatorische Duldungs-verpflichtung der [X.].

[X.]) Die Regelungen in § 8 Nr. 6 und 10 bis 13 des [X.] enthalten lediglich Nutzungsbeschränkungen sowie zusätzliche Ver-pflichtungen des Er[X.]auberechtigten und sind daher nicht geeignet, die [X.] der Revision zu stützen, die Beklagte habe den Vertrag noch nicht vollständig erfüllt. Die ihr gemäß Ziffer 2 des [X.] vom 22. April 11 12 - 8 - ständig erfüllt. Die ihr gemäß Ziffer 2 des [X.] vom 22. April 1988 obliegende Verpflichtung, bei Erlöschen des Er[X.]aurechts und im Falle der Geltendmachung des Heimfallanspruchs eine Entschädigung an die [X.] zu zahlen, gewinnt nur bei einer vorzeitigen Beendigung des Er[X.]aurechtsvertrages Bedeutung und begründet folglich keinen Erfüllungsan-spruch im Sinne von § 103 [X.].

b) Masseforderungen sind auch nicht nach § 55 Abs. 1 Nr. 2, [X.]., § 108 [X.] entstanden. Für die von § 108 [X.] erfassten Verträge gilt § 103 [X.] allerdings nicht. An die Stelle des Wahlrechts des Insolvenzverwalters treten die Kündigungsrechte der §§ 109, 112 [X.], die das Fortbestehen des Vertragsverhältnisses über den [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfah-rens hinaus voraussetzen (vgl. [X.], BT-Drucks. 12/2443, [X.]). § 108 [X.] bezieht sich jedoch nur auf Miet-, Pacht- und Dienstverhältnisse. Eine entspre-chende Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Vertrag kommt nicht in Betracht. Dass das Er[X.]aurecht zeitlich befristet und gegen wiederkehrende Leistungen eingeräumt ist und der [X.] des Er[X.]auberechtigten sowie unter bestimmten Bedingungen einen [X.] des Grundstückseigentümers vorsieht, ändert daran nichts.

Die Vorschrift passt schon deshalb nicht auf das vorliegende Rechtsver-hältnis, weil bei einem Er[X.]aurechtsvertrag für das an § 108 [X.] anknüpfende Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 109 [X.] kein Raum bleibt. Der Er[X.]aurechtsvertrag begründet kein Dauerschuldverhältnis und ist daher nicht kündbar. Erst recht gilt dies für das Er[X.]aurecht selbst. Demgemäß fehlt es an der in § 109 [X.] genannten "gesetzlichen Frist" für eine Kündigung. Mit einer Kündigung entfernt vergleichbar wäre allenfalls der im vorliegenden [X.] 14 - 9 - trag in § 3 Ziffer 4 geregelte Heimfallanspruch, der aber nur dem Grundstücks-eigentümer zusteht.
- 10 - Es gibt auch keine sonstigen Gründe, die es rechtfertigen könnten, Erb-bauzinsansprüche für die [X.] nach Verfahrenseröffnung gemäß den §§ 108, 55 Abs. 1 Nr. 2 [X.] als Masseforderungen zu behandeln. Der [X.] muss sich nämlich wegen dieser Ansprüche nicht auf die Quote ver-weisen lassen. Das Er[X.]aurecht gehört zur Insolvenzmasse (vgl. [X.], [X.] § 35 Rn. 41; [X.] in Jaeger, [X.] § 36 Rn. 64) und unterliegt nach § 864 Abs. 1 ZPO als grundstücksgleiches Recht der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (vgl. [X.]/Stöber, ZPO § 864 Rn. 2). Der [X.] wird wegen seiner dinglichen [X.] nach § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.], §§ 1105, 1107, 1147 BGB durch Zwangsvollstre-ckung in das Er[X.]aurecht befriedigt. Er ist deshalb in der Insolvenz des [X.]n nach § 49 [X.] zur abgesonderten Befriedigung aus dem [X.] im Wege der Zwangsversteigerung berechtigt (MünchKomm-[X.]/Ganter, § 49 Rn. 6, 75). Soweit die Ansprüche dadurch nicht voll gedeckt werden, ist er im Hinblick auf die persönliche Haftung des Schuldners nach § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 1108 Abs. 1 BGB berechtigt, als Insolvenzgläubiger am Verfahren teilzunehmen (§ 52 [X.]). Eine entsprechende Anwendung des 15 - 11 - § 108 [X.] auf [X.] ist damit unter keinem Gesichtspunkt angezeigt (allgemein für dingliche Nutzungsrechte ebenso MünchKomm-[X.]/ [X.] § 108 Rn. 41; [X.]/Prütting/[X.], [X.] § 108 Rn. 15).
[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 19.12.2003 - 2 O 395/03 - [X.], Entscheidung vom 01.07.2004 - 13 U 17/04 -

Meta

IX ZR 145/04

20.10.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2005, Az. IX ZR 145/04 (REWIS RS 2005, 1252)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1252

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