Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2006, Az. III ZB 2/06

III. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 1118

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[X.] [X.] vom 26. Oktober 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 142, 384 Nr. 1 a) Die Anordnung zur Vorlage von Urkunden oder anderen Unterlagen nach § 142 ZPO kann auch der Bereitstellung von Beweismitteln dienen (im [X.] an [X.], Urteil vom 11. Juli 2000 - [X.] - NJW 2000, 3488). b) Eine gemäß § 142 ZPO als Dritte auf Vorlage von Unterlagen in Anspruch genommene juristische Person kann die Herausgabe verweigern, wenn ihr dadurch ein eigener vermögensrechtlicher Schaden entstehen würde (§ 142 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 384 Nr. 1 ZPO). Hierfür genügt es, dass die Durchsetzung von Ansprüchen gegen sie auch nur erleichtert würde (Abweichung von [X.], 381). [X.], Beschluss vom 26. Oktober 2006 - [X.]/06 - OLG [X.]

LG [X.] - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat am 26. Oktober 2006 durch [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen das Zwischenurteil des [X.] in [X.] vom 2. Dezember 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Fest-stellung eines Rechts der Drittbeteiligten, die Vorlage auch der in [X.]. b des [X.] vom 29. April 2004 genannten Unterlagen zu verweigern, entfällt. Die Kosten des [X.] einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten hat die Klägerin zu tra-gen. Der Gegenstandswert wird auf 511.291,88 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der beklagte Notar beurkundete am 11. Oktober 1996 einen Kaufvertrag über eine Reihe von Wohnblöcken in [X.]-N. zwischen der Rechtsvor-gängerin der Klägerin als Käuferin und der [X.]1 - 3 - [X.]-N. mbH (Drittbeteiligte) als Verkäuferin. In § 2 des Vertrags wurde die Höhe der damaligen tatsächlichen Nettokaltmiete nach einer Aufstel-lung der Verkäuferpartei beziffert angegeben. Über die Frage, ob diese Zahlen zutrafen und ob damit eine Zusicherung der erzielten Mieteinnahmen verbun-den war, gerieten die Kaufvertragsparteien anschließend in Streit. Die Klägerin nahm in einem Vorprozess vor dem [X.] (12 O 186/98 = 7 U 14/99 [X.]) erfolglos die Drittbeteiligte auf Schadensersatz in Höhe von mehr als 114 Mio. DM sowie auf Feststellung einer Ersatzpflicht für weitere Schäden in Anspruch. Im Berufungsurteil vertrat das [X.] die Ansicht, die Klägerin habe eine Zusicherung nicht beweisen können; diese ergäbe sich insbesondere nicht aus § 2 des Kaufvertrags. In dem vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von dem [X.] wegen der Verwendung der ihrer Ansicht nach unklaren und nicht dem Wil-len der Vertragsparteien entsprechenden Vertragsklausel gemäß § 19 [X.] Ersatz eines erstrangigen [X.] ihres Schadens von (1 Mio. DM =) 511.291,88 •. Das [X.] hat die Klage mangels einer hinreichenden Dar-legung des Schadens ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Im [X.] hat die Klägerin den in erster Instanz zum Beweis ihrer Behauptung, dass die [X.] tatsächlich weit unter der von der Verkäuferin angegebe-nen Summe gelegen hätten, hilfsweise gestellten Antrag wiederholt, der [X.] nach § 142 ZPO die Vorlage ihrer Unterlagen (Kontoauszüge, [X.], Betriebskostenabrechnungen, Kontokorrentkonten aus der Mietenbuchhaltung sowie Verwalterabrechnungen) aufzugeben. Das Oberlan-desgericht hat mit Beschluss vom 29. April 2004 eine Beweiserhebung über die Höhe der tatsächlich gezahlten [X.] angeordnet. Es hat hierfür der Drittbeteiligten aufgegeben, für die [X.] vom 1. Oktober 1995 bis zum 30. September 1996 ihre Kontokorrentkonten aus der Mietenbuchhaltung mo-2 - 4 - natsweise, die Betriebskostenabrechnungen sowie die Verwalterabrechnungen vorzulegen ([X.]. a) und hat sich außerdem vorbehalten, darüber hin-aus Bankauszüge und Banksammeleinzugslisten der [X.] ([X.]. b). Diese hat sich auf Unzumutbarkeit sowie auf ein [X.] gemäß § 384 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO berufen. Das [X.] hat daraufhin durch Zwischenurteil festgestellt, dass die [X.] zu Recht die Vorlage der in [X.]. a und b des [X.] genannten Unterlagen verweigere, und hat den Beschluss insoweit aufgehoben. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelas-sene Rechtsbeschwerde der Klägerin. I[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 142 Abs. 2 Satz 2, § 387 Abs. 3 und § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie führt jedoch nur insofern zu einer Korrektur des angefochtenen Urteils, als sie das darin gleichfalls bejahte Recht der Drittbeteiligten betrifft, die Vorlage auch der in [X.]. b des [X.] vom 29. April 2004 genannten Unterlagen zu verweigern. In diesem Umfang ist das Zwischenurteil gegenstandslos und auf das Rechtsmittel zu beseitigen, weil insoweit, wie das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen selbst erkennt, kein von ihm zu entscheidender Zwischenstreit bestand. Das [X.] hatte sich zu diesem Punkt vielmehr ohne jegliche externe oder interne (§ 318 ZPO) [X.] die Anordnung der Vorlage weiterer Unterlagen lediglich vorbe-halten. Dass die [X.]en tatsächlich - vorsorglich - auch um diese Frage ge-stritten haben, ist ohne Belang. 3 - 5 - 2. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. 4 a) Nach dem durch das [X.] vom 27. Juli 2001 ([X.]) neu gefassten § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann das Gericht an-ordnen, dass auch ein Dritter die in seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine [X.] bezogen hat, vorlegt. Hierdurch sollen die [X.] der Gerichte gestärkt werden (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 78). Die Anordnung kann daher - wie im Streitfall - in [X.] auch der Bereitstellung von Beweismitteln dienen (vgl. bereits [X.], Urteil vom 11. Juli 2000 - [X.] - NJW 2000, 3488, 3490; Musielak/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 142 Rn. 1; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 142 Rn. 1; [X.]/[X.], ZPO, 25. Aufl., § 142 Rn. 1; a.[X.]/[X.], [X.] 116 [2003], 305, 311 ff.), was sich jetzt auch aus der Verweisung auf § 142 ZPO in § 428 ZPO ergibt. Dritte sind zur Vorlage allerdings nicht verpflichtet, soweit diese ihnen nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung nach den §§ 383 bis 385 ZPO berechtigt sind (§ 142 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Ein solches, auf § 384 Nr. 1 ZPO gestütztes Zeugnisverweigerungsrecht der Drittbeteiligten hat das Berufungsgericht hier mit der Erwägung bejaht, dass dieser durch die Vor-lage der angeforderten Unterlagen ein unmittelbarer Vermögensschaden, etwa durch Erhebung einer Restitutionsklage nach § 580 Nr. 4 oder [X.]. a (richtig: [X.]. b) ZPO, drohe. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu [X.]. 5 b) Das Zeugnis kann auf der Grundlage des § 384 Nr. 1 ZPO verweigert werden über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der in § 383 Nr. 1 bis 3 ZPO bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde. In der Kommentarliteratur ist streitig, ob dafür bei einer von dem Zeugen [X.] - 6 - lich vertretenen juristischen Person (hier: einer GmbH) deren Schaden genügt (so [X.]/[X.][X.], ZPO, 64. Aufl., § 384 Rn. 4) oder ob es sich dabei lediglich um einen mittelbaren Schaden des Zeugen handeln würde (hierfür [X.], ZPO, 2. Aufl., § 384 Rn. 7; Musielak/[X.], aaO, § 384 Rn. 3; [X.], aaO, 21. Aufl., § 384 Rn. 4; [X.]/[X.], aaO, § 384 Rn. 4). Für die in der vorliegenden Fallgestaltung allein in Rede stehende sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Zeugnisverweige-rung mag dies auf sich beruhen. Ungeachtet dessen, dass auch die Vorlage von Urkunden nach § 142 ZPO bei juristischen Personen durch deren Organe erfolgen muss, weil die juristische Person als solche nicht handlungsfähig ist, bleibt [X.] in solchen Fällen doch - abweichend von § 384 Nr. 1 ZPO - unmittelbar nicht der organschaftliche Vertreter (Zeuge), sondern die von dem Gericht auf Herausgabe ihrer Unterlagen in Anspruch genommene juristische Person. Der Gesetzgeber behandelt deren Verpflichtung als Zeugnispflicht. Dann ist es aber nur folgerichtig, bei der Frage nach einem Zeugnisverweige-rungsrecht gemäß § 384 Nr. 1 ZPO primär - oder jedenfalls auch - auf die Ver-mögensverhältnisse der juristischen Person abzustellen und dieser bei einem drohenden eigenen Schaden auch ein Recht zur Verweigerung der verlangten Vorlage zuzubilligen. Ob dasselbe auch für den Fall eines allein dem [X.] entstehenden Schadens gelten müsste und wie in den anderen Fallge-staltungen der §§ 383 und 384 ZPO zu entscheiden wäre, kann offen bleiben. c) Zu Unrecht bezweifelt die Beschwerde schließlich mit Rücksicht dar-auf, dass ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Drittbeteiligte durch die von ihr vorzulegenden Unterlagen nicht begründet, sondern allenfalls nachgewiesen würde und überdies nach der rechtskräftigen Abweisung im [X.] von der Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens abhinge, ei-nen unmittelbaren Schaden im Sinne des § 384 Nr. 1 ZPO. Für die Annahme 7 - 7 - einer die Zeugnisverweigerung rechtfertigenden Vermögensgefährdung genügt es, dass die Durchsetzung einer bereits bestehenden Schuldverpflichtung auf diesem Wege nur erleichtert werden könnte (so zutreffend [X.] NJW 1953, 426; [X.], 2359, 2360; [X.], NJW 1990, 2758; OLG Stuttgart NJW 1971, 945; [X.]/[X.]Hart-mann, aaO, § 384 Rn. 4; Musielak/[X.], aaO, § 384 Rn. 3; [X.], aaO, § 384 Rn. 3; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 384 Rn. 2; [X.]/[X.], aaO, § 384 Rn. 4). Diese Voraussetzung ist hier nach den tat-sächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gegeben. Allerdings hat das [X.] in einer älteren Entscheidung aus dem Jahre 1893 ein Interesse des Zeugen, dem Berechtigten die Verfolgung seines Anspruchs zu erschwe-ren, als rechtlich nicht schützenswert bezeichnet und hat deswegen bei der bloßen Möglichkeit neuer Beweismittel generell einen vermögensrechtlichen Schaden des Zeugen verneint ([X.], 381, 382 f.; ähnlich [X.], 241 Nr. 168; daran anschließend [X.] 1925, 1527 Nr. 2; [X.] OLGRspr 21, 83; [X.] OLGRspr 35, 87 f.; [X.], aaO, § 384 Rn. 7). Dem vermag der Senat indes nicht zu folgen. Zweck des § 384 ZPO ist es, den Zeugen vor nachteiligen Folgen seiner eigenen wahrheitsgemäßen Aussage zu schützen (Musielak/[X.], aaO, § 384 Rn. 1; [X.], aaO, § 384 Rn. 1). Niemand soll aus seiner Zeugnispflicht zu selbstschä-digenden Handlungen gezwungen werden ([X.], Beschluss vom 25. Juni 1992 - 1 BvR 1047/90). Der Zeuge - hier der zur Vorlage von Unterlagen ver-pflichtete Dritte - muss deshalb seine vermögensrechtlichen Interessen denen der beweisführenden [X.] nicht unterordnen. Selbst die Prozessparteien sind zudem nach der Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich nicht gehalten, dem Gegner für seinen [X.] das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt; eine allgemeine prozessuale Aufklä-rungspflicht der nicht darlegungs- und beweispflichtigen [X.] besteht nicht - 8 - ([X.] 116, 47, 56; [X.], Urteil vom 11. Juni 1990 - [X.] - NJW 1990, 3151; Urteil vom 17. Oktober 1996 - [X.] - NJW 1997, 128, 129; Urteil vom 7. Dezember 1999 - [X.] - NJW 2000, 1108, 1109; s. auch [X.] vom 15. Februar 1990 - [X.] - [X.], 737, 739 = [X.]R ZPO § 444 Beweisvereitelung 2; ebenso [X.] NJW 2004, 2848, 2851; [X.], aaO, § 138 Rn. 26 ff. mit umfassenden Nachweisen; [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 138 Rn. 12; a.[X.]/[X.], aaO, § 138 Rn. 11; Schlosser, JZ 1991, 599 ff.; s. auch [X.]/[X.], aaO, vor § 284 Rn. 34). Um so mehr muss dies für einen außerhalb des [X.] und der daran anknüpfenden Erklärungspflicht der [X.]en (§ 138 Abs. 2 ZPO) stehenden Dritten gelten, ohne dass es darauf ankommt, inwieweit er materiellrechtlich in Beziehung zu dem streitigen Rechtsverhältnis steht. [X.] diesen Umständen ist auch trotz der Notwendigkeit einer vorherigen [X.] nach § 580 Nr. 4 oder [X.]. b ZPO die Unmittelbarkeit des von der Drittbeteiligten zu befürchtenden Vermögensnachteils zu bejahen, ins-besondere hängt der Schaden dabei entgegen der Beschwerde nicht erst vom Ausgang des vorliegenden Prozesses ab. Ob der Klägerin ein materiellrechtli-cher Auskunftsanspruch gegen die Drittbeteiligte zusteht, ist hier ebenso wenig zu entscheiden (vgl. § 429 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). - 9 - 3. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 8 [X.] [X.] [X.]

[X.] Herrmann Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 15.05.2003 - 6 O 2222/01 - OLG [X.], Entscheidung vom 02.12.2005 - 5 U 43/03 -

Meta

III ZB 2/06

26.10.2006

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2006, Az. III ZB 2/06 (REWIS RS 2006, 1118)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1118

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