Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.05.2021, Az. EnVR 22/20

Kartellsenat | REWIS RS 2021, 6223

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Gegenstand

Anpassung der Erlösobergrenze: Anspruch eines Gasverteilernetzbetreibers auf Gewährung der Fortschreibung des Erweiterungsfaktors bei einer weiteren Parametererhöhung - Erweiterungsfaktor II


Leitsatz

Erweiterungsfaktor II

Ist einem Gasverteilernetzbetreiber bei einer Kostenerhöhung von mindestens 0,5 % der Gesamtkosten (Kostengrenze) wegen einer Erhöhung der maßgeblichen Parameter - Fläche des versorgten Gebiets, Anzahl der Ausspeisepunkte und Jahreshöchstlast - ein Erweiterungsfaktor gewährt worden, ist für eine auf eine weitere Parametererhöhung gestützte Fortschreibung des Erweiterungsfaktors nicht erforderlich, dass die Kostengrenze durch eine seit dem Erstantrag eingetretene zusätzliche Kostenerhöhung erneut erreicht wird.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Kartellsenats des [X.] vom 23. Januar 2020 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Bescheid der Landesregulierungsbehörde vom 8. November 2018 aufgehoben. Die Landesregulierungsbehörde wird verpflichtet, die Antrag-stellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin werden der Landesregulierungsbehörde auferlegt.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 270.000 € festgesetzt.

Gründe

1

A. Die Antragstellerin betreibt Gasverteilernetze. Wegen einer nachhaltigen Änderung der Versorgungsaufgabe durch eine Erhöhung der versorgten Flächen, den Zugang von [X.] und eine Erhöhung der [X.] beantragte sie eine Anpassung der [X.] für 2015 bis 2017 um einen [X.] 1,0188 (nachfolgend: Antrag 2015 und [X.]). Dabei wählte sie das von der Landesregulierungsbehörde in 2.3 ihres Leitfadens zur Anpassung der Erlösobergrenze auf Grund eines Antrages auf Einbeziehung eines [X.]s nach § 4 Abs. 4 [X.] i.V.m. § 10 [X.] (nachfolgend: [X.]) angebotene erleichterte Verfahren ohne Erbringung eines Nachweises der Gesamtkostensteigerung.

2

Am 30. Juni 2015 beantragte die Antragstellerin - erneut nach den Vorgaben für das erleichterte Verfahren - wegen einer weiteren Erhöhung der versorgten Flächen, einem weiteren Zugang von [X.] und erneuter Erhöhung der [X.] eine Anpassung der [X.] für 2016 und 2017 um einen [X.] 1,0416 (nachfolgend: Antrag 2016). Die Landesregulierungsbehörde teilte der Antragstellerin mit, sofern der Antrag 2015 aufrechterhalten werde, könne für den Antrag 2016 nicht das erleichterte Verfahren gewählt werden. Sie forderte mehrfach erfolglos eine Kostenaufstellung und die [X.] für den Antrag 2016 an. Sodann genehmigte sie zunächst den [X.] und lehnte mit [X.] vom 8. November 2018 (nachfolgend: [X.]) den Antrag 2016 ab, weil der erforderliche Nachweis über das Erreichen der [X.] gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] nicht erbracht worden sei.

3

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr auf Neubescheidung gerichtetes Anliegen weiter.

4

B. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des [X.] und zur Verpflichtung der Landesregulierungsbehörde zur Neubescheidung der Antragstellerin.

5

I. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Neufestsetzung der Erlösobergrenze für 2016 und 2017. Die Voraussetzung des § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] sei nicht erfüllt. Sei bereits ein [X.] begründet beantragt worden, sei als Ausgangsbasis für die Kostenberechnung derjenige Betrag anzusetzen, aufgrund dessen die letzte Erhöhung der Erlösobergrenze erfolgt sei. Weder der Wortlaut noch die systematische Stellung der Vorschrift sprächen für die Ansicht der Antragstellerin, wonach sich die Erhöhung um 0,5 % immer auf die Kosten beziehe, die für das Basisjahr ermittelt worden seien. Für die Auslegung der Landesregulierungsbehörde sprächen dagegen Sinn und Zweck der Vorschrift. Der [X.] solle verhindern, dass der Netzbetreiber Investitionen unterlasse, die zur zweckgerechten Erfüllung seiner erweiterten Versorgungsaufgabe notwendig seien. Zweck der [X.] sei dabei, weiteren Verwaltungsaufwand bei prozentual geringfügigen Veränderungen zu vermeiden. Es sei deshalb unerheblich, ob über einen Erstantrag zu entscheiden sei oder nach einem erfolgreichen Erstantrag über einen weiteren. Auch sei die Landesregulierungsbehörde nicht gehalten gewesen, im vereinfachten Verfahren zu entscheiden. Dabei handele es sich um eine im [X.] niedergelegte Verwaltungspraxis, deren Voraussetzungen für den Antrag 2016 nicht vorlägen. Im Übrigen habe sich die Landesregulierungsbehörde vorbehalten, auch im vereinfachten Verfahren einen Kostennachweis zu fordern.

6

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.

7

1. Der angefochtene Beschluss ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.

8

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge erkennen lassen; anderenfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz (§ 88 Abs. 2, § 83 Abs. 6 [X.]; § 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen versehen und bereits deshalb von Amts wegen aufzuheben. Das Rechtsbeschwerdegericht hat nach § 88 Abs. 4 [X.] grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat. Enthält der angefochtene Beschluss keine tatsächlichen Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage (st. Rspr., vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 12. Februar 2019 - [X.]/17, NJW-RR 2019, 1150 Rn. 4 mwN; vom 27. August 2014 - [X.] 266/13, NJW-RR 2014, 1531 Rn. 7, jeweils zu § 576 Abs. 3 ZPO; Feskorn in [X.], ZPO, 33. Aufl., § 329 Rn. 28 mwN; vgl. auch [X.], Beschluss vom 11. November 2008 - KVR 60/07, [X.], 49 Rn. 7 - Stadtwerke Eschwege).

9

b) Diese Anforderungen sind hier - noch - erfüllt. Zwar verweist der Beschluss wegen des Gangs des Verwaltungsverfahrens lediglich auf den angefochtenen [X.] und wegen des Vorbringens der Parteien pauschal auf die Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift; die Wiedergabe der Anträge fehlt. Gleichwohl kann ihm aber das Begehren der Antragstellerin - Neubescheidung - und der maßgebliche Sachverhalt noch hinreichend deutlich entnommen werden.

2. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die von dem Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung des § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung vom 14. August 2013 nicht zutrifft. Entgegen der Ansicht der Landesregulierungsbehörde muss die [X.] von 0,5 % der Gesamtkosten bei einem Folgeantrag nicht durch eine seit dem Erstantrag eingetretene zusätzliche Kostenerhöhung erneut überschritten werden.

a) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] wird eine während der [X.] eingetretene nachhaltige Änderung der Versorgungsaufgabe durch einen [X.] berücksichtigt. Durch diesen Faktor kann auf Antrag des Netzbetreibers (§ 4 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.]) die von der Regulierungsbehörde zu Beginn der [X.] festgelegte Erlösobergrenze angepasst werden. Eine nachhaltige Änderung der Versorgungsaufgabe liegt gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] vor, wenn sich einer oder mehrere der dort genannten Parameter, nämlich die Fläche des versorgten Gebiets ([X.]), die Anzahl der Ausspeisepunkte (Nr. 2) und die [X.] (Nr. 3), dauerhaft und in erheblichem Umfang geändert haben. Von einer Änderung in erheblichem Umfang ist nach Satz 3 der genannten Vorschrift in der Regel auszugehen, wenn sich dadurch die Gesamtkosten des Netzbetreibers nach Abzug der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile um mindestens 0,5 % erhöhen (nachfolgend: [X.]).

b) Diese Regelung ist so auszulegen, dass für die Fortschreibung eines [X.]s aufgrund eines Folgeantrags eine seit dem Erstantrag eingetretene zusätzliche Kostenerhöhung um (weitere) 0,5 % der Gesamtkosten nicht erforderlich ist. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik der Anreizregulierungsverordnung und dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

aa) Nach dem Wortlaut wird die Änderung der Versorgungsaufgabe bei der Bestimmung der Erlösobergrenze durch einen [X.] berücksichtigt, der nach der Formel in Anlage 2 zu § 10 [X.] ermittelt wird. Entgegen der Ansicht des [X.] ist daher kein Raum für die Annahme, mit jedem gemäß § 4 Abs. 2 [X.] [X.] gestellten Antrag werde ein weiterer oder neuerlicher [X.] beantragt (vgl. auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 10 [X.] Rn. 35; Bundesnetzagentur, Evaluierungsbericht nach § 33 Anreizregulierungsverordnung vom 21. Januar 2015, [X.]). Vielmehr wird bei Vorliegen der Voraussetzungen - nachhaltige Änderung der Versorgungsaufgabe und Erreichen der [X.] - ein [X.] genehmigt, der sodann im weiteren Verlauf der [X.] nach der Berechnungsformel ermittelt und - sofern gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 [X.] Folgeanträge gestellt werden - fortgeschrieben wird.

bb) Dem entspricht, dass die [X.] sich nach den Gesamtkosten abzüglich der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile bemisst. Gesamtkosten sind die nach § 6 Abs. 1 und 2 [X.] ermittelten Kosten, mithin die Kosten des [X.] (vgl. § 11 Abs. 4, § 14 Abs. 1 [X.] [X.]; [X.] in [X.], Energierecht, Stand: September 2020, § 10 [X.] Rn. 32; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 10 [X.] Rn. 93; Leitfaden Gas zur Anpassung der Erlösobergrenze aufgrund eines Antrages auf [X.] nach § 4 Abs. 4 [X.] i.V.m. § 10 [X.] für die zweite [X.] [2013 bis 2017] der Bundesnetzagentur, Stand: Dezember 2014, [X.] f.; nachfolgend: [X.]). Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift ist daher kein Raum für die im [X.] niedergelegte und vom Leitfaden der Bundesnetzagentur abweichende Ansicht der Landesregulierungsbehörde, die Gesamtkosten seien bei einem Folgeantrag mit einem bereits genehmigten [X.] zu multiplizieren. Dass von dem Verordnungsgeber Folgeanträge bei der Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] nicht in den Blick genommen wurden, obwohl § 4 Abs. 4 Satz 2 [X.] einmal jährlich einen Antrag auf Anpassung ermöglicht, spricht ebenfalls dafür, dass eine seit dem Erstantrag eingetretene zusätzliche Kostenerhöhung von weiteren 0,5 % der Gesamtkosten nicht erforderlich ist.

cc) Für diese Auslegung sprechen auch die Systematik der Anreizregulierungsverordnung und Sinn und Zweck der von § 4 [X.] ermöglichten Anpassungen der Erlösobergrenze. Diese sind ein zentraler Bestandteil des Anreizregulierungssystems (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 4 [X.] Rn. 75). Die Norm zielt darauf, die für die Dauer der [X.] festgelegte Erlösobergrenze hinreichend flexibel für Änderungen innerhalb der [X.] zu halten (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Soweit nach § 4 Abs. 3 bis 5 [X.] erhebliche Änderungen eintreten, erfolgt unter den dort bestimmten Voraussetzungen eine Anpassung der Erlösobergrenze. Um dem Ziel einer entsprechend den Änderungen flexiblen Erlösobergrenze gerecht zu werden, muss eine nach § 4 Abs. 3 bis 5 [X.] erhebliche Veränderung zu einer Anpassung führen; aus kontinuierlich eintretenden Veränderungen folgt in der Regel eine kontinuierliche Anpassung. Nur dies ermöglicht die in diesem Bereich erstrebte Verknüpfung der Erlösobergrenze mit den tatsächlichen Veränderungen (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Februar 2020 - [X.] 122/18, [X.], 419 Rn. 12 - Anpassung der Erlösobergrenze; vgl. auch [X.], Beschluss vom 3. März 2020 - [X.] 114/18, [X.], 465 Rn. 19 - [X.]). Dies bedeutet im Hinblick auf die Bestimmung des [X.]s, dass eine erneute Erhöhung der Parameter bei einem bereits gewährten [X.] - ebenso wie bei einem Qualitätselement (vgl. dazu [X.], [X.], 419 Rn. 13 - Anpassung der Erlösobergrenze) - auf Antrag zu einer Anpassung der Erlösobergrenze führt, damit sie den aktuellen Parametern kontinuierlich entspricht (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 10 [X.] Rn. 51).

dd) Dem stehen Sinn und Zweck der Bestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] nicht entgegen. Im Gegenteil erfordern sie eine Auslegung dahin, dass für die Fortschreibung eines [X.]s aufgrund eines Folgeantrags eine seit dem Erstantrag eingetretene zusätzliche Kostenerhöhung um (weitere) 0,5 % der Gesamtkosten nicht erforderlich ist.

(1) § 10 [X.] beruht auf der Erwägung, dass nachhaltige Änderungen der Versorgungsaufgabe zusätzliche Investitionen erfordern und deshalb zu zusätzlichen Kosten führen ([X.], Beschluss vom 28. Juni 2011 - [X.] 48/10, [X.], 308 Rn. 56 - [X.]). Die Vorschrift soll sicherstellen, dass die Kosten für Erweiterungsinvestitionen bei der Bestimmung der [X.] berücksichtigt werden ([X.], Beschluss vom 23. Januar 2018 - [X.] 9/17 [X.], 210 Rn. 25 - [X.]), damit notwendige Netzausbauten nicht zugunsten des Erreichens von Effizienzvorgaben unterbleiben ([X.] in Säcker, [X.] Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 10 [X.] Rn. 3). Durch den [X.] in der Regulierungsformel wird einerseits dem berechtigten Interesse des Netzbetreibers Rechnung getragen, die Erlösobergrenze an die veränderten Umstände anzupassen, und andererseits eine vollständig neue Kostenprüfung vermieden, indem die Anpassung nach der in Anlage 2 zu § 10 [X.] definierten Formel erfolgt, in die lediglich bestimmte Parameter der Versorgungsaufgabe einfließen. Die Änderung der Netzkosten erfolgt danach unter vereinfachenden Annahmen proportional zu den als dominant festgelegten Einflussfaktoren ([X.], [X.], 210 Rn. 25 - [X.]). In diesem Zusammenhang soll durch die [X.] vermieden werden, dass auch bei geringfügigen Änderungen eine Anpassung der Erlösobergrenze notwendig wird (BR-Drucks. 417/07 S. 50).

(2) Aus alledem ergibt sich das vorrangige Ziel der Vorschrift, während einer laufenden [X.] zugunsten der Netzbetreiber die Anpassung der Erlösobergrenze bei einer Änderung der Versorgungsaufgabe zu ermöglichen und damit den Netzausbau und die Versorgungssicherheit (§ 1 Abs. 1 [X.]) zu gewährleisten. Dieses Ziel soll allerdings mit möglichst wenig ([X.] erreicht werden, indem geringfügige Änderungen der Versorgungsaufgabe außer Betracht bleiben und im Übrigen die Anpassung der Erlösobergrenze typisierend und pauschalierend erfolgt (vgl. [X.], [X.], 210 Rn. 25 - [X.]; [X.], 465 Rn. 18 f. - [X.]). Dieser Sinn und Zweck wird am besten dadurch verwirklicht, dass der [X.] bei Erreichen der [X.] gewährt und in der Folge bei weiterer Erhöhung der Parameter unter Verwendung der Formel zu § 10 [X.] fortgeschrieben wird. So werden gemäß dem vorrangigen Ziel der Vorschrift alle Erweiterungskosten des Netzbetreibers, die über die Geringfügigkeitsgrenze hinausgehen, berücksichtigt. Dabei bleibt der Verwaltungsaufwand aber gering, weil bei [X.] nicht überprüft werden muss, ob die [X.] durch seit dem Erstantrag eingetretene zusätzliche Kostenerhöhungen erneut erreicht worden ist. Dies entspricht auch der Praxis der Bundesnetzagentur (vgl. [X.] [X.], 5; [X.] in Säcker, [X.] Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 10 [X.] Rn. 17)

3. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Annahme des [X.], die Landesregulierungsbehörde habe im Verwaltungsverfahren über den Antrag 2016 von der Antragstellerin die Vorlage von Angaben und Nachweisen zu den Erweiterungskosten anfordern dürfen und daher zu Recht nicht im vereinfachten Verfahren entschieden, als unzutreffend.

a) Grundsätzlich wird zwar die sich aus § 68 Abs. 1 [X.], § 27 Abs. 1 Satz 3 [X.] ergebende allgemeine Amtsermittlungspflicht der Regulierungsbehörde durch eine dem antragstellenden Unternehmen auferlegte [X.] begrenzt. Die Regulierungsbehörde braucht entscheidungserhebliche Tatsachen nicht zu ermitteln, die der Antragsteller ihr zu unterbreiten hat ([X.], Beschluss vom 28. Juni 2011 - [X.] 48/10, [X.], 308 Rn. 86 mwN - [X.]). [X.] sie den Antragsteller darauf in ausreichendem Maße hin und verlangt erfolglos die Vorlage weiterer Angaben oder Unterlagen, darf sie einen Antrag ablehnen (vgl. [X.], NVwZ-RR 1997, 355, 356).

b) Vorliegend hat die Landesregulierungsbehörde aber das ihr nach § 68 Abs. 1 [X.] zustehende pflichtgemäße Ermessen bei der Anforderung von Angaben und Unterlagen nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt.

aa) Die nach § 68 Abs. 1 [X.] zu treffende Ermessensentscheidung ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, ihr Ermessen überhaupt nicht ausgeübt oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (st. Rspr., vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. Juni 2014 - [X.] 10/13, [X.], 29 Rn. 15 - Stromnetz [X.], und vom 13. November 2018 - [X.] 30/17, [X.] 2019, 30 Rn. 44 - Karenzzeiten III).

bb) Ein solcher Fehler liegt hier vor. Die Aufforderung der Landesregulierungsbehörde, Angaben zu den Kosten der Erweiterungsmaßnahmen zu machen und [X.] einzureichen, diente nicht etwa der unter 5.6 des [X.] vorbehaltenen Prüfung, ob die [X.] gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt des [X.] eingetretenen Kostenerhöhung erreicht war. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat die Landesregulierungsbehörde nicht in Frage gestellt. Anhand der angeforderten Angaben und [X.] sollte vielmehr anlässlich des Antrags 2016 geprüft werden, ob die im [X.] enthaltenen Kriterien für das erneute Erreichen der [X.] bei einem Folgeantrag eingehalten seien. Diese Verwaltungspraxis der Landesregulierungsbehörde beruht indes - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - auf einer unrichtigen Auslegung von § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.], so dass sich die Aufforderung als ermessensfehlerhaft erweist. Die Landesregulierungsbehörde hätte daher den Antrag 2016 nicht mit der Begründung zurückweisen dürfen, der erforderliche Nachweis über das Erreichen der [X.] sei von der Antragstellerin nicht erbracht worden.

c) Nach alledem kommt es weder auf die von der Antragstellerin erhobenen Verfahrensrügen, noch auf die Frage an, ob sie die angeforderten Angaben im Gerichtsverfahren nachholen durfte (vgl. dazu [X.], NVwZ-RR 1997, 355, 356; [X.], Beschluss vom 13. Dezember 2016 - [X.] 34/15, [X.], 187 Rn. 41 mwN - Festlegung individueller Netzentgelte; vgl. auch [X.]E 146, 325 [juris Rn. 20 ff.]).

III. Eine Zurückverweisung an das Beschwerdegericht ist nicht geboten. Die Landesregulierungsbehörde kann die gebotene Neubescheidung auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Senats vornehmen, ohne dass es weiterer gerichtlicher Tatsachenfeststellungen bedarf.

IV. [X.] beruht auf § 90 [X.]; die Festsetzung des [X.] folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.

[X.]     

      

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Tolkmitt     

      

Picker     

      

Meta

EnVR 22/20

04.05.2021

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Stuttgart, 23. Januar 2020, Az: 2 Kart 5/18

§ 4 ARegV, § 10 Abs 2 S 3 ARegV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.05.2021, Az. EnVR 22/20 (REWIS RS 2021, 6223)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6223

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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EnVR 13/10 (Bundesgerichtshof)


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VI ZB 35/17

XII ZB 266/13

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