VGH München, Urteil vom 27.11.2015, Az. 5 BV 14.2048

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Gegenstand

Katzenjammer - Kein Ersatz für die auf eine Fundkatze aufgewendeten Tierarztkosten mangels Ablieferung


Entscheidungsgründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 5 BV 14.2048

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 27. November 2015

(VG Regensburg, Entscheidung vom 5. August 2014, Az.: RO 4 K 13.1851)

5. Senat

Sachgebietsschlüssel: 1700

Hauptpunkte:

Geschäftsführung ohne Auftrag

Aufwendungsersatz für Tierarztkosten

an einem Sonntag aufgefundene, beim Tierheim abgegebene und am Montag der tierärztlichen Behandlung zugeführte Katze

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Verwaltungsgemeinschaft Wald, Hauptstr. 14, 93192 Wald,

- Beklagte -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

beteiligt: Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, 80539 München,

wegen Fundsache (Katze);

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 5. August 2014,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Peitek aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25. November 2015 am 27. November 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte für die in der Tierarztpraxis der Klägerin erbrachten tierärztlichen Leistungen zahlungspflichtig ist.

Ausweislich einer vom Tierschutzverein für den Landkreis C. erstellten Fundtieranzeige wurde am Sonntag, dem 13. Oktober 2013, eine ca. acht Wochen alte weiß-graue Katze im Gemeindebereich W. am Parkplatz vor dem Friedhof von Frau W. gefunden und im Tierheim abgegeben. Unter Besonderheiten ist aufgeführt: Katzenschnupfen, Durchfall, Parasiten.

Für am 14., 26., 27. und 28. Oktober 2013 durchgeführte Behandlungsmaßnahmen stellte die Klägerin der Gemeinde W. drei Rechnungen über 31,90 Euro, 28,93 Euro und 164,35 Euro, die von dieser mit der Begründung nicht beglichen wurden, es habe sich um eine herrenlose Katze gehandelt.

Am 11. November 2013 erhob die Klägerin Leistungsklage in Bezug auf die Rechnungen vom 14. Oktober 2013 - Nr. 51779/7560 (28,93 Euro) für tierärztliche Leistungen und APO Nr. 9550/7560 (31,90 Euro) für Medikamente. Sie könne entsprechend den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag Aufwendungsersatz beanspruchen. Es habe sich um keine herrenlose, sondern um eine Fundkatze gehandelt. Das ergebe sich daraus, dass die Hauskatze zutraulich, menschengewöhnt und verschmust gewesen sei. Die Jungkatze habe sich nur verlaufen. Nach ihrem Pflegezustand sei sie erst kurz vor ihrer Auffindung verloren gegangen. Mit dem Tierschutzverein bestehe kein Auftragsverhältnis.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. August 2014 abgewiesen. Behandle ein Tierarzt ein Fundtier, könne er entsprechend den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag nur von demjenigen die Erstattung seiner Aufwendungen verlangen, dessen Geschäft er besorgt habe. Die Durchführung einer notwendigen tierärztlichen Behandlung sei Inhalt der Verwahrungspflicht des Finders, die nur dann auf die Fundbehörde übergehe, wenn das Fundtier bei der Fundbehörde abgeliefert werde. Mangels Ablieferung sei hier eine behördliche Verwahrungspflicht nicht entstanden. Deshalb könne auch offenbleiben, ob es sich bei der behandelten Katze um ein herrenloses Tier oder ein Fundtier gehandelt habe.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Die rechtliche Bewertung des Verwaltungsgerichts sei praxisfremd und verkenne das verfassungsrechtlich verankerte Staatsziel des Tierschutzes. Die Versorgung und Behandlung von Fundtieren gehöre zum Tätigkeitsbereich der öffentlichen Verwaltung. Analog §§ 677, 683, 670 BGB habe die Klägerin ein fremdes Geschäft für die Beklagte geführt, das dem Interesse und der Rechtspflicht der Beklagten als öffentlich-rechtlichem Aufgabenträger entspreche. Das Behandlungsinteresse sei für die Beklagte auch dadurch entstanden, dass die Tierschutzpflicht in der gegebenen Situation erfüllt worden sei, zumal die öffentliche Verwaltung nicht erreichbar und der Fund außerhalb von Dienst- und Sprechstunden der Beklagten erfolgt sei. Ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille sei nicht gegeben und wäre gemäß § 679 BGB auch unbeachtlich, wenn andernfalls die Behandlung nicht rechtzeitig erfolgen könne.

Das Verfahren nach der Sicht des Erstgerichts widerspreche dem Grundanliegen des Tierschutzgesetzes. Die Bereitschaft von Bürgern, sich verletzter Fundtiere anzunehmen, würde faktisch unmöglich gemacht, wenn man dem Finder abverlange, das Tier auf eigenes Kostenrisiko zum Tierarzt zu bringen. Der Tierschutzgedanke werde vom Verwaltungsgericht ins Gegenteil verkehrt, wenn es die Ablieferung des Fundtiers bei der Fundbehörde verlange, obgleich der Verwaltung für die Verwahrung in der Regel die Sachkunde und eine artgerechte Unterbringungsmöglichkeit fehle. Der Finder sei nach § 967 BGB berechtigt und nur auf Anordnung verpflichtet, das Tier bei der Fundbehörde abzuliefern. Eine Ablieferungspflicht bestehe erst im Nachgang zu einer entsprechenden Anordnung, die unstreitig nicht erfolgt sei. Schließlich gelte auch der Gedanke der Sowieso-Kosten. Auch die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, die Katze behandeln zu lassen, weil sie die Verwahrung des Tieres nach § 966 Abs. 1 BGB den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechend wahrzunehmen habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 60,83 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Bezugnahme auf die Klageerwiderung trägt die Beklagte vor, ein Anspruch der Klagepartei aus Geschäftsführung ohne Auftrag komme aus Rechtsgründen bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Tierarztpraxis offensichtlich vom Tierschutzverein beauftragt worden sei. Dem Anspruchssystem des BGB und der daraus resultierenden Prüfungsreihenfolge sei immanent, dass dann, wenn ein Auftragsverhältnis bestehe, nicht gleichzeitig Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben sein könnten. Hätte die Tierarztpraxis gegenüber dem sie beauftragenden Tierschutzverein abgerechnet, könne überhaupt erst darüber diskutiert werden, ob die diesbezüglichen Aufwendungen des Tierschutzvereins als „Geschäftsführer ohne Auftrag“ von der Beklagten erstattet werden könnten. Die Systemwidrigkeit der geltend gemachten Forderung ergebe sich auch daraus, dass die Klagepartei auf Basis einer Rechnung mit Umsatzsteuer Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag behaupte. Dies sei von vornherein verfehlt, da der Geschäftsführer ohne Auftrag keinen Gewinn für sich beanspruchen könne und auch ein steuerbarer Leistungsaustausch nicht gegeben sei.

Die Berufungsbegründung setze sich mit den zum Fundrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs niedergelegten rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht auseinander. Wenn die Rechtsanwendung entsprechend den geltenden Bestimmungen korrekt erfolge, könne es auf den Umstand, ob eine rechtliche Bewertung praxisfremd sei, nicht ankommen. In diesem Falle richte sich der Vorwurf gegen die gesetzlichen Bestimmungen. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, das Recht entsprechend eigenen Vorstellungen von einer angeblichen „Praxis“ zu formen. Es sei lebensfremd und erscheine nicht praktizierbar, wenn stets „hinter dem Rücken“ und ohne vorherige Prüfungsmöglichkeit durch die Fundbehörde Veranlassungen von dritter Seite auf Kosten der Allgemeinheit getroffen würden. Ob diese Personen - Finder, Tierschutzverein und Tierarzt - aufgrund der eigenen Interessenlage überhaupt in der Lage seien, dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprechend zu handeln, erscheine fraglich. Letztendlich stehe wohl der Gedanke einer Rettung um jeden Preis im Vordergrund.

Die Beteiligte gab bezüglich des Vollzugs des Fundtierrechts und des Aufwendungsersatzes bei Fundtieren ein Schreiben des Bayerischen Staatsministers des Innern, für Bau und Verkehr vom 7. November 2014 (Az. I B4 - 2530 - 1) zur Kenntnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in beiden Rechtszügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag zusteht.

1. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über eine Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) sind im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden. Sie gelten auch dann, wenn ein Bürger die Erstattung von Aufwendungen begehrt, welche ihm dadurch entstanden sind, dass er Aufgaben aus dem Tätigkeitsbereich der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen und somit ein objektiv fremdes Geschäft geführt hat (BVerwG, U. v. 6.9.1988 - 4 C 5/86 - BVerwGE 80, 170/172). Nach allgemeiner Auffassung ist indes Ersatz nur zu gewähren, wenn das private Eingreifen durch die besondere Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung gerechtfertigt ist, also unter den Voraussetzungen des § 679 BGB (Seiler in MüKo BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 677 Rn. 25 m. w. N.). Die Katze wurde zwar an einem Sonntag gefunden und im Tierheim abgegeben. Sie war indes nicht akut und unaufschiebbar behandlungsbedürftig. Mit ihrer tierärztlichen Behandlung wurde am darauffolgenden Montag begonnen. Es ist nicht ersichtlich, warum sie zu den normalen Öffnungszeiten statt zum Tierarzt nicht zunächst zur Beklagten hätte gebracht werden können. Zudem wäre ohne weiteres der wirkliche Wille des (vermeintlichen) Geschäftsherrn zu erfragen gewesen, so dass ein Rückgriff auf § 679 BGB ausscheidet.

2. Des Weiteren hat die Klägerin mit der tierärztlichen Behandlung der Katze kein Geschäft der Beklagten geführt. Eine Zuständigkeit der Beklagten kann sich diesbezüglich nur aus den bundesrechtlichen Vorgaben des Fundrechts (§§ 965 ff. BGB) und der landesrechtlichen Verordnung über die Zuständigkeiten und das Verfahren der Fundbehörden (Fundverordnung - FundV) ergeben. Die Beklagte ist zwar Fundbehörde (a) und das öffentliche Fundrecht auf Tiere entsprechend anwendbar (b). Es fehlt jedoch im vorliegenden Fall mangels Ablieferung der Katze an einer Handlungspflicht der Beklagten (c). Auch die Berücksichtigung des Tierschutzrechts führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieses erlaubt es nicht, fundrechtliche Vorschriften entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut auszulegen (d). Im Einzelnen:

a) Die Beklagte nimmt als Verwaltungsgemeinschaft die Aufgaben ihrer Mitgliedsgemeinden im übertragenen Wirkungskreis wahr, zu dem auch die Ausführung des Fundrechts gehört (vgl. Nr. 11 der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Fundrechts des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 11.3.2002 - IC2-2116.7-3 - juris). Die FundV bestimmt, dass die Gemeinden Fundbehörden sind. Sie sind gemäß § 1 Abs. 1 FundV zuständig für die „Entgegennahme der Anzeige eines Fundes“. Ist dem Finder eine Anzeige im Einzelfall bei der Gemeinde nicht zuzumuten, so ist auch die Polizei zuständig. § 2 FundV bestimmt, dass die Gemeinde für die „Entgegennahme der Fundsache“ zuständig ist. Nach § 3 FundV „kann“ die Gemeinde die Ablieferung der Fundsache bei ihr anordnen.

b) Das in den §§ 965 ff. BGB normierte Fundrecht ist auf gefundene Tiere anwendbar (Staudinger/Jickeli/Stieper (2012) BGB, § 90a Rn. 10 mit Hinweis auf KG NJW-RR 1994, 688/689). Zwar sind Tiere gemäß § 90a BGB keine Sachen, diese Norm erklärt jedoch die für Sachen geltenden Vorschriften für entsprechend anwendbar. Ein eigens normiertes Fundrecht für Tiere hat der Gesetzgeber nicht geschaffen (vgl. BR-Drs. 408/11).

c) Die Klägerin beruft sich darauf, dass mit der tierärztlichen Behandlung der Katze ein Geschäft der Beklagten geführt worden sei. Damit könnte sie nur durchdringen, wenn die Beklagte bereits selbst zur Verwahrung und zur Versorgung (hier: Fütterung und ärztliche Versorgung) der Katze zuständig gewesen wäre. Das ist jedoch, wie das Verwaltungsgericht unter ausführlicher Prüfung der fundrechtlichen Vorschriften zutreffend festgestellt hat, nicht der Fall:

aa) § 966 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Finder die Fundsache zu verwahren hat. Dazu gehört auch die Pflicht zur Erhaltung der Fundsache, bei Tieren also die Pflicht zur Fütterung und erforderlichenfalls tierärztlichen Versorgung (Oechsler in MüKo BGB, 6. Aufl. 2013, § 966 Rn. 2). Finderin war hier Frau W., die die Katze an sich genommen und zum Tierheim gebracht hat. Dort wurde für Frau W. eine Fundtieranzeige erstellt und von dieser mitunterzeichnet. Die Unterbringung des Fundtiers bei einem Dritten entbindet die Finderin jedoch nicht von ihren Pflichten.

bb) Dieses Ergebnis ist auch nicht wegen der für die Finderin entstehenden Kostenlast unzumutbar, denn die Finderin (oder das Tierheim für die Finderin) hat die Möglichkeit, die Fundsache gemäß § 967 BGB bei der zuständigen Fundbehörde abzuliefern und sich damit jederzeit von ihrer Verwahrungspflicht zu befreien (Staudinger/Gursky (2011) BGB, § 966 Rn. 1). „Ablieferung“ der Fundsache ist die Aufgabe des Besitzes an der Sache zugunsten der Fundbehörde (Oechsler in MüKo BGB, 6. Aufl. 2013, § 967 Rn. 2; OVG Rh-Pf, U. v. 13.1.1988 - 11 A 175/87: „hinbringen“).

Es spricht im vorliegenden Fall nichts dafür, dass die Ablieferung der Fundsache bei der Beklagten für die Finderin unzumutbar oder wegen des Zustands der Katze nicht tierschutzgerecht oder gar unmöglich gewesen wäre. Wie bereits ausgeführt, wurde die Katze zwar an einem Sonntag gefunden und im Tierheim abgegeben. Sie war indes nicht akut und unaufschiebbar behandlungsbedürftig. Mit ihrer tierärztlichen Behandlung wurde am darauffolgenden Montag begonnen. Es ist nicht ersichtlich, warum sie zu den normalen Öffnungszeiten statt zum Tierarzt nicht zunächst zur Beklagten hätte gebracht werden können.

cc) Die bloße Anzeige des Fundes ist schon dem klaren Wortsinn nach keine „Ablieferung“ der Fundsache selbst. Weder dem bundesrechtlichen Fundrecht des BGB noch der landesrechtlichen FundV kann entnommen werden, dass bereits vor der tatsächlichen Ablieferung der Fundsache eine Verwahrungspflicht der Fundbehörde entstehen soll oder kann. Die in § 965 Abs. 2 Satz 1 BGB geregelte Fundanzeige, zu der jeder Finder verpflichtet ist, ersetzt ersichtlich nicht die Ablieferung der Sache, die gemäß § 5 FundV erst die Verwahrpflicht der Fundbehörde entstehen lässt (Staudinger/Gursky (2011) BGB, § 967 Rn. 2; vgl. auch OVG Rh-Pf, U. v. 13.1.1988 - 11 A 175/87: ohne Ablieferung keine Verwahrpflicht).

Das Gesetz knüpft an die bloße Anzeige also keine Rechtsfolge im Sinne eines Kostenlastübergangs oder des Übergangs der Verwahrpflicht auf die Fundbehörde. Die Anzeige ermöglicht der Fundbehörde lediglich gemäß § 6 FundV den Verlierer zu ermitteln oder für die Rückführung der Fundsache zu sorgen, wenn sich ein Eigentümer wegen einer verlorenen Sache an die Fundbehörde wendet. Die Anzeige ermöglicht es der Fundbehörde ferner, die Ablieferung der gefundenen Sache oder eines Fundtieres gemäß § 3 FundV anzuordnen. Dabei „soll“ die Ablieferung einer Fundsache nur bei den in § 3 Abs. 2 Satz 1 FundV bezeichneten Sachen (Ausweispapiere, Waffen, Sprengstoffe, Betäubungsmittel) angeordnet werden, bei denen der Verordnungsgeber aufgrund der Gefährlichkeit oder Bedeutung dieser Sachen davon ausgeht, dass sie besser bei der Fundbehörde als bei einem privaten Finder aufgehoben sind. Fundtiere sind in der Aufzählung des § 3 Abs. 2 FundV jedoch nicht enthalten. In sonstigen Fällen soll gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 FundV eine Ablieferung der Fundsache dann angeordnet werden, wenn die Person des Finders oder die Beschaffenheit der Fundsache die Aufbewahrung durch die Fundbehörde zweckmäßig erscheinen lässt. Das ist bei einer in einem Tierheim abgegebenen Katze nicht der Fall.

dd) Es gibt keine Reaktionspflicht der Beklagten auf die Fundanzeige und dementsprechend auch keine Abholpflicht einer durch Fundanzeige der Fundbehörde bekannt gewordenen Fundsache. Weder das BGB noch die FundV schreiben der Gemeinde als Fundbehörde irgendeine Reaktionspflicht auf die Fundanzeige vor. Wenn keine Reaktion der Gemeinde erfolgt und diese auch nicht ausdrücklich die Ablieferung des Fundtieres verlangt, bleibt es bei der gesetzlichen Grundregel der Verantwortlichkeit der Finderin für das Fundtier, § 966 Abs. 1 BGB. Ein Finder kann aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung nicht davon ausgehen, dass das bloße Schweigen der Fundbehörde auf eine Fundanzeige eine Einwilligung in die dortige Unterbringung auf Kosten der Fundbehörde darstellt.

Mangels einer Ablieferung des Fundtieres bei der Beklagten als Fundbehörde ist daher keine Verwahrpflicht derselben mit der Folge einer Erhaltungspflicht für das Fundtier entstanden (a.A. OVG Lüneburg, U. v. 23.4.2012 - 11 LB 267/11 - juris Rn. 31, 37: Verwahrpflicht ohne Ablieferung; ebenso OVG Greifswald, U. v. 12.1.2011 - 3 L 272/06 - juris Rn. 18; VG Gießen, U. v. 27.2.2012 - 4 K 2064/11 GI - juris Rn. 26, 29). Mit der tierärztlichen Behandlung des Fundtieres kann daher der Kläger kein Geschäft der Beklagten geführt haben.

d) Auch das Tierschutzgesetz, § 90a BGB oder die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG zwingen nicht zu einem anderen Verständnis der angewendeten Normen des Fundrechts und ermöglichen nicht eine Auslegung derselben entgegen dem eindeutigen Wortlaut.

Dass die Ablieferung der gefundenen Katze bei der Beklagten als Fundbehörde gegen Vorschriften des Tierschutzgesetzes verstoßen würde, kann nicht angenommen werden. Die Katze war transportfähig. Eine Fundbehörde muss nach Entgegennahme eines Fundtieres selbstverständlich für eine den Vorschriften des Tierschutzgesetzes entsprechende Unterbringung und Erhaltung des Tieres sorgen (so auch Nr. 5.1 der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Fundrechts des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 11.3.2002 - IC2-2116.7-3 - juris). Wie sie dies organisiert, bleibt jedoch ihrer Verantwortung überlassen. Die Fundbehörde mag sich in der Folgezeit wegen einer erforderlichen tierärztlichen Behandlung an den Kläger wenden, sie muss das aber nicht tun. Der Beklagten steht insoweit ein Handlungsspielraum zu, wie und wo sie aufgefundene Tiere unterbringt (VG Gießen, U. v. 5.9.2001 - 10 E 2160 - juris Rn. 30).

§ 90a BGB bestimmt die für Sachen geltenden Vorschriften des BGB für entsprechend anwendbar. Das gilt wie oben ausgeführt auch für die fundrechtlichen Vorschriften der §§ 965 ff. BGB. Anlass zur Änderung des fundrechtlichen Gefüges durch Auslegung besteht nicht. Denn es gibt keine Unzumutbarkeit für den Finder, der sich eines transportablen Tieres durch Ablieferung bei der Fundbehörde ohne weiteres wieder entledigen kann. Auch ist die Ablieferungspflicht mit Blick auf das Tier nicht obsolet oder untragbar, weil auch die Fundbehörde selbst zu einer die Vorgaben des Tierschutzgesetzes beachtenden Aufbewahrung verpflichtet ist.

Aus der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG folgt nichts anderes. Sie richtet sich zunächst und vor allem an den Gesetzgeber selbst, dieser ist primärer Adressat der Norm (Scholz in Maunz/Dürig, GG, 74. EL Mai 2015, Art. 20 a Rn. 46, 76, 77). Der Tierschutz als Verfassungsauftrag bedingt in jedem Fall die gesetzgeberische Umsetzung. Es gibt keinen verfassungsnormativ unmittelbaren Tierschutz im Sinne eines unmittelbaren juristischen Schutzanspruches (Scholz in Maunz/Dürig, a. a. O., Rn. 68, 70). Der Gesetzgeber selbst hat das Fundrecht im BGB geregelt und dieses nach Herausnahme der Tiere aus dem Sachbegriff durch § 90a BGB für entsprechend anwendbar erklärt. Auf eigene für Tiere geltende fundrechtliche Vorschriften hat er verzichtet, auch dem Tierschutzgesetz kann insoweit nichts entnommen werden. Art. 20a GG zwingt nicht zu einem gleichsam maximalen Tierschutz, vielmehr hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum, in welcher Weise er den Tierschutz berührende Rechtskomplexe - wie etwa den Umgang mit gefundenen Tieren - regelt. Eine Auslegung entgegen dem Wortlaut der Normen des BGB, wonach etwa schon die bloße Anzeige eines gefundenen Tieres bei der Fundbehörde eine Verwahrungspflicht und damit einhergehend eine Kostentragungspflicht für Unterbringung und Versorgung auslösen würde, ist vor diesem Hintergrund nicht möglich. Das Argument, der Gesetzgeber des BGB habe bei der Schaffung der Normen des Fundrechts die Problematik gefundener Tiere nicht berücksichtigt, weil diese Problematik damals noch unbekannt gewesen sei, verfängt nicht. Denn der Gesetzgeber hat auch im Laufe der weiteren Entwicklung des BGB keine Änderung der Vorschriftenlage herbeigeführt. Weder hat er 1990 bei der Einfügung des § 90a BGB eine Änderung des Fundrechts für erforderlich gehalten, noch hat er nach der Einfügung des Tierschutzes in Art. 20a GG im Jahr 2002 die fundrechtlichen Regelungen geändert, obwohl nach diesem Zeitpunkt weitere Veränderungen am BGB vorgenommen wurden. Die Erwägung, dass der „Umweg über die Fundbehörden“ dem „Ziel einer möglichst raschen artgerechten Versorgung“ eines Fundtieres zuwiderlaufen und damit „dem Tierschutzgebot“ widersprechen würde (so etwa VG München, U. v. 16.4.2015 - M 10 K 14.5633 - juris Rn. 74; VG Stuttgart, U. v. 16.12.2013 - 4 K 29/13 - juris Rn. 32: Anzeige erfüllt die Ablieferungspflicht), kann vor dem eindeutigen Gesetzeswortlaut jedenfalls für ein nicht akut behandlungsbedürftiges Tier keine Aushebelung der Ablieferungspflicht begründen. Rechtspolitisch mag eine solche Forderung diskutabel sein, sie rechtfertigt aber nicht die Rechtsanwendung gegen den klaren Wortlaut des Bundesrechts.

Ob eine andere Beurteilung im Falle eines verletzten und akut behandlungsbedürftigen Tieres angezeigt wäre (vgl. VG Saarland, U. v. 24.4.2013 - 5 K 593/12 - juris Rn. 33; VG Ansbach, U. v. 26.9.2011 - AN 10 K 11.00205 - juris Rn. 35), bedarf hier keiner Erörterung.

Es bleibt daher dabei, dass die bloße Anzeige des Fundes eines Tieres nicht die klar geregelte Verantwortlichkeit des Finders zulasten der Fundbehörde beenden kann. Dieses Ergebnis kann nicht durch „Auslegung“ gegen den klaren Wortlaut der Norm erreicht werden.

Auf die weitere von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob es sich bei der Katze um ein herrenloses Tier (§§ 958, 959 BGB) gehandelt hat, auf das die Vorschriften über das Fundrecht nicht anwendbar wären (vgl. insoweit aber Nr. 1 der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Fundrechts vom 11.3.2002 - IC2-2116.7-3 - juris), kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.

3. Schließlich ist vorliegend auch kein Fremdgeschäftsführungswille des Klägers festzustellen oder zu vermuten. Wird ein Tierarzt von einem Tierschutzverein eingeschaltet, ist regelmäßig davon auszugehen, dass es zum Abschluss eines Behandlungsvertrages gekommen ist, den der Tierarzt mit der Behandlung erfüllen will. Bei der Erfüllung alleiniger vertraglicher Verpflichtungen des Geschäftsführers - eine Regelung der Entgeltfrage ist regelmäßig wegen der tierärztlichen Gebührenordnung unnötig - scheidet ein Fremdgeschäft aus. Selbst wenn man dem Kläger, der ohne Mitteilung tatsächlicher Umstände behauptet, mit dem Tierschutzverein bestehe kein Auftragsverhältnis, darin folgen wollte, hätte sich der Kläger nach dem oben 2. Ausgeführten in der Person des Geschäftsherrn geirrt (§ 686 BGB). Ohne Ablieferung des Fundtiers ist in der Regel nicht die Fundbehörde, sondern die Finderin Geschäftsherr, die Beklagte mithin nicht richtige Beklagte.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 60,83 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht

Meta

5 BV 14.2048

27.11.2015

VGH München

Urteil

Sachgebiet: BV

Zitier­vorschlag: VGH München, Urteil vom 27.11.2015, Az. 5 BV 14.2048 (REWIS RS 2015, 1576)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1576

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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