Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.01.2018, Az. 25 W (pat) 12/16

25. Senat | REWIS RS 2018, 15772

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "SERTEX/RESTEX/VERTEX (Unionsmarke)" - Warenidentität und -ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – klangliche Verwechslungsgefahr – keine weitere Entscheidung in Bezug auf die Widerspruchsmarke "RESTEX"


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2014 047 830

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden II wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des [X.] vom 4. Februar 2016 aufgehoben, soweit der beschränkt erhobene Widerspruch aus der Unionsmarke 007 195 464 zurückgewiesen worden ist. Aufgrund dieses Widerspruchs wird die Löschung der Marke 30 2014 047 830 [X.] im Umfang des erhobenen Widerspruchs angeordnet, nämlich in Bezug auf sämtliche beanspruchten Waren mit Ausnahme der Waren der Klasse 3 „Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; Schleifmittel“ und der Waren der Klasse 5 „Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide“.

2. [X.] bzw. der Widerspruch der Widersprechenden I ist derzeit gegenstandslos.

Gründe

I.

1

Die am 23. Mai 2014 angemeldete Wortmarke

2

[X.]

3

ist am 1. Juli 2014 unter der Nummer 30 2014 047 830 als Wortmarke für die nachfolgenden Waren

4

Klasse 3:

5

Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; [X.]chleifmittel; [X.]eifen; ätherische Öle; Mittel zur Körper- und [X.]chönheitspflege; kosmetische [X.]rzeugnisse; Haarwässer; [X.];

6

Klasse 5:

7

pharmazeutische [X.]rzeugnisse; veterinärmedizinische [X.]rzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische [X.]ubstanzen und [X.]rzeugnisse, die für den medizinischen Gebrauch bestimmt sind; Nahrungsergänzungsmittel für den medizinischen Gebrauch; Pflaster; Verbandmaterial; Zahnfüllmittel; Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Balsam für medizinische Zwecke; Lotionen für medizinische Zwecke; biologische [X.]rzeugnisse für medizinische Zwecke; chemische [X.]rzeugnisse für medizinische Zwecke; chemische [X.]rzeugnisse für pharmazeutische Zwecke; diätetische Lebensmittel, Getränke und [X.]ubstanzen, die für den medizinischen Gebrauch bestimmt sind; Heilmittel für medizinische Zwecke; Babynahrung; medizinische Kräuter; Arzneimittel zur zahnmedizinischen Verwendung; Arzneimittel zur humanmedizinischen Verwendung; Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere solche, die Proteine, Kohlenhydrate, Lipide und/oder Ballaststoffe oder Mikronährstoffe enthalten, wie Vitamine und/oder Mineralstoffe, Aminosäuren und/oder Fettsäuren, für medizinische und nicht-medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel, nämlich nicht-medizinische Infusionen; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide

8

in das beim [X.] geführte Markenregister eingetragen worden.

9

Gegen die [X.]intragung der am 1. August 2014 veröffentlichten Marke hat die Inhaberin der seit dem 9. [X.]eptember 1998 unter der Nummer 398 44 942 für die Waren der

Klasse 5:

Pharmazeutische Präparate zur Behandlung des Restless Legs-[X.]yndrom

eingetragenen Wortmarke

[X.]

(im Folgenden Widersprechende I) Widerspruch zunächst gegen alle Waren der angegriffenen Marke erhoben.

In der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2018 hat die Widersprechende ihren Widerspruch in Bezug auf die Waren der Klasse 3 „Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; [X.]chleifmittel“ und die Waren der Klasse 5 „Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide“ der angegriffenen Marke zurückgenommen.

Auch die Inhaberin der seit dem 7. März 2013 für die Waren und Dienstleistungen der

Klasse 5:

Pharmazeutische Präparate;

Klasse 42:

Pharmazeutische Forschung für Dritte

eingetragenen Unionsmarke 007 195 464

V[X.]R[X.]

(im Folgenden [X.]) hat gegen die [X.]intragung der Marke [X.] Widerspruch erhoben in Bezug auf alle Waren der angegriffenen Marke mit Ausnahme der Waren der Klasse 3 „Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; [X.]chleifmittel“ und der Waren der Klasse 5 „Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide“.

Die Markenstelle für Klasse 5 des [X.]s hat mit Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes vom 4. Februar 2016 eine [X.] im [X.]inne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zwischen den jeweils sich gegenüberstehenden Marken verneint und die beiden Widersprüche zurückgewiesen.

Die Widerspruchsmarken verfügten von Haus aus über eine normale Kennzeichnungskraft. [X.]elbst bei identischen Waren und bei Anwendung durchschnittlicher [X.]orgfalt sei der zwischen den jeweiligen [X.] erforderliche Abstand noch eingehalten. Insoweit könne die Frage der von [X.]eiten der Inhaberin der angegriffenen Marke bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke [X.], zu der von [X.]eiten der Widersprechenden I diverse Unterlagen zur Verwendung der Widerspruchsmarke für ein Medikament zur Behandlung des [X.] vorgelegt worden waren, dahingestellt bleiben. Die [X.] [X.] und [X.] würden sich auffällig schon am Wortanfang mit „[X.][X.]R-“ gegenüber „[X.]“ klanglich unterscheiden, woraus sich ein etwas unterschiedlicher [X.]prech- und Betonungsrhythmus der Zeichen ergebe. Da die Wortendung „-[X.]X“ darauf hinweise, dass „etwas beseitigt oder entfernt werde“ und insoweit eher beschreibend sei, werde der Wortanfang der Marken stärker beachtet. Diese Unterschiede im Wortanfang würden sowohl schriftbildlich als auch klanglich zur Unterscheidung der Marken ausreichen, zumal mit einer besonderen Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise zu rechnen sei.

Auch zwischen der angegriffenen jüngeren Wortmarke [X.] und der [X.] seien die klanglichen Unterschiede durch den unterschiedlichen Wortanfang, der erfahrungsgemäß stärker beachtet werde und stärker in [X.]rinnerung bliebe, ausreichend auffällig. Der Buchstabe „[X.]“ werde als Zischlaut ausgesprochen und unterscheide sich klanglich von dem Buchstaben „V“, der als [X.] wiedergegeben werde. Dadurch entstehe ein etwas unterschiedlicher [X.]prech- und Betonungsrhythmus. Auch sei eine schriftbildliche [X.] angesichts der jeweils typischen anderen Umrisscharakteristik der Buchstaben „[X.]“ gegenüber „V“ ausgeschlossen.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der beiden Widersprechenden.

[X.] führt zur Begründung der Beschwerde aus, die Bewertung der Ähnlichkeit der [X.] durch die Markenstelle sei nicht nachvollziehbar. Denn diese würden aus sechs identischen Buchstaben bestehen, bei denen in der ersten Wortsilbe lediglich die Reihung des ersten und des dritten Konsonanten vertauscht worden sei, die zweite [X.]ilbe „[X.]“ der Widerspruchsmarke [X.] sei sogar identisch in die angegriffene jüngere Marke [X.] übernommen worden. Die Zeichen verfügten bei einer identischen Vokalfolge, identischer Buchstaben und gleicher [X.]ilbenzahl über einen übereinstimmenden [X.]prech- und Betonungsrhythmus, sodass eine klangliche [X.] zu besorgen sei.

[X.] beantragt daher nunmehr, nach der in der mündlichen Verhandlung erklärten [X.] ihres Widerspruchs,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des [X.]s vom 4. Februar 2016 aufzuheben, soweit der Widerspruch aus der Marke 398 44 942 zurückgewiesen worden ist, mit Ausnahme der Waren der Klasse 3 „Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; [X.]chleifmittel“ und der Waren der Klasse 5 „Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide“, und die Marke 30 2014 047 830 [X.] im Umfang des aufrechterhaltenen Widerspruchs zu löschen.

Die [X.] ist der Auffassung, dass zwischen den [X.] [X.] und V[X.]R[X.] eine erhebliche klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit bestehe.

Beim Vergleich der sich gegenüberstehenden Waren der Klassen 3 und 5 sei teilweise von einer Identität und im Übrigen von einer Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren auszugehen. [X.]o sei ein Großteil der geschützten Waren der angegriffenen Marke der Klasse 5 von dem Oberbegriff der „pharmazeutischen Präparate“ der Klasse 5 der Widerspruchsmarke identisch umfasst. [X.]benso seien auch die für die angegriffene Marke in der Klasse 3 geschützten „[X.]eifen“, bei denen es sich um hautpflegende Toilettenseifen oder medizinische [X.]eifen handeln könne, hochgradig ähnlich zu den Widerspruchswaren „pharmazeutische Präparate“. Da die in der Klasse 3 genannten „Mittel zur Körper- und [X.]chönheitspflege, kosmetische [X.]rzeugnisse“ der angegriffenen Marke nicht selten ähnliche und mitunter sogar die gleichen Wirkstoffzusammensetzungen wie „[X.]“ aufweisen würden und es im [X.]inzelfall auch schwierig sei, ein „hautpflegendes“ Dermatikum von einem Dermatikum eindeutig abzugrenzen, seien diese Produkte hochgradig ähnlich zu den „pharmazeutischen Präparaten“ der Klasse 5. Die Waren richteten sich sowohl an den Fachverkehr wie auch an die [X.]ndverbraucher, da eine Beschränkung allein auf rezeptpflichtige Arzneimittel nicht gegeben sei. Zwar sei auch der Durchschnittsverbraucher im Umgang mit Arzneimitteln sorgfältiger, sodass es insoweit auch seltener zu Markenverwechslungen komme. Diese Grundsätze seien aber nicht ohne weiteres auf die auch betroffenen Nahrungsergänzungsmittel, die kosmetischen Mittel oder Babynahrung zu übertragen, bei denen von einem normalen Aufmerksamkeitsgrad auszugehen sei. Insoweit sei ein deutlicher [X.] erforderlich, der im Verhältnis der angegriffenen Marke [X.] zu der Widerspruchsmarke V[X.]R[X.] aber nicht eingehalten werde. Die einzige Abweichung der [X.] sei in den Anfangsbuchstaben „[X.]“ gegenüber „V“ gegeben. Zwar handele es sich dabei um eine Abweichung am üblicherweise stärker beachteten Wortanfang. Angesichts der ansonsten bestehenden überwiegenden Übereinstimmungen der [X.] sei eine [X.] nicht auszuschließen. Klanglich seien die Zeichen nahezu nicht auseinander zu halten. Auch schriftbildlich sei nicht nachvollziehbar, wie die Markenstelle bei der Abweichung in nur einem Buchstaben von einer unterschiedlichen Umrisscharakteristik sprechen könne. [X.]chließlich verweist die [X.] auf die Widerspruchsentscheidung des [X.] vom 15. April 2016, in der der Unionsmarke [X.] die [X.]intragung für einen Teil der auch vorliegend relevanten Waren aufgrund des Widerspruch aus der auch hier verfahrensgegenständlichen Widerspruchsmarke V[X.]R[X.] angesichts der klanglichen und schriftbildlichen [X.] versagt worden war.

Die Widersprechende II beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des [X.]s vom 4. Februar 2016 aufzuheben soweit der Widerspruch aus der Unionsmarke 007 195 464 zurückgewiesen worden ist, und die Marke 30 2014 047 830 [X.] im Umfang des erhobenen Widerspruchs zu löschen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

die Beschwerden der Widersprechenden zurückzuweisen.

[X.]ie ist der Auffassung, dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle im Wesentlichen zutreffend sei. Die [X.] [X.] und [X.] seien nicht verwechselbar, weil sich durch das Vertauschen der Anfangskonsonanten „[X.]“ bzw. „R“ die Aussprache des sich daran anschließenden und damit an der gleichen [X.]telle der Wörter platzierten identischen Vokals der ersten [X.]ilbe „[X.]“ völlig verändere. Dieser deutliche Unterschied im Anfang der Markenwörter, dem die angesprochenen Verkehrskreise erfahrungsgemäß eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen ließen, führe zu ausreichendem [X.].

[X.]benso seien auch die [X.] [X.] und V[X.]R[X.] nicht verwechselbar. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass der Widerspruch auf „pharmazeutische [X.]rzeugnisse“ gestützt werde, sodass beim [X.]rwerb der Waren insgesamt von einer erhöhten [X.]orgfalt der angesprochenen [X.]ndverbraucher auszugehen sei, was deutlich seltener Markenverwechslungen zur Folge habe. Auch sei die [X.]ndsilbe der Markenwörter mit „[X.]X“ beschreibend und im Medikamentensektor zudem verbraucht, sodass diese tendenziell vernachlässigt werde. Damit würden die angesprochenen Verkehrskreise dem [X.] mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Vor diesem Hintergrund würden die deutlichen Unterschiede zwischen den Buchstaben „V“ und „[X.]“ so aufmerksam wahrgenommen werden, dass die Gefahr von Verwechslungen der Zeichen nicht in Betracht komme.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat nach dem rechtlichen Hinweis des [X.]enats zur Terminsladung vom 6. Dezember 2017 nach entsprechender Mitteilung an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.

Wegen der weiteren [X.]inzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 sowie auf die [X.]chriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die nach § 66 Abs. 1 [X.] zulässige Beschwerde der Widersprechenden II hat auch in der [X.]ache [X.]rfolg. Zwischen der angegriffenen Marke [X.] und der zweiten Widerspruchsmarke V[X.]R[X.] besteht im Umfang des erhobenen Widerspruchs eine [X.] nach § 125b Nr. 1 [X.], § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.], sodass insoweit die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen war, § 43 Abs. 2 [X.]atz 1 [X.].

Das Vorliegen einer [X.] für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des [X.]uropäischen Gerichtshofes als auch des [X.] unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des [X.]inzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. [X.]uGH [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/[X.]; [X.], 64 Rn. 9 – Maalox/[X.]; [X.], 1040 Rn. 25 – pjur/pure; [X.], 833 Rn. 30 – Culinaria/[X.]; [X.], 382 Rn. 19 – [X.]). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende [X.]chutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der [X.] (vgl. dazu [X.]uGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria [X.]pa/[X.]; [X.], 64 Rn. 9 – Maalox/[X.]; [X.], 1040 Rn. 25 – pjur/pure; siehe auch [X.]tröbele/ Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können sich für die Beurteilung der [X.] weitere Faktoren entscheidungserheblich auswirken, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im [X.]inzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen der angegriffenen Wortmarke „[X.]“ und der älteren Widerspruchsmarke „V[X.]R[X.]“ eine [X.] gemäß §§ 125b, 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a. Bei der Widerspruchsmarke V[X.]R[X.] ist von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen, Anhaltspunkte für eine [X.]tärkung oder [X.]chwächung der Kennzeichnungskraft sind weder vorgetragen noch ansonsten erkennbar.

[X.]oweit die Inhaberin der jüngeren Marke eine geringe Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geltend macht, weil die Wortendsilbe „-[X.]X“ mit der Bedeutung von „vorbei, aus, zu [X.]nde“ auf die lindernde bzw. krankheitsbekämpfende Wirkung der so bezeichneten pharmazeutischen Produkte beschreibend hinweise und es sich im einschlägigen Warenbereich deshalb um ein gebräuchliches und beliebtes [X.]uffix handele, führt dies – die Richtigkeit unterstellt – vorliegend aber nicht zu einer Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke insgesamt. Abgesehen davon, dass die beiden [X.]chlussbuchstaben „-[X.]X“ der Widerspruchsmarke V[X.]R[X.] keine eigenständige Wortendsilbe bilden – dies ist vielmehr der Wortbestandteil „-[X.]“ –, nimmt der angesprochene Verkehr erfahrungsgemäß eine Marke so auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen, sie in ihre Bestandteile zu zerlegen und einzelne [X.] nach einer eventuellen Bedeutung zu untersuchen (vgl. BPatG [X.], 441, 444 f. – printnet/PRIN[X.]CT).

b. Da [X.] nicht aufgeworfen sind, ist auf [X.]eiten der Widerspruchsmarke V[X.]R[X.] von der [X.] auszugehen. Die Vergleichsmarken können sich im beschwerdegegenständlichen ([X.] auf identischen, hochgradig ähnlichen und durchschnittlich ähnlichen Waren begegnen.

[X.]ine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren besteht, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.]rbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer [X.]igenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer, für die Frage der [X.] wesentlicher Gründe, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten regelmäßig aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. [X.]tröbele/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 59, vgl. z. B. BGH GRUR 2004, 241, 243 – GeDIO[X.]; GRUR 2015, 176 Rn. 16 – [X.]/[X.]).

In der Klasse 5 stehen sich mit den angegriffenen Waren der „pharmazeutischen [X.]rzeugnisse“ und den weiteren einzeln aufgezählten Waren der angegriffenen Marke, die unter den Oberbegriff der „pharmazeutischen Präparate“ gemäß dem [X.] zu fassen sind, identische Waren gegenüber. Zu den unter diesen Oberbegriff zu fassende Waren gehören die „veterinärmedizinischen [X.]rzeugnisse; chemische [X.]rzeugnisse für medizinische Zwecke; chemische [X.]rzeugnisse für pharmazeutische Zwecke; Arzneimittel zur zahnmedizinischen Verwendung; Arzneimittel zur humanmedizinischen Verwendung“, welche von der angegriffenen Marke beansprucht werden. Bei den weiteren angegriffenen Waren, nämlich der „Heilmittel für medizinische Zwecke; Balsam für medizinische Zwecke; Lotionen für medizinische Zwecke; biologische [X.]rzeugnisse für medizinische Zwecke“ besteht zu den Widerspruchswaren der „pharmazeutischen Präparate“ jedenfalls angesichts der zahlreichen Überschneidungen in ihrer stofflichen Beschaffenheit, nach ihrer Bestimmung, ihrem Zweck sowie der Art ihrer Anwendung und dem übereinstimmenden regelmäßigen Vertrieb über Apotheken oder (bestimmten Bereichen der) Drogeriemärkte (vgl. [X.]tröbele/Hacker/ Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 92 m. w. N.) eine hochgradige Ähnlichkeit.

Unter den für die Widerspruchsmarke eingetragenen weiten Oberbegriff der „pharmazeutischen Präparate“ fallen auch solche [X.]rzeugnisse, wie etwa dermatologische bzw. medizinische [X.]eifen, [X.] oder pharmazeutische Mundwässer, medizinische Haarwässer und Zahnpflegepräparate, die hinsichtlich ihrer stofflichen Beschaffenheit, ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung sowie ihrer regelmäßigen Herstellungs- und Vertriebsstätten daher zu den mit dem Widerspruch weiter angegriffenen Waren der Klasse 3 der jüngeren Marke, „[X.]eifen, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und [X.]chönheitspflege; kosmetische [X.]rzeugnisse, Haarwässer, [X.]“ eine eher noch überdurchschnittliche Ähnlichkeit aufweisen können (vgl. hierzu [X.]/[X.]toppel, [X.], 17. Aufl. 2017, [X.] vom 1.8.2017 – [X.]tichwort „pharmazeutische Präparate“).

Zwischen den Waren der angegriffenen Marke „Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische [X.]ubstanzen und [X.]rzeugnisse, die für den medizinischen Gebrauch bestimmt sind; Nahrungsergänzungsmittel für den medizinischen Gebrauch; Pflaster; Verbandmaterial; Zahnfüllmittel; Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; diätetische Lebensmittel, Getränke und [X.]ubstanzen, die für den medizinischen Gebrauch bestimmt sind; Babynahrung; medizinische Kräuter; Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere solche, die Proteine, Kohlenhydrate, Lipide und/oder Ballaststoffe oder Mikronährstoffe enthalten, wie Vitamine und/oder Mineralstoffe, Aminosäuren und/oder Fettsäuren, für medizinische und nicht-medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel, nämlich nicht-medizinische Infusionen“ und den „pharmazeutischen Präparaten“ der Widerspruchsmarke ist eine jedenfalls noch durchschnittliche Ähnlichkeit anzunehmen. Denn die genannten angegriffenen Waren können auch unter medizinischen Gesichtspunkten zum [X.]insatz kommen und insoweit die pharmazeutischen Präparate in einer Behandlung ergänzen (vgl. insoweit auch [X.] W (pat) 106/11 – [X.]/[X.] dolo; [X.], 25 W (pat) 160/95 – Clorocef (jeweils öffentlich zugänglich über die Homepage des [X.]) und [X.]/[X.]toppel, [X.], 17. Auflage 2017, [X.] vom 1.8.2017 – [X.]tichwort „pharmazeutische Präparate“).

c. Den bei dieser Ausgangslage teilweise strengen und im Übrigen in Bezug auf die nur durchschnittlich ähnlichen Waren der angegriffenen Marke mittleren Anforderungen an den [X.], wird die jüngere Marke nicht gerecht. Denn ein ausreichender [X.] ist, auch wenn im Gesundheitssektor eine höhere Aufmerksamkeit der auch angesprochenen allgemeinen Verbraucher zugrunde gelegt werden kann, bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht eingehalten.

Die Ähnlichkeit von [X.] ist nach deren Ähnlichkeit im ([X.]chrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder [X.]inngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.]. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden [X.]lemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen [X.]inzelheiten achtet (so z. B. BGH in [X.], 283 Rn. 37 – [X.] m. w. N.).

Die [X.] [X.] und V[X.]R[X.] sind klanglich hochgradig ähnlich. Denn die [X.] stimmen bis auf ihren Anfangslaut „[X.]“ bzw. „V“ in ihrer weiteren [X.] „-[X.]R[X.]“ und damit in der überwiegenden Anzahl der maßgeblichen Beurteilungskriterien, wie Wortlänge, [X.]ilbengliederung, [X.]prechrhythmus und Vokal- und (übrigen) Konsonantengerüst überein. Trotz des Umstands, dass der Unterschied in dem in der Regel stärker beachteten Anfangslaut der Bezeichnungen besteht, reicht diese einzige Abweichung in einem Konsonantenlaut nicht aus, um den insbesondere im Bereich identischer und hochgradig ähnlicher aber auch bei (noch) durchschnittlich ähnlicher Vergleichswaren zu stellenden Anforderungen an den [X.] gerecht zu werden (vgl. hierzu [X.]tröbele/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 281 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dies gilt umso mehr, als sich die stimmlosen Anfangskonsonanten nicht sehr deutlich voneinander abheben und jedenfalls den klanglichen Gesamteindruck der [X.] nicht markant unterschiedlich beeinflussen („v“ und „[X.]“ als klangverwandte Konsonanten: vgl. hierzu auch die [X.]ntscheidung des [X.]enats in 25 W (pat) 208/09 vom 5. März 2010 – [X.]/[X.], öffentlich zugänglich über die Homepage des [X.]).

Angesichts der Bejahung der klanglichen [X.] kann die [X.]ntscheidung über die Frage der schriftbildlichen [X.] letztendlich als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

Der Umstand, dass es sich bei der den Zeichen gemeinsamen [X.]ndsilbe „[X.]X“ um ein sprachübliches und beliebtes [X.]uffix handelt, das in zahlreichen Begriffen sowie eingetragenen Marken am Wortende steht (beispielsweise Index; Reflex; Kodex; konvex), führt nicht dazu, dass den festgestellten Übereinstimmungen am [X.]nde der Zeichen dadurch ein deutlich geringeres Gewicht zukommt. Denn zum einen besteht die Übereinstimmung der insgesamt sechs Buchstaben umfassenden Zeichenwörter nicht allein in der genannten [X.] „[X.]X“, zum anderen neigen die angesprochenen Verkehrskreise nicht zu einer zergliedernden Betrachtungsweise und zudem hat die Buchstabenfolge „ex“ am [X.]nde eines Wortes, anders als dies am Wortanfang der Fall sein mag, jedenfalls nicht die Bedeutung von „etwas beseitigen, entfernen“ (anders als etwa bei der Verwendung am Wortanfang bei Begriffen wie [X.]xtrahieren, exorzieren; [X.]xtemporale).

Im Hinblick auf die festgestellte Identität bzw. hochgradige und durchschnittliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren, die durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und die hochgradige klangliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Wortzeichen [X.] und V[X.]R[X.] ist eine [X.] zu bejahen. Daher ist die angegriffene Marke [X.] im Umfang des erhobenen Widerspruchs zu löschen, sodass der angefochtene Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben war.

2. Da die Beschwerde im Hinblick auf die [X.] 007 195 464 V[X.]R[X.] im Umfang des erhobenen Widerspruchs bereits [X.]rfolg hat, ist der nach der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Rücknahme gegen die angegriffenen Waren der Klasse 3 „Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; [X.]chleifmittel“ und der Waren der Klasse 5 „Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide“ nunmehr im gleichen Umfang erhobene Widerspruch bzw. die Beschwerde aus der weiteren Widerspruchsmarke 398 44 942 [X.] derzeit gegenstandslos. Mit dem [X.]intritt der Rechtskraft der im Hinblick auf den Widerspruch aus der Unionsmarke V[X.]R[X.] ausgesprochenen Löschung der angegriffenen Marke wird der Widerspruch aus der Marke [X.] endgültig gegenstandslos werden.

3. Zur Auferlegung von Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] besteht bei der vorliegenden [X.]achlage keine Veranlassung.

Meta

25 W (pat) 12/16

11.01.2018

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.01.2018, Az. 25 W (pat) 12/16 (REWIS RS 2018, 15772)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15772

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Referenzen
Wird zitiert von

29 W (pat) 567/19

29 W (pat) 37/17

27 W (pat) 14/17

26 W (pat) 41/19

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