Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2001, Az. 5 StR 474/00

5. Strafsenat | REWIS RS 2001, 3616

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Nachschlagewerk: ja[X.]St : [X.] : jaStGB §§ 34, 35, 59BtMG 1981 § 30 Abs. 1 Nr. 31. Die Einfuhr und die Überlassung eines Betäubungsmittels sind nicht [X.] gerechtfertigt oder entschuldigt, daß der Täter einem unheilbarschwerstkranken [X.], dem er nicht persönlichnahesteht, zu einem freien Suizid verhelfen will.2. Das Überlassen eines Betäubungsmittels zum freien Suizid an einenunheilbar Schwerstkranken, der kein Betäubungsmittelkonsument ist,erfüllt nicht den Tatbestand der Betäubungsmittelüberlassung mit [X.] gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG.3. Im besonderen Einzelfall kann sich das Ermessen des Tatrichters derartverengen, daß allein eine Verwarnung mit Strafvorbehalt in [X.], so daß das Revisionsgericht auf diese Sanktion erkennen kann.Eine rechtskräftig verhängte Geldstrafe kann gemäß § 55 StGB in eineVerwarnung mit Strafvorbehalt einbezogen werden.[X.], Urt. v. 7. Februar 2001 - 5 StR 474/00 [X.] -BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES [X.]/00URTEILvom 7. Februar 2001in der Strafsachegegenwegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln u. [X.] 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Hauptverhand-lung vom 6. und 7. Februar 2001, an der teilgenommen haben:Vorsitzende [X.]in [X.],[X.],[X.],[X.] Dr. Raum,[X.] [X.] beisitzende [X.],[X.]in am [X.] Vertreterin der [X.],Rechtsanwaltals Verteidiger,[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 - am 7. Februar 2001 für Recht erkannt:Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwalt-schaft wird das Urteil des [X.] vom 21. [X.] im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, daßder Angeklagte unter Einbeziehung der Einzelstrafen ausdem Strafbefehl des [X.] vom 15. Okto-ber 1998, dessen [X.] entfällt, und un-ter Einbeziehung der Verwarnung mit Strafvorbehalt aus demUrteil des [X.] vom 27. Oktober 1998verwarnt wird und die Verurteilung zu einer Gesamtgeld-strafe von 70 Tagessätzen zu je 120,- DM vorbehalten bleibt.Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.[X.] hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen. Jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt. [X.] trägt die dem Angeklagten durch sein [X.] entstandenen notwendigen Auslagen und die hierdurchentstandenen gerichtlichen Auslagen je zur Hälfte.Die Staatskasse hat die Kosten der Revision der Staatsan-waltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenennotwendigen Auslagen zu tragen.[X.] Von Rechts wegen [X.]- 4 -G r ü n d eDas [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr [X.] in Tateinheit mit unerlaubtem Überlassen von [X.]n zum unmittelbaren Verbrauch unter Einbeziehung der [X.] aus zwei früheren Verurteilungen, nämlich zweier Einzelgeldstrafen undeiner Verwarnung mit Strafvorbehalt, zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Ta-gessätzen zu je 120,- DM verurteilt. Die früheren Verurteilungen betrafenTaten, die der vorliegenden Tat ähnlich waren. Jeweils allein auf die Sachrü-ge gestützt, begehrt der Angeklagte mit seiner Revision einen Freispruch,während die Staatsanwaltschaft mit ihrem vom [X.] ver-tretenen Rechtsmittel einen Schuldspruch auch wegen Überlassens von [X.] mit leichtfertiger Todesverursachung nach § 30 Abs. 1Nr. 3 BtMG erstrebt. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.Sie führt zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) wie dessen eigene Revi-sion zu einer Änderung des Rechtsfolgenausspruchs, nämlich zum [X.] einer Verwarnung mit Strafvorbehalt. Im übrigen bleibt auch die Revi-sion des Angeklagten ohne Erfolg.Der jetzt 83jährige Angeklagte, [X.] Staatsbürger, ist [X.] Psychologe. Er war bis zum Jahre 1986 als [X.] Gemeinde-pfarrer sowie zwischenzeitlich zwölf Jahre lang als Leiter einer —Entgiftungs-stellefi in [X.] tätig. Seit langem beschäftigt sich der Angeklagte aktiv mitdem Problembereich —Sterbehilfe und Sterbebegleitungfi. Auslösend hierfürwar der Krebstod seines besten Freundes, dessen unmittelbar miterlebter,über mehrere Monate andauernder qualvoller Sterbeprozeß den [X.] führte, daß man [X.] nach seinen eigenen Worten [X.] —sol-chen Menschen einfach helfen muß, wenn sie sterben wollenfi. Von diesemWunsch geleitet, gründete der Angeklagte im Jahr 1982 die [X.]—[X.]fi als deren Generalsekretär erseitdem ehrenamtlich fungiert. In den Statuten dieser Vereinigung heißt [X.]. a.: —1. Die Vereinigung setzt sich in Wort und Schrift für das [X.] 5 -mungsrecht aller Menschen über ihre G[X.]ndheit und ihr Leben, also für die‡Therapie-Hoheit des Patienten h. für die staatliche Anerkennung [X.] selbstbestimmten menschenwürdigen Sterbens. 2. Darüber hinausbesteht der Vereinszweck darin, seinen Mitgliedern, die unter [X.] oder unzumutbarer Behinderung leiden, im selbstbestimmten Ster-ben beizustehen. 3. Unter der Voraussetzung, daß sich alle [X.] haben, welche aus Sicht des Betroffenen ein lebenswertes Lebenerlauben würden, leisten Beauftragte der [X.], [X.] ein ärztliches Zeugnis die hoffnungslose Krankheit oder die unzumutbareBehinderung bezeugen muß und Angehörige resp. Bezugspersonen [X.] des Betroffenen zustimmen. 4. Um jede Form des Mißbrauchs zuverhindern, gibt die Vereinigung keinerlei Freitod-Anleitungen oder-Medikamente ohne Assistenz ab.fi Über die Funktion des [X.] hinaus übernahm der Angeklagte auch die Aufgaben eines—Freitodbegleitersfi. Nach eigenen Angaben ist er inzwischen in über300 Fällen entsprechend tätig geworden. Für sein Tätigwerden verlangt erkein Entgelt, sondern lediglich die Vorauserstattung seiner Reisekosten. [X.] Tätigkeit als —[X.] verwendete der Angeklagte regelmäßig([X.]. Dieses Mittel ist seit dem Jahr 1981 [X.] mit im Detailunterschiedlichen Einzelregelungen [X.] verkehrsfähiges und verschreibungs-fähiges Betäubungsmittel nach Anlage [X.] zu § 1 Abs. 1 BtMG. Es handeltsich um ein hochwirksames und sehr schnell anflutendes [X.], dasnormalerweise bei einer Dosierung von bis zu 100 mg als Schlafmittel, imübrigen zur Behandlung von Angst- oder Erregungszuständen zum [X.]. In hoher Dosierung führt dieses Mittel jedoch zu einem sicheren, vomEinnehmenden allerdings schon nicht mehr wahrgenommen Tod. [X.] im Falle einer Überdosierung zunächst [X.] vergleichbar einer Narkose [X.]eine Ausschaltung des Bewußtseins und erst danach eine tödliche Atemläh-mung ein, wobei im Regelfall 3 g des Mittels die für einen Erwachsenen tödli-che Dosis darstellen. Die minimale letale Dosis beträgt etwa 1 g. [X.] der Angeklagte das Mittel als —geradezu ideal geeignetfi zur Herbeifüh-rung eines —sanftenfi Todes ein, insbesondere im Vergleich zum Zyankali,- 6 -welches beim Einnehmenden zwar ebenfalls schnell zum Tode führt, aberzuvor noch bei Bewußtsein des Sterbenden schwere krampfartige Schmer-zen auslöst.Die verstorbene Frau [X.] , die lange Zeit als Ärztin tätig [X.] war, litt an Multipler Sklerose. Nach progredientem Verlauf der [X.] von 1982 bis 1998 war Frau [X.] schließlich weitestgehendbewegungsunfähig. Sie verbrachte die Tage in ihrem Haus in [X.] größ-tenteils in Rückenlage. Sie war wegen einer Sehschwäche auf eine Leselupeangewiesen, die sie infolge ihrer nachlassenden Kräfte nur über einen sehrkurzen Zeitraum halten konnte, so daß ihr die Lektüre längerer Texte nichtmehr möglich war. Ein [X.] unternommener Selbsttötungsversuchscheiterte am Einschreiten ihres Ehemannes. In monatelangen [X.] Frau [X.] ihren Ehemann, daß er sie —gehen lassenfimüsse. Sie wandte sich an die [X.]fi mit [X.] nach einer —Sterbebegleitungfi und übersandte dem Angeklagten [X.] Gutachten, in dem der Verlauf ihrer Krankheit beschrieben undderen Unheilbarkeit bestätigt war. Bei einem B[X.]ch verschaffte sich der [X.] im persönlichen Gespräch mit der Verstorbenen und ihrem [X.] die Überzeugung, daß diese im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte warund ihr Todeswunsch ernsthaft und nicht Folge eines auch nur entfernt [X.] äußeren Drängens war. Nach alledem faßte der Angeklagte [X.], die gewünschte —Sterbebegleitungfi zu gewähren, nämlich in [X.] 10 g [X.] zu beschaffen, diese in die [X.] einzuführen und hier der Verstorbenen zur entsprechen-den Verfügung zu stellen. Dabei ging er davon aus, daß aufgrund der hohenDosis und der schnellen Anflutung des Mittels schon ab dem Eintritt einerBewußtlosigkeit für die Verstorbene keine Rettungsmöglichkeit mehr beste-hen werde. Er nahm an, daß sein Verhalten nach [X.] Recht nichtstrafbar sei. Dabei ging er von der Straflosigkeit der Teilnahme an einerSelbsttötung aus. Er wußte nicht, daß Pentobarbital dem [X.] [X.]recht unterliegt. Entsprechende Erkundigungen unternahm er- 7 -nicht. In die [X.] zurückgekehrt, übergab der Angeklagte einem —Ver-trauensarztfi der —[X.] fi das von der Verstorbenen überlasseneGutachten zur Prüfung, ob eine im Sinn der Statuten der [X.] Krankheit vorliege. Darauf stellte dieser das erforderliche Rezeptaus, mit dem der Angeklagte in einer [X.] Apotheke 10 g [X.] in Pulverform erwarb. Am 20. April 1998 reiste der [X.] dem genannten Betäubungsmittel aus der [X.] in die [X.] ein. Im [X.]versicherte der [X.] im Beisein ihres Ehemannes davon, daß Frau [X.] in vollemBesitz ihrer geistigen Kräfte war und ihr Todeswunsch nach wie vor bestand.Sie füllte eine formularmäßig vorbereitete —[X.] aus. In Abwe-senheit des Ehemannes löste der Angeklagte die 10 g [X.]in einem Glas Wasser auf und reichte dies der Frau [X.]zur soforterfolgten Einnahme. Infolge der schnell eintretenden Wirkung des Mittelswurde Frau [X.]nach drei Minuten bewußtlos. Bereits zu diesemZeitpunkt wären alsdann eingeleitete Rettungsversuche, namentlich ein Aus-pumpen des Magens, erfolglos verlaufen, da wegen der schnellen Anflutungbereits ein tödliche Konzentration des Mittels im Blut der Verstorbenen [X.] war, wovon auch der Angeklagte ausging. Der Tod trat binnen dernächsten halben Stunde ein.[X.] sachlichrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils decktbetreffend den Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Ange-klagten auf.1. [X.] hat Betäubungsmittel (gemäß Anlage [X.] zu § 1Abs. 1 BtMG) nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG eingeführt und nachNr. 6 lit. b aaO zum unmittelbaren Verbrauch überlassen. Ein Fall der ärztli-chen Verabreichung oder Überlassung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG liegtnicht vor.- 8 -2. Demgegenüber ergibt sich [X.] entgegen der Ansicht der Revision [X.] [X.] weder aus dem Prinzip der Menschenwürde (Art. 1Abs. 1 GG) noch aus dem Gesichtspunkt der Straflosigkeit der Hilfe [X.] oder aus der jüngsten Rechtsentwicklung des [X.] und Sterbebegleitungfi eine Einschränkung des [X.] des Betäubungsmittelgesetzes; auch eine Rechtfertigung oder Ent-schuldigung allgemeiner Art kann so hier nicht begründet werden.a) Allerdings ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] und der einhelligen Lehre die [X.] theoretisch gegebene [X.] Teilnahmean der Selbsttötung eines vollverantwortlich Handelnden mangels einerHaupttat straflos ([X.]/[X.], StGB 50. Aufl. vor § 211 [X.]. 10 m.N. derRspr. und des Schrifttums). Ein solcher Fall liegt hier vor. Frau [X.]nahm sich, wie die vom [X.] umfassend festgestellten [X.], in voller Selbstverantwortlichkeit das Leben. [X.] half [X.]. Die Straflosigkeit seines Verhaltens unter dem vorstehend genann-ten Aspekt beschränkt sich jedoch auf eben diesen und erstreckt sich [X.] auf das vom Angeklagten begangene [X.], mit demandere Rechtsgüter gefährdet wurden. Der Verordnungsgeber hat mit [X.], Pentobarbital in die Liste der Betäubungsmittel gemäß § 1Abs. 1 BtMG aufzunehmen, dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, daß einUmgang mit diesem Betäubungsmittel für die Volksg[X.]ndheit grundsätzlichgefährlich ist.b) Zudem ist in der rechtswissenschaftlichen und [X.] des Problemkreises —Sterbehilfe und Sterbebegleitungfi in [X.] eine Entwicklung in zweierlei Richtungen zu verzeichnen. Zum einenwird dem Gesichtspunkt der Patientenautonomie ständig zunehmende Be-deutung beigemessen (vgl. [X.], Gutachten für den 63. [X.]; [X.], Gutachten für den 56. [X.] 1986; je-weils m.N., und die Sitzungsberichte der jeweiligen Tagungen des [X.]). Zum anderen ist die sog. —indirekte Sterbehilfefi nach [X.] des [X.] ([X.]St 42, 301, 305; vgl. auch[X.]St 37, 376; 40, 257) und einem nahezu einhelligen Grundkonsens [X.] zulässig ([X.] NStZ 1994, 110, 114 f. m.N.). Dabei wird unterindirekter Sterbehilfe verstanden, daß die ärztlich gebotene [X.] beim tödlich Kranken nicht dadurch unzulässig wird, daß [X.] unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt be-schleunigen kann. Soweit eine solche Medikation den Tatbestand eines [X.] durch bedingt vorsätzliche Verursachung eines früheren Todesverwirklicht, ist das Handeln des Arztes nach § 34 StGB gerechtfertigt, [X.] nicht [X.] ausnahmsweise [X.] dem erklärten oder mutmaßlichen Willen desPatienten widerspricht ([X.] aaO; vgl. auch die demnächst veröffentlichtePodiumsdiskussion —Sterbehilfe [X.] Sterbebegleitungfi anläßlich der 50. Wie-derkehr der Errichtung des [X.] am 4. Mai 2000).c) Weder aus diesen Rechtsgesichtspunkten noch aus sonstigen all-gemeinen [X.] oder Entschuldigungsgründen kann die Straflo-sigkeit des Umgangs des Angeklagten mit dem Betäubungsmittel hergeleitetwerden. [X.] handelte weder als Arzt noch als Angehöriger [X.] oder als sonst persönlich Betroffener, auf dessen Gewissens-entscheidung es ankommen könnte. Er agierte vielmehr als persönlich Un-beteiligter im Rahmen einer moralpolitisch getragenen Bewegung, derenZiele anerkennenswert sein mögen. Sein Handeln war nicht primär [X.] der Schmerzlinderung (unter Inkaufnahme eines früheren Todesein-tritts) getragen. Vielmehr zielte seine Aktivität direkt auf den Tod.Zur Beantwortung der Frage, ob solches Verhalten unter den [X.] des § 34 StGB gerechtfertigt oder unter den Aspekten des§ 35 StGB entschuldigt sein kann, ist von den Grundentscheidungen derRechtsordnung auszugehen. Das Leben eines Menschen steht in der Werte-ordnung des Grundgesetzes [X.] ohne eine zulässige Relativierung [X.] an ober-ster Stelle der zu schützenden Rechtsgüter. Die Rechtsordnung wertet eine- 10 -Selbsttötung deshalb [X.] von äußersten Ausnahmefällen abgesehen [X.] alsrechtswidrig ([X.]St 6, 147, 153), stellt die Selbsttötung und die Teilnahmehieran lediglich straflos.Dieser grundsätzliche Vorrang des Lebensschutzes ist zu beachten,wenn wie hier in eine Abwägung ein auch in Art. 1 Abs. 1 GG angelegtesRecht des Einzelnen auf ein Sterben unter —menschenwürdigenfi Bedingun-gen einzustellen ist. Dabei muß auch die Grundentscheidung berücksichtigtwerden, die aus der Vorschrift des § 216 StGB spricht, wonach die Tötungauf Verlangen des Getöteten lediglich eine Strafmilderung gegenüber [X.] auslöst. Dies zeigt an, daß die Rechtsordnung die Mitwirkung ei-nes anderen am Freitod eines Menschen grundsätzlich mißbilligt.Es kann dahingestellt bleiben, ob Besonderheiten namentlich etwa [X.] Handeln naher Angehöriger eines Sterbewilligen gelten können. Für Au-ßenstehende wie hier den Angeklagten, der im Rahmen einer Organisationohne persönliches Näheverhältnis handelte, kann eine Abwägung der ge-nannten Art grundsätzlich nicht zur Straflosigkeit des Umgangs mit [X.]n führen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem moralpo-litischen Engagement des Angeklagten.3. Das [X.] hat angenommen, daß dem Angeklagten die [X.] seines Tuns unter dem Gesichtspunkt des [X.] [X.]rechts nicht bekannt war, daß der Angeklagte diesen Verbotsirr-tum jedoch hätte vermeiden können; es hat demzufolge die Vorschrift des§ 17 Satz 1 StGB für nicht anwendbar erachtet. Auch dies birgt keinenRechtsfehler zum Nachteil des [X.]) Das Pentobarbital ist seit dem Jahr 1981 in der [X.] als Betäubungsmittel in Anlage [X.] zu § 1 Abs. 1 BtMG erfaßt.Die Einzelheiten unterlagen mehreren Änderungen: Mit dem [X.] vom 28. Juli 1981 ([X.], 700)- 11 -wurde das Pentobarbital in die Anlage [X.] B aufgenommen. [X.], die ohne ein anderes Betäubungsmittel (außerCodein) —je abgeteilte Form bis 110 mg Pentobarbital enthaltenfi; damit warennamentlich Tabletten mit geringer Dosierung gemeint; von dieser [X.] jedoch die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften über die Einfuhr(und andere Handlungsformen) wiederum ausgenommen. Durch die [X.] vom 23. Dezember 1992(BGBl I 2483, 2485) erhielt die Position Pentobarbital in der Anlage [X.] B fol-gende Fassung: —ausgenommen in Zubereitungen, die [X.] ein weiteresBetäubungsmittel —je abgeteilte Form bis zu 100 mg Pentobarbital, berechnetals Säure, enthaltenfi; die Ausnahme von der Ausnahme betreffend die [X.] entfiel also. Aufgrund der Zehnten Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 20. Januar 1998 ([X.], 79), in [X.] seit [X.] Februar 1998, ist das Pentobarbital ohne jede Einschränkung in der [X.] nicht mehr untergliederten Anlage [X.] enthalten. Damit ist insbesonderedie Ausnahme für Zubereitungen mit bis zu 100 mg Pentobarbital je abge-teilter Form entfallen.b) Auch in der [X.] unterfällt das Pentobarbital dem Betäubungs-mittelrecht. Das Mittel ist im —Verzeichnis aller [X.] (Anhang azu Art. 1 Abs. 1 bis 3 Betäubungsmittelgesetz), allerdings auch im —[X.] der von der Kontrolle teilweise ausgenommenen [X.] ([X.]) enthalten (Verordnung des Bundesamtes für G[X.]ndheit überdie Betäubungsmittel und psychotropen Stoffe vom 12. Dezember 1996).c) Die Einfuhr und die Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch vonPentobarbital in der hier vorliegenden Dosis von 10 g sind mithin seit demJahr 1981 in der [X.] strafbar. Die oben genanntendifferenzierten Regelungen betreffend abgeteilte Formen mit geringer Dosie-rung des Mittels kannte der Angeklagte nicht. Jedes Argument seiner [X.] aus dieser Rechtsentwicklung muß daher im Rahmen der Prüfung derVermeidbarkeit des [X.] versagen. Das verwendete Mittel unter-- 12 -fällt auch dem Betäubungsmittelrecht der [X.]. Es kommt folgendes hin-zu: Wie der Angeklagte wußte, kam es aufgrund der etwas —liberalerenfi Re-gelung des Umgangs mit Pentobarbital in der [X.], scil. wegen —strenge-rerfi Rechtslage außerhalb der [X.], zu einem —[X.] in die [X.]. In [X.] wurde der Angeklagte in [X.] Fällen in gleicher Weise —geradezu routiniertfi tätig ([X.] f., 22). Er [X.] mit einem in der jeweiligen Dosierung tödlichen Stoff um. Nach alle-dem hat das [X.] rechtsfehlerfrei eine Rechtserkundigungspflicht [X.] angenommen und den Verbotsirrtum des Angeklagten als ver-meidbar erachtet.[X.] angefochtene Urteil ist nicht mit einem sachlichrechtlichen Fehlerzugunsten des Angeklagten behaftet.1. Insbesondere bleibt die einzige ausdrückliche Beanstandung [X.], der Angeklagte sei zu Unrecht nicht auch wegen Über-lassung von Betäubungsmitteln mit leichtfertiger Todesverursachung nach§ 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG verurteilt worden, ohne Erfolg. Das [X.] hataus dem —Prinzip der Eigenverantwortlichkeitfi eine —teleologische Reduktiondes Tatbestandesfi hergeleitet und deshalb die genannte Vorschrift für nichtanwendbar erachtet. Diese Beurteilung ist zutreffend.a) Allerdings hat der Angeklagte der Frau [X.] das [X.] zum unmittelbaren Verbrauch überlassen und dadurch eine Ur-sache für deren Tod gesetzt. Der Kausalzusammenhang wurde nicht [X.] unterbrochen, daß die Empfängerin des Betäubungsmittels sich diesesMittel selbst verabreichte ([X.] NStZ 1983, 72; [X.], Urteil vom 3. Juni 1980[X.] 1 StR 20/80 [X.], bei [X.] 1980, 985). Ihr Tod war auch vom [X.] Angeklagten umfaßt. Jedenfalls in anderen Regelungszusammenhängenfindet der Gedanke Verwendung, daß Vorsatz die Fahrlässigkeit und die- 13 -Leichtfertigkeit als mindere Verschuldensformen einschließt (vgl. [X.]St 39,100; [X.]/[X.], StGB 50. Aufl. § 18 [X.]. 5).b) Indes gelten für den hier vorliegenden Fall des Freitodes des [X.] besondere [X.]) Es greift der Grundsatz der Selbstverantwortung des sich selbsteigenverantwortlich gefährdenden Tatopfers ein. Danach ist von [X.]) Die eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte Selbstgefähr-dung unterfällt grundsätzlich nicht den Tatbeständen eines [X.] oder Tötungsdelikts, wenn das mit der Gefährdung vom Opfer bewußteingegangene Risiko sich realisiert. Wer lediglich eine solche Gefährdungveranlaßt, ermöglicht oder fördert, macht sich danach nicht wegen einesKörperverletzungs- oder Tötungsdelikts strafbar (st. Rspr. des [X.] seit [X.]St 32, 262; siehe auch [X.]St 37, 179; 39, 322, 324;[X.] NStZ 1985, 319 [X.] insowiet in [X.]St 33, 66 nicht abgedruckt [X.] m. Anm.[X.]; [X.] NStZ; 1987, 406; 1992, 489; [X.] NJW 2000, 2286). Dabei hatder [X.] darauf abgestellt, daß derjenige, der sich an [X.] der eigenverantwortlich gewollten und bewirkten Selbstgefährdung betei-ligt, an einem Geschehen teilnimmt, welches [X.] soweit es um die Strafbarkeitwegen Tötung oder Körperverletzung geht [X.] kein tatbestandsmäßiger [X.] kein strafbarer Vorgang ist ([X.]St 32, 262, 265). Das [X.] die Tötung oder Verletzung eines anderen mit Strafe. Die [X.] sich [X.] wegen Körperverletzung oder Tötung beginnt erstdort, wo dieser [X.] überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfaßt alsder sich selbst [X.]) Allerdings kann dieser Grundsatz nicht ohne weiteres auf das Be-täubungsmittelrecht übertragen werden ([X.]St 37, 179). Das durch die [X.] Strafvorschriften geschützte Rechtsgut ist nicht nur- 14 -die G[X.]ndheit des Einzelnen, sondern auch die Volksg[X.]ndheit. Dies[X.]niversale Rechtsgut steht dem Einzelnen nicht zur Disposition (Fran-ke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 30 [X.]. 35; [X.], BtMG § 30 [X.]. 125 f.).bb) Das Merkmal der Leichtfertigkeit im Sinne des § 30 Abs. 1Nr. 3 BtMG wird durch den [X.] dahin interpretiert, daß leicht-fertig handelt, wer die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs des Geschehens—aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeitfi außeracht läßt ([X.]St 33, 66, 67). Solches ist bei der hiesigen besonderen Fall-gestaltung, in der die Empfängerin des Betäubungsmittels in jeder Hinsichtselbstverantwortlich handelte, nicht gegeben (vgl. [X.] NJW 2000, 2286).Insoweit erfaßt der Vorwurf der Leichtfertigkeit [X.] ausnahmsweise [X.] nicht —erstrechtfi auch vorsätzliches [X.]) Auch die Entstehungsgeschichte der vorgenannten Vorschriftspricht für eine restriktive Interpretation der Art, daß das Überlassen einesBetäubungsmittels zum Zweck des in jeder Hinsicht freien Suizids des [X.] den Qualifikationstatbestand nicht erfüllt. Hintergrund und auslösen-der Umstand für die Schaffung der [X.] war —die rasch an-steigende Zahl von Todesfällen als Folge von [X.]. 8/3551 [X.]). Damit waren die Todesfälle von Betäubungsmit-telabhängigen und gelegentlichen Betäubungsmittelkonsumenten gemeint.Als besonders strafwürdig wurde die Tatsache gewertet, daß die [X.] auf ein Handeln zurückgeht, das in Kenntnis der großen Gefähr-lichkeit des Tuns —unter Hintanstellung aller Bedenkenfi erfolgt (Endriß/[X.],Betäubungsmittelstrafrecht 2. Aufl. [X.]. 464; Hügel/Junge, [X.]. § 30 [X.]. 4.1). An einen demgegenüber ganzund gar untypischen Fall wie den vorliegenden hat der Gesetzgeber ebensowenig gedacht, wie dies danach die Kommentatoren getan haben.dd) Zudem spiegelt der Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG von zweibis 15 Jahren Freiheitsstrafe [X.] selbst eingedenk des Ausnahmestrafrahmens- 15 -von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe für minder schwere Fälle(§ 30 Abs. 2 BtMG) [X.] eine vom Gesetzgeber ins Auge gefaßte [X.], hinter der Fälle der vorliegenden Art von vornherein weit zurück-bleiben. Auch dies indiziert eine restriktive Auslegung der Vorschrift im vor-stehenden Sinn.2. Schließlich birgt das Urteil auch sonst keinen sachlichrechtlichenFehler zugunsten des Angeklagten.Insbesondere folgt im Ergebnis keine strafrechtliche Haftung des [X.]n aus Tötungsdelikten [X.] begangen durch Unterlassen [X.] daraus, daßer als Lieferant des tödlichen Betäubungsmittels unter dem [X.] vorausgegangenen rechtswidrigen gefährdenden Tuns grundsätzlichLebensgarant sein konnte (vgl. [X.] in [X.]. § 222 [X.]. 11 [X.] und [X.]. 21 sub Selbstgefährdung m.N.; Hügel/Junge,aaO § 30 [X.]. 4.4). Eine Verantwortlichkeit des Angeklagten unter diesemGesichtspunkt würde jedenfalls voraussetzen, daß in dem Zeitpunkt, alsFrau [X.]durch den Eintritt ihrer Bewußtlosigkeit die Kontrolle überdas Geschehen verlor, noch eine Möglichkeit zur Rettung ihres Lebens [X.] (vgl. [X.] NStZ 1984, 452 m. Anm. [X.], 57; [X.]NStZ 1985, 319, 320; [X.] NStZ 1987, 406). Hierzu hat das [X.]festgestellt, daß in dem Zeitpunkt, als Frau [X.]bewußtlos wurde,etwaige Rettungsversuche [X.] wegen der bereits eingetretenen gravierendenWirkung des Mittels [X.] gescheitert wären. Davon ging nach den [X.] auch der Angeklagte aus, so daß selbst ein versuchtes ([X.] ausscheidet. Schließlich kommt danach auch eine [X.] Hilfeleistung nach § 323c StGB nicht in Betracht (vgl. [X.] NStZ 1983,117, 118).- 16 -[X.].Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Es ist allein eine Verwarnungmit Strafvorbehalt nach § 59 StGB auszusprechen.Allerdings hat die genannte Vorschrift Ausnahmecharakter ([X.]in [X.]. § 59 [X.]. 1; [X.]/[X.], StGB 23. Aufl. § 59 [X.]. 1; [X.]/[X.], StGB 25. Aufl. § 59 [X.]. 1). Zudem ist durch die Ver-wendung des Wortes —kannfi auf der Rechtsfolgenseite der Ermessenscha-rakter der Regelung in besonderer Weise hervorgehoben (vgl. [X.] aaO [X.]. 17 f.). Indes kann sich aufgrund der Besonderheiten [X.] das Ermessen des Tatgerichts derart verengen, daß allein eineVerwarnung mit Strafvorbehalt in Betracht kommen kann. In einem solchenFall kann auch das Revisionsgericht auf die besondere Sanktion nach § 59StGB erkennen ([X.], 109; [X.] in SK [X.] StGB 27. Lfg. § 59[X.]. 14; ähnlich [X.]/[X.] aaO [X.]. 10; [X.] aaO [X.]. 16; a.A. [X.] aaO [X.]. 18; zweifelnd [X.]/[X.], StGB 50. Aufl. § 59 [X.]. 2).So liegt es hier. [X.] ging mit dem Betäubungsmittel in altruisti-scher Weise unter relativ geringer Gefährdung Unbeteiligter in der Absichtum, der in schwerster Weise unheilbar kranken Empfängerin zu einem in je-der Hinsicht freien Suizid zu verhelfen, was seinem humanen Engagemententsprang.Der Senat verwarnt deshalb wegen der hier abzuurteilenden Tat [X.] und behält die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 [X.] zu je 120,- DM (nämlich der vom [X.] verhängten [X.]) vor. Ferner erkennt der Senat unter Einbeziehung der im hiesigenUrteilstenor genannten Sanktionen auf eine Verwarnung als Gesamtsanktion,wobei die Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu [X.] (also in gleicher Höhe wie vom Tatrichter unbedingt verhängt) vor-behalten [X.] 17 -Im Gesetz (namentlich in § [X.] StGB) ist die Frage nicht eindeutig ge-regelt, ob eine bei einer Verwarnung vorbehaltene Geldstrafe mit einer zuvorunbedingt verhängten Geldstrafe im Wege der Verwarnung als Gesamtsank-tion zusammengeführt werden kann (so [X.] aaO § [X.] [X.]. 4) oder ob [X.] etwa ausgeschlossen ist (so [X.] aaO § [X.] [X.]. 5; [X.]/[X.] aaO § [X.] [X.]. 1). Der Senat behandelt die Frage wegen [X.] zur entsprechenden Regelung bei der Freiheitsstrafe in § 58Abs. 1 StGB trotz des besonderen Charakters der Verwarnung mit Strafvor-behalt im erstgenannten Sinn.Die nach § 268a StPO zu treffende Entscheidung über die Dauer derBewährungszeit bleibt dem [X.] vorbehalten.[X.] Häger BasdorfRaum Brause

Meta

5 StR 474/00

07.02.2001

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2001, Az. 5 StR 474/00 (REWIS RS 2001, 3616)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3616

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 624/99 (Bundesgerichtshof)


4 StR 164/04 (Bundesgerichtshof)


3 C 9/22 (Bundesverwaltungsgericht)

Versagung einer Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung


3 C 8/22 (Bundesverwaltungsgericht)

Versagung einer Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung


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