Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.12.2019, Az. 7 C 28/18

7. Senat | REWIS RS 2019, 144

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anfechtung einer Verlängerungsentscheidung nach § 18 BImSchG


Leitsatz

1. Eine Umweltvereinigung kann eine Verlängerungsentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BImSchG nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG anfechten.

2. Ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung wegen unterbliebener FFH-Verträglichkeitsprüfung rechtswidrig, so schlägt dieser Rechtsmangel auf die Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG durch.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich als anerkannte Umweltvereinigung gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die wesentliche Änderung der von der Beigeladenen betriebenen Hähnchenmastanlage. Die von der Beigeladenen beantragte Erweiterung der genehmigten Anlage von 39 990 Tierplätzen auf eine Kapazität von 173 200 Tierplätzen genehmigte der [X.] mit Bescheid vom 23. April 2013. Darin wurde unter anderem bestimmt, dass die Genehmigung erlischt, wenn die Anlage nicht bis zum 31. Januar 2016 in Betrieb genommen wird.

2

Das Verwaltungsgericht hob den Genehmigungsbescheid mit Urteil vom 25. November 2015 auf und führte zur Begründung aus, der [X.] habe es rechtswidrig unterlassen, für das Vorhaben die vorgeschriebene [X.] durchzuführen. Die Beigeladene bemüht sich gegenwärtig um Nachholung dieser Prüfung.

3

Am 22. Januar 2016 hat die Beigeladene die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens verlängerte der [X.] die Frist für die Inbetriebnahme zunächst bis zum 31. Januar 2018 und mit Bescheid vom 4. Mai 2018 erneut bis zum 31. Januar 2020.

4

Der Kläger hat im Wege der Anschlussberufung beantragt, den [X.] vom 4. Mai 2018 aufzuheben.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des [X.] geändert und festgestellt, dass der Genehmigungsbescheid des [X.]n vom 23. April 2013 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung sowie die Anschlussberufung des [X.] hat es zurückgewiesen. Soweit die Anschlussberufung des [X.] zurückgewiesen worden ist, hat es die Revision zugelassen.

6

Zur Anschlussberufung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: Die Klage gegen den [X.] sei mangels Klagebefugnis unzulässig. Die Verlängerung einer Frist gemäß § 18 Abs. 3 [X.] sei kein zulässiger Gegenstand einer Verbandsklage gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG sei dieses Gesetz unter anderem anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen [X.] im Sinne von § 2 Abs. 6 [X.]. Eine solche stelle der [X.] nicht dar.

7

Die Klage sei auch nicht als Klage gegen die Unterlassung einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG zulässig. Mit dieser Rechtsbehelfsmöglichkeit solle einem möglichen Formenmissbrauch begegnet werden. Ein solcher liege bei dem Erlass eines [X.]s nicht vor. Auch die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG vermittele keine Klagebefugnis. Sie sei nicht einschlägig, weil das maßgebliche Vorhaben bereits von Nummer 1 derselben Vorschrift erfasst werde. Eine Klagebefugnis ergebe sich schließlich auch nicht aus Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der [X.]. Der [X.] sei keine Entscheidung, die in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift falle.

8

Die Revision gegen die Zurückweisung der Anschlussberufung begründet der Kläger wie folgt: Bei der Fristverlängerung handele es sich um eine Zulassungsentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, weil kursorisch das Fortbestehen der Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen sei. Es liege auch der Tatbestand des Unterlassens vor; die rechtswidrige Fristverlängerung erkläre das Vorhaben für rechtmäßig, obwohl hierfür eigentlich eine neue Genehmigung zu beantragen gewesen wäre. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG i.V.m. Art. 9 Abs. 3 der [X.] vor.

9

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des [X.] vom 8. Juni 2018 aufzuheben, soweit es die Anschlussberufung des [X.] zurückgewiesen hat, und den Bescheid des Landesverwaltungsamts vom 4. Mai 2018 aufzuheben.

Der [X.] und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Die Beigeladene führt ergänzend aus, dem Kläger komme schon kein Rechtsschutzbedürfnis zu. Mit der Anfechtung der Verlängerungsentscheidung könne er sein eigentliches Ziel der Aufhebung des Genehmigungsbescheids nicht erreichen. Der [X.] sei auch rechtmäßig ergangen. Durch die Verlängerung werde der Schutzzweck des § 1 [X.] nicht gefährdet. [X.] sei es insoweit, dass die [X.] unterblieben sei. Im Rahmen des § 18 Abs. 3 [X.] sei gerade keine Vollprüfung durchzuführen; nach Durchführung des Ergänzungsverfahrens werde eine rechtmäßige Entscheidung vorliegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des [X.] verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

A. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen fehlt dem Kläger nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Annahme des Berufungsgerichts, eine Umweltvereinigung im Sinne des § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG - verfüge nicht über die Klagebefugnis, Verlängerungsentscheidungen gemäß § 18 Abs. 3 [X.] - BImSchG - anzufechten, verstößt jedoch gegen Bundesrecht. Die Klagebefugnis ergibt sich zwar nicht aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG. Sie folgt aber aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.

1. Dem Kläger kommt ein Rechtsschutzbedürfnis im Hinblick auf die Verlängerungsentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BImSchG zu, obwohl sein eigentliches Ziel die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung gemäß § 16 Abs. 1 BImSchG ist. Dadurch, dass das Oberverwaltungsgericht diese in seinem Urteil nicht aufgehoben, sondern in Anwendung des § 7 Abs. 5 UmwRG lediglich für rechtswidrig und nichtvollziehbar erklärt hat, existiert die Genehmigung weiter und bedarf der Verlängerung ihres [X.] bis zum Abschluss des ergänzenden Verfahrens und des Beginns der Errichtung der Anlage. Sollte die Anfechtung der Verlängerungsentscheidung zu deren Aufhebung führen, hätte das in Ermangelung einer rechtswirksamen Verlängerung das Erlöschen der Genehmigungsentscheidung zur Folge. Der Kläger hätte sein eigentliches Ziel damit erreicht.

2. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG liegen nicht vor. Gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG kann eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen unter dort weiter aufgestellten Voraussetzungen einlegen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG gehören hierzu Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - [X.] - über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann.

a) Die Verlängerungsentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BImSchG ist keine Zulassungsentscheidung im Sinne von § 2 Abs. 6 [X.]. Nach § 2 Abs. 6 [X.] sind Zulassungsentscheidungen in diesem Sinne nur Entscheidungen, durch die abschließend über die formellen und materiellen Zulassungsvoraussetzungen eines Vorhabens entschieden wird. § 2 Abs. 6 [X.] nennt in seiner Nummer 1 die Bewilligung, die Erlaubnis, die Genehmigung, der Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, einschließlich des Vorbescheids, der Teilgenehmigung und anderer Teilzulassungen mit Ausnahme von Anzeigeverfahren. Bei der Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG handelt es sich nicht um eine Entscheidung, die die Zulassung eines Vorhabens zum Gegenstand hat. Die Verlängerungsentscheidung modifiziert lediglich eine Nebenbestimmung der Zulassungsentscheidung, nämlich deren Befristung.

Die Verlängerungsentscheidung wird auch nicht dadurch zur Zulassungsentscheidung, dass sie - neben einem wichtigen Grund - voraussetzt, dass durch sie der Zweck des [X.]es nicht gefährdet wird. Um dies festzustellen, sind zwar kursorisch auch die Zulassungsvoraussetzungen zu prüfen. Die Prüfung hat nicht in derselben Weise zu erfolgen wie die Prüfung des eigentlichen [X.]. Sie soll u.a. ermöglichen, das unveränderte Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen im Lichte zwischenzeitlicher Entwicklungen zu bewerten (BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2017 - 4 [X.] 7.16 - [X.] 406.25 § 67 BImSchG Nr. 10 Rn. 23). Die Annahme einer Gefährdung des Gesetzeszwecks ist gerechtfertigt, wenn hinreichend objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Inbetriebnahme der Anlage der gebotene Standard an Gefahrenabwehr und Vorsorge zu Gunsten der in § 1 BImSchG genannten Schutzgüter unterschritten würde (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 7 [X.] 2.10 - [X.] 406.25 § 15 BImSchG Nr. 8 Rn. 17). Gegenstand und Inhalt der Entscheidung bleiben jedoch auf die Verlängerung der Frist gerichtet.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des Senats vom 28. September 2016 - 7 [X.] 1.15 - ([X.] 406.254 UmwRG Nr. 21 Rn. 29), in welchem der Senat darauf abgestellt hatte, dass die dort streitgegenständliche nachträgliche Nebenbestimmung weder eine Zulassungswirkung noch wenigstens Elemente einer Zulassungsentscheidung enthalte. Das lässt nicht den Umkehrschluss zu, dass eine behördliche Entscheidung bereits dadurch zu einer Zulassungsentscheidung wird, dass die Voraussetzungen für deren Erlass teilidentisch mit denjenigen einer Zulassungsentscheidung sind. Maßgeblich ist nicht das Prüfprogramm, sondern der Inhalt der Entscheidung, der hier nicht auf die Zulassung eines Vorhabens, sondern auf die Verlängerung einer der bereits getroffenen Zulassungsentscheidung beigefügten Frist gerichtet ist.

b) Bei einer Verlängerungsentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BImSchG besteht auch keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, was eine weitere Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG ist. Die Verlängerungsentscheidung ist nicht in der Liste der UVP-pflichtigen Vorhaben (Anlage 1 zum [X.]) aufgeführt.

c) Schließlich ist eine Verbandsklagebefugnis des Klägers gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) UmwRG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift besteht die Klagebefugnis in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG nur dann, wenn der Kläger in dem Verfahren zur Beteiligung berechtigt war. Dabei ist es hier unerheblich, dass insoweit gegebenenfalls nur eine Beteiligungsberechtigung möglich erscheint. Denn jedenfalls muss objektiv ein tauglicher Gegenstand für eine Beteiligungsberechtigung gegeben sein (BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2013 - 4 [X.] 14.12 - BVerwGE 149, 17 Rn. 8, vom 12. November 2014 - 4 [X.] 34.13 - BVerwGE 150, 294 Rn. 10, vom 2. November 2017 - 7 [X.] 25.15 - [X.] 445.41 § 27 WHG 2010 Nr. 3 Rn. 18 und 26. September 2019 - 7 [X.] 5.18 - juris Rn. 19). Ein solcher fehlt bei der Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG. Die Beteiligungsberechtigung kann sich allenfalls aus der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens ergeben (§ 18 Abs. 1 [X.]). Diese besteht hier gerade nicht (vgl. oben, Rn. 19).

3. Entgegen der Annahme der Revision hat der Beklagte mit der Entscheidung über die Fristverlängerung auch nicht eine Entscheidung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG unterlassen. § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG nennt die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen ein Unterlassen als zweite Alternative neben dem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG. Die Norm greift damit die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auf, nach der das Gesetz auch Anwendung findet, wenn entgegen geltenden Rechtsvorschriften keine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG getroffen worden ist. Diese Norm setzt [X.]. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/[X.] des [X.] und des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten ([X.]) um, welcher den Rechtsweg gegen Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen gewährleistet. [X.]. 11 Abs. 1 der [X.] dient seinerseits der Umsetzung von [X.]. 9 Abs. 2 der [X.] ([X.]), was sich aus der 21. Begründungserwägung zur [X.] ergibt. Durch die Berücksichtigung des Unterlassens soll sichergestellt werden, dass eine Zulassung nicht in einem "falschen" Verfahren getroffen wird, das keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht und somit die zur Beteiligung Berechtigten um ihre Rechte bringt (vgl. [X.]/[X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 128).

Eine (unterstellt) rechtswidrige Verlängerungsentscheidung umgeht nicht in diesem Sinne ein eigentlich vorgesehenes anderes Zulassungsverfahren. Die Verlängerungsentscheidung beschränkt sich - wie dargestellt - auf eine kursorische Prüfung und ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, die Frist, innerhalb derer die Errichtung oder der Betrieb der Anlage aufzunehmen ist, neu zu fassen. Der sich hierin erschöpfende Inhalt entspricht nicht einer unterlassenen Zulassungsentscheidung (a.A. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. April 2016 - 11 S 23.15 - juris Rn. 31; Urteil vom 4. September 2019 - 11 B 24.16 - juris Rn. 30 ff.; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.]/UmwRG, § 1 UmwRG Rn. 30). Insbesondere wird der Kläger hier nicht um die Möglichkeit der Beteiligung gebracht. Eine Beteiligung ist gesetzlich schon gar nicht vorgesehen (vgl. oben, Rn. 20). Im eigentlichen Zulassungsverfahren ist dem Kläger hingegen eine Beteiligung in vollem Umfang möglich gewesen und von diesem auch genutzt worden.

4. Die Verbandsklagebefugnis ergibt sich aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist das [X.] anzuwenden auf Rechtsbehelfe u.a. gegen Verwaltungsakte, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben zugelassen werden.

a) Bei der Verlängerungsentscheidung handelt es sich um einen Verwaltungsakt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2005 - 7 [X.] 25.04 - BVerwGE 124, 156 <162 f.>; Hansmann/[X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, § 18 BImSchG Rn. 38 m.w.N.). Die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG wird hier auch nicht aus Gründen der Subsidiarität gegenüber Nummer 1 derselben Vorschrift ausgeschlossen. Zwar bezieht sich die Verlängerungsentscheidung auf eine immissionsschutzrechtliche Zulassungsentscheidung, welche § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG unterfällt. Sie selbst - die Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG - ist aber keine solche Zulassungsentscheidung (siehe oben, Rn. 16 ff.) und ist eigenständig anhand der Kriterien des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG zu bewerten.

b) Der Begriff des zugelassenen Vorhabens in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist - anders als in Nummer 1 derselben Vorschrift - nicht auf Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 6 [X.] begrenzt. Mit Blick auf die den mitgliedstaatlichen Gerichten obliegende Verpflichtung, das nationale Recht so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von [X.]. 9 Abs. 3 [X.] als auch mit dem Ziel eines effektiven Rechtsschutzes auszulegen ([X.], Urteile vom 8. März 2011 - [X.]-240/09 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2011:125], Slowakischer Braunbär - Rn. 50 und vom 20. Dezember 2017 - [X.]-664/15 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2017:987], Protect - Rn. 45, 55; BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 [X.] 5.18 - Rn. 25), ist § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG in erweiternder Auslegung so zu verstehen, dass er auch Entscheidungen, die - wie die Verlängerungsentscheidungen nach § 18 Abs. 3 BImSchG - nur Elemente einer Zulassungsentscheidung enthalten, erfasst und für diese den Anwendungsbereich des [X.] eröffnet. Dies wird dem [X.] der Norm gerecht, die durch das Gesetz zur Anpassung des [X.] und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorhaben vom 29. Mai 2017 ([X.] 1298) mit dem Ziel eingefügt wurde, [X.]. 9 Abs. 3 [X.] vollständig umzusetzen. Dem waren entsprechende Beanstandungen durch Beschluss der [X.] zur [X.] vom 2. Juli 2014 vorangegangen ([X.]. 18/9526 [X.] ff., 36). Während [X.]. 9 Abs. 2 i.V.m. [X.]. 6 [X.] sich allein auf bestimmte, in Anhang I zur [X.] aufgelistete Tätigkeiten bezieht, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben und die hier nicht von Bedeutung sind, erfasst [X.]. 9 Abs. 3 [X.] sonstige umweltrelevante Projekte, denen eine solche Wirkung nicht zukommt (vgl. Generalanwältin [X.], Schlussanträge vom 12. Oktober 2017 - [X.]-664/15 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2017:987] - Protect, Rn. 38 ff.). Diese [X.] von [X.]. 9 Abs. 3 [X.] spiegelt sich in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG wider.

c) Anders als von der Beigeladenen angenommen stellt [X.]. 9 Abs. 3 [X.] den Umfang des zu gewährenden Zugangs zu Gericht nicht in das Ermessen der Unterzeichnerstaaten. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Die Mitgliedstaaten können danach in gewissem, [X.] achtendem Umfang die Kriterien festlegen, die Mitglieder der Öffentlichkeit erfüllen müssen, um klageberechtigt zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2019 - 7 [X.] 2.18 - juris Rn. 13). Sie können jedoch den Umfang der Klagebefugnis einer Vereinigung, die diese Kriterien erfüllt, nicht weiter einschränken (Epiney/[X.]/[X.]/[X.], [X.], [X.]. 9 Rn. 37, unter Verweis auf A[X.][X.][X.]/[X.]/2008/32 Part II Rn. 52).

d) Mit der Anknüpfung an den Zweck des [X.]es enthält § 18 Abs. 3 BImSchG unmittelbar eine umweltbezogene Bestimmung im Sinne des [X.]. 9 Abs. 3 [X.]. Dies eröffnet den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.

B. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG ist rechtswidrig. Bei der Entscheidung über die Fristverlängerung ist im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Zweckgefährdung kursorisch das Fortbestehen der Genehmigungsvoraussetzungen zu überprüfen. Eine solche Gefährdung des Gesetzeszwecks liegt jedenfalls dann vor, wenn wie hier rechtskräftig feststeht, dass eine gesetzlich vorgeschriebene [X.] unterblieben ist. Dieser Rechtsmangel der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung schlägt auf die Verlängerungsentscheidung durch.

[X.]. Der Senat ist jedoch ungeachtet der Rechtswidrigkeit der Fristverlängerung daran gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden und den [X.] aufzuheben (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Dies folgt aus § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG. Danach führt eine Verletzung materieller Rechtsvorschriften nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b oder 5 UmwRG, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Das gilt auch für die Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG, welche § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG unterfällt (siehe oben, Rn. 25 ff.). § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG regelt die Folgen eines Rechtsverstoßes abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Kann in einem ergänzenden Verfahren ein Rechtsfehler behoben werden, so sieht das Gericht von der Aufhebung des Bescheids ab und stellt nur fest, dass dieser rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. Während dieses Schwebezustands besteht die Möglichkeit, den Fehler im ergänzenden Verfahren zu beheben. Eine solche Feststellung durch das Gericht hat wegen der [X.] des Urteils zur Voraussetzung, dass die Rechtsfehler des angefochtenen Bescheids auf der Grundlage einer umfassenden rechtlichen Prüfung abschließend zu benennen sind (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2018 - 7 [X.] 18.17 - NVwZ 2018, 1734 Rn. 30 f.; Beschluss vom 13. Juni 2019 - 7 B 23.18 - NVwZ 2019, 1611 - Rn. 6).

Die durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit ermöglichte nachträgliche Heilung der Verletzung materieller Rechtsvorschriften kann nur dann erfolgen, wenn gerichtlich bereits festgestellt werden kann, dass alle übrigen Voraussetzungen für den Erlass des angefallenen Bescheids erfüllt sind (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2018 - 7 [X.] 18.17 - NVwZ 2018, 1734 Rn. 30 f.). Eine solche Prüfung ist dem Senat jedoch nicht möglich. Das Berufungsgericht ist bereits von der Unzulässigkeit der Klage ausgegangen und hat entsprechend keine tatsächlichen Feststellungen bezüglich der Verlängerungsentscheidung getroffen, die eine Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit im Übrigen ermöglichten. Die Sache ist deswegen an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

D. Das Oberverwaltungsgericht wird vor einer Sachentscheidung zu prüfen haben, ob es das Verfahren gemäß § 94 VwGO wegen Vorgreiflichkeit aussetzt. Dies wäre sowohl im Hinblick auf die Anhängigkeit eines ergänzenden Verfahrens zur Nachholung der [X.] als auch im Hinblick auf ein sich möglicherweise daran anschließendes Gerichtsverfahren denkbar. Ohne eine solche Aussetzung hätte das Oberverwaltungsgericht die Verlängerungsentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls in Anwendung von § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG deren Rechtswidrigkeit festzustellen, um so die Heilung in einem weiteren ergänzenden Verfahren zu ermöglichen.

Meta

7 C 28/18

19.12.2019

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 8. Juni 2018, Az: 2 L 11/16, Urteil

§ 16 Abs 1 BImSchG, § 18 Abs 3 BImSchG, § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 UmwRG, § 1 Abs 1 S 1 Nr 5 UmwRG, § 2 Abs 1 UmwRG, § 3 Abs 1 UmwRG, § 7 Abs 5 UmwRG, § 2 Abs 6 UVPG, Art 6 EGV 1367/2006, Art 9 Abs 2 EGV 1367/2006, Art 9 Abs 3 EGV 1367/2006

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.12.2019, Az. 7 C 28/18 (REWIS RS 2019, 144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 144

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

7 C 1/15 (Bundesverwaltungsgericht)

Klagebefugnis eines Umweltverbands


22 B 17.12 (VGH München)

Klagebefugnis eines anerkannten Umweltverbands für Anfechtungsklage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Windkraftanlage


4 C 34/13 (Bundesverwaltungsgericht)

Wannsee-Route; Umfang der Klagebefugnis von anerkannten Umweltverbänden


7 C 9/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Verlängerungsentscheidung


7 C 7/21 (Bundesverwaltungsgericht)

Erteilung einer selbständigen naturschutzrechtlichen Befreiung unter Verstoß gegen die Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG


Referenzen
Wird zitiert von

AN 11 K 19.00781

9 T 56/18

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.