Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.07.2012, Az. III ZB 57/11

III. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4262

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 57/11
vom

26. Juli 2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 520 Abs. 2 Satz 2
Der bloße Hinweis auf laufende Vergleichsverhandlungen reicht nicht aus, um die gemäß §
520 Abs. 2 Satz 2 ZPO notwendige Einwilligung des [X.] für eine weitere (zweite) Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist darzutun.
[X.], Beschluss vom 26. Juli 2012 -
III ZB 57/11 -
O[X.]

[X.]
-

2

-

Der III. Zivilsenat des [X.] hat am 26.
Juli 2012
durch den [X.] [X.] sowie [X.] [X.], [X.], [X.] und Dr.
Remmert

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde
der Beklagten gegen den Beschluss des 10.
Zivilsenats des [X.] vom 7.
Juli 2011 wird auf ihre Kosten verworfen.

[X.]: 208.250

Gründe:

I.

Unter Abweisung der auf den Ausgleich von Honorarforderungen gerich-teten Klage im Übrigen ist die Beklagte in erster Instanz verurteilt worden, an die Klägerin 208.250

ihre
Widerklage
ist abgewiesen worden. Gegen dieses ihr am 1.
März 2011 zugestellte Urteil hat die
Beklagte
am 31.
März 2011 Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist antragsgemäß
bis zum 1.
Juni 2011 verlängert worden mit dem ausdrückli-chen Hinweis, dass eine weitere Verlängerung nur mit Einwilligung des [X.] bewilligt werde. Am 31.
Mai 2011 hat der Prozessbevollmächtigte der [X.] den Antrag gestellt, diese Frist nochmals bis zum 1.
Juli 2011 zu [X.]. Zur Begründung
hat er darauf hingewiesen, die Parteien befänden sich 1
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derzeit noch in Vergleichsverhandlungen. Diesen Antrag hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts
mit Verfügung vom 3.
Juni 2011 zurückgewiesen, weil die nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO zwingend notwendige
Einwilligung des [X.] nicht vorliege.

Unter dem 19.
Juni 2011 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hilfsweise zu seinem Fristverlängerungsantrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat geltend gemacht, dass die Klägerin
am 23.
Mai 2011 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet habe, dessen
konkrete Formulierung noch gemeinsam habe abgestimmt werden sollen, eine
Bindungsfrist sei dabei nicht vorgesehen gewesen.
Den
Klägervertreter
habe er danach
telefonisch mehrfach nicht
erreicht,
so dass er
ihm am 14.
Juni 2011 per Telefax mitgeteilt
habe,
die Beklagte
sei
mit dem Abschluss des Vergleichs
einverstanden. [X.] sei ihm mitgeteilt worden, die Klägerin habe sich lediglich bis zum 31.
Mai 2011 an ihren Vorschlag gebunden gesehen.

Um das
Berufungsverfahren
fortzuführen, habe sich
seine Mitarbeiterin am 31. Mai 2011 an
die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts
gewandt und dort
erfahren, dass der
Senatsvorsitzende
erst am 3.
Juni 2011 wieder zu errei-chen
sei; ihr sei außerdem mitgeteilt worden,
eine Fristverlängerung werde bei [X.]
gewährt; dies gelte
auch für den zweiten [X.], es solle jedoch ein schriftlicher Antrag gestellt werden. Im Vertrauen hierauf sei dann die weitere Fristverlängerung beantragt
und keine
Rückspra-che mehr mit dem Gericht und dem Klägervertreter gehalten
worden.

Die Klägerin hat dem entgegengehalten, dass der Beklagte zu keinem Zeitpunkt um die Erteilung der Einwilligung zur Verlängerung
der Berufungsbe-gründungsfrist nachgesucht habe; diese wäre auch verweigert worden, da die 2
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Klägerin keine weitere Verzögerung des Rechtsstreits habe dulden wollen.
Im Übrigen sei den
dem Beklagtenvertreter übersandten E-Mails, zuletzt
am 30.
Mai 2011,
zu entnehmen gewesen, dass eine vergleichsweise ([X.] nur bei Zahlung des
genannten Betrages bis zum 31.
Mai 2011 in Betracht komme.

Mit Beschluss vom 7.
Juli 2011 hat das Berufungsgericht den [X.] der Beklagten zurückgewiesen und
ihre
Berufung
als unzuläs-sig verworfen.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 238 Abs. 2 Satz
1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die
Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die [X.] wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeu-tung auf noch erfordert sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbil-dung des Rechts oder zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung.

1.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruhe auf einem der Beklagten zuzurechnen-den Verschulden ihres
Prozessbevollmächtigten. Dieser
habe sich nicht auf die (angeblichen) Angaben der [X.]
verlassen dürfen. Bereits in der [X.] vom 3.
Mai 2011 sei darauf hingewiesen worden, dass 5
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ohne Einwilligung des Gegners eine weitere Fristverlängerung nicht in Betracht komme. Abgesehen davon, dass sich der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin
des Prozessvertreters der Beklagten nicht entnehmen lasse, mit welchem konkreten Inhalt sie "das Anliegen"
gegenüber der [X.] vorgetragen habe, ließen deren
Angaben auch nicht erkennen, worauf
die An-nahme beruhe,
die Verlängerung der Frist werde bei [X.] auch ohne Einwilligung des Gegners vorgenommen. Auch nach dem Verhalten des
Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe kein Anlass bestanden, die Erteilung einer Einwilligung
anzunehmen. Das
der Beklagten unterbreitete [X.] habe nach dem Vortrag der Klägerin eine sofortige Zahlung von 190.000

Mai 2011 vorgesehen.
Der
Beklagtenvertreter ha-be sich vor diesem Zeitpunkt nicht nochmals mit
dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Verbindung gesetzt
und auch die
E-Mail vom 30.
Mai 2011 nicht beantwortet.
Ohne
Rückfrage habe er deshalb nicht davon ausgehen können, dass die Klägerin mit einer nochmaligen Verlängerung der [X.] einverstanden sei. Unter diesen Umständen bestehe für die Wieder-einsetzung in den vorigen Stand kein
Raum.

2.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte weder in ihrem verfah-rensrechtlich gewährleisteten
Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch auf ausreichendes
recht-liches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einer Partei die Wiedereinset-zung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfalts-pflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die
nach höchstrichter-licher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus 9
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Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. [X.], [X.] vom 12.
April 2011

[X.], NJW
2011, 2051 Rn. 5 und vom
17. Januar 2012 -
VI [X.], NJW-RR 2012, 427 Rn. 6).

Die Beklagte hat die verlängerte Frist zur Berufungsbegründung, die nur mit Einwilligung des Gegners erneut hätte verlängert werden können (§ 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO), versäumt. Entgegen der Auffassung der [X.] hat das Berufungsgericht die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil ein der Beklagten [X.] (§ 85 Abs. 2 ZPO) Verschulden ihres
Prozessbevollmächtigten vorliegt.
Dieser durfte ohne Rück-sprache mit dem Klägervertreter und Hinweis auch auf eine erteilte Einwilligung nicht darauf vertrauen, dass seinem
am vorletzten Tag der bereits einmal
ver-längerten Frist zur Berufungsbegründung (bis zum 1.
Juni 2011)
gestellten An-trag
allein aufgrund seines Hinweises auf Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien
stattgegeben
werde. Bereits in der gerichtlichen Verfügung vom 3.
Mai 2011 war darauf hingewiesen worden, dass ohne Einwilligung des [X.] eine solche Verlängerung nicht mehr möglich sei.

a) Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kommt eine Verlängerung der Beru-fungsbegründungsfrist über einen Monat hinaus ohne Einwilligung des Gegners schon von Gesetzes wegen nicht in Betracht. Ob ausnahmsweise etwas [X.] gelten kann, wenn die Zustimmung rechtsmissbräuchlich verweigert wird, kann dahinstehen; ein vergleichbarer
Sachverhalt liegt hier nicht vor (vgl. [X.],
Beschluss
vom 4. März 2004 -
IX [X.], NJW 2004, 1742).

aa) Vor Ablauf der (bereits einmal verlängerten) Berufungsbegründungs-frist hat weder der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den Gegner um die Erteilung der Einwilligung nachgesucht noch hat der Gegner von sich aus -
et-11
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wa im Zusammenhang mit dem Vergleichsangebot -
vorab die Zustimmung er-teilt oder auch nur die Bereitschaft hierzu zu erkennen gegeben. Insbesondere gab der Vergleichsvorschlag der Klägerin dem Beklagtenvertreter keinen hinrei-chenden Anlass, mit diesem Angebot zugleich eine Einwilligung in eine weitere Fristverlängerung zu verbinden. Auch wenn eine Abstimmung der konkreten Formulierung der beabsichtigten Vereinbarung beabsichtigt war, musste ihm bewusst sein, dass er diese prozessuale Voraussetzung besonders ansprechen und noch innerhalb laufender Frist herbeiführen musste. Nach dem [X.], dem die Beklagte weder in dem Wiedereinsetzungsantrag noch sonst entgegengetreten ist, war ohnehin nur ein [X.] angeboten worden, zu dem sich der Beklagtenvertreter in einem Telefongespräch am 26.
Mai 2011 nicht geäußert hatte. Zudem hat er auch den Erhalt einer E-Mail vom 30.
Mai 2011 nicht in Abrede gestellt, in dem (nochmals) auf eine Zahlung bis 31.
Mai 2011 ausdrücklich hingewiesen worden ist. Es lag damit auf der Hand, dass ohne eine solche vor Fristablauf
erfolgte Zahlung der Vergleich wahrscheinlich scheitern würde
und so die fristgerechte Einreichung einer [X.] bei Gericht geboten war.

bb) Hinzukommt, dass im Falle des § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO berechtig-tes Vertrauen auf die Gewährung einer beantragten Fristverlängerung
die Voll-ständigkeit des Antrags voraussetzt. Dazu gehört die Darlegung der Einwilli-gung des Gegners, wenn dieser sie nicht unmittelbar gegenüber dem Gericht erklärt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 22. März 2005 -
XI [X.], NJW-RR 2005, 865, 866 mwN). Nach der Rechtsprechung des [X.] muss dies im Regelfall ausdrücklich geschehen. Ausnahmsweise kann auch eine konkludente Darlegung ausreichen. Dies ist der Fall, wenn sich die Einwilligung des Gegners zweifelsfrei aus dem Zusammenhang des Antrags mit zuvor ge-stellten [X.] ergibt; also wenn etwa im [X.] an [X.]
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gegangene Verlängerungsgesuche, in denen unter Hinweis auf schwebende Vergleichsverhandlungen ausdrücklich die Einwilligung des gegnerischen [X.] dargelegt wurde, ein weiterer Verlängerungsantrag mit dem Bemerken gestellt wird, "die Parteien"
benötigten die (nochmalige) Fristverlängerung, um den Vergleich abschließend abzustimmen und zur Protokollierung im schriftli-chen Verfahren vorzulegen (vgl. [X.], Beschluss 12. April 2006 -
XII [X.], [X.], 2192
Rn. 9).

Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der [X.] der Beklagten hat in seinem Antrag
lediglich darauf hingewiesen, dass die Parteien sich derzeit noch in Vergleichsverhandlungen befänden. Dieses [X.] genügt nicht, um die
Erteilung der Einwilligung des Gegners zur [X.] Fristverlängerung hinreichend darzutun.
Denn allein die
Erwähnung von bisher nicht bekannten Vergleichsverhandlungen gab dem
Berufungsge-richt keinen Anlass zur Mutmaßung, dass eine Einwilligung zwar eingeholt, [X.] im Fristverlängerungsantrag (versehentlich) nicht erwähnt worden sei.

b) Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, jedenfalls aus den An-gaben der Geschäftsstellenmitarbeiterin F.

habe sich
ein berechtigtes Vertrauen
auf eine weitere Fristverlängerung
ableiten lassen, kann auch dem nicht gefolgt werden. Nach der mit dem Wiedereinsetzungsgesuch vorgelegten eidesstattlichen Versicherung
der Kanzleimitarbeiterin des [X.]n der Beklagten hatte ihr
die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts mitge-teilt, bei [X.] werde eine Fristverlängerung gewährt. Auf Nachfrage, ob das auch für den zweiten Verlängerungsantrag gelte, da hierzu normalerweise die Zustimmung der Gegenseite erforderlich sei, soll dies bestä-tigt worden sein. Diesen Angaben einer Geschäftsstellenbeamtin konnte und durfte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten jedoch
nicht entnehmen, dass 15
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entgegen der eindeutigen Gesetzeslage -
bei [X.] in jedem Fall eine
zweite Fristverlängerung gewährt
werde, und zwar auch dann, wenn der
Gegner hierzu seine Einwilligung
nicht
erteilt hat. Vielmehr
hätte sich
in die-ser Situation
(zumindest) der Prozessbevollmächtigte der Beklagten bei Abwe-senheit des Senatsvorsitzenden selbst an
dessen
Stellvertreter
oder den Be-richterstatter
wenden und
weiter kundig
machen
müssen.
Das ist nicht gesche-hen.

3.
Nach alledem ist die beantragte
Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand zu Recht verweigert und die
Berufung als unzulässig verworfen worden.

[X.]
[X.]

[X.]

[X.]
Remmert
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.02.2011 -
6 [X.]/09 -

O[X.], Entscheidung vom 07.07.2011
-
I-10 U 56/11 -

17

Meta

III ZB 57/11

26.07.2012

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.07.2012, Az. III ZB 57/11 (REWIS RS 2012, 4262)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4262

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZB 57/11

VI ZB 6/10

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