Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.07.2012, Az. 1 StR 332/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4299

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Gegenstand

Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung: Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Februar 2012 in der [X.] ergänzt, dass der Angeklagte freigesprochen wird (§ 349 Abs. 4 StPO). Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Das [X.] hat die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Allerdings erwecken die dieser Anordnung zugrunde liegenden Ausführungen in den Urteilsgründen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten den Eindruck, dass das [X.] die Auffassung vertritt, bereits mit der Feststellung einer erheblichen verminderten Einsichtsfähigkeit seien die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt und damit auch die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB gegeben. Dies ist indes nicht der Fall. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 3. April 2007 - 4 StR 64/07; [X.], Beschluss vom 12. Juli 2006 - 5 [X.]; [X.], Beschluss vom 22. November 2006 - 2 [X.]). Der Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war - voll schuldfähig. In einem solchen Fall ist auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zulässig ([X.]St 21, 27, 28; 34, 22, 26 f.).

Hier lässt sich den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit hinreichend deutlich entnehmen, dass dem Angeklagten bei der Tatbegehung die [X.] vollständig gefehlt hat. Das [X.] hat nämlich ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund seiner chronifizierten paranoiden Schizophrenie die von [X.] geprägte, irrige Überzeugung gewonnen hatte, der Zeuge S.    wolle ihn mit dem Blumenstrauß angreifen ([X.]). Er hielt deshalb sein eigenes Verhalten für "zulässiges Notwehrverhalten" ([X.]). Das [X.] ist demnach im Ergebnis - tragfähig - davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund seines Zustands bei der Tatbegehung keine Einsicht in das Unrecht seines Handelns gehabt hat.

2. Wegen des Zustands des Angeklagten bei der Tatbegehung hat sich das [X.] auch gehindert gesehen, den Angeklagten wegen der zwei ihm zur Last liegenden Taten der gefährlichen Körperverletzung, jeweils in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, zu verurteilen. Bei dieser Sachlage, zumal die Feststellungen die Aufhebung der [X.] und damit die Schuldunfähigkeit bei Tatbegehung sicher belegen (s.o.), hätte das [X.] den Angeklagten in der Urteilsformel vom [X.] ausdrücklich freisprechen müssen (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Juni 2002 - 3 [X.]). Da das [X.] dies unterlassen hat, ergänzt der Senat die Urteilsformel entsprechend.

Der lediglich in der Ergänzung der Urteilsformel liegende Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von Gebühren oder Auslagen des Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Nack                     Rothfuß                          Hebenstreit

             [X.]

Meta

1 StR 332/12

25.07.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 21. Februar 2012, Az: 5 KLs 105 Js 58634/11

§ 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB, § 224 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.07.2012, Az. 1 StR 332/12 (REWIS RS 2012, 4299)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4299

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 504/12

1 StR 504/12

4 StR 535/20

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