Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.05.2020, Az. XII ZB 361/19

12. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 696

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Gegenstand

Unterhaltssache als Familienstreitsache; Anforderungen an Beschwerdebegründung in Familienstreitsache


Leitsatz

1. Das Verfahren auf Ersatz der aus dem begrenzten Realsplitting entstandenen Nachteile ist eine Unterhaltssache und als solche eine Familienstreitsache (im Anschluss an Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 146/05, FamRZ 2008, 40).

2. Zu den Anforderungen an den Sachantrag im Rahmen der Beschwerdebegründung in einer Familienstreitsache.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 26. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 1. Juli 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Wert: 3.765 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligten sind getrennt lebende Ehegatten. Sie streiten über den Ausgleich von Steuernachteilen, unter anderem über die Erstattung eines Nachteils der Antragstellerin aus dem begrenzten [X.] für die [X.] und 2016.

2

Das Amtsgericht hat den Antrag insoweit durch Teilbeschluss abgewiesen und das Verfahren im Übrigen (Ausgleichsanspruch und Widerantrag des Antragsgegners für das Steuerjahr 2013) ausgesetzt.

3

Die Antragstellerin hat gegen den amtsgerichtlichen Teilbeschluss Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdeschrift hat sie auf die nach Verkündung des amtsgerichtlichen Beschlusses erfolgte Nachreichung von Steuerbescheiden für die [X.] und 2016 Bezug genommen. Einen Antrag hat sie innerhalb der [X.] nicht angekündigt. Das [X.] hat die Beschwerde deswegen verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Der Streitgegenstand des mit der Beschwerde angefochtenen Teilbeschlusses stellt entgegen der von der Rechtsbeschwerde in anderem Zusammenhang vertretenen Ansicht eine Familienstreitsache dar. Es handelt sich insoweit jedoch entgegen der Auffassung des [X.]s nicht um eine sonstige Familiensache nach § 266 Nr. 2 FamFG, sondern um eine [X.] nach §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 Nr. 2 FamFG. Denn der Anspruch auf Ersatz von Nachteilen aus der Durchführung des begrenzten [X.]s findet seine Grundlage im gesetzlichen [X.] der - geschiedenen - Ehegatten. Das Verfahren ist entsprechend der materiell-rechtlichen Herleitung des Anspruchs folglich als [X.] einzuordnen (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 - [X.] - [X.], 40 Rn. 10 ff. [X.]). Daran hat sich durch das [X.] nichts geändert (vgl. [X.]/[X.] FamFG 20. Aufl. § 231 Rn. 9; [X.]/[X.] FamFG 4. Aufl. § 231 Rn. 14 f.; aA ohne Begründung [X.] Beschluss vom 22. Mai 2014 - II-2 UF 6/14 - juris; [X.]/[X.] in [X.]/[X.] FamFG 6. Aufl. § 231 Rn. 8 und § 266 Rn. 10; [X.]/[X.] ZPO 33. Aufl. § 266 FamFG Rn. 14).

6

Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, weil die angefochtene Entscheidung die Antragstellerin in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt und eine Entscheidung des [X.] daher zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 ZPO).

7

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

8

a) Nach Auffassung des [X.]s genügen die von der Antragstellerin eingereichten Schriftsätze nicht den Anforderungen an die Antragstellung im Rahmen einer Beschwerdebegründung in Familienstreitsachen. Die Schriftsätze enthielten keinen ausdrücklichen bestimmten Sachantrag im Sinne von § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Es lasse sich aus den sehr kurzen Texten auch nicht entnehmen, welches Ziel die Antragstellerin verfolge. Aus den vorgelegten Unterlagen ergäben sich teils widersprüchliche Zahlen im Hinblick auf den Nachteil aus dem begrenzten [X.] für 2016. Es könne nicht angenommen werden, dass die Antragstellerin dieselben Anträge wie im ersten Rechtszug stellen wolle.

9

b) Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat der Beschwerdeführer in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Er muss demnach in der Beschwerdebegründung darlegen, in welchem Umfang er die erstinstanzliche Entscheidung angreifen will und wie er den Angriff begründet. Da § 117 FamFG keine speziellen Regelungen zum Inhalt der Beschwerdebegründung enthält, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen, ob ein Beschwerdeantrag hinreichend bestimmt und ausreichend begründet ist. Deshalb können für den notwendigen Inhalt der Beschwerdebegründung im Wesentlichen die Anforderungen herangezogen werden, die für eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO gelten, auch wenn § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG nicht auf § 520 Abs. 3 ZPO verweist. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung beinhalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden. Nach der Rechtsprechung des [X.] erfordert der Zweck des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch die Vorschrift soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen. Daher reicht es aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll. Danach sind die Anforderungen, die § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen bestimmten Sachantrag stellt, erfüllt, wenn die Beschwerdebegründung erkennen lässt, in welcher Weise der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll. Eine Schlüssigkeit der gegebenen Begründung ist nicht erforderlich (Senatsbeschluss vom 10. Juni 2015 - [X.] - FamRZ 2015, 1375 Rn. 9 ff. [X.]).

bb) Diesen Anforderungen ist durch die von der Antragstellerin vor Ablauf der [X.] eingereichten Schriftsätze vom 16. April 2019 und 25. April 2019 noch genügt worden.

Weil ein förmlicher Antrag nicht zwingend erforderlich ist, genügt es, wenn sich der Umfang der Anfechtung mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Zusammenhang ergibt. Das ist hier der Fall. Aus dem angefochtenen Beschluss ergeben sich für die [X.] und 2016, die allein Gegenstand des Teilbeschlusses sind, die von der Antragstellerin insoweit geltend gemachten Hauptforderungen von 1.969,68 € (2015) und 1.795,67 € (2016). Durch die Einlegung der Beschwerde und Vorlage der Steuerbescheide hat die Antragstellerin trotz der nur kurzen und oberflächlichen Abfassung ihres Beschwerdeschriftsatzes zu erkennen gegeben, dass sie den amtsgerichtlichen Beschluss in vollem Umfang anfechten will. Entsprechend hat auch das [X.] den [X.] auf (1.969,68 € + 1.795,67 € =) 3.765,35 € festgesetzt. Dass sich aus der [X.] der Steuerberaterkanzlei, wie vom [X.] angeführt, für das [X.] mit 2.747,22 € ein höherer Betrag ergibt, als die Antragstellerin erstinstanzlich geltend gemacht hat, ändert daran ungeachtet der Tatsache, dass sich das Bedenken des [X.]s nur auf das [X.] bezieht, nichts. Da es sich um einen gegenüber der ersten Instanz höheren Betrag handelt, lässt dies keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Antragstellerin den amtsgerichtlichen Beschluss in vollem Umfang anfechten wollte. Anderes würde nur bei einem verringerten Betrag gelten, weil dann mangels ausdrücklicher Antragstellung möglich erschiene, dass die Antragstellerin den amtsgerichtlichen Beschluss nur teilweise anfechten wollte.

Im hier vorliegenden Fall, dass der aus den vorgelegten Unterlagen hervorgehende Betrag höher ist als der erstinstanzlich geltend gemachte, bedürfte es zur Geltendmachung des höheren Betrags in der Beschwerdeinstanz einer Antragserweiterung in der Hauptsache, die allerdings ausdrücklich erklärt werden müsste. Da eine Antragserweiterung hier unzweifelhaft nicht erfolgt ist, wird im Ergebnis noch hinreichend deutlich, dass die Antragstellerin den vom Amtsgericht abgewiesenen Teil ihrer Anträge von vornherein unverändert weiterverfolgen und den amtsgerichtlichen Beschluss mithin in vollem Umfang angreifen wollte.

Den Anforderungen an eine Beschwerdebegründung ist auch im Übrigen genügt. Durch die Bezugnahme auf die für die [X.] und 2016 vorgelegten Steuerbescheide hat die Antragstellerin ersichtlich auf die entsprechende Begründung der durch den amtsgerichtlichen Teilbeschluss erfolgten Antragsabweisung wegen fehlender Steuerbescheide Bezug genommen. Auch wenn die Begründung lediglich kurz gefasst ist, trifft diese mithin [X.] der vom Amtsgericht für die Antragsabweisung gegebenen Begründung. Da es sich um neue Tatsachen handelt, bedurfte es keiner darüber hinausgehenden Auseinandersetzung mit den Gründen des amtsgerichtlichen Beschlusses (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2018 - [X.] 418/18 - FamRZ 2019, 378 Rn. 8 [X.]).

Die Beschwerdebegründung ist mithin formgerecht vor Ablauf der diesbezüglichen Frist erfolgt, so dass das Rechtsmittel nicht verworfen werden durfte.

c) Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben. Die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen, weil es sich - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang noch nicht mit der Sache befasst hat.

Dose     

      

[X.]     

      

Schilling

      

Guhling     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 361/19

13.05.2020

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 1. Juli 2019, Az: 26 UF 521/19

§ 112 Nr 1 FamFG, § 117 Abs 1 S 1 FamFG, § 231 Abs 1 Nr 2 FamFG, § 520 Abs 3 S 2 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.05.2020, Az. XII ZB 361/19 (REWIS RS 2020, 696)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 1010 REWIS RS 2020, 696


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZB 361/19

Bundesgerichtshof, XII ZB 361/19, 13.05.2020.


Az. 26 UF 521/19

OLG München, 26 UF 521/19, 01.07.2019.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 611/14

XII ZB 418/18

2 UF 6/14

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