Bundessozialgericht, Urteil vom 08.10.2019, Az. B 1 A 2/19 R

1. Senat | REWIS RS 2019, 2898

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Gegenstand

Krankenversicherung - Jahresrechnung - Rückstellungen aufgrund ungewisser Verpflichtungen oder für künftige Zeiträume - Buchung nur aufgrund einer besonders geregelten Rechtfertigung - Buchung für Verpflichtungen aus Umlagen für Haftungsfälle für geschlossene Krankenkassen


Leitsatz

1. Eine Krankenkasse darf Rückstellungen in der Jahresrechnung aufgrund ungewisser Verpflichtungen oder für einen nach dem Haushaltsjahr liegenden künftigen Zeitraum nur aufgrund einer besonders geregelten Rechtfertigung buchen.

2. Eine Betriebskrankenkasse darf Verpflichtungen aus Umlagen für Haftungsfälle für geschlossene Krankenkassen nur buchen, wenn die Umlage bereits durch Umlagebescheid des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen angefordert wurde.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 15. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für beide Instanzen wird auf 2 500 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die aufsichtsrechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Ausbuchung von [X.]en.

2

Die klagende, bundesweit zuständige Betriebskrankenkasse ([X.]) buchte ab 2011 Rückstellungen für ein selbst geschätztes Haftungsrisiko bei der Schließung anderer für [X.] geöffneter [X.]n in ihren Jahresrechnungen unter Ziffer 1299 ("Übrige Verpflichtungen") nach dem Kontenrahmen für die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und für den Gesundheitsfonds (Anlage 1 zu § 25 Abs 2 [X.] der [X.] über das Rechnungswesen in der Sozialversicherung - SRVwV vom 15.7.1999, BAnz [X.]45a vom 6.8.1999, hier anzuwenden idF durch die [X.] zur Änderung der [X.] über das Rechnungswesen in der Sozialversicherung vom 19.1.2015, BAnz [X.], entsprechend der Neubekanntmachung vom [X.], [X.] 2016, 898). Zur Bestimmung der Höhe der Rückstellungen setzte die Klägerin jeweils das veröffentliche Vermögen der einzelnen [X.]n, soweit es unterhalb der gesetzlichen Mindestrücklage von [X.] einer Monatsausgabe lag, mit einer quotenmäßigen Schließungswahrscheinlichkeit ins Verhältnis. Die beklagte [X.] - vertreten durch das [X.] - beanstandete diese Buchung zunächst erfolglos (Mitteilung des [X.] vom 8.6.2016, Prüfbericht vom 27.10.2016, Schreiben der Beklagten vom 7.12.2016 sowie Besprechungen der Beteiligten am [X.] und 18.5.2017) und verpflichtete die Klägerin, die Rückstellungen in der Jahresrechnung für 2017 auszubuchen (Bescheid vom 25.9.2017). Das [X.] hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen: Die Rechnungslegung einer gesetzlichen Krankenkasse ([X.]) erfolge grundsätzlich nach den sozialrechtlichen Vorgaben. Es fehle eine Rechtsgrundlage für eine kassenindividuelle [X.]. Der verbindliche Kontenrahmen sehe unter Ziffer 1298 vor, dass Buchungen für Haftungsumlagen nur nach entsprechenden Feststellungen des [X.]-Spitzenverbandes vorzunehmen seien (Urteil vom 15.1.2019).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 77 Abs 1a [X.] iVm § 252 Handelsgesetzbuch (HGB) und § 89 Abs 1 Satz 2 [X.]. Die Buchung von [X.]en sei nach § 77 Abs 1a [X.] zulässig. Die geforderte Ausbuchung von bereits seit 2011 unbeanstandet erfolgten [X.] verstoße gegen das Realisationsprinzip. Die Beklagte habe ihr Ermessen überschritten.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 15. Januar 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2017 aufzuheben.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der klagenden [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das [X.] hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Aufsichtsklage (§ 54 Abs 3 SGG) gegen die Aufsichtsanordnung der beklagten [X.] ist zulässig, aber unbegründet. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Beklagte rechtmäßig die Klägerin verpflichtete, die geschätzten Verpflichtungen wegen des [X.] bei Schließung anderer [X.] auszubuchen (Bescheid vom 25.9.2017).

8

1. Die Beklagte durfte als zuständige Aufsichtsbehörde (§ 90 Abs 1 Satz 1 [X.]) die Klägerin - einen bundesunmittelbaren Versicherungsträger - gemäß § 89 Abs 1 Satz 2 [X.] verpflichten, eine bevorstehende Rechtsverletzung zu unterlassen. Denn die Beklagte wirkte in Einklang mit § 89 Abs 1 Satz 1 [X.] zunächst im Vorfeld der [X.] mit erfolglosen Hinweisen, Beratung und Aufforderungen zur Beendigung des für rechtswidrig erachteten [X.] bei früheren Jahresrechnungen beratend darauf hin, dass die Klägerin von der rechtlich unzulässigen Buchung von [X.] Abstand nehme. Sie beachtete das gesetzlich vorgesehene, zeitlich und in seiner Intensität abgestufte Verfahren (vgl dazu [X.]-2400 § 89 [X.]; [X.]-2400 § 89 [X.] Rd[X.]3 mwN). Nach Sinn und Zweck des § 89 Abs 1 Satz 2 [X.], der ausdrücklich nur die Verpflichtung zur Behebung der Rechtsverletzung nennt, ist es folgerichtig, von demjenigen, der das Recht verletzt hat, auch zu verlangen, künftig entsprechende Rechtsverletzungen nicht mehr zu begehen (präventive Verpflichtung - vgl [X.], 281 = [X.]-2500 § 222 [X.], Rd[X.]2; [X.], 162, 169 = [X.]-2500 § 284 [X.] S 8; [X.]/Kater/[X.], Aufsicht in der Sozialversicherung, Stand Jan[X.]r 2011, 350, [X.]).

9

2. Die Beklagte erließ die angefochtene Anordnung unter Beachtung des aufsichtsrechtlichen Prüfmaßstabs (dazu a) wegen einer Rechtsverletzung (dazu b) ermessensfehlerfrei (dazu c).

a) Der Prüfungsmaßstab der Aufsichtsbehörde richtet sich nach den rechtlichen Vorgaben für das Verhalten des [X.], das Gegenstand der Maßnahme ist (vgl zB für den Abschluss eines Gruppenversicherungsvertrags zwischen einer [X.] und einem privaten Krankenversicherer, um Mitglieder und deren familienversicherte Angehörige bei Auslandsreisen gegen Krankheitskosten abzusichern [X.] 121, 179 = [X.]-2500 § 194 [X.] und für den Bereich der Sach- und Vermögensverwaltung die aufsichtsrechtliche Pflicht, im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen maßgeblichen Rechts iS von § 29 Abs 3 [X.] "wirtschaftlich vertretbare" Entscheidungen hinzunehmen, [X.] 71, 108 , 110 = [X.]-2400 § 69 [X.] S 4 mwN; [X.]-2400 § 80 [X.] Rd[X.]3; [X.], 281 = [X.]-2500 § 222 [X.], Rd[X.]6 mwN; zu den abweichenden Maßstäben bei [X.] im Rahmen gesetzlich normierter Genehmigungsvorbehalte vgl zB [X.]-2400 § 41 [X.] [X.] mwN; BSG Urteil vom 16.11.2005 - B 2 U 14/04 R - juris Rd[X.]9; zum Bereich der "klassischen" Aufsicht nach § 87 Abs 1 [X.] vgl zB [X.] 94, 221 Rd[X.]9 = [X.]-2400 § 89 [X.] Rd[X.]0). Gegenstand der angefochtenen Maßnahme ist die Buchung einer Schätzverpflichtung wegen des [X.] bei Schließung anderer [X.]n in der Jahresrechnung 2017 der Klägerin.

b) Die Klägerin verletzte mit der Buchung selbst geschätzter künftiger Verpflichtungen wegen des [X.] bei Schließung anderer [X.]n in den Jahresrechnungen seit 2011 von zuletzt 69,05 [X.] Euro (2015) und 65 [X.] Euro (2016) als Rückstellung unter Ziffer 1299 des für die [X.] maßgeblichen Kontenrahmens (Anlage 1 zu § 25 [X.] über das [X.] in der Sozialversicherung - [X.]) das Gebot, Verpflichtungen aus Umlagen für Haftungsfälle für geschlossene [X.] nur zu buchen, wenn die Umlage bereits durch [X.] des [X.] der [X.] angefordert wurde.

Rechtsgrundlage der Jahresrechnung für [X.] ist § 77 [X.] (neugefasst durch Bekanntmachung vom 12.11.2009, [X.], zuletzt geändert durch Art 2 [X.] Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung - [X.] - [X.] - vom 22.12.2011, [X.] 2983 mWv 1.1.2012). Die Versicherungsträger schließen für jedes Kalenderjahr zur Rechnungslegung die Rechnungsbücher ab und stellen auf der Grundlage der Rechnungslegung eine Jahresrechnung auf (§ 77 Abs 1 Satz 1 [X.]). Die Jahresrechnung einer [X.] hat ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der [X.] zu vermitteln (§ 77 Abs 1a Satz 1 [X.]). Das Gesetz bestimmt hierfür in Anlehnung an das Handelsrecht (vgl § 252 HGB) die Grundsätze, die bei der Bewertung der in der Jahresrechnung ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten zu beachten sind (§ 77 Abs 1a Satz 3 [X.]). [X.] sind Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung der Jahresrechnung bekannt geworden sind (Prinzip der Wertaufhellung); Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (Realisationsprinzip; vgl insgesamt § 77 Abs 1a Satz 3 [X.] 4 [X.]). Ausführungsbestimmungen über die Grundsätze nach Satz 3 können daneben in die Rechtsverordnung nach § 78 Satz 1 [X.] aufgenommen werden, soweit dies erforderlich ist, um eine nach einheitlichen Kriterien und Strukturen gestaltete Jahresrechnung zu schaffen und um eine einheitliche Bewertung der von den [X.] aufgestellten Unterlagen zu ihrer Finanzlage zu erhalten (§ 77 Abs 1a Satz 4 [X.]). Die Jahresrechnung ist von einem Wirtschaftsprüfer oder einem vereidigten Buchprüfer zu prüfen und zu testieren (§ 77 Abs 1a Satz 5 [X.]).

Die [X.]esregierung (BReg) hat von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des [X.] ([X.]) für die Sozialversicherungsträger mit Ausnahme der [X.] über die Aufstellung des Haushaltsplans, seine Ausführung, die Rechnungsprüfung und die Entlastung sowie die Zahlung, die Buchführung und die Rechnungslegung zu regeln. Die Regelung ist nach den Grundsätzen des für den [X.] und die Länder geltenden Haushaltsrechts vorzunehmen; sie hat die Besonderheiten der Sozialversicherung und der einzelnen Versicherungszweige zu berücksichtigen (§ 78 [X.] idF durch Art 2 [X.]b Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom [X.], [X.] 983 mWv 30.7.2010).

Nach § 18 Sozialversicherungs-Rechnungsverordnung ([X.] idF durch Art 13 Abs 19 [X.] des [X.] der [X.] - LSV-NOG - vom [X.], [X.] 579 mWv 1.1.2013), der [X.] auch für [X.] gilt (vgl § 1 Abs 1 Satz 1 [X.]), sind für jedes Geschäftsjahr die Bücher abzuschließen (§ 18 Abs 1 [X.]). In der Jahresrechnung (§§ 27 bis 30 [X.] - Verordnung über das [X.] in der Sozialversicherung vom 21.12.1977, [X.] 3147, hiervon § 29a Abs 4 [X.] zuletzt geändert durch Art 13 Abs 18 LSV-NOG vom [X.], [X.] 579 mWv 1.1.2013) ist nach der Gliederung des geltenden [X.] zu legen (§ 18 Abs 2 [X.]). Die Träger der Krankenversicherung und ihre Verbände mit Ausnahme der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau haben ihrer Jahresrechnung einen Anhang nach § 29a [X.] beizufügen (§ 18 Abs 3 [X.]). § 29a [X.] gibt ebenfalls vor, dass die Krankenversicherungsträger und ihre Verbände als Teil der Jahresrechnung einen Anhang zu erstellen haben und welchen Inhalt dieser hat.

Um [X.] bei den [X.], die als Körperschaften des öffentlichen Rechts - zT als mittelbare Landesverwaltung unter Landesaufsicht (vgl näher [X.] 118, 137 = [X.]-2400 § 90 [X.]) - eine einheitliche Verwaltungspraxis bei der Jahresrechnung zu sichern, hat die BReg mit Zustimmung des [X.]s von der verfassungsrechtlich ausdrücklich nur ihr eingeräumten Befugnis (vgl Art 84 Abs 2, Art 86 GG; [X.] 100, 249 = juris Rd[X.] 47 ff) Gebrauch gemacht, die [X.] zu erlassen. Danach ist in der Jahresrechnung (§ 18 Abs 2 [X.]) in der Gliederung des geltenden [X.], Einnahmen/Erträge und über das Vermögen Rechnung zu legen (§ 38 Abs 1 [X.]). Vor dem Abschluss des Zeit- und des Sachbuches sind die das Geschäftsjahr betreffenden Ausgaben/Aufwendungen und Einnahmen/Erträge, die Forderungen und Verpflichtungen und die Beträge der zeitlichen Rechnungsabgrenzung nach Maßgabe der Bestimmungen der Kontenrahmen zu buchen. Die erforderlichen Wertberichtigungen der Vermögensgegenstände sind nach Maßgabe des § 11 [X.] und des § 34 [X.] in Verbindung mit den Bestimmungen der Kontenrahmen zu buchen (§ 37 [X.]).

Ziffer 1298 der Bestimmungen der Kontenrahmen (Anlage 1 zu § 25 Abs 2 [X.] [X.]) sieht im Rahmen der Gruppe "12 Kurzfristige Verpflichtungen" Buchungen für "Verpflichtungen aus finanziellen Hilfen" und "Verpflichtungen aus Umlagen für Haftungsfälle" vor. Die [X.] erläutert, dass die [X.] hier auch Verpflichtungen aus Umlagen für Haftungsfälle für geschlossene [X.] bucht, die der Spitzenverband [X.] der [X.] durch [X.] im Rahmen der [X.] angefordert hat. Diese Vorgaben für die Buchung sind als abschließende Regelung für die Buchung von Verpflichtungen aus Umlagen für Haftungsfälle für geschlossene [X.] konzipiert. Ziffer 160 aus der Gruppe "16 Sonstige Passiva" des für die [X.] maßgeblichen Kontenrahmens (Anlage 1 zu § 25 [X.]) bestimmt, dass über die in § 171e [X.] und § 12 [X.] genannten Rückstellungen hinaus keine weitere Verpflichtung für [X.] besteht, Rückstellungen zu bilden. Es ist dementsprechend ausgeschlossen, [X.] aufgrund möglicher künftiger Haftungsfälle für geschlossene [X.] unter Ziffer 1299 "Übrige Verpflichtungen" zu buchen.

Diese Vorgaben des für die [X.] maßgeblichen Kontenrahmens (Anlage 1 zu § 25 [X.]) stehen mit höherrangigem Recht in Einklang. Im Unterschied insbesondere zu kaufmännischen juristischen Personen, die nach den Vorgaben des Handelsrechts bilanzieren (vgl § 252 HGB), finanzieren sich [X.] nicht durch Kredite (vgl zum Verbot § 220 Abs 1 Satz 2 [X.] und [X.], 281 = [X.]-2500 § 222 [X.]) und im Schwerpunkt nicht durch die Ansammlung von Deckungskapital, sondern im Wesentlichen durch Umlagen nach dem allgemeinen Beitragssatz und ggf nach dem [X.] (vgl § 220 Abs 1 Satz 1 [X.]). Der [X.] ist so zu bemessen, dass die Einnahmen aus dem Zusatzbeitrag zusammen mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds und den sonstigen Einnahmen die im Haushaltsjahr voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und die vorgeschriebene Höhe der Rücklage decken; dabei ist die Höhe der voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahmen aller [X.] je Mitglied zugrunde zu legen (§ 242 Abs 1 Satz 3 [X.]). Die [X.] darf ihre Mittel lediglich als Betriebsmittel, für Rücklagen und als Verwaltungsvermögen verwenden (§ 259 [X.]). Der [X.] fungiert auf diese Weise als Indikator für die wirtschaftliche Sit[X.]tion der [X.]. Im Hinblick auf die Umlagefinanzierung sind von besonderer Bedeutung für die wirtschaftlichen Verhältnisse der [X.] Verpflichtungen, die Bezug zu dem Geschäftsjahr haben, auf das sich die jeweilige Rechnungslegung bezieht.

Das Gesetz sieht in Einklang mit den Grundsätzen der Umlagefinanzierung als Finanzpuffer für das laufende Jahr grundsätzlich nicht Rückstellungen, sondern Rücklagen vor (vgl § 261 [X.], hier anzuwenden idF durch Art 1 [X.]1 Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Q[X.]lität in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Finanzstruktur- und Q[X.]litäts-Weiterentwicklungsgesetz - [X.] - vom 21.7.2014, [X.] 1133 mWv 1.1.2015; zur optionalen Bildung einer [X.] vgl § 262 [X.]). Danach bestimmt die Satzung die Höhe der Rücklage in einem Vomhundertsatz des nach dem Haushaltsplan durchschnittlich auf den Monat entfallenden Betrages der Ausgaben für die in § 260 Abs 1 [X.] [X.] genannten Zwecke ([X.]). Die Rücklage muss mindestens ein Viertel und darf höchstens das Einfache des Betrages der auf den Monat entfallenden Ausgaben nach Satz 1 betragen (vgl § 261 Abs 2 [X.]). Die [X.] kann Mittel aus der Rücklage den Betriebsmitteln zuführen, wenn Einnahme- und Ausgabeschwankungen innerhalb eines Haushaltsjahres nicht durch die Betriebsmittel ausgeglichen werden können. In diesem Fall soll die Rücklage in Anspruch genommen werden, wenn dadurch Erhöhungen des [X.]es nach § 242 [X.] während des Haushaltsjahres vermieden werden (vgl § 261 Abs 3 [X.]). Ergibt sich bei der Aufstellung des Haushaltsplans, dass die Rücklage geringer ist als das [X.], ist bis zur Erreichung des [X.] die Auffüllung der Rücklage im Regelfall mit einem Betrag in Höhe von mindestens einem Viertel des [X.] im Haushaltsplan vorzusehen (vgl § 261 Abs 4 [X.]). Übersteigt die Rücklage das [X.], ist der übersteigende Betrag den Betriebsmitteln zuzuführen (vgl § 261 Abs 5 [X.]).

Rückstellungen aufgrund ungewisser Verpflichtungen oder für einen nach dem Haushaltsjahr liegenden künftigen Zeitraum bedürfen nach dem Regelungssystem einer besonders geregelten Rechtfertigung. Dementsprechend sehen die für die Rechnungslegung der [X.] geltenden gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen eine Verpflichtung zu Rückstellungen ausdrücklich nur für Altersvorsorgeverpflichtungen und auf Grund von [X.] vor (vgl § 171e Abs 1 Satz 2 [X.]; § 12 [X.] idF durch Art 13 Abs 19 [X.] LSV-NOG vom [X.], [X.] 579 mWv 1.1.2013; § 29a Abs 2 [X.] Buchst f und g [X.] idF durch Art 1 [X.] der [X.] zur Änderung der Verordnung über das [X.] in der Sozialversicherung vom [X.], [X.] 968).

Dass die [X.] Verpflichtungen aus Umlagen für Haftungsfälle für geschlossene [X.] erst bucht, wenn der Spitzenverband [X.] der [X.] durch [X.] im Rahmen der [X.] Zahlungen angefordert hat, trägt auch dem gesetzlichen Regelungssystem für die Eintrittswahrscheinlichkeit von [X.] wegen Kassenschließung Rechnung. Der Gesetzgeber hat das Risiko einer Kassenschließung durch eine Reihe flankierender Maßnahmen erheblich reduziert. Hierzu zählt vorrangig das in § 172 Abs 2 [X.] geregelte Frühwarnsystem, das dem Landesverband, dem Spitzenverband [X.] der [X.] sowie der Aufsichtsbehörde eine frühzeitige Beratung und ein rechtzeitiges Eingreifen ermöglichen soll. Hierher gehören aber auch freiwillige finanzielle Hilfen (§ 265b, § 265a [X.]) und die Möglichkeiten einer freiwilligen, ggf durch Hilfen unterstützten oder zwangsweise durchgeführten Fusion von [X.] (§ 172 Abs 3 [X.]).

Die Aufsichtsanordnung ist auch nicht durch spätere Gesetzesänderungen rechtswidrig geworden (vgl zu den Grundsätzen BSG Urteil vom 30.7.2019 - B 1 [X.]/18 R - juris Rd[X.]5 mwN, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Die nach Erlass der angefochtenen Aufsichtsanordnung in [X.] getretenen Gesetzesänderungen haben die Anforderungen an die Bildung von Rückstellungen aufgrund von [X.] keinesfalls abgemildert (vgl insbesondere § 242 Abs 1 Satz 4 und § 260 [X.] idF durch Art 1 [X.] 7 und [X.] 8 Gesetz zur Beitragsentlastung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung - [X.] - vom 11.12.2018, [X.] 2387 mWv 18.10.2018).

Die Klägerin kann sich hingegen nicht auf die Berechtigung zur Schätzung ungewisser, aber ausreichend bestimmbarer Verpflichtungen nach Ziffer 12 [X.] Anlage 1 zu § 25 [X.] berufen. Diese bezieht sich - wie die Überschrift "Kurzfristige Verpflichtungen" zeigt - ausschließlich auf Verpflichtungen mit Bezug zum abgerechneten Geschäftsjahr. Die Klägerin kann sich für ihre Buchungspraxis schließlich nicht erfolgreich auf das [X.] stützen. Die aufgezeigten sozialrechtlichen Grundsätze weichen grundlegend von den im Handelsrecht geltenden Anforderungen ab.

c) Die Beklagte übte das ihr eingeräumte Ermessen rechtmäßig aus, gegen die zutreffend festgestellte Rechtsverletzung einzuschreiten (§ 89 Abs 1 Satz 2 [X.]). Sie traf - formal hinreichend begründet (§ 35 Abs 1 SGB X) - eine Ermessensentscheidung, hielt dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens ein und machte von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch (vgl § 54 Abs 2 Satz 2 SGG).

Die Beklagte beschränkte sich in der Sache darauf, der Klägerin aufzugeben, die bei früheren Jahresrechnungen festgestellte Rechtsverletzung in der Jahresrechnung für 2017 zu beheben. Die Beklagte durfte auch berücksichtigen, dass der Umfang der seit 2011 gebuchten [X.] erheblich war. Die Beklagte war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht verpflichtet, im Sinne eines milderen Mittels Kriterien für die Ermittlung solcher [X.] aufzustellen. Sie ging zu Recht davon aus, dass die Buchung von [X.] wegen des [X.] im Zusammenhang mit der Schließung anderer [X.] vor Erteilung eines [X.]s generell rechtswidrig ist. Sie durfte entgegen der Ansicht der Klägerin auch anordnen, dass diese die rechtswidrige Buchung bei der nächsten Jahresrechnung korrigiert. Die Ausbuchung einer rechtswidrig gebuchten Schätzverpflichtung verstößt nicht gegen das Realisationsprinzip.

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1, § 161 Abs 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 4 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 und [X.].

Meta

B 1 A 2/19 R

08.10.2019

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 15. Januar 2019, Az: L 5 KR 630/17 KL, Urteil

§ 77 Abs 1 S 1 SGB 4, § 77 Abs 1a S 1 SGB 4, § 77 Abs 1a S 3 Nr 4 SGB 4, § 77 Abs 1a S 4 SGB 4, § 77 Abs 1a S 5 SGB 4, § 78 SGB 4, § 89 Abs 1 S 1 SGB 4, § 89 Abs 1 S 2 SGB 4, § 171e Abs 1 S 2 SGB 5, § 172 Abs 2 SGB 5, § 172 Abs 3 SGB 5, § 220 Abs 1 S 1 SGB 5, § 220 Abs 1 S 2 SGB 5, § 242 Abs 1 S 3 SGB 5, § 242 Abs 1 S 4 SGB 5, § 259 SGB 5, § 260 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 261 Abs 2 SGB 5, § 261 Abs 3 SGB 5, § 261 Abs 4 SGB 5, § 261 Abs 5 SGB 5, § 252 HGB, § 11 SVRV 1999, § 12 SVRV 1999 vom 12.04.2012, § 18 Abs 2 SVRV 1999, § 37 SVRV 1999, § 29a Abs 2 Nr 2 Buchst f SVHV vom 19.07.2010, § 29a Abs 2 Nr 2 Buchst g SVHV vom 19.07.2010, § 29a Abs 4 SVHV, § 25 Abs 2 Nr 1 SRVwV 1999, § 38 Abs 1 SRVwV 1999, Anl 1 Ziff 12 Nr 2 SRVwV 1999

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 08.10.2019, Az. B 1 A 2/19 R (REWIS RS 2019, 2898)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2898

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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