Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.01.2017, Az. B 3 KR 41/16 B

3. Senat | REWIS RS 2017, 16757

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Begründung - Verfahrensfehler - Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 5. August 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Streitig ist ein Anspruch auf Gewährung weiteren Krankengeldes ([X.]) für die [X.] vom 30.9.2014 bis zum 31.5.2015.

2

Der seit dem 31.7.2014 arbeitsunfähig erkrankte Kläger erhielt bis zum Ende seines Beschäftigungsverhältnisses am 31.8.2014 Entgeltfortzahlung durch seinen früheren Arbeitgeber und sodann bis zum 6.9.2014 [X.] von der beklagten Krankenkasse, die ihn seit dem [X.] als familienversichert ohne Anspruch auf [X.] führte. Die weitere Zahlung von [X.] ab [X.] lehnte die Beklagte ab, weil erst am [X.] und damit um zwei Tage verspätet erneut Arbeitsunfähigkeit ([X.]) ärztlich bescheinigt worden sei.

3

Das [X.] hat der Klage nur für die [X.] vom 7.9. bis zum 29.9.2014 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Der Kläger habe sich aufgrund einer - aus Sicht des [X.] unzureichenden - Beratung durch eine Mitarbeiterin der Beklagten anlässlich eines telefonischen Auskunftsbegehrens am [X.] im Irrtum über die Modalitäten der Aufrechterhaltung des [X.]-Anspruchs nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses befunden und deshalb komme ihm ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zugute. Für die verspätete [X.]-Meldung ab 29.9.2014 sei die fehlerhafte Beratung allerdings nicht mehr kausal geworden, sodass die Klage für die [X.] ab 30.9.2014 habe abgewiesen werden müssen (Gerichtsbescheid vom 12.10.2015). Diese allein vom Kläger angefochtene Entscheidung hat das L[X.] im Berufungsverfahren bestätigt, weil es bereits keinen Beratungsmangel gegeben habe; der Kläger könne sich daher auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen (Urteil vom 5.8.2016).

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.] hat der Kläger Beschwerde beim B[X.] eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G).

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger den geltend gemachten Zulassungsgrund des [X.] nicht formgerecht bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

6

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des [X.] die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist darzulegen, dass und warum die Entscheidung des L[X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

2. Der Kläger rügt in erster Linie, das L[X.] habe verfahrensfehlerhaft übersehen, dass allein er Berufung gegen den Gerichtsbescheid des [X.] eingelegt habe und deshalb rechtskräftig festgestanden habe, dass der Mitarbeiterin der Beklagten am [X.] ein Beratungsfehler unterlaufen sei, der zur Versäumung der rechtzeitigen Einholung von weiteren [X.]-Bescheinigungen geführt und dadurch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausgelöst habe. Wegen der eingetretenen [X.] des [X.] für die [X.] bis zum 29.9.2014 sei das L[X.] nicht befugt gewesen, den vom [X.] erkannten Beratungsfehler und damit den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch unberücksichtigt zu lassen und insoweit zu abweichenden Feststellungen und rechtlichen Schlussfolgerungen zu gelangen.

8

Damit ist der geltend gemachte Verfahrensmangel aber nicht formgerecht dargelegt worden. Der Kläger setzt sich nicht mit der Frage der Reichweite der Rechtskraft nach § 141 [X.]G auseinander. Die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft erfasst grundsätzlich nur die Urteilsformel; sie ist auf den darin enthaltenen Gedanken beschränkt (B[X.] SozR 3-1500 § 75 [X.]1; stRspr, [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 141 Rd[X.] 7, 7a). Tatsächliche Feststellungen und rechtliche Erwägungen, die den Urteilsspruch tragen, sind zwar zum Verständnis heranzuziehen, nehmen aber an der Rechtskraft nicht teil (B[X.]E 35, 228, 231 = SozR [X.] 15 zu § 160 [X.]G; [X.], aaO, § 141 Rd[X.] 7b). Vor diesem Hintergrund kann der Beschwerdebegründung nicht nachvollziehbar entnommen werden, das L[X.] habe die [X.] des [X.] missachtet und sei an einer eigenen Beurteilung der Frage des Beratungsfehlers gehindert gewesen.

9

3. Der Kläger rügt ferner einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 [X.]G, Art 103 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 [X.]). Da nur er Berufung eingelegt habe, seien der vom [X.] erkannte Beratungsfehler und das Bestehen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zwischen den Beteiligten unstreitig gewesen. Streitig geblieben sei allein die im Gerichtsbescheid niedergelegte begrenzte Wirkung des Beratungsfehlers bis zum 29.9.2014. Dass das L[X.] angesichts dieser prozessualen Situation das Vorliegen eines Beratungsfehlers selbst geprüft und schon dem Grunde nach verneint habe, stelle eine Überraschungsentscheidung dar. Das L[X.] habe ihm keine Möglichkeit eingeräumt, sich zu dieser Problematik zu äußern (§ 202 [X.]G iVm § 139 Abs 2 ZPO).

Auch dieses Vorbringen erfüllt nicht die Anforderungen an die formgerechte Darlegung eines [X.]. Das L[X.] hat durch das Hinweisschreiben des Berichterstatters vom [X.] seine Auffassung dargelegt, nach vorläufiger Prüfung sei ein Beratungsfehler der Beklagten nicht erkennbar, und sich dazu auf mehrere Urteile des B[X.] berufen (zB Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R - B[X.]E 118, 52 = [X.]-2500 § 192 [X.] 7). Durch dieses Schreiben des Berichterstatters musste jedem Beteiligten klar sein, dass das L[X.] der Frage eines Beratungsfehlers ohne jede rechtliche Einschränkung nachgehen wollte und sich durch die Nichtanfechtung des zusprechenden Teils des [X.] an dieser Prüfung nicht gehindert sah. Der Kläger geht weder auf dieses Schreiben, zu dem er seinerzeit keine Stellungnahme abgegeben hat, noch auf die Frage ein, weshalb er seine Rechtsansicht über die Reichweite der [X.] nicht in der mündlichen Verhandlung des L[X.] am 20.5.2016 vorgetragen hat bzw vortragen konnte, in der ausweislich des [X.] zum genauen Inhalt des Telefongesprächs am [X.] sogar eine Beweisaufnahme stattgefunden hat. Der Vorwurf der Überraschungsentscheidung ist insoweit nicht plausibel dargelegt worden.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 3 KR 41/16 B

25.01.2017

Bundessozialgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Mannheim, 12. Oktober 2015, Az: S 4 KR 535/15, Gerichtsbescheid

§ 141 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.01.2017, Az. B 3 KR 41/16 B (REWIS RS 2017, 16757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16757

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