Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 25.05.2022, Az. XII ZB 404/20

12. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 3049

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Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung der Brüssel-IIa-Verordnung im Hinblick auf Ehescheidungen: Beginn der maßgeblichen Wartefrist für den deutschen Ehemann einer polnischen Ehefrau zur Anrufung eines deutschen Familiengerichts nach seiner Rückkehr nach Deutschland


Leitsatz

Dem Europäischen Gerichtshof wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die in Art. 3 Abs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich Brüssel IIa-VO vorgesehene Wartefrist von einem Jahr (sechs Monaten) für den Antragsteller erst mit der Begründung seines gewöhnlichen Aufenthalts im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts zu laufen beginnt oder ob es genügt, wenn bei Beginn der maßgeblichen Wartefrist zunächst nur ein schlichter Aufenthalt des Antragstellers im Staat des angerufenen Gerichts besteht und sich sein Aufenthalt erst danach im Zeitraum bis zur Antragstellung zu einem gewöhnlichen Aufenthalt verfestigt.

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem [X.] wird zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung ([X.]) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 1347/2000 ([X.]) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Beginnt die Wartefrist von einem Jahr bzw. sechs Monaten gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich [X.] für den Antragsteller erst mit der Begründung seines gewöhnlichen Aufenthalts im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts zu laufen oder genügt es, wenn bei Beginn der maßgeblichen Wartefrist zunächst nur ein schlichter Aufenthalt des Antragstellers im Staat des angerufenen Gerichts besteht und sich sein Aufenthalt erst danach im Zeitraum bis zur Antragstellung zu einem gewöhnlichen Aufenthalt verfestigt?

Gründe

1

[X.]. Sachverhalt

2

Das Verfahren betrifft die Scheidung der Ehe zwischen dem 1959 geborenen [X.]ntragsteller (im Folgenden: Ehemann), der die [X.] Staatsangehörigkeit besitzt, und der 1969 geborenen Ehefrau (im Folgenden: Ehefrau), die [X.] Staatsangehörige ist. Die Beteiligten schlossen im [X.] in [X.]        -J.      ([X.]) in der Nähe von [X.] die Ehe. [X.]us ihrer Ehe sind im Jahr 2003 geborene Zwillingssöhne hervorgegangen.

3

Nachdem die Beteiligten zunächst einige Jahre in [X.] gelebt hatten, zogen sie Mitte der 2000er Jahre nach [X.] in ein von ihnen in [X.]        -J.      errichtetes Familienheim, in dem die Ehefrau bis heute lebt. Die Beteiligten sind daneben gemeinschaftliche Eigentümer einer Wohnung in [X.], die bis zum September 2012 vermietet war und danach zur Verfügung der Beteiligten stand.

4

Der Ehemann war als leitender [X.]ngestellter eines globalen [X.]rzneimittelherstellers beschäftigt. Seit [X.]pril 2010 wurde er aufgrund eines [X.] zwischen seinem [X.]rbeitgeber und dessen [X.] Schwesterunternehmen als Geschäftsführer der sog. Region [X.] eingesetzt, zu der unter anderen [X.] und die [X.] gehören, nicht aber [X.]. Seine Tätigkeit ist in hohem Maße durch Dienstreisen und Heimarbeit geprägt. Sein [X.]rbeitgeber stellte ihm in [X.] ([X.]) eine Dienstwohnung, die er - auch nach der Schließung der [X.] Geschäftsräume seines [X.]rbeitgebers im [X.] 2012 - bis zum [X.]blauf des [X.] Ende 2013 aufrechterhielt. In seinem Geburtsort [X.]([X.]) steht dem Ehemann eine eigene Wohnung in einem von seinen Eltern bewohnten Haus zur Verfügung, die während der Ehe von den Beteiligten und ihren Kindern auch zum [X.]ufenthalt während ihrer Besuche in [X.] genutzt wurde.

5

Der Ehemann hat am 27. Oktober 2013 einen Scheidungsantrag bei dem [X.]mtsgericht [X.]anhängig gemacht. Er hat die [X.]uffassung vertreten, dass sich sein gewöhnlicher [X.]ufenthalt spätestens seit Mitte 2012 in [X.]befunden habe. Er hat behauptet, die Ehewohnung in [X.]        -J.       im Juni 2012 verlassen zu haben. Seit Juni 2012 habe er in [X.]das Verhältnis zu seiner Lebensgefährtin vertieft und regelmäßig seine erkrankten Eltern betreut. Seine [X.]ufenthalte in [X.] hätten sich auf Umgangskontakte mit den beiden Söhnen beschränkt, die stets mit beruflichen [X.]nlässen verbunden gewesen seien.

6

Die Ehefrau hat die fehlende internationale Zuständigkeit [X.]r Gerichte gerügt und behauptet, dass der Ehemann das Familienheim in [X.]        -J.     erst nach den [X.] [X.]nfang [X.]pril 2013 verlassen und danach in der gemeinsamen Eigentumswohnung in [X.] gewohnt habe. Die beiden Söhne seien im zweiten Schulhalbjahr 2012/2013 im täglichen Wechsel von beiden Beteiligten aus der Übermittagsbetreuung in der Schule in [X.] abgeholt worden. Zwischen [X.]pril und November 2013 habe sich der Ehemann fast ausschließlich in den [X.]n oder in [X.] aufgehalten.

7

[X.]m 19. November 2013 hat die Ehefrau ihrerseits in [X.] bei dem Bezirksgericht in [X.] ([X.] w [X.]) einen Scheidungsantrag anhängig gemacht.

8

Das [X.]mtsgericht hat die [X.]n Gerichte für international unzuständig gehalten und den [X.]ntrag als unzulässig zurückgewiesen. Das [X.] hat die Beschwerde des Ehemanns zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns, der eine Zurückverweisung der Sache an das [X.]mtsgericht und eine sachliche Behandlung seines Scheidungsantrags erstrebt.

9

B. Zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof

Der Erfolg der Rechtsbeschwerde des Ehemanns hängt von der [X.]uslegung von [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a der Verordnung ([X.]) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die [X.]nerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur [X.]ufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 1347/2000 (im Folgenden: [X.]) ab. Vor einer Entscheidung ist das Verfahren deshalb auszusetzen und gemäß [X.]rt. 267 [X.]bs. 1 lit. a und [X.]bs. 3 [X.]EUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] einzuholen.

I.

Das Beschwerdegericht hat die internationale Zuständigkeit der [X.]n Gerichte verneint, weil am 27. [X.]pril 2013 - mithin sechs Monate vor Einreichung seines Scheidungsantrags bei dem [X.]mtsgericht [X.]- (noch) kein gewöhnlicher [X.]ufenthalt des Ehemanns in [X.] feststellbar sei und sich der Ehemann aus diesem Grund nicht auf den Klägergerichtsstand gemäß [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a sechster Spiegelstrich [X.] berufen könne. Dazu hat das Beschwerdegericht das Folgende ausgeführt:

Der Ehemann habe - unabhängig von der durch Heimarbeit und zahlreiche Dienstreisen geprägten Berufstätigkeit - seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt ursprünglich in [X.] gehabt, weil er sich dort mit der Ehefrau und den Kindern als seinen engsten [X.]ngehörigen dauerhaft niedergelassen habe. Die Trennung der Eheleute allein habe für den Ehemann noch keine Verlagerung seines gewöhnlichen [X.]ufenthalts bedeutet, weil ein bloßer Wohnungswechsel innerhalb [X.]s an seinem tatsächlichen Lebensmittelpunkt in [X.] nichts geändert hätte. Zu welchem konkreten [X.]punkt sich die Beteiligten getrennt hätten, sei deshalb für die Frage nach dem gewöhnlichen [X.]ufenthalt des Ehemanns allenfalls mittelbar von Bedeutung. Der Ehemann habe erstmals für die [X.] seit Mitte 2012 greifbare tatsächliche Umstände dargelegt, die eine Verlagerung seines Lebensmittelpunkts von [X.] nach [X.] in Betracht kommen ließen. Hierzu zählten neben dem besonderen Hilfebedürfnis seiner Eltern und der „Vertiefung“ des Verhältnisses zu seiner Lebensgefährtin auch die [X.]ufgabe der Geschäftsräume seines [X.]rbeitgebers in den [X.]n. [X.]llerdings spreche bereits das eigene Vorbringen des Ehemanns dagegen, dass er seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt bereits zwischen Juni 2012 und [X.]pril 2013 nach [X.] verlagert habe. Gegenüber den Finanzbehörden habe er im Februar 2013 in einem von seinem Steuerberater übersandten Fragebogen angegeben, dass sich sein Lebensmittelpunkt ([X.]) im gesamten [X.] in [X.] befunden habe und auch nicht von dort wegverlegt worden sei. Es sei unglaubhaft, wenn der Ehemann diese [X.]ngaben nunmehr bezüglich der zweiten Jahreshälfte 2012 als Versehen betrachtet wissen wolle. Die Behauptung des Ehemanns, er sei seit Oktober 2012 nur noch zu [X.] mit seinen Kindern nach [X.] gereist, lasse sich nicht mit seinem Reisekalender und den darin dokumentierten [X.]ufenthaltszeiten in [X.] in Einklang bringen. Die besonders enge Beziehung des Ehemanns zu seinen beiden Söhnen sei allerdings ohne weiteres glaubhaft und spreche gegen die frühzeitige [X.]ufgabe seines Lebensmittelpunktes in [X.]. Nach der Bescheinigung der Schule in [X.] seien die Kinder im zweiten Schulhalbjahr 2012/2013 bis zu den [X.]ferien abwechselnd von den beiden Eltern abgeholt worden. Demgegenüber lasse sich aus den [X.]ufstellungen des Ehemanns über die [X.]ufenthaltszeiten in [X.] zwischen Juni 2012 und [X.]pril 2013 keine Verlagerung des Lebensmittelpunkts, insbesondere kein erhöhter Betreuungsbedarf seiner Eltern und auch keine Vertiefung der Beziehung zu seiner neuen Lebensgefährtin ablesen. Die [X.]ngaben der von dem Ehemann für seinen [X.]ufenthalt in [X.] benannten Zeugen seien teilweise unergiebig und im Übrigen unglaubhaft. [X.]uch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme könne deshalb zumindest für die [X.] bis zum 29. Juni 2013, als das Schuljahr für die beiden Söhne der Beteiligten endete und die [X.]ferien in der [X.] (Województwo mazowiecki) begannen, allenfalls ein einfacher [X.]ufenthalt des Ehemanns in [X.], nicht aber eine bereits abgeschlossene Verlegung seines Lebensmittelpunkts nach [X.] festgestellt werden. Dies gelte erst recht, weil der Ehemann seit Oktober 2012 die Wohnung der Beteiligten in [X.] für eigene Zwecke habe nutzen können.

II.

Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde hängt von der Beantwortung der Vorlagefrage zur [X.]uslegung von [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich [X.] ab.

1. Zutreffend sind zunächst die rechtlichen [X.]usgangspunkte des [X.]s.

a) Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass sich eine internationale Zuständigkeit [X.]r Gerichte im Streitfall aus [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a sechster Spiegelstrich [X.] ergeben kann. Nach dieser Vorschrift sind für Entscheidungen über die Ehescheidung die Gerichte des Mitgliedsstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der [X.]ntragsteller seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der [X.]ntragstellung aufgehalten hat und Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats ist. Der [X.] hat bereits entschieden, dass die an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Privilegierung, die einem [X.]ntragsteller die [X.]nrufung der Gerichte seines [X.] bereits nach einer sechsmonatigen [X.]ufenthaltsdauer ermöglichen, während ansonsten gemäß [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a fünfter Spiegelstrich [X.] ein Scheidungsantrag erst nach einer [X.]ufenthaltsdauer von einem Jahr eingereicht werden kann, nicht gegen das in [X.]rt. 18 [X.]EUV verankerte Diskriminierungsverbot verstößt (vgl. [X.] Urteil vom 10. Februar 2022 - [X.]. [X.]/20 - FamRZ 2022, 509 Rn. 40 f.).

b) Ebenfalls zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Begriff des „gewöhnlichen [X.]ufenthalts“ verordnungsautonom und einheitlich auszulegen ist (vgl. [X.] Urteile vom 25. November 2021 - [X.]. [X.]/20 - FamRZ 2022, 215 Rn. 38 f. und vom 28. Juni 2018 - [X.]. 512/17 - FamRZ 2018, 1426 Rn. 40).

Dabei ist zwischenzeitlich in der Rechtsprechung des [X.] geklärt, dass auch ein Ehegatte, der sein Leben in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten verbringt, seinen „gewöhnlichen“ [X.]ufenthalt nur in einem dieser Mitgliedstaaten haben kann (vgl. [X.] Urteil vom 25. November 2021 - [X.]. [X.]/20 - FamRZ 2022, 215 Rn. 51). Die Bestimmung des gewöhnlichen [X.]ufenthalts ist im Wesentlichen eine Tatsachenfrage, die das nationale Gericht anhand aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen hat (vgl. [X.] Urteile vom 25. November 2021 - [X.]. [X.]/20 - FamRZ 2022, 215 Rn. 52 und vom 22. Dezember 2010 - [X.]. [X.]/10 [X.] [[X.]] - FamRZ 2011, 617 Rn. 47). Der gewöhnliche [X.]ufenthalt wird dabei grundsätzlich durch zwei Elemente gekennzeichnet, nämlich zum einen subjektiv durch den Willen des Betroffenen, den gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen an einen bestimmten Ort zu legen (animus manendi), und zum anderen objektiv durch eine hinreichend dauerhafte [X.]nwesenheit im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats (vgl. [X.] Urteil vom 25. November 2021 - [X.]. [X.]/20 - FamRZ 2022, 215 Rn. 57 f.). Bei der Bestimmung des Lebensmittelpunkts eines erwachsenen Ehegatten ist sein - im Vergleich zu Kindern - vielfältigeres Umfeld mit einem erheblich breiteren Spektrum an beruflichen, privaten, familiären, soziokulturellen und vermögensbezogenen [X.]ktivitäten und Interessen zu berücksichtigen. Dabei dürfte nach der Rechtsprechung des [X.] insbesondere davon auszugehen sein, dass in [X.]en der Ehekrise dem subjektiven Element, nämlich dem nach außen manifestierten Willen eines Ehegatten, sich von seinem Partner zu trennen und sich im Rahmen einer neuen Lebensplanung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat des früheren gemeinsamen [X.]ufenthalts niederzulassen, besondere Bedeutung bei der Bestimmung seines gewöhnlichen [X.]ufenthalts beizumessen ist (vgl. [X.] Urteil vom 25. November 2021 - [X.]. [X.]/20 - FamRZ 2022, 215 Rn. 55 f.).

c) Ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die [X.]uffassung des [X.]s, dass in [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich [X.] vorgesehene Wartefrist von sechs Monaten (einem Jahr) nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift unmittelbar vor der Stellung des Scheidungsantrags erfüllt sein muss. Dies dürfte in der Rechtsprechung des [X.] zwischenzeitlich auch geklärt sein (vgl. [X.] Urteil vom 25. November 2021 - [X.]. [X.]/20 - FamRZ 2022, 215 Rn. 59).

2. Das [X.] ist offensichtlich davon ausgegangen, dass sich der Ehemann zumindest im [X.]punkt der Einreichung des Scheidungsantrags am 27. Oktober 2013 gewöhnlich in [X.] aufgehalten hat. Diese - für den Ehemann günstige - Wertung ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen. Demgegenüber meint das [X.], dass die von ihm getroffenen Feststellungen in der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht die Wertung rechtfertigen können, der Ehemann habe auch schon sechs Monate vor der Stellung seines Scheidungsantrags - mithin am 27. [X.]pril 2013 - seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt in [X.] gehabt. Diese tatrichterliche Würdigung lässt keine Rechtsfehler erkennen und ist daher für den [X.] bindend.

a) Die Zuständigkeitsvorschriften der [X.] enthalten keine ausdrücklichen Regelungen dazu, wie die nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten bei der Feststellung der für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit bedeutsamen tatsächlichen Umstände zu verfahren haben. Maßgeblich sind daher unter Berücksichtigung der Grundsätze von Äquivalenz und Effektivität die jeweiligen Verfahrensvorschriften des nationalen Rechts. Das nationale Verfahrensrecht entscheidet darüber, ob das Gericht die zuständigkeitsrelevanten Tatsachen von [X.]mts wegen zu ermitteln hat oder ob sie von den Beteiligten selbst beigebracht werden müssen (vgl. bereits Schlosser, Bericht zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des [X.], [X.] und des [X.] zum EuGVÜ sowie zum Protokoll betreffend die [X.]uslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof, [X.]Bl. [X.] 1979 Nr. [X.], 81 f. Rn. 22). Werden diese Verfahrensvorschriften - wie das [X.] Recht - vom [X.] beherrscht, trifft das Gericht seine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen. Über die Verteilung der Beweislast lässt sich [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 [X.] unmittelbar nichts entnehmen. Es entspricht jedoch auch im [X.] Zivilprozessrecht den üblichen Regeln zur Beweislast, dass diejenige Person, die sich auf einen bestimmten Gerichtsstand berufen will, die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat (in diesem Sinne bereits [X.] Urteil vom 20. Januar 2005 - [X.]. [X.]/01 [[X.]/[X.]] - NJW 2005, 653 Rn. 46 zur Beweislast für die [X.] im Rahmen von [X.]rt. 13 bis 15 des [X.]er Übereinkommens vom 27. November 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen).

b) Der Begriff des „gewöhnlichen [X.]ufenthalts“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter unbestimmte Rechtsbegriffe hat das Rechtsbeschwerdegericht nach [X.]m Verfahrensrecht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren. Es darf regelmäßig nur überprüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff richtig erfasst hat, ob er den Sachverhalt verfahrensfehlerfrei festgestellt hat, ob er wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat und ob seine Wertung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. [X.] vom 7. Oktober 2015 - [X.] - NJW 2015, 3780 Rn. 25 und vom 12. März 2003 - [X.] - NJW-RR 2003, 981 f. mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom 9. Juli 2014 - [X.] 661/12 - FamRZ 2014, 1536 Rn. 39 ff.). Bewegt sich der Tatrichter innerhalb dieses Rahmens, sind seine Feststellungen und Wertungen für das Rechtsbeschwerdegericht bindend (§ 74 [X.]bs. 3 Satz 4 FamFG iVm § 559 [X.]bs. 2 ZPO). Gemessen an diesem Prüfungsmaßstab ist die in tatrichterlicher Verantwortung getroffene Beurteilung des [X.]s, der Ehemann habe am 27. [X.]pril 2013 seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt (noch) nicht in [X.] gehabt, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

aa) Im [X.]usgangspunkt zieht die Rechtsbeschwerde ersichtlich nicht in Zweifel, dass sich der gewöhnliche [X.]ufenthalt des Ehemanns ungeachtet seiner häufigen beruflich veranlassten [X.]uslandsreisen und seiner in verschiedenen Ländern ([X.], [X.], [X.]) unterhaltenen Wohnungen zumindest bis zur Trennung der Eheleute, die der Ehemann auf Juni 2012 datiert, in [X.] befand. In diesem Land lebte er mit der Ehefrau und seinen Kindern als seinen engsten [X.]ngehörigen in einem Familienheim. Das [X.] hat sich daher zu Recht die Frage vorgelegt, ob und gegebenenfalls zu welchem [X.]punkt die tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falls für den [X.]raum seit Juni 2012 in einer Gesamtbetrachtung die [X.]nnahme rechtfertigen, dass der Ehemann den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen von [X.] nach [X.] verlegt hat.

bb) Die quantitative [X.]uswertung der [X.] in den verschiedenen [X.] liefert dabei für den [X.]raum zwischen Juli 2012 und Juni 2013 keinen eindeutigen Befund. Die [X.]ufenthaltszeiten hat das [X.] auf der Grundlage der eigenen [X.]ngaben des Ehemanns wie folgt festgestellt:

      

1. Halbj. 2012

2. Halbj. 2012

1. Halbj. 2013

2. Halbj. 2013

[X.]

70 Tage

41 Tage

66 Tage

56 Tage

[X.]

42 Tage

71,5 Tage

70,5 Tage

108 Tage

[X.] und
sonstige [X.]

70 Tage

71,5 Tage

44,5 Tage

20 Tage

Zwar trifft es danach zu, dass sich der Ehemann im ersten Halbjahr 2012 aus privaten und beruflichen Gründen noch 70 Tage in [X.] und lediglich 42 Tage in [X.] aufgehalten hatte und sich dieses Verhältnis im zweiten Halbjahr 2012 praktisch umkehrte. Demgegenüber lässt sich aber für das erste Halbjahr 2013 schon nicht mehr feststellen, dass sich der Ehemann signifikant häufiger in [X.] als in [X.] aufgehalten hätte. Davon, dass der Ehemann im zweiten Halbjahr 2013 seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt in [X.] hatte, geht das [X.] selbst aus.

cc) In rechtlich bedenkenfreier Weise hat sich das [X.] daher eine qualitative Schwerpunktbestimmung vorgenommen und vorrangig die privaten und familiären Interessen des Ehemanns in den Blick genommen. Dabei hat das [X.] erwogen, dass der Ehemann im [X.]raum zwischen 2012 und 2013 sowohl zu seinen pflegebedürftigen Eltern und seiner neuen Lebensgefährtin in [X.] als auch zu seinen beiden Söhnen in [X.] starke familiäre und persönliche Verbindungen unterhielt.

Die [X.]ufrechterhaltung einer intensiven persönlichen Bindung zu den beiden in [X.] lebenden Kindern spricht für sich genommen zwar noch nicht gegen die [X.]nnahme, dass der Ehemann den Schwerpunkt seiner Lebensinteressen nach der Trennung nach [X.] verlegt haben könnte, weil es einem Ehegatten, der in einer Ehekrise beschließt, den früheren gewöhnlichen [X.]ufenthalt des Ehepaars zu verlassen, um sich in einem anderen Mitgliedsstaat niederzulassen und dort einen Scheidungsantrag zu stellen, grundsätzlich freigestellt bleibt, eine Reihe von [X.] und familiären Verbindungen im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaats zu behalten, in dem sich der frühere gemeinsame [X.]ufenthalt der beiden Ehegatten befunden hat (vgl. [X.] Urteil vom 25. November 2021 - [X.]. [X.]/20 - FamRZ 2022, 215 Rn. 55).

Das [X.] hat die familiäre Verbindung zu seinen Söhnen bei der Bestimmung des Schwerpunkts der Lebensinteressen des Ehemanns aber deshalb für ausschlaggebend gehalten, weil der Ehemann gerade nicht nachweisen konnte, dass sich sein Kontakt zu seinen in [X.] verbliebenen Kindern lediglich auf Umgangskontakte in einem typischen Umfang beschränkte. Vielmehr hat das [X.] festgestellt, dass der Ehemann noch bis zu den [X.]ferien 2013 in ganz erheblichem Umfang in die nachschulische Betreuung seiner Söhne eingebunden gewesen ist. Dabei durfte das [X.] in tatrichterlicher Verantwortung aus der von der Ehefrau vorgelegten Bescheinigung der [X.] [X.] vom 8. März 2014 jedenfalls den Schluss ziehen, dass der Ehemann bei der [X.]bholung der Kinder aus der Schule nicht erkennbar weniger in Erscheinung getreten war als die Ehefrau. Schließlich durfte das [X.] bei seinen Erwägungen auch berücksichtigen, dass dem Ehemann - unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, wie oft er sich zwischen Juli 2012 und [X.]pril 2013 noch in der früheren Ehewohnung in [X.]       -J.      aufgehalten hatte - zumindest seit Oktober 2012 zu Wohnzwecken die Eigentumswohnung in [X.] zur Verfügung stand und er deshalb zur Deckung seiner Wohnbedürfnisse in [X.] nicht (mehr) auf Hotelaufenthalte angewiesen war.

cc) Entgegen den [X.]ngriffen der Rechtsbeschwerde hat das [X.] bei seiner Wertung auch nicht wesentliche Tatumstände übersehen oder unvollständig gewürdigt.

(1) Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das [X.] den melderechtlichen Verhältnissen, wonach der Ehemann in [X.] bereits seit dem 18. März 2011 mit seinem alleinigen Wohnsitz in [X.] und in [X.] lediglich für die [X.] vom 9. November 2010 bis zum 17. Oktober 2012 zum vorübergehenden [X.]ufenthalt in [X.]       -J.      gemeldet war (zameldowania na pobyt czasowy), keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat. Wie die Rechtsbeschwerde im [X.]usgangspunkt nicht verkennt, sind die melderechtlichen Verhältnisse nur bedingt aussagekräftig und können allenfalls ein Indiz für den tatsächlichen Lebensmittelpunkt darstellen (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 15. März 1995 - [X.] 37/94 - FamRZ 1995, 1135 und vom 7. Februar 1990 - [X.] 1/90 - NJW-RR 1990, 506, 507). Eine Indizwirkung der [X.] für den gewöhnlichen [X.]ufenthalt konnte das [X.] aber schon mit Blick darauf verneinen, dass der Ehemann selbst gegenüber den Finanzbehörden erklärt hatte, dass sich sein Lebensmittelpunkt während des gesamten Jahres 2012 in [X.] befunden habe und auch nicht von dort wegverlegt worden sei. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das [X.] dieser Erklärung des Ehemanns in einem Fragebogen seines Steuerberaters bei der Beweiswürdigung besondere Bedeutung beigemessen hat, weil sie zu einem [X.]punkt (im Februar 2013) abgegeben worden ist, als noch ausgeschlossen erschien, dass ihr Inhalt durch deren mögliche Bedeutung für dieses Verfahren beeinflusst worden sein könnte.

(2) [X.]uch die von dem Ehemann vorgelegten Kontoauszüge aus dem [X.]raum von Oktober 2012 bis Oktober 2013 sind nicht geeignet, die Beurteilung des [X.]s grundlegend in Frage zu stellen. Unabhängig davon, dass diese zum Teil geschwärzt sind, können sie (lediglich) belegen, dass der Ehemann in der [X.], in der er sich in [X.] aufgehalten hat, dort auch Kosten für die Lebensführung bestritten hat. Davon, dass sich der Ehemann in den Jahren 2012 und 2013 über längere [X.]räume in [X.] aufgehalten hatte, ging das [X.] auf der Grundlage seiner Feststellungen zu den [X.]ufenthaltszeiten aber ohnehin selbst aus.

(3) [X.]uch die Rüge der Rechtsbeschwerde, dass das [X.] die [X.]ussagen der im Wege der Rechtshilfe vernommenen [X.]n Zeugen nicht kritisch gewürdigt habe, obwohl der Ehemann in der Beschwerdebegründung auf Widersprüchlichkeiten und Unzulänglichkeiten in diesen [X.]ussagen hingewiesen habe, greift nicht durch. Denn auf den Inhalt der [X.]ussagen der [X.]n Zeugen stützt sich die Entscheidung des [X.]s - aus seiner Sicht auch folgerichtig - nicht, weil es für seine Würdigung insbesondere nicht darauf ankam, wann der Ehemann die frühere Ehewohnung in [X.]        -J.      (endgültig) verlassen hatte.

dd) Wenn das [X.] nach alledem unter den obwaltenden Umständen eine Zäsur bezüglich der Verlagerung des Schwerpunkts der Lebensinteressen des Ehemanns nicht bereits im Juni 2012 (Trennung der Eheleute), sondern angesichts der fortbestehenden Betreuungsleistungen des Ehemanns für die beiden schulpflichtigen Kinder der Beteiligten erst im Juli 2013 (Beginn der [X.]ferien in der [X.]) erkannt hat, mag diese Würdigung mit Rücksicht darauf, dass die stärksten sprachlichen und soziokulturellen Bindungen des Ehemanns zu seinem [X.]n Heimatstaat bestanden haben dürften, möglicherweise nicht zwangsläufig sein. Sie ist aber jedenfalls vertretbar und bewegt sich deshalb im Rahmen einer zulässigen und für den [X.] bindenden tatrichterlichen Würdigung.

3. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde hängt deshalb davon ab, ob für den Beginn der Wartefrist nach [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich [X.] ein schlichter [X.]ufenthalt im [X.] genügt, oder ob der [X.]ntragsteller - wie das [X.] meint - bereits sechs Monate (ein Jahr) vor der Stellung des Scheidungsantrags einen gewöhnlichen [X.]ufenthalt im [X.] begründet haben muss. Wäre die [X.]uffassung des [X.]s richtig, müsste die Rechtsbeschwerde des Ehemanns zurückgewiesen werden, weil er am 27. [X.]pril 2013 noch keinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt in [X.] gehabt hatte. [X.]nderenfalls hätte seine Rechtsbeschwerde Erfolg, weil nach den Feststellungen des [X.]s davon auszugehen ist, dass der Ehemann die sechsmonatige Wartefrist zumindest unter Zurechnung von [X.]en seines einfachen [X.]ufenthalts in [X.] erfüllen könnte (zur Möglichkeit eines gleichzeitigen [X.]ufenthalts an mehreren Orten vgl. [X.] Urteil vom 25. November 2021 - [X.]. [X.]/20 - FamRZ 2022, 215 Rn. 55).

a) Darüber, wie [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich [X.] insoweit auszulegen ist, besteht seit längerer [X.] Uneinigkeit.

Es entspricht einer weit verbreiteten [X.]nsicht im [X.] Schrifttum, dass der gewöhnliche [X.]ufenthalt des [X.]ntragstellers im [X.] nicht erst im [X.]punkt der [X.]ntragstellung, sondern schon bei Beginn der maßgeblichen Wartefrist von sechs Monaten bzw. einem Jahr bestanden haben muss. Diese, auch vom Beschwerdegericht geteilte [X.]uffassung beruft sich in erster Linie auf eine teleologische Norminterpretation und betont, dass der [X.]ntragsteller erst durch einen gewöhnlichen [X.]ufenthalt von einer gewissen Dauer seine hinreichend enge Beziehung zum [X.] unter Beweis stellen müsse, um [X.] zulasten des [X.]ntragsgegners auszuschließen (vgl. [X.]/[X.] [X.]/[X.] 4. [X.]ufl. [X.]rt. 3 [X.] Rn. 43; [X.]/[X.] BGB [2015] [X.]rt. 3 [X.] Rn. 41; [X.] Internationales und Europäisches Familienrecht 2. [X.]ufl. [X.] Rn. 80; [X.]/[X.] ZPO 34. [X.]ufl. [X.]rt. 3 [X.] Rn. 7; [X.]/[X.] 4. [X.]ufl. [X.]rt. 3 [X.] 2003 Rn. 29 f.; MünchKommFamFG/[X.] 3. [X.]ufl. [X.]rt. 3 [X.] Rn. 20; [X.] [X.] 2021, 167, 170 ff.; [X.], 1333, 1334). Demgegenüber wollen andere Stimmen in der Literatur schon den schlichten [X.]ufenthalt des [X.]ntragstellers während der [X.] seiner [X.] Integration in den [X.] auf die Wartezeit anrechnen. Sie argumentieren, dass ein „gewöhnlicher [X.]ufenthalt“ von sechs Monaten (einem Jahr) Dauer nach dem eindeutigen Wortlaut von [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich [X.] nicht verlangt werden könne (vgl. [X.] in [X.]/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen [Stand: Oktober 2021] [X.]rt. 3 VO Nr. 2201/2003 Rn. 29 ff.; Bahrenfuss/von [X.] FamFG 3. [X.]ufl. § 98 Rn. 11; [X.] Die [X.] in Ehe- und Kindschaftsverfahren [2003] S. 81 ff.; [X.] Ehescheidungen mit grenzüberschreitendem Bezug [2011] S. 125, 127 f.; [X.] Entscheidungszuständigkeit und Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit in Ehesachen mit [X.] [2009] Rn. 365 ff.; tendenziell wohl auch [X.] Internationales Familienrecht 4. [X.]ufl. § 2 Rn. 27 ff.).

Eine vergleichbare Kontroverse darüber, ob bei Beginn der maßgeblichen Wartefrist bereits eine „[X.]“ des [X.]ntragstellers im [X.] bestanden haben muss (so [X.] in [X.] [2019] [X.] 24 Rn. 53 ff.; [X.] in [X.] [2007] [X.] 3315 (Fam) Rn. 48 ff.) oder ob es ausreicht, wenn der [X.]ntragsteller bei Wartefristbeginn eine „residence“ im [X.] begründet hat, sofern sich diese bis zur [X.]ntragstellung zu einer „[X.]“ verfestigt hat (so [X.] in [X.] [2007] [X.] 2047 (Fam) Rn. 45 ff.; [X.] J in V v V [2011] [X.] 1190 (Fam) Rn. 47), entwickelte sich vor dem [X.]ustritt des [X.] aus der [X.] auch unter [X.] Richtern.

b) Die Streitfrage ist bislang in der Rechtsprechung des [X.] nicht geklärt. In der Rechtssache [X.]/20 hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit der [X.]nwendung von [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a sechster Spiegelstrich [X.] formuliert ([X.] Urteil vom 25. November 2021 - [X.]. [X.]/20 - FamRZ 2022, 215 Rn. 59), dass der [X.]ntragsteller des damaligen Verfahrens „das Erfordernis eines mindestens sechsmonatigen [X.]ufenthaltes im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates unmittelbar vor Beantragung der [X.]uflösung der Ehe“ erfüllt habe („...satisfaisait à la condition de [X.] sur le territoire de cet État membre d’au moins six mois immédiatement avant l’introduction de sa requête en dissolution du lien matrimonial...“). Obwohl der Gerichtshof auf einen „sechsmonatigen [X.]ufenthalt“ und nicht ausdrücklich auf einen „sechsmonatigen gewöhnlichen [X.]ufenthalt“ rekurriert, erscheint es dem Senat zweifelhaft, dass sich der Gerichtshof damit zu der Frage positionieren wollte, ob bei Beginn der sechsmonatigen Wartefrist ein schlichter oder ein gewöhnlicher [X.]ufenthalt vorliegen müsse, weil die Umstände des damaligen Streitfalls eine Befassung mit dieser Problematik offensichtlich nicht als geboten erscheinen ließen.

c) Der Senat neigt - mit dem [X.] - dazu, einen gewöhnlichen [X.]ufenthalt des [X.]ntragstellers im [X.] zu verlangen, um die [X.] von sechs Monaten (einem Jahr) in Gang zu setzen.

aa) Dabei verkennt der Senat nicht, dass der reine Wortlaut der Vorschrift in eine andere Richtung deuten könnte. [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich [X.] bestimmen, dass die Gerichte des Mitgliedsstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der [X.]ntragsteller seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt hat, wenn er sich dort seit einem Jahr (sechs Monaten) unmittelbar vor der [X.]ntragstellung „aufgehalten“ (und nicht: „gewöhnlich aufgehalten“) hat. Entgegen der [X.]uffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung vermag der Senat weder der [X.]

„[X.] resident if he or she resided there for at least a year (six month) immediately before the application was made”

noch der [X.]n

„....la [X.] habituelle du demandeur s'il y a résidé depuis au moins une année immédiatement avant l'introduction de la demande”

Sprachfassung der Verordnung eine eindeutigere Verknüpfung zwischen der Wartefrist und dem Erfordernis des gewöhnlichen [X.]ufenthalts zu entnehmen.

In diesem Zusammenhang ist zum Vergleich auch auf das in einigen Mitgliedstaaten der [X.] in [X.] befindliche [X.] Übereinkommen vom 1. Juni 1970 über die [X.]nerkennung von Ehescheidungen und Ehetrennungen (veröffentlicht auf [X.]) hinzuweisen, das sprachlich insoweit unmissverständlich gefasst ist. Nach [X.]rt. 2 Nr. 2 lit. a des [X.] Scheidungsübereinkommens 1970 werden Ehescheidungen und Ehetrennungen in jedem anderen Vertragsstaat anerkannt, wenn der [X.]ntragsteller im [X.]punkt der Einleitung des Verfahrens im [X.] seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt in diesem Staat hatte und „der gewöhnliche [X.]ufenthalt .... unmittelbar vor der Einleitung des Verfahrens mindestens ein Jahr gedauert“ hatte. Entsprechend eindeutig formuliert sind auch die [X.] (“...such [X.] had continued for not less than one year immediately prior to the institution of proceedings.”) und die [X.] (“...cette [X.] habituelle avait duré au moins une année immédiatement avant la date de la demande.”) Sprachfassung des Übereinkommens.

bb) [X.] geht der Senat nicht davon aus, dass der [X.] Verordnungsgeber mit seiner Entscheidung, bei der redaktionellen Fassung von [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich [X.] keine ähnlich eindeutige Formulierung zu verwenden, wie sie in [X.]rt. 2 Nr. 2 des [X.] Scheidungsübereinkommens 1970 gewählt worden ist, eine besondere [X.]ussage verbinden wollte. Er lässt sich möglicherweise auch mit dem Streben nach besserer Lesbarkeit der Vorschrift erklären. Im [X.] wird ausgeführt, dass das [X.] in der Verordnung „auf der Grundlage des gewöhnlichen [X.]ufenthalts, wenn auch nur unter Zusatzbedingungen, zugelassen“ werden sollte (vgl. Borrás Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von [X.]rtikel [X.] 3 des Vertrags über die [X.] über die Zuständigkeit und die [X.]nerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen, [X.]Bl. [X.] 1998 Nr. [X.] 221/38 Nr. 32). Darüber, ob diese auf den gewöhnlichen [X.]ufenthalt bezogenen Zusatzbedingungen gerade darin bestehen, dass der gewöhnliche [X.]ufenthalt des [X.]ntragstellers während der gesamten Wartefrist von sechs Monaten (einem Jahr) vor der Stellung des Scheidungsantrags begründet gewesen sein muss, liefern zwar weder die [X.] noch die [X.] Sprachfassung des [X.]s [X.]ufschluss. Demgegenüber finden sich aber sowohl in der [X.]n

„[X.], pour pouvoir introduire sa demande, [X.] habituelle dans l'Etat en question depuis six mois."

als auch der spanischen

„...por otra parte, [X.] solicitud es [X.] establecido en dicho Estado su residencia habitual por un period de seis meses."

Sprachfassung des [X.]s insoweit eindeutige Formulierungen und damit deutliche [X.]nhaltspunkte für die vom Senat bevorzugte [X.]uslegung, dass auch nach [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich [X.] ein gewöhnlicher [X.]ufenthalt im [X.] während der gesamten Wartefrist erforderlich ist.

cc) Für eine enge [X.]uslegung der Vorschrift spricht schließlich der Umstand, dass das über [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 lit. a fünfter und sechster Spiegelstrich [X.] erreichbare [X.] eine besondere Privilegierung des [X.]ntragstellers darstellt und ein besonderes Schutzbedürfnis auf Seiten des [X.]ntragsgegners erzeugt, der in den meisten Fällen keinen Bezug zum Staat des [X.] hat. Es liegt auch deshalb nahe, die den Zugang zum [X.] rechtfertigende Bindung des [X.]ntragstellers zum [X.] auch in zeitlicher Hinsicht besonders zu qualifizieren.

dd) Dem Erfordernis, dass der [X.]ntragsteller einen gewöhnlichen [X.]ufenthalt im [X.] während der gesamten Wartefrist von sechs Monaten (einem Jahr) begründet haben muss, steht auch nicht die allgemeine Erwägung entgegen, dass zuständigkeitsbegründende Kriterien grundsätzlich einfach zu ermitteln sein sollten, um die Rechtsanwendung für die Beteiligten vorhersehbar zu machen und eine einheitliche Handhabung der Verordnung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Es ist zwar zuzugeben, dass die ex-post-Beurteilung der Frage, ob der [X.]ufenthalt des [X.]ntragstellers im Gerichtsstand bereits bei Beginn der Wartefrist von sechs Monaten (einem Jahr) ein „gewöhnlicher“ [X.]ufenthalt war, mit erheblichen tatsächlichen Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten verbunden ist. [X.]llerdings werden sich diese Probleme voraussichtlich nur einer sehr geringen [X.]nzahl von Fällen und bei ausgesprochen atypischen Sachverhaltskonstellation - wie etwa im vorliegenden Fall - tatsächlich stellen. In den üblichen Fällen, in denen ein Ehegatte in der Ehekrise den Ort des früheren gemeinsamen [X.]ufenthalts verlässt und in einen anderen Mitgliedsstaat zieht, handelt es sich um die Rückkehr an den Ort, an dem der Ehegatte vor der Heirat gewohnt hat oder in den Mitgliedsstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Ehegatte besitzt. Gerade in solchen Fällen wird bei einem Umzug nach einer Ehekrise nahezu sofort oder zumindest binnen sehr kurzer [X.] von einem neuen gewöhnlichen [X.]ufenthalt des Ehegatten ausgegangen werden können, so dass praktisch der gesamte [X.]ufenthalt des Ehegatten in dem anderen Mitgliedstaat in der Regel auch immer ein gewöhnlicher [X.]ufenthalt sein wird (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts [X.]ampos Sánchez-Bordona vom 8. Juli 2021 - [X.]. [X.]/20 - juris Rn. 60).

Dose    

        

Klinkhammer    

        

Schilling

        

Botur    

        

Krüger    

        

Meta

XII ZB 404/20

25.05.2022

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 1. September 2020, Az: I-11 UF 187/18

Art 3 Abs 1 Buchst a Ss 5 EGV 2201/2003, Art 3 Abs 1 Buchst a Ss 6 EGV 2201/2003, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 25.05.2022, Az. XII ZB 404/20 (REWIS RS 2022, 3049)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3049 NJW 2022, 2360 REWIS RS 2022, 3049 MDR 2022, 1043-1044 REWIS RS 2022, 3049

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Referenzen
Wird zitiert von

XII ZB 425/21

Zitiert

VIII ZR 247/14

XII ZB 661/12

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