Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.03.2011, Az. XI ZR 48/10

11. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 8993

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Gegenstand

Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte: Nachträglicher Eintritt der die Zuständigkeit begründenden Umstände und deren späterer Wegfall


Leitsatz

1. Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO reicht es aus, dass diese erst im Laufe des Rechtsstreits eingetreten ist .

2. Die danach einmal begründete internationale Zuständigkeit des Gerichts bleibt auch dann erhalten, wenn die sie begründenden Umstände im Laufe des Rechtsstreites wegfallen (perpetuatio fori) .

Tenor

Die Revision gegen das Zwischenurteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 28. Januar 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines Zwischenstreits über die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte.

2

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigung und Rückzahlung mehrerer Darlehen in Anspruch, die sie dem Beklagten, einem Steuerberater und Wirtschaftprüfer, gewährt hatte. Der Beklagte, der bis dahin in [X.] gelebt hatte, meldete sich am 3. März 2006 nach [X.] ab und mietete sodann ab dem 26. Mai 2006 eine Wohnung in [X.] ([X.]) an.

3

Rund einen Monat später, am 6. Juli 2006, hat die Klägerin bei dem Amtsgericht U. Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gegen den Beklagten über eine Hauptforderung von 485.362,99 € nebst Zinsen und Kosten gestellt. Nach antragsgemäßem Erlass des Mahnbescheids und Zustellung des darauf gestützten [X.]es am 12. Oktober 2006 hat der Beklagte mit Schreiben vom 19. Oktober 2006 Einspruch eingelegt und die mangelnde "örtliche Zuständigkeit" des [X.]s [X.] gerügt, an das die Sache vom Mahngericht abgegeben worden war. In der Folge hat der Beklagte die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte gerügt, sodann im Dezember 2007 mitgeteilt, er habe seinen Wohnsitz "ab [X.] 2006" wieder nach [X.] verlegt, und schließlich kurz vor der auf den 8. Mai 2008 terminierten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] [X.] mit Schriftsatz vom 6. Mai 2008 vorgetragen, seine ladungsfähige Anschrift befinde sich nunmehr wieder in [X.] ([X.]). In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] [X.] hat der Beklagte die Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit aufrechterhalten und hilfsweise zur Sache verhandelt.

4

Das [X.] hat den [X.] aufgehoben und den Beklagten zur Zahlung von 466.678,57 € nebst Zinsen verurteilt; der von ihm erhobenen Widerklage hat es teilweise stattgegeben und im Übrigen Klage und Widerklage abgewiesen. Auf die dagegen von beiden Parteien eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und mit dem angefochtenen Zwischenurteil die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte bejaht. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassen Revision.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte bestehe ungeachtet der Tatsache, dass der Beklagte seinen Wohnsitz erst nach Rechtshängigkeit des Verfahrens wieder nach [X.] und vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erneut nach [X.] verlegt habe. Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte ergebe sich aus Art. 5 Abs. 1 a) [X.] (Gerichtsstand des [X.]). Etwas anderes folge auch nicht aus den Sonderregelungen der Art. 15 Abs. 1, 16 Abs. 2 [X.], die für Verbrauchersachen eine ausschließliche Zuständigkeit des Wohnsitzgerichts des Verbrauchers begründeten. Dabei könne die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es sich bei den Darlehensverträgen um Verbraucherdarlehen handle, offen bleiben. [X.] nämlich der Verbraucher - wie hier geschehen - seinen Wohnsitz während des Prozesses in den Mitgliedstaat, in dem der Prozess anhängig sei, so seien die Voraussetzungen der Art. 15 Abs. 1, 16 Abs. 2 [X.] am Gerichtsort erfüllt, ohne dass es auf eine daneben bestehende besondere Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 1 a) [X.] und auf deren Verhältnis zur ausschließlichen Zuständigkeit gemäß Art. 15 Abs. 1, 16 Abs. 2 [X.] ankomme. Für die nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen begründete internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte genüge auch ein nachträglicher Eintritt der Zuständigkeit; der erneute Wegzug des [X.] nach S. ([X.]) ändere an der Zuständigkeit nichts, da eine einmal begründete Zuständigkeit unabhängig von einer späteren Veränderung der sie begründenden Umstände fortbestehe (sogenannter Grundsatz der perpetuatio fori).

II.

8

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

9

Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht die - auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende ([X.], Urteile vom 28. November 2002 - [X.], [X.]Z 153, 82, 84 ff. und vom 9. März 2010 - [X.], [X.]Z 184, 365 Rn. 17 mwN) - internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte bejaht.

1. Diese richtet sich hier - wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist - nach der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ([X.]; im Folgenden: Verordnung), weil die Klage nach deren Inkrafttreten am 1. März 2002 erhoben worden (Art. 76, 66 [X.]) und weil der sachliche und räumliche Geltungsbereich der Verordnung (Art. 1 Abs. 1 und 3 [X.]) im Verhältnis der Bundesrepublik [X.] zu [X.] als Mitgliedstaaten eröffnet ist.

2. Danach sind die [X.] Gerichte bereits deshalb zuständig, weil der allgemeine Gerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 [X.] begründet ist. Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben, sind nach dieser Vorschrift, vorbehaltlich hier nicht gegebener Sonderfälle, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, hat der Beklagte ab [X.] 2006, also zumindest nach Klageerhebung (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO) und vor dem Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung seinen Wohnsitz in [X.] unterhalten. Dies war zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der [X.] Gerichte ausreichend. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch.

a) Ohne Erfolg wendet sie ein, der Beklagte habe nicht vorgetragen, seinen Wohnsitz wieder nach [X.] verlegt zu haben, sondern lediglich - was nicht ausreichend sei - seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Diese Rüge geht bereits deshalb fehl, weil es sich bei der von der Revision beanstandeten Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe nach seinen Angaben ab [X.] 2006 seinen Wohnsitz wieder nach [X.] verlegt, um eine tatbestandliche Feststellung handelt. Diese ist auch dem Revisionsverfahren zugrunde zu legen, weil der dagegen erhobene [X.] (§ 320 ZPO) des [X.] durch das Berufungsgericht als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Diese Zurückweisung ist nach § 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO endgültig; sie kann nicht mit der Revision angegriffen (§ 557 Abs. 2 ZPO) und die begehrte Richtigstellung des Tatbestands nicht mit Hilfe einer Verfahrensrüge erreicht werden (vgl. nur [X.], Urteil vom 2. Juli 2007 - [X.], [X.], 1932 Rn. 24 mwN sowie Beschluss vom 5. Februar 2009 - [X.], juris Rn. 2).

b) Zutreffend ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, für die Begründung der internationalen Zuständigkeit [X.] Gerichte reiche es aus, dass diese erst im Laufe des Rechtsstreits eingetreten sei.

aa) Wie auch die Revision nicht in Abrede stellt, entspricht dies der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum ([X.]/Dörner, ZPO, 4. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 4; [X.], Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 1828; [X.], 3. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 20; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., [X.]. I § 40, EuGVÜ Art. 2 Rn. 26; Musielak/[X.], ZPO, 7. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 5; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 8; Kropholler, [X.], 8. Aufl., vor Art. 2 [X.] Rn. 13; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 12 Rn. 80; [X.], ZPO, 22. Aufl., vor § 12 Rn. 56; [X.], Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl., Rn. 447; Schlosser, [X.]recht, 3. Aufl. Art. 2 [X.] Rn. 7, jeweils mwN) und in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (siehe etwa [X.], [X.] 1997, 66, 67 und [X.], [X.] 1980, 796, 799 zu Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ). Auch der [X.] hat - nach Erlass des Berufungsurteils - zu der im Wesentlichen vergleichbaren Regelung des Art. 8 Abs. 1 [X.] entschieden, dass der nachträgliche Eintritt der Voraussetzungen für die Begründung der internationalen Zuständigkeit ausreichend ist ([X.], Beschluss vom 17. Februar 2010 - [X.], [X.]Z 184, 269 Rn. 9). Der erkennende Senat schließt sich dem an. Da Art. 8 Abs. 1 [X.] - anders als Art. 2 [X.] - seinem Wortlaut nach für die internationale Zuständigkeit sogar ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstellt (siehe hierzu [X.], Beschluss vom 17. Februar 2010 - [X.], [X.]Z 184, 269 Rn. 9), muss der Grundsatz für Art. 2 [X.], der eine entsprechende Regelung zur Frage des maßgeblichen Zeitpunkts nicht enthält, erst recht gelten. Nur bei einer solchen Sichtweise lässt sich die den Grundsätzen der [X.] widersprechende Folge vermeiden, dass sich das angerufene Gericht zunächst gemäß Art. 26 Abs. 1 [X.] für unzuständig erklären müsste, der Kläger aber im [X.] daran vor demselben Gericht angesichts des nunmehr in dessen Zuständigkeitsbereich wohnenden [X.] sogleich ein neues Verfahren einleiten könnte (ebenso [X.], Beschluss vom 17. Februar 2010 - [X.], [X.]Z 184, 269 Rn. 9 zu Art. 8 [X.]).

bb) Anders als die Revision meint, steht dies auch nicht in Widerspruch zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Verordnung. Dabei kann die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage dahin stehen, ob die [X.] - wie die Revision geltend macht - gerade auch in der hier interessierenden Frage, an welcher Sach- und Rechtslage sich das Gericht bei der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit in zeitlicher Hinsicht zu orientieren hat, autonom auszulegen ist, obwohl die Verordnung für die Entscheidung, woran sich die internationale Zuständigkeit in zeitlicher Hinsicht zu orientieren hat, keine unmittelbar einschlägige Regelung enthält (vgl. hierzu etwa [X.], 3. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 19; Kropholler, [X.], 8. Aufl., vor Art. 2 [X.] Rn. 12 und 19; Musielak/[X.], ZPO, 7. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 5). Auch bei autonomer Auslegung der Begriffe der Verordnung stehen die in ihr enthaltenen Gerichtsstandsbestimmungen der Berücksichtigung eines nach Klageerhebung begründeten Wohnsitzes nicht entgegen, so dass keine Gefahr besteht, entgegen den Vorgaben des Gerichtshofs der [X.] (im Folgenden: [X.]) könnten die Gleichheit und Einheitlichkeit der sich aus der Verordnung für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen ergebenden Rechte und Pflichten beeinträchtigt werden (vgl. [X.], [X.]. 1983, 3663 Rn. 13 f.).

(1) Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre entgegenstehende Auffassung auf den Schutzzweck der Wohnsitzanknüpfung in Art. 2 [X.]. Wie sie zutreffend sieht, besteht dieser nach der Rechtsprechung des [X.] darin, dem [X.] als dem in der Regel schwächeren Vertragspartner die gerichtliche Wahrnehmung seiner Rechte zu erleichtern; er soll sich möglichst vor dem für ihn am leichtesten zugänglichen Gericht gegen die Klage verteidigen dürfen (vgl. [X.], [X.]. 2000, [X.] Rn. 34 f. zur gleichlautenden Vorgängerregelung des Art. 2 Satz 1 EuGVÜ; ebenso: [X.]/Dörner, ZPO, 4. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.], Bearb. 2002, [X.]. II zu Art. 27-37 [X.][X.] Rn. 18). Wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, spricht dieser Schutzzweck für die Auffassung des Berufungsgerichts, die nachträglich eingetretene internationale Zuständigkeit zu berücksichtigen, und dagegen, für die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts abschließend auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen. Das für den [X.] nach Klageerhebung am leichtesten zugängliche Prozessgericht ist nämlich für gewöhnlich das örtlich zuständige Gericht seines aktuellen Wohnsitzes, nicht hingegen das Gericht seines früheren Wohnsitzes. Jedenfalls nachdem der Beklagte seinen Wohnsitz wieder nach [X.] verlegt hatte, war es für ihn leichter, sich vor dem dortigen [X.] zu verteidigen als vor den Gerichten eines anderen Staates. Ein schützenswertes Interesse des [X.], sich vor dem Gericht seines früheren Wohnsitzes gegen die - dort noch nicht erhobene - Klage zu verteidigen, ist hingegen nicht ersichtlich und wird auch von der Revision nicht aufgezeigt.

(2) Entgegen der Auffassung der Revision steht die hier vertretene Auffassung auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.], nach welcher die Auslegung der für die Gerichtsstandsbestimmung maßgeblichen Vorschriften nicht zu einer Zuständigkeit führen darf, die von ungewissen Umständen abhängt und damit dem Ziel der Verordnung zuwiderliefe, den Rechtsschutz der in der [X.] ansässigen Personen dadurch zu stärken, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und dass für einen verständigen [X.] erkennbar ist, vor welchem Gericht er verklagt werden kann ([X.], [X.]. 2004, [X.] Rn. 36 und [X.]. 2006, [X.] Rn. 25, jeweils mwN). Ein nach Klageerhebung eintretender Wohnsitzwechsel des [X.] ist als tatsachenabhängige Sachurteilsvoraussetzung feststellbar und begründet gemäß Art. 27 ff. [X.] nur dann nachträglich die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, wenn nicht bereits zuvor wegen desselben Anspruchs eine Klage vor dem bis zu dem Wohnsitzwechsel des [X.] international zuständigen Gericht eines anderen Mitgliedstaates angebracht wurde ([X.], Beschluss vom 17. Februar 2010 - [X.], [X.]Z 184, 269 Rn. 9 zu Art. 8 [X.]). Soweit in einem solchen Fall voneinander abweichende nationale [X.] aufeinander treffen, gelten hierfür nach Art. 30 [X.] klare Regeln, die einem strikten [X.] folgen (Musielak/[X.], ZPO, 7. Aufl., [X.] Art. 30 Rn. 1). Unklarheiten über den nach Art. 2 Abs. 1, Art. 16 Abs. 2 [X.] maßgeblichen Gerichtsstand des [X.] können demzufolge nicht entstehen.

(3) Aus den weiteren Bestimmungen der Verordnung ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision ebenfalls nichts, das gegen die Berücksichtigung eines nach Klageerhebung begründeten Wohnsitzes spricht.

(a) Soweit es dort in verschiedenen Regelungen heißt, dass Personen vor einem bestimmten Gericht "zu verklagen" sind (Art. 2 Abs. 1 [X.]) bzw. "verklagt werden" können (Art. 3 Abs. 1 [X.]), wird hierdurch ersichtlich nur der tatsächliche Vorgang bezeichnet; eine Aussage über den Zeitpunkt, in welchem die Zuständigkeitsvoraussetzungen vorliegen müssen, enthalten die Vorschriften der Verordnung nach allgemeiner Meinung nicht ([X.]/Schütze/[X.], Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 2 [X.] Rn. 137; [X.], 3. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 19; Kropholler, [X.], 8. Aufl., vor Art. 2 [X.] Rn. 12; Musielak/[X.], ZPO, 7. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 5; Schlosser, [X.] recht, 3. Aufl., [X.] Vor Art. 2 Rn. 7).

(b) Aus Art. 26, 27 [X.], wonach sich das angerufene Gericht unter bestimmten Voraussetzungen für unzuständig zu erklären hat, kann die Revision ebenfalls nichts für ihre Auffassung herleiten. Das Gericht hat sich nach diesen Vorschriften nur dann für unzuständig zu erklären bzw. das Verfahren auszusetzen, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu dem jeweils maßgeblichen Zeitpunkt gegeben sind. Dass maßgeblicher und - wie die Revision geltend macht - im Interesse einer schnellen Entscheidung abschließender Zeitpunkt zwingend derjenige der Verfahrenseinleitung sein müsste, lässt sich den Vorschriften nicht entnehmen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, wie schon daraus folgt, dass sich der Beklagte - außer in den vorliegend nicht einschlägigen Fällen eines ausschließlichen Gerichtsstandes i.S.d. Art. 22 [X.] - gemäß Art. 24 Satz 1 [X.] rügelos zur Sache einlassen kann. Das ist ihm naturgemäß erst im Prozessverfahren möglich (vgl. [X.], 3. Aufl., [X.] Art. 26 Rn. 2 f.).

(c) Ohne Erfolg bleibt schließlich auch der Hinweis der Revision auf Art. 30 [X.]. Nach dieser Vorschrift ist in Fällen doppelter Rechtshängigkeit einer Rechtssache bei verschiedenen Gerichten der Mitgliedstaaten für die Frage, welches Gericht im Sinne der Art. 27 ff. [X.] zuerst angerufen worden ist, grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der verfahrenseinleitende Schriftsatz bei der für die Zustellung zuständigen Stelle eingereicht worden ist. Auch das steht der Berücksichtigung eines nach Klageerhebung begründeten Wohnsitzes nicht entgegen. Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, im Grundsatz solle der in Art. 30 [X.] geregelte Prüfzeitpunkt auch für die Gerichtsstandsbestimmung des Art. 2 Abs. 1 [X.] gelten ([X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., [X.]. I Art. 2 [X.] Rn. 27; [X.], 3. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 19; Musielak/[X.], ZPO, 7. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 5; Schlosser, [X.]recht, 3. Aufl., [X.] Vor Art. 2 Rn. 7), soll dies erklärtermaßen nicht ausschließen, dass das angerufene - zunächst nicht zuständige - Gericht durch eine Wohnsitzverlegung des [X.] während des Prozesses ("ex nunc") international zuständig wird ([X.], 3. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 20; Schlosser, [X.]recht, 3. Aufl., [X.] Vor Art. 2 Rn. 7; für die nachträgliche Wohnsitzverlegung aus einem [X.] ebenso [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., [X.]. I Art. 2 [X.] Rn. 18; Musielak/[X.], ZPO, 7. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 5). Darüber hinaus fehlt es wegen der ausdrücklichen Begrenzung im Wortlaut des Art. 30 [X.] auf die Art. 27 ff. [X.] auch an einem normativen Anknüpfungspunkt dafür, den in Art. 30 [X.] geregelten Prüfzeitpunkt auch auf Art. 2 [X.] zu erstrecken (Löser, Zuständigkeitsbestimmender Zeitpunkt und perpetuatio fori im internationalen Zivilprozess, Diss. jur. 2009 S. 114).

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die einmal begründete internationale Zuständigkeit durch den während des Rechtsstreits erfolgten erneuten Wegzug des [X.] nach [X.] nicht nachträglich wieder weggefallen ist.

aa) Der im [X.] Prozessrecht gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO geltende Grundsatz ([X.], Urteil vom 26. April 2001 - [X.], [X.], 1078, 1079 mwN), dass eine einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts auch dann erhalten bleibt, wenn die sie begründenden Umstände im Laufe des Rechtsstreites wegfallen (perpetuatio fori), ist nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. [X.], Urteil vom 16. Dezember 2008 - 9 U 47/07, juris Rn. 68; [X.], [X.] 2008, 740, 742;[X.]/Dörner, ZPO, 4. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 4; [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., [X.]. I Art. 2 [X.] Rn. 17; [X.]/Schütze/[X.], Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 2 [X.] Rn. 137; [X.], 3. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 20; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 8; Kropholler, [X.], 8. Aufl., vor Art. 2 [X.] Rn. 14 und Art. 16 [X.] Rn. 2; Musielak/[X.], ZPO, 7. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 5; [X.], ZPO, 22. Aufl., vor § 12 Rn. 56; [X.], Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl., Rn. 451; Schlosser, [X.]recht, 3. Aufl., [X.] Vor Art. 2 Rn. 7) auch auf die internationale Zuständigkeit anwendbar.

bb) Wie die Revisionserwiderung zu Recht ausführt, ist er auch auf die hier in Rede stehende Zuständigkeit nach Art. 2 Abs. 1 [X.] anzuwenden. Von der Geltung des Grundsatzes ist nach der Rechtsprechung des [X.] für gemeinschaftsrechtliche Gerichtstandsbestimmungen auszugehen, wenn deren Ziele der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Rechtssicherheit andernfalls - das heißt bei einem Wechsel der Zuständigkeit vom zuerst befassten Gericht zu einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates - verfehlt würden ([X.], [X.]. 2004, [X.] Rn. 35 ff. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und [X.]. 2006, [X.] Rn. 24 ff. zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO; für eine Anwendbarkeit des Grundsatzes auch [X.], Beschlüsse vom 2. September 2009 - [X.], [X.]Z 182, 204 Rn. 16 zu Art. 4, 7 [X.] und vom 17. Februar 2010 - [X.], [X.]Z 184, 269 Rn. 9 zu Art. 8 [X.]). Wie der [X.] entschieden hat, muss es bei der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts in Fällen bleiben, in denen die Gerichtsstandsbestimmung der Verbesserung der Effizienz grenzüberschreitender Verfahren dient ([X.], [X.]. 2006, [X.] Rn. 24 ff. zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO), da man andernfalls den Gläubiger zwingen würde, gegen den Schuldner immer wieder dort vorzugehen, wo dieser sich gerade für kürzere oder längere Zeit niederlasse, und dadurch in der Praxis häufig eine Verlängerung des Verfahrens drohe ([X.], [X.]. 2006, [X.] Rn. 24 ff. zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO).

So ist es hier. Das im Erwägungsgrund 11 der Verordnung zum Ausdruck gebrachte Ziel, im Interesse der Parteien [X.] zu vermeiden, also die Frage, welches Gericht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten für die Entscheidung zuständig ist, möglichst schnell zu beenden, würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn ein Kläger gehalten wäre, gegen den [X.] immer wieder dort aufs Neue vorzugehen, wo dieser gerade für kürzere oder längere Zeit seinen Wohnsitz genommen hat (vgl. [X.], [X.]. 2006, [X.] Rn. 26 zu Art. 3 EuInsVO; [X.], ZPO, 22. Aufl., vor § 12 Rn. 56; [X.], Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl., Rn. 451).

cc) Soweit die Revision für ihren gegenteiligen Standpunkt auf den Beschluss des [X.]. Zivilsenats des [X.]es vom 22. Juni 2005 ([X.] ZB 186/03, [X.]Z 163, 248, 259 ff.) verweist, bleibt dies schon deshalb ohne Erfolg, weil der [X.]. Zivilsenat - anders als die Revision meint - mit dieser Entscheidung, die durch Besonderheiten des eine Kindesentführung betreffenden Falles gekennzeichnet war, den Grundsatz der perpetuatio fori für die internationale Zuständigkeit keineswegs generell ausgeschlossen hat; dies belegen schon die späteren Beschlüsse des selben Senats vom 2. September 2009 ([X.], [X.]Z 182, 204 Rn. 16 zu Art. 4, 7 [X.]) und vom 17. Februar 2010 ([X.], [X.]Z 184, 269 Rn. 9 zu Art. 8 [X.]). Für den Streitfall kommt - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - insbesondere dem zuletzt genannten Beschluss Bedeutung zu, mit dem die Geltung des [X.] für eine dem Art. 2 Abs. 1 [X.] vergleichbare Zuständigkeitsregel (Art. 8 Abs. 1 [X.]) bejaht wurde.

dd) Die Anwendung des Grundsatzes der perpetuatio fori steht entgegen der Auffassung der Revision auch nicht im Widerspruch dazu, dass aus den dargelegten Gründen die zuständigkeitsbegründende Verlegung des Wohnsitzes nach Einleitung des Verfahrens zu berücksichtigen ist. [X.] wird nur die Zuständigkeit, nicht die Unzuständigkeit. Die nachträgliche Zuständigkeitsbegründung des angerufenen Gerichts ist durch den Zuzug des [X.] daher nur möglich, wenn nicht zuvor das bis zu diesem Zeitpunkt international zuständige Gericht eines anderen Vertragsstaates wegen desselben Anspruchs angerufen wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Februar 2010 - [X.], [X.]Z 184, 269 Rn. 9 zu Art. 8 [X.]; Kropholler, [X.], 8. Aufl., vor Art. 2 [X.] Rn. 15; [X.]/Pirrung, [X.], Bearb. 2009, [X.], Art. 8 Rn. [X.] f.).

3. Aus Rechtsgründen ist schließlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte bejaht hat, ohne zu klären, ob der Beklagte Verbraucher i.S.d. Art. 15, Art. 16 Abs. 2 [X.] ist. Auch in diesem Fall besteht nach dem Voranstehenden die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte, da die für Verbraucher geltende Sonderregelung des Art. 16 Abs. 2 [X.] - ebenso wie Art. 2 Abs. 1 [X.] - auf den Wohnsitz des Verbrauchers abstellt und lediglich dort für die Klage gegen einen Verbraucher einen ausschließlichen Gerichtsstand vorsieht (vgl. [X.]/Dörner, ZPO, 4. Aufl., [X.] Art. 16 Rn. 5). An der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte - gegebenenfalls nach Art. 16 Abs. 2 [X.] ausschließlich - begründende Wohnsitz des [X.] sich innerhalb des hierfür relevanten Zeitraums vorübergehend in [X.] befand, ändert dies nichts.

4. Ob sich, wie das Berufungsgericht - von der Revision unbeanstandet - angenommen hat, die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte im Streitfall zusätzlich aus Art. 5 Nr. 1 [X.] (Gerichtsstand des [X.]) ergibt, kann offen bleiben. An der internationalen Zuständigkeit der [X.] Gerichte am Wohnsitz des [X.] ändert dies nichts. Sofern die Sonderregelungen für Verbrauchersachen keine Anwendung finden, kann die Klägerin - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - zwischen dem nach Art. 2 Abs. 1 [X.] am Wohnsitz des [X.] eröffneten allgemeinen Gerichtsstand in [X.] und einem besonderen Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 [X.] frei wählen (vgl. nur [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., [X.]. I Art. 3 [X.] Rn. 4; [X.], 3. Aufl., [X.] Art. 2 Rn. 5 und Art. 3 Rn. 1). Sind hingegen die für Verbrauchersachen geltenden Regelungen anwendbar, verdrängen sie gemäß Art. 15 Abs. 1, 16 Abs. 2 [X.] einen nach Art. 5 Nr. 1 [X.] am Erfüllungsort begründeten Gerichtsstand zu Gunsten des am Wohnsitz des [X.] eröffneten Gerichtsstandes (vgl. [X.], [X.]. 2005, [X.] Rn. 32; [X.], [X.], 718, 719;Mankowski, [X.] 1996, 1001, 1004).

5. Die Auslegung der Art. 2 Abs. 1, 16 Abs. 2 [X.] erfordert entgegen der Anregung der Revision keine Vorlage an den [X.] zur Vorabentscheidung. Dies folgt zur Frage der Geltung des [X.] bereits daraus, dass die betreffende Rechtsfrage vom [X.] grundsätzlich beantwortet ist und der erkennende Senat sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs anschließt ([X.], [X.]. 1982, 3415 Rn. 13 f. und 21). Hinsichtlich des maßgeblichen Prüfzeitpunkts für die nach Art. 2 Abs. 1 [X.] zu beurteilende internationale Zuständigkeit ist die richtige Auslegung der Richtlinie aus den genannten Gründen derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. [X.], [X.]. 1982, 3415 Rn. 16, 21; [X.], NJW 1988, 1456; [X.], Urteile vom 28. November 2002 - [X.], [X.]Z 153, 82, 92 und vom 23. Februar 2010 - [X.], [X.], 647 Rn. 35 mwN).

Wiechers                                     Joeres                                  [X.]

                      Ellenberger                                 [X.]

Meta

XI ZR 48/10

01.03.2011

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Braunschweig, 28. Januar 2010, Az: 8 U 161/08, Urteil

Art 2 Abs 1 EGV 44/2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.03.2011, Az. XI ZR 48/10 (REWIS RS 2011, 8993)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8993

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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