Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2016, Az. 4 StR 100/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 4283

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Gegenstand

Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und/oder Schutzbefohlenen: Beweisverwertungsverbot bei unterlassener Belehrung eines Zeugen über sein Untersuchungsverweigerungsrecht


Tenor

1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. Juli 2015 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen, unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts [X.] vom 21. März 2011 und 11. Mai 2011 und unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 24. April 2012 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt ist.

2. Die Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe

1

Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Entsprechend dem Antrag des [X.] vom 10. März 2016 ist die Urteilsformel jedoch zu berichtigen, weil das [X.] nicht nur – wie geboten – die im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Taten, sondern auch die Schuldsprüche der früheren Urteile, deren Einzelstrafen zur Bildung der Gesamtstrafe herangezogen worden sind, in den [X.] aufgenommen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Februar 1999 – 4 StR 626/98, [X.], 185, 186). Bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB werden zudem – im Unterschied zu § 31 Abs. 2 JGG – nur Strafen, nicht aber Urteile einbezogen.

2

Ergänzend zum Verwerfungsantrag des [X.] ist hinsichtlich der Verfahrensrügen anzumerken:

3

Die im Zusammenhang mit der Beschaffenheit des Hochbettes erhobenen Verfahrensrügen sind nicht ordnungsgemäß ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die in den Beweisanträgen jeweils in Bezug genommene und als Anlage beigefügte Abbildung von der Revision nicht vorgelegt wird. Des Weiteren teilt die Revisionsbegründung den Inhalt des Beweisantrags vom 2. Juli 2015, auf den in dem Beweisantrag auf Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens verwiesen worden ist, nicht mit. Der zu dem Beweisantrag vom 2. Juli 2015 ergangene Beschluss der [X.] vom 10. Juli 2015 ist in der am letzten Tag der [X.] per Telefax übermittelten Fassung der Revisionsbegründung wegen der vom Absender vorgenommenen Verkleinerung von zehn Seiten auf eine Telefaxseite nicht lesbar. Eine Verfahrensrüge bezüglich des sich auf den Zeitpunkt des Umzugs beziehenden Beweisantrags auf Vernehmung der Zeugin [X.] ist der Revisionsbegründung nicht zu entnehmen.

4

Die einen Belehrungsmangel im Zusammenhang mit der Untersuchung des [X.] im Rahmen der aussagepsychologischen Begutachtung geltend machende Verfahrensbeanstandung dringt nicht durch. Soweit die unterbliebene Einholung des Einverständnisses des gesetzlichen Vertreters beanstandet wird, ist die Rüge mangels Vorbringens zur Verstandesreife des [X.] bereits unzulässig. Soweit geltend gemacht wird, dass die für die Verwertbarkeit des Gutachtens erforderliche Belehrung des [X.] über sein Recht, die Mitwirkung an der Begutachtung verweigern zu können, nicht durch die hierfür zuständige Staatsanwaltschaft erfolgt ist, ist die Verfahrensbeschwerde unbegründet. Denn der Senat kann nach Aktenlage sicher ausschließen, dass der Nebenkläger bei einer formell ordnungsgemäß erfolgten Belehrung entsprechend § 81c Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO von seinem [X.] Gebrauch gemacht hätte (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 1994 – 1 StR 461/94, [X.]St 40, 336, 339; Beschlüsse vom 18. Januar 1995 – 3 StR 596/94; vom 23. September 2003 – 1 [X.], [X.]R StPO § 52 Abs. 3 Satz 1 Verletzung 7). Der Nebenkläger, dessen Strafanzeige dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegt, war jeweils nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht sowohl bei der Polizei als auch in der Hauptverhandlung uneingeschränkt aussagebereit. Vor seiner Mitwirkung bei der Untersuchung durch den Sachverständigen wurde er vom Sachverständigen auf sein Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich seiner Mutter und auf die Freiwilligkeit einer Teilnahme an der Begutachtung hingewiesen, so dass der Nebenkläger in der Sache in vollem Umfang über seine Rechte informiert war.

5

Eine Auslagenentscheidung zugunsten des [X.] kommt nicht in Betracht, da die Anschlusserklärung des minderjährigen [X.] wegen dessen Prozessunfähigkeit unwirksam ist (vgl. KG, [X.], 22 ff. [X.]; [X.] in [X.], 7. Aufl., vor § 395 Rn. 2).

Sost-Scheible                        Roggenbuck                        [X.]

                        Bender                                 [X.]

Meta

4 StR 100/16

10.10.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 31. Juli 2015, Az: 25 KLs 8/15

§ 52 Abs 3 S 1 StPO, § 81c Abs 3 S 2 StPO, § 261 StPO, § 174 StGB, § 176 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2016, Az. 4 StR 100/16 (REWIS RS 2016, 4283)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 3673 REWIS RS 2016, 4283

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 100/16

202StRR 10/21

Zitiert

4 StR 626/98

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