Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2016, Az. 4 StR 73/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 10366

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:080616B4STR73.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 73/16

vom
8. Juni
2016
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts und der
Beschwerdeführerin
am 8.
Juni
2016
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision der
Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 4.
September 2015, soweit es die An-geklagte betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an das [X.]

Strafrichter

zu-rückverwiesen.
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und fahrlässiger Körperverletzung unter Einbezie-hung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des [X.] vom 17.
Oktober 2014 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Hier-gegen
richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte [X.]
-
3
-
sion der Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Straf-ausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Die Gesamtstrafenentscheidung des [X.]s hält einer recht-lichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer dem Urteil des [X.] vom 17.
Oktober 2014 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen hat.
a)
Wurde die neu abzuurteilende Tat zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach der Regelung des §
55 StGB gesamtstrafen-fähig sind, darf aus der Strafe für die neu abgeurteilte Tat und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Der letzten Vorverurteilung kommt, da die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrecht-lich keine eigenständige Bedeutung zu ([X.], Beschluss vom 18.
Dezember 2013

4
StR
356/13, [X.], 74). Dies gilt nach der Rechtsprechung des [X.] unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstra-fe tatsächlich gebildet wurde (vgl. Beschlüsse vom 17.
November 2015

4
StR 276/15, [X.], 82; vom 7.
Mai 2013

4
StR
111/13, [X.], 354; Urteil vom 12.
August 1998

3
StR
537/97, [X.]St 44, 179, 180
f.; Beschluss vom 22.
Juli 1997

1
StR
340/97, [X.]R StGB §
55 Abs.
1 Satz
1 Zäsurwir-kung
13) oder im Verfahren nach §
460 StPO noch nachgeholt werden kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 21.
Juli 2009

5
StR
269/09; vom 17.
Juli 2007

4
StR
266/07, [X.], 369
f.; vom 7.
Dezember 1983

1
StR
148/83, [X.]St 32, 190, 193).
b)
Bei der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Gesamtstrafenbil-dung hat die Strafkammer übersehen, dass in dem Verfahren des Amtsgerichts 2
3
4
-
4
-
Gelsenkirchen Az.
16
a
Ds40
Js
2487/12262/12, in dem die Angeklagte zu der zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, am 23.
Januar 2014 ein Berufungsurteil des [X.]s
Essen erging, in welchem zumindest über die
Frage der Strafaussetzung zur Bewährung entschieden wurde. Nach dieser Berufungsentscheidung, die zu einem Teil der Straffrage ergangen ist,
bestimmt sich nach der gesetzlichen Regelung des §
55 Abs.
1 Satz
2 StGB der Zeitpunkt der dieser Vorverurteilung zukommenden Zäsurwirkung (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3.
November 2015

4
StR 407/15, [X.], 75 [LS]; vom 30.
Juni 1960

2
StR
147/60, [X.]St 15, 66, 69
ff.). Da die im
einbezogenen
Urteil des Amtsgerichts Gelsen-kirchen vom 17.
Oktober 2014 mit einer
Bewährungsstrafe von sieben Monaten geahndete Tat am 14.
Januar 2014, mithin vor dem Berufungsurteil des [X.] vom 23.
Januar 2014 begangen wurde, sind beide Vorverurtei-lungen der Angeklagten untereinander gesamtstrafenfähig. Demgegenüber wurde die im angefochtenen Urteil abgeurteilte Tat erst am 5.
April 2014 und damit nach dem Berufungsurteil des [X.]s Essen verübt, so
dass eine nachträgliche Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Vorverurteilung durch das [X.] vom 17.
Oktober 2014 nicht in Betracht kommt.
2.
Die im angefochtenen Urteil verhängte [X.] von sieben Monaten kann gleichfalls nicht bestehen bleiben. Das bei alleiniger Revision des Angeklagten zu beachtende verfahrensrechtliche Verbot der reformatio in peius aus §
358 Abs.
2 Satz
1 StPO hat im Falle der fehlerhaften nachträg-lichen Gesamtstrafenbildung zur Folge, dass dem Angeklagten ein durch die fehlerhafte Anwendung des §
55 StGB erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8.
Dezember 1995

2
StR
584/95, [X.], 265 [LS]; vom 11.
Februar 1988

4
StR
516/87, [X.]St 35, 208, 212; Urteil vom 3.
November 1955

3
StR
369/55, [X.]St 8, 203).
Das [X.]
-
5
-
terungsverbot führt hier dazu, dass die Einzelstrafe für die im angefochtenen Urteil neu abgeurteilte Tat und die zwingend nach §
460 StPO zu bildende Ge-samtstrafe aus den Strafen aus dem Urteil des [X.] vom 17.
Oktober 2014 sowie dem Verfahren des [X.]
Az.
16
a
Ds

40
Js
2487/12262/12 zusammen die Dauer von 17
Monaten (Summe der Gesamtstrafen
von elf Monaten aus dem angefochtenen Urteil und von sechs Monaten aus dem vorbezeichneten
Verfahren des Amtsgerichts
Gelsenkirchen) nicht übersteigen dürfen. Da die Höhe der nunmehr im [X.] nach §
460 StPO noch festzusetzenden nachträglichen Gesamtstrafe aus den sich aus den Vorverurteilungen ergebenden (Einzel-)Strafen offen ist, hebt der Senat, um jede Schlechterstellung der Angeklagten auszuschließen, den
Einzelstrafausspruch
mit auf. Der neue Tatrichter wird

zweckmäßigerweise nach Durchführung des Verfahrens zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß §
460 StPO

unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius eine neue Einzelstrafe zu bestimmen haben.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Angeklagte bei Begehung der neuerlichen Tat in drei

nicht wie von der Strafkammer angenommen in vier

Verfahren unter Bewährung stand, können bestehen bleiben. Neu getroffene ergänzende Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen.
3.
Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen eine Erwachsene rich-tet und die Strafgewalt des Strafrichters ausreicht, macht der Senat von seinem Ermessen Gebrauch (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Mai 1994

4
StR
75/94, [X.]R StPO §
354 Abs.
3 Zuständigkeit
1 mwN) und verweist die Sache an den Strafrichter des [X.] zurück, der nach §
462a Abs.
3 6
7
-
6
-
Satz
1 StPO auch für die nach §
460 StPO vorzunehmende Gesamtstrafenbil-dung
zuständig ist.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Bender

Meta

4 StR 73/16

08.06.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2016, Az. 4 StR 73/16 (REWIS RS 2016, 10366)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10366

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 73/16

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