Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.05.2012, Az. 3 ZA (pat) 6/12

3. Senat | REWIS RS 2012, 6739

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Gegenstand

"Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren VII" – zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wegen eines zeitgleich anhängigen parallelen einstweiligen Verfügungsverfahren – kurze zeitliche Überschneidung des Verfügungs- und Nichtigkeitsverfahren – keine Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts - kein spezieller Abstimmungsbedarf


Leitsatz

Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren VII

Soweit im Nichtigkeitsverfahren die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wegen eines zeitgleich anhängigen, das Streitpatent betreffenden Verletzungsverfahren als notwendig angesehen wird, kann diese Wertung jedenfalls dann nicht auf ein paralleles Verfügungsverfahren übertragen werden, wenn sich Verfügungs- und Nichtigkeitsverfahren nur kurz zeitlich überschneiden. Ein spezieller Abstimmungsbedarf, etwa hinsichtlich der Auswirkungen einer beschränkten Verteidigung des Patents auf das Verletzungsverfahren, der die Notwendigkeit einer Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren begründen könnte, ist in diesem Fall nicht gegeben.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das [X.] Patent …

(hier: Kostenfestsetzung)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] am 7. Mai 2012 durch den Vorsitzenden [X.] sowie [X.]. Dr. [X.] und Schell

beschlossen:

1. Die Erinnerung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des [X.] trägt die Klägerin.

3. Der Wert des [X.] beträgt 5584,14 Euro.

Gründe

I.

1

Mit rechtskräftigem Urteil vom 21. Februar 2011 hat der Senat das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu ¼ und den [X.] zu ¾ auferlegt. Die Rechtspflegerin hat die danach von den [X.] 1 bis 3 an die Klägerin zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 17. November 2011 auf 8.214,48 Euro festgesetzt. Dabei wurden die Kosten für den auf Seiten der Klägerin neben dem Patentanwalt mitwirkenden Rechtsanwalt in Höhe von 5.213,70 Euro, bis auf die geltend gemachte Dokumentenpauschale ([X.] Nr. 7000) in Höhe von 63,70 Euro, nicht anerkannt. Anerkannt wurden dagegen die von der Klägerin bestrittenen Reisekosten für je eine Informationsreise der [X.] zu 1 und 2 in Höhe von 120,92 Euro sowie Reisekosten für die [X.] durch den Erfinder und wissenschaftlichen Mitarbeiter der [X.] zu 1 in Höhe von 313,22 Euro.

2

Mit ihrer Erinnerung verfolgt die Klägerin die Erstattung der zurückgewiesenen Rechtsanwaltskosten weiter und wendet sich darüber hinaus gegen die Festsetzung der Reisekosten für eine Informationsreise der [X.] zu 1 und 2 sowie gegen die Festsetzung der Kosten für die [X.] und wissenschaftlichen Mitarbeiters der [X.] zu 1, Prof. M…. Zur Begründung trägt sie sinngemäß vor, im Vorfeld der Klage hätten die [X.] am 19. Dezember 2008 beim [X.] einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei somit ein Verletzungsverfahren anhängig gewesen. Dass es sich hierbei um ein einstweiliges Verfügungsverfahren und nicht um ein Hauptsacheverfahren gehandelt habe, stelle die Notwendigkeit der Doppelvertretung nicht in Frage. Dies gelte trotz der Rücknahme des [X.] im Widerspruchstermin am 15. Januar 2009, da die Nichtigkeitsklage bereits am 14. Januar 2009 eingereicht worden sei. Von einer lediglich vorsorgenden Beauftragung zweier Anwälte könne nicht gesprochen werden, weil es für die Klägerin zum Zeitpunkt der Einreichung der Nichtigkeitsklage nicht voraussehbar gewesen sei, dass der [X.] einen Tag später zurückgenommen werden würde. Nachdem hinsichtlich der Notwendigkeit einer Doppelvertretung auf eine ex ante-Sicht abgestellt werden müsse, habe die Klägerin bei Einreichung der Nichtigkeitsklage die Doppelvertretung für erforderlich erachten dürfen. Es sei ihr auch nicht zumutbar gewesen, das bereits erteilte Mandat nach Rücknahme des [X.] wieder zu kündigen, zumal die Beklagte jederzeit einen neuen [X.] hätte stellen können.

3

Darüber hinaus wendet sich die Klägerin gegen die Festsetzung der Reisekosten für eine Informationsreise der [X.] zu 1 und 2 sowie gegen die Festsetzung der Kosten für die [X.] für die Beklagte zu 1. Prof. M… sei weder [X.] noch [X.]vertreter, sondern werde auch von der [X.] nur als Repräsentant oder wissenschaftlicher Mitarbeiter bezeichnet. Bei den fraglichen Reisekosten handle es sich somit nicht um Kosten des Rechtsstreits i. S. d. § 91 ZPO, so dass eine Kostentragungspflicht der Klägerin nicht in Betracht komme.

4

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

5

den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss abzuändern und die zurückgewiesenen Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts festzusetzen und die Reisekosten für eine Informationsreise der [X.] zu 1 und 2 sowie die Kosten für die [X.] in Abzug zu bringen.

6

Die [X.] haben zur Erinnerung der Klägerin keine Stellung genommen und keine Anträge gestellt.

7

Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

8

Die Erinnerung ist zulässig (§§ 84 Abs. 2 [X.], 104 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 23 Abs. 2 RPflG), hat in der Sache aber keinen Erfolg.

9

1. Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts

Die nicht anerkannten Kosten für den neben dem verfahrensbevollmächtigten Patentanwalt beauftragten Rechtsanwalt der Klägerin sind nicht erstattungsfähig, da sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht notwendig waren.

Ob die Kosten eines mitwirkenden Rechtsanwalts im Patentnichtigkeitsverfahren vor dem [X.] zu erstatten sind, ist nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu beurteilen. Die analoge Anwendung des § 143 Abs. 3 [X.] scheidet aus, da es hierfür an einer planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke fehlt (vgl. B[X.]E 51, 225, 229 [X.]). Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterlegene [X.] die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Insoweit kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde [X.] die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte ([X.]: in [X.]/[X.], ZPO, 32. Auflage, § 91 Rdn. 9). Die [X.]en trifft dabei im Hinblick auf die Erstattungsfähigkeit ihrer Prozessführungskosten die Obliegenheit, diese möglichst niedrig zu halten. Deshalb können bei Inanspruchnahme mehrerer Anwälte grundsätzlich nur die Kosten eines Anwalts als erstattungsfähig angesehen werden (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 70. Aufl., § 91 Rdn. 29; [X.] in: [X.], ZPO, 9. Auflage, § 91 Rdn. 8; [X.], NJW 1990, 3073).

Bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist trotz der erforderlichen Einzelfallprüfung eine typisierende Betrachtungsweise geboten ([X.], [X.], 271 - [X.], [X.]). Eine Doppelvertretung durch Patent- und Rechtsanwalt wird im erstinstanzlichen [X.] regelmäßig dann als sachdienlich und notwendig angesehen, wenn zeitgleich ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig ist. Maßgeblich ist dabei vor allem der Gesichtspunkt, dass dem Patentnichtigkeitsverfahren regelmäßig eine entscheidende Bedeutung für den Ausgang eines parallel geführten [X.] zukommt (vgl. [X.], [X.], 757, 760 f. - Düngerstreuer). Deshalb wird es in solchen Fallgestaltungen als erforderlich angesehen, das Vorgehen in beiden Verfahren im Hinblick auf eine wirkungsvolle Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung kontinuierlich aufeinander abzustimmen (vgl. B[X.], [X.]. 2011, 308 ff. - [X.] im [X.] V; B[X.], [X.]. 2011, 258 ff. - [X.] im [X.] IV, jeweils [X.]). Diese Abstimmung kann de facto aber nur dadurch effektiv gewährleistet werden, dass der im Verletzungsprozess auftretende Rechtsanwalt auch im [X.] mitwirkt. Bei einem deutlichen Abweichen vom Regelfall kann die Erstattung von [X.] allerdings auch ausgeschlossen sein (vgl. hierzu etwa B[X.], [X.], 735).

Ob es sich bei dem parallelen "Verletzungsverfahren" um ein einstweiliges Verfügungsverfahren oder um ein Hauptsacheverfahren handeln muss, wurde bislang - soweit für den Senat ersichtlich - noch nicht grundsätzlich entschieden. Aufgrund der besonderen Umstände des Sachverhalts ist eine solche Grundsatzentscheidung im vorliegenden Fall auch nicht erforderlich. Denn hier ist ein deutliches Abweichen von dem vorstehend geschilderten Regelfall gegeben, weil angesichts der extrem kurzen zeitlichen Überschneidung von Verfügungs- und [X.] eine Notwendigkeit, die beiden Verfahren kontinuierlich aufeinander abzustimmen, nicht bejaht werden kann. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin hervorgehobenen Gesichtspunkts, dass die Nichtigkeitsklage vor Einreichung der Klage (wie jede Klage) zunächst vorbereitet werden musste. Ein in diesem Zusammenhang anfallender, spezieller Abstimmungsbedarf, etwa hinsichtlich der Auswirkungen einer beschränkten Verteidigung des Patents auf das Verletzungsverfahren, der die Notwendigkeit einer Doppelvertretung im [X.] begründen könnte, ist nicht ersichtlich. Gleiches gilt für einen möglichen Abstimmungsbedarf im Hinblick auf einen etwaigen, beide Verfahren umfassenden [X.]. Der Auffassung der Klägerin, die Interessenlage bei einer parallelen [X.] sei mit der Interessenlage bei einem parallelen Verfügungsverfahren vergleichbar, kann deshalb zumindest für die hier konkret vorliegende Fallkonstellation nicht gefolgt werden. Unter Berücksichtigung der ihr obliegenden Pflicht, die Prozesskosten möglichst gering zu halten, war es der Klägerin vielmehr zuzumuten, zumindest das Ergebnis der (einen Tag nach Einreichung der Nichtigkeitsklage stattfindenden) [X.] abzuwarten, um dann die Notwendigkeit einer Doppelvertretung im [X.] zu prüfen und sich so im Hinblick auf die Erstattungsfähigkeit ihrer Kosten abzusichern. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Rücknahme des [X.] im Widerspruchstermin um einen nicht völlig untypischen Verfahrensverlauf handelt. Soweit die Klägerin darüber hinaus sinngemäß geltend macht, es hätte nach der Rücknahme des [X.] jederzeit zu einem erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kommen können, stellt ebenfalls keinen ausreichenden Grund dafür dar, die Doppelvertretung durch einen Patentanwalt und einen Rechtsanwalt als notwendig anzuerkennen. Denn nachdem diese Möglichkeit grundsätzlich in allen [X.] besteht, würde jede andere Wertung zu einer unzulässigen Anerkennung der generellen Erstattungsfähigkeit von [X.] führen.

Die Hinzuziehung des mitwirkenden Rechtsanwalts ist somit im vorliegenden Fall nicht als notwendig i. S. v. §§ 84 Abs. 2 Satz 2 [X.], 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen.

2. Reisekosten für Prof. M…

Da die Erörterung der prozessrelevanten Materie in [X.] aufgrund der Komplexität der Streitmaterie in der Regel eine umfassende Besprechung und Beratung erforderlich macht, muss sich eine [X.] insoweit nicht auf die schriftliche bzw. fernmündliche Unterrichtung ihres Prozessbevollmächtigten beschränken. Vielmehr werden in Patentnichtigkeitsverfahren die im Rahmen einer solchen mündlichen Erörterung anfallenden (Informations-) Reisekosten regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig i. S. v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und damit als erstattungsfähig angesehen (vgl. B[X.]E 33, 160, 163). Dabei kann es sich entweder um die Reisekosten der [X.] bzw. ihres Inhabers oder Mitinhabers handeln oder um die Reisekosten eines ihrer Angestellten oder einer sonstigen Person ihres Vertrauens, wie [X.] (vgl. B[X.]E 19, 133).

Darüber hinaus sind in der Regel auch die Reisekosten einer der vorgenannten Personen zum Verhandlungstermin erstattungsfähig, und zwar selbst dann, wenn die [X.] anwaltlich vertreten ist (vgl. [X.]/[X.]. [X.], 10. Aufl., § 84 Rdn. 39, [X.]). Anhaltspunkte, dass vorliegend eine vom Regelfall erheblich abweichende Fallkonstellation gegeben wäre, bei der ein Schriftwechsel bzw. eine fernmündliche Information genügt hätte, sind weder dargelegt worden, noch für den Senat sonst ersichtlich.

Somit hat die Rechtspflegerin die geltend gemachten Reisekosten der [X.] zu 1 und 2 für eine mündliche Erörterung mit ihrem Prozessbevollmächtigten sowie die Reisekosten für die [X.] als Repräsentant der [X.] zu 1 zutreffend als notwendig i. S. v. § 91 Abs. 1 ZPO anerkannt.

[X.]

Die Kosten des [X.] waren der Erinnerungsführerin aufzuerlegen, da ihr Begehren erfolglos war (§ 84 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO). Der Wert des [X.] ergibt sich aus dem mit der Erinnerung zur Überprüfung gestellten Betrag.

Meta

3 ZA (pat) 6/12

07.05.2012

Bundespatentgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ZA (pat)

§ 91 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.05.2012, Az. 3 ZA (pat) 6/12 (REWIS RS 2012, 6739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6739

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