Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.02.2016, Az. VII ZB 56/13

7. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16425

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Gegenstand

Zwangsvollstreckungsverfahren: Kosten für eine Prozessbürgschaft als Kosten der Zwangsvollstreckung


Leitsatz

Die Kosten für eine Prozessbürgschaft zur Vollstreckung aus einer nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Entscheidung gemäß § 709 Satz 1 ZPO sind Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 22. Mai 2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die [X.]en streiten um die Erstattungsfähigkeit von Kosten für eine Prozessbürgschaft.

2

Die Antragsgegnerin wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - E. vom 23. Juli 2004 zur Zahlung von [X.] nebst Zinsen an den Antragsteller verurteilt. Das Urteil war gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller erbrachte die Sicherheit durch Übergabe einer Prozessbürgschaft der [X.] und betrieb die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück der Antragsgegnerin durch die Eintragung einer Zwangshypothek. In der Rechtsmittelinstanz einigten sich die [X.]en mit Vergleich vom 7. November 2007 darauf, dass umgekehrt der Antragsteller an die Antragsgegnerin 45.000 € zahlt.

3

Nunmehr begehrt der Antragsteller von der Antragsgegnerin Erstattung der [X.] für die Prozessbürgschaft in Höhe von 5.002,50 €. Zunächst hatte er beim Amtsgericht - Familiengericht - E. beantragt, diese Kosten im Rahmen der Kostenfestsetzung des ursprünglichen Hauptsacheverfahrens festzusetzen. Diesen Antrag wies das Amtsgericht - Familiengericht - E. jedoch mit der Begründung zurück, es handele sich um Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO. Dementsprechend hat der Antragsteller beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - beantragt, die [X.] in Höhe von 5.002,50 € nebst Zinsen als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung festzusetzen.

4

Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat antragsgemäß entschieden. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss aufgehoben und den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

6

1. Das Beschwerdegericht meint, Kosten für die Beschaffung einer Bankbürgschaft, die die Zwangsvollstreckung aus einem nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Titel erst ermögliche, seien keine nach § 788 ZPO erstattungsfähigen Kosten. Die Beschaffung der Sicherheit sei ein Vorgang, der sich außerhalb des eigentlichen Verfahrens abspiele. In erster Linie hänge es von der Vermögenslage der [X.] ab, ob und wie sie Sicherheit leisten wolle. Die Kosten seien damit nicht unmittelbar durch die Zwangsvollstreckung, sondern durch eigene Entscheidung des Gläubigers verursacht worden, der Einwendungen entgegen gehalten werden könnten. Zur Überprüfung solcher Ansprüche sei das summarische Kostenfestsetzungsverfahren weder vorgesehen noch geeignet.

7

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nur im Ergebnis stand.

8

a) Das Beschwerdegericht nimmt zu Unrecht an, dass die Kosten für die Beschaffung einer Prozessbürgschaft, die für die Vollstreckung aus einem nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Titel erforderlich ist, keine Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO sind.

9

aa) Dabei geht das Beschwerdegericht mit einer vereinzelt in der Literatur vertretenen Meinung davon aus, dass die Kosten für eine zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachte Avalbürgschaft weder Verfahrens- noch Vollstreckungskosten sind und damit weder dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 103 ZPO noch nach § 788 Abs. 1 ZPO unterliegen (vgl. [X.], ZPO, 22. Aufl., § 788 Rn. 11).

bb) Diese Ansicht ist rechtsfehlerhaft. Der [X.] hat bereits entschieden, dass die Kosten für eine zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachte Avalbürgschaft jedenfalls Verfahrenskosten im weiteren Sinne sind ([X.], Beschlüsse vom 4. Oktober 2012 - [X.], NJW 2012, 3789 Rn. 8 und vom 3. Dezember 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 515 Rn. 6 ff.; Urteil vom 18. Dezember 1973 - [X.], NJW 1974, 693, 694, juris Rn. 38 ff.).

cc) Ob [X.] für eine Prozessbürgschaft für eine nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärte Entscheidung gemäß § 709 Satz 1, § 711 Satz 1 Halbsatz 3 ZPO als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO oder als Verfahrenskosten nach §§ 91, 103 ZPO einzuordnen sind, ist umstritten. Der [X.] konnte diese Frage bislang offen lassen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 4. Oktober 2012 - [X.], NJW 2012, 3789 Rn. 8; vom 3. Dezember 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 515 Rn. 6; Urteil vom 18. Dezember 1973 - [X.], NJW 1974, 693, 694, juris Rn. 40).

(1) Die ganz überwiegende Meinung in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum geht davon aus, dass Beschaffungskosten für eine vom Gläubiger nach § 709 Satz 1 ZPO zu leistende Sicherheit Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO sind (vgl. [X.], [X.] 2004, 835, juris Rn. 6; [X.], Beschluss vom 12. November 2003 - 12 W 144/03, juris Rn. 3 f.; [X.], [X.] 2003, 47 f., juris Rn. 26; [X.], NJW-RR 2000, 517, 518, juris Rn. 6; [X.]/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 788 Rn. 5; Musielak/[X.], ZPO, 12. Aufl., § 788 Rn. 3; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 788 Rn. 62; MünchKommZPO/[X.]/Brinkmann, 4. Aufl., § 788 Rn. 14 - unter Aufgabe der in der 2. Auflage vertretenen Meinung; [X.]/Walker/[X.], Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 788 ZPO Rn. 12; [X.] ZPO/[X.], Stand: 1. Dezember 2015, § 788 Rn. 16 f.).

(2) Vereinzelt wird hingegen angenommen, dass es sich um Kosten zur Beschaffung des Titels und damit um Kosten des Rechtsstreits, die nach §§ 103 ff. ZPO festzusetzen sind, handelt (vgl. [X.], BeckRS 2010, 11399; [X.], [X.] 1996, 430).

(3) Der Senat entscheidet diese Streitfrage nunmehr dahingehend, dass die Kosten einer Prozessbürgschaft für eine nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärte Entscheidung gemäß § 709 Satz 1, § 711 Satz 1 Halbsatz 3 ZPO Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO sind.

Kosten des Rechtsstreits auf Seiten des klagenden Gläubigers sind die Kosten, die notwendig sind, um einen Titel zu erlangen. Titel nach § 704 ZPO sind unter anderem [X.], die für vorläufig vollstreckbar erklärt sind. Sind solche Titel nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, so stellt diese Sicherheitsleistung eine besondere Vollstreckungsvoraussetzung nach § 751 Abs. 2 ZPO dar. Kosten zur Erlangung dieser Sicherheit sind deshalb Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO. Sie dienen nicht der Erlangung eines Titels, sondern ermöglichen den Zugriff auf das Schuldnervermögen bereits im Stadium der nur vorläufigen Vollstreckbarkeit zur Abwendung des Risikos der Insolvenz des Schuldners bei gleichzeitiger Absicherung des Schuldners für den Fall der späteren Aufhebung oder Abänderung der vorläufig vollstreckbaren Entscheidung im Rechtsmittelzug. Solche Kosten sind auch die für eine Prozessbürgschaft anfallenden [X.] und -gebühren.

(4) Der Beschluss des [X.]. Zivilsenats vom 17. Januar 2006 ([X.] ZB 46/05, NJW-RR 2006, 1001) steht dem nicht entgegen, da er die Einordnung von [X.] für eine Bankbürgschaft betrifft, die nicht wie im Streitfall der Gläubiger zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung, sondern der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aufgebracht hat.

b) Der angegriffene Beschluss stellt sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar, § 577 Abs. 3 ZPO.

aa) Aus § 788 Abs. 3 ZPO folgt, dass ein Gläubiger nach Ersetzung des vorläufig vollstreckbaren Titels durch ein Urteil oder einen Prozessvergleich die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht mehr gegen den Schuldner geltend machen kann, soweit der Verurteilung die materiell-rechtliche Grundlage entzogen wird (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 2014 - [X.]I ZB 14/14, NJW-RR 2014, 1149 Rn. 13). § 788 Abs. 3 ZPO beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger aus einem noch nicht endgültigen Titel auf eigene Gefahr vollstreckt ([X.], Beschlüsse vom 9. Juli 2014 - [X.]I ZB 14/14, aaO; vom 5. Mai 2011 - [X.]I ZB 39/10, NJW-RR 2011, 1217 Rn. 10). Danach sind die Kosten einer im Ergebnis zu Unrecht erfolgten Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel nach dessen Aufhebung oder Abänderung nicht nur nach § 788 Abs. 3 ZPO zu erstatten, sondern dürfen bereits im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 788 Abs. 2, § 103 ZPO keine Berücksichtigung finden ([X.], Beschluss vom 9. Juli 2014 - [X.]I ZB 14/14, aaO; Beschluss vom 7. September 2011 - [X.]II ZB 27/09, NJW-RR 2012, 311 Rn. 8; Beschluss vom 5. Mai 2011 - [X.]I ZB 39/10, aaO; [X.]/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 788 Rn. 14).

bb) So liegt der Fall hier.

Die Kosten für die Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - E. vom 23. Juli 2004 können nicht mehr festgesetzt werden, da deren Festsetzungsfähigkeit durch den von den [X.]en in der Rechtsmittelinstanz geschlossenen Vergleich vom 7. November 2007 entfallen ist. In diesem Vergleich hat sich der hiesige Antragsteller in Umkehrung der vom Amtsgericht - Familiengericht - E. ausgesprochenen Zahlungsverpflichtung verpflichtet, an die hiesige Antragsgegnerin einen Betrag von 45.000 € zu zahlen. Durch den Vergleich ist der bereits durchgeführten Vollstreckung die materiell-rechtliche Grundlage entzogen, was im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick                             Halfmeier                             Kartzke

              Jurgeleit                               [X.]

Meta

VII ZB 56/13

10.02.2016

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Mönchengladbach, 22. Mai 2013, Az: 5 T 61/13

§ 91 ZPO, § 103 ZPO, § 709 S 1 ZPO, § 788 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.02.2016, Az. VII ZB 56/13 (REWIS RS 2016, 16425)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 2579 WM 2016, 464 REWIS RS 2016, 16425

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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