Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.02.2019, Az. V R 47/16

5. Senat | REWIS RS 2019, 10325

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Gegenstand

Zur Identität von Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer


Leitsatz

Die für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach ständiger Rechtsprechung erforderliche Identität von Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer entspricht der Rechtsprechung des EuGH, der zufolge die Angabe der Anschrift, des Namens und der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers es ermöglichen soll, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller herzustellen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 26. Juli 2016  2 K 710/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) zu Recht den Vorsteuerabzug des [X.] und Revisionsklägers (Kläger) gekürzt und eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen abgelehnt hat.

2

Der Kläger führte im Streitjahr (2008) steuerpflichtige Umsätze (Vertrieb von Hard- und Software) aus. Mit seinen Umsatzsteuererklärungen, denen das [X.] zustimmte, machte er für 2008 und 2009 Vorsteuerbeträge aus dem Erwerb von Spielkonsolen von dem unter der [X.] handelnden P geltend. Für das Streitjahr machte er zudem den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von Computerzubehör und Spielkonsolen von der T-GmbH und der F-GmbH & Co. KG geltend.

3

Die Geschäfte hinsichtlich der den Rechnungen der T-GmbH und F-GmbH & Co. KG zu Grunde liegenden Lieferungen von Computerzubehör und Spielkonsolen wurden abgewickelt, indem der Kläger durch die [X.] Angebote unterbreitet bekam und die Ware entweder direkt vom Lager der [X.] an die Abnehmer des [X.] geschickt wurde oder er diese vom Lager der [X.] abholte. Der Kläger hatte dabei ausschließlich Kontakt mit K, den der Kläger seit 1982 kannte und der sich im Rahmen der streitgegenständlichen Geschäfte ihm gegenüber als Handelsvertreter der [X.] ausgegeben hatte, sowie mit Angestellten der [X.].

4

Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung hatte die T-GmbH bis Mai 2008 nicht mit Elektronikbauteilen gehandelt. Die F-GmbH & Co. KG hatte bis zu diesem Zeitpunkt zwar im geringen Umfang Elektronikartikel angeboten, jedoch ausschließlich als Internetanbieter veräußert. Im Mai 2008 erwarb eine auch als Geschäftsführer auftretende Person unter dem Namen "A. W." (Ausweis war gefälscht) die Geschäftsanteile der beiden Firmen. Der Sitz der Firmen wurde nach [X.] verlegt. Unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift der Firmen in [X.] befand sich ein [X.], in dem den Firmen lediglich Ablagefächer bzw. -container zur Verfügung standen. Nach Ansicht des [X.] waren die beiden Firmen demnach als sog. "missing trader" (= Nichtunternehmer) und der Kläger als sog. "buffer" (Zwischenhändler) in eine Umsatzsteuerbetrugskette im Zusammenhang mit der Lieferung von Elektronikartikeln eingebunden.

5

Aufgrund der Erkenntnisse der Steuerfahndung änderte das [X.] die Umsatzsteuerbescheide 2008 und 2009. Dabei versagte es den Vorsteuerabzug in 2008 aus den (angeblichen) Lieferungen der T-GmbH und der F-GmbH & Co. KG. Außerdem erkannte es den Vorsteuerabzug aus Lieferungen der [X.] in 2008 und 2009 nicht an. Der Kläger legte dagegen Einspruch ein und beantragte zudem die Gewährung des streitgegenständlichen Vorsteuerabzugs im Billigkeitswege. Die Einsprüche hatten im Ergebnis keinen Erfolg.

6

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2016, 1741 veröffentlichten Urteil nur hinsichtlich der Vorsteuern aus den Lieferungen der [X.] statt.

7

Im Übrigen wies das [X.] die Klage ab. Die Kürzung des Vorsteuerabzugs im Streitjahr 2008 aus den Rechnungen der T-GmbH und der F-GmbH & Co. KG sei zu Recht erfolgt, da die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen nicht vorlägen. Nicht die Rechnungsaussteller, sondern die [X.] habe die Leistungen erbracht.

8

Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes seien im Festsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Das [X.] habe aber auch das ihm im Rahmen der Entscheidung über die Ablehnung einer abweichenden Festsetzung der Umsatzsteuer 2008 aus Billigkeitsgründen nach § 163 der Abgabenordnung ([X.]) zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

9

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision, mit der er Verletzung materiellen Rechts (§§ 14, 14a, 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--, § 163 [X.]) und Verfahrensfehler geltend macht.

Die T-GmbH und die F-GmbH & Co. KG habe es tatsächlich gegeben und sie hätten auch die streitgegenständlichen Lieferungen ausgeführt.

Der Sachverhalt sei bis heute ungeklärt. Es liege eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) vor. Es sei auch unklar, wie das [X.] zu einer Beweiserhebung aus den Steuerfahndungsakten gelangt sei. Auch insoweit werde ein Verfahrensfehler gerügt.

Aus den Urteilen des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) [X.] vom 15. September 2016 [X.] ([X.]:[X.]) und [X.] vom 22. Oktober 2015 [X.]/14 ([X.]:[X.]) folge, dass das Unionsrecht den Unternehmer vor übertriebener Formalisierung schütze.

Im Übrigen seien auch die Voraussetzungen einer Gewährung des Vorsteuerabzugs im Billigkeitswege erfüllt.

Der Kläger beantragt,
das [X.]-Urteil aufzuheben, soweit die Klage zurückgewiesen wurde und die Umsatzsteuer 2008 unter Aufhebung des geänderten [X.] 2008 vom 14. [X.]uni 2012 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2014 um weitere ... € herabzusetzen.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Der Senat hat durch Beschluss vom 1. Dezember 2016 gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung die [X.] bis zur Entscheidung des [X.] in den Rechtssachen [X.] und [X.]/16 und [X.]/16 angeordnet. Der [X.] hat durch Urteil vom 15. November 2017 über die Rechtssachen [X.] und [X.]/16 und [X.]/16 ([X.]:[X.]) entschieden.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

Das [X.] hat den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der T-GmbH und F-GmbH & Co. [X.]G zu Recht versagt, weil die Rechnungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.

a) Die ausgestellte Rechnung muss den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entsprechen (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 16. Januar 2014 V R 28/13, [X.], 126, [X.], 867, Rz 10, m.w.N.), insbesondere Angaben über den leistenden Unternehmer enthalten (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG). Nach ständiger Rechtsprechung ist der Abzug der in einer Rechnung oder Gutschrift ausgewiesenen Umsatzsteuer grundsätzlich nur zulässig, wenn [X.] und leistender Unternehmer identisch sind (z.B. [X.]-Urteile vom 10. September 2015 V R 17/14, [X.]NV 2016, 80; vom 30. April 2009 V R 15/07, [X.], 254, [X.], 744, unter [X.], m.w.N.; vom 28. Januar 1999 V R 4/98, [X.], 456, [X.] 1999, 628, unter [X.]).

b) [X.] Grundlage sind Art. 167 und Art. 178 Buchst. a der seit dem 1. Januar 2007 geltenden Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Nach Art. 167 MwStSystRL entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige nach Art. 178 Buchst. a MwStSystRL u.a. eine ausgestellte Rechnung besitzen. Diese muss gemäß Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers aufweisen.

c) Nach der Rechtsprechung des [X.] unterliegt das Recht auf Vorsteuerabzug der Einhaltung sowohl materieller als auch formeller Anforderungen und Bedingungen ([X.]-Urteil Paper Consult vom 19. Oktober 2017 [X.]/16, [X.]:C:2017:775, Rz 38).

aa) Zu den für die Geltendmachung des [X.] erforderlichen materiellen Voraussetzungen gehört, dass der Betroffene Steuerpflichtiger i.S. der MwStSystRL ist, dass die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und dass diese Gegenstände oder Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden ([X.]-Urteile Paper Consult, [X.]:C:2017:775, Rz 39; [X.] [X.], [X.]:[X.], Rz 28; [X.] vom 15. Dezember 2005 [X.]/04, [X.]:C:2005:773, Rz 52; [X.] vom 6. September 2012 [X.]/11, [X.]:[X.], Rz 26; [X.] vom 6. Dezember 2012 [X.]/11, [X.]:[X.], Rz 29, sowie [X.]-Beschluss [X.] vom 6. Februar 2014 [X.]/13, [X.]:C:2014:184, Rz 27).

bb) Nach Art. 178 Buchst. a MwStSystRL muss der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, eine Rechnung besitzen, die die in Art. 226 MwStSystRL aufgeführten Angaben enthält ([X.]-Urteile [X.] [X.], [X.]:[X.], Rz 29; [X.] und [X.], [X.]:[X.], Rz 30, 31). Allerdings erfordert das Grundprinzip der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass der Vorsteuerabzug auch dann gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat ([X.]-Urteile Paper Consult, [X.]:C:2017:775, Rz 41; [X.] Transport vom 12. Juli 2012 [X.]/11, [X.]:[X.], Rz 62; [X.] vom 28. Juli 2016 [X.]2/15, [X.]:[X.], Rz 45).

Aus der gebotenen teleologischen Auslegung von Art. 226 MwStSystRL folgt, dass die Angaben, die eine Rechnung enthalten muss, es den Steuerverwaltungen ermöglichen sollen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und das Bestehen des [X.] zu kontrollieren (vgl. [X.]-Urteile [X.] und [X.], [X.]:[X.], Rz 41; [X.] 06 vom 15. September 2016 [X.]/14, [X.]:C:2016:690, Rz 27). Das setzt nach ständiger Rechtsprechung die Identität zwischen leistendem Unternehmer und [X.] voraus (z.B. [X.]-Urteile in [X.]NV 2016, 80; vom 12. August 2009 XI R 48/07, [X.]NV 2010, 259). Das entspricht der Rechtsprechung des [X.], der zufolge die Angabe der Anschrift, des Namens und der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des [X.]s es ermöglichen soll, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und einem konkreten Wirtschaftsteilnehmer, dem [X.], herzustellen ([X.]-Urteil [X.] und [X.], [X.]:[X.], Rz 42). Dem steht der [X.]-Beschluss Signum Alfa Sped vom 10. November 2016 [X.]/15 ([X.]:[X.]) nicht entgegen.

2. Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist dem [X.]läger der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der T-GmbH und F-GmbH & Co. [X.]G zu versagen. Die Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug sind nicht erfüllt, weil es an der notwendigen Identität von leistendem Unternehmer und [X.] fehlt. Anders als in dem [X.]-Urteil [X.] [X.] ([X.]:[X.]), auf das sich der [X.]läger beruft, steht vorliegend nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßenden Feststellungen und den Senat deshalb gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen des [X.] fest, dass die [X.] die Lieferungen, aus denen der [X.]läger den Vorsteuerabzug begehrt, nicht ausgeführt haben. Die Rechnungen vermögen deshalb nicht die erforderliche Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion (den Lieferungen von Spielekonsolen und Computerteilen) und den [X.]n T-GmbH und F-GmbH & Co. [X.]G herzustellen.

Wer bei einem Umsatz als [X.] anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. [X.] ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (z.B. [X.]-Urteile in [X.]NV 2016, 80; vom 9. September 2015 XI R 21/13, [X.]NV 2016, 597).

Das [X.] konnte aus seinen Feststellungen, nach denen der [X.]läger die den Lieferungen zu Grunde liegenden Angebote von der [X.] unterbreitet bekam, die Ware entweder direkt vom Lager der [X.] an die Abnehmer des [X.] geschickt wurde oder der [X.]läger diese vom Lager der [X.] abholte und er dabei ausschließlich [X.]ontakt mit [X.] hatte, der sich im Rahmen der streitgegenständlichen Geschäfte ihm gegenüber als Handelsvertreter der [X.] ausgegeben hatte, schließen, dass die Lieferungen von der [X.] ausgeführt worden sind. Der [X.]läger hat die Feststellungen des [X.] nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen, so dass sie gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O für den [X.] bindend sind (z.B. [X.]-Urteil vom 6. September 2016 IX R 44/14, [X.]E 255, 148, [X.] 2018, 323). Soweit der [X.]läger nunmehr im Revisionsverfahren vorträgt, es sei unerfindlich, wie das [X.] zu der Feststellung gelangt sei, [X.] sei als Handelsvertreter der [X.] aufgetreten, ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der Begründung der Einspruchsentscheidung der [X.]läger selbst bei seiner Vernehmung am 9. Juni 2011 ausgesagt hat, dass [X.] sich ihm gegenüber als Handelsvertreter "bei der [X.]" ausgegeben und erklärt habe, dass er beispielsweise für die Firmen T-GmbH und F-GmbH & Co. [X.]G arbeite. Beweisanträge zu dieser Frage hat der [X.]läger ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2016 nicht gestellt.

3. Das [X.] hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen, unter denen im Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) der Vorsteuerabzug gewährt werden kann, nicht erfüllt sind.

a) Der Vorsteuerabzug kann auch beim Fehlen einer materiellen oder formellen Voraussetzung aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalls unter [X.] zu gewähren sein. Denn die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sind Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung und müssen von den Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Gemeinschaftsrichtlinien einräumen, beachtet werden (ständige Rechtsprechung des [X.], z.B. [X.]-Urteile Salomie und [X.] vom 9. Juli 2015 [X.]/14, [X.]:[X.], Rz 30; [X.] vom 9. Juli 2015 C-144/14, [X.]:C:2015:452, Rz 33; Elmeka vom 14. September 2006 [X.], [X.]/04, [X.]/04, [X.]:C:2006:563, Rz 31; [X.] vom 26. April 2005 [X.]/02, [X.]:[X.], Rz 32; Belgocodex vom 3. Dezember 1998 [X.]/97, [X.]:[X.], Rz 26). Deshalb kann im Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) der Vorsteuerabzug ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Vertrauensschutzes nach den Grundsätzen der [X.]-Rechtsprechung (Urteile [X.] vom 27. September 2007 [X.], [X.]:[X.], Rz 68, und [X.] vom 21. Februar 2008 [X.], [X.]:[X.], Rz 25) in Betracht kommen. Das setzt voraus, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist ([X.]-Urteile Santogal vom 14. Juni 2017 [X.]/16, [X.]:[X.], Rz 71; [X.] vom 6. September 2012 [X.]/11, [X.]:[X.], Rz 48; [X.]ittel und Recolta Recycling vom 6. Juli 2006 [X.]/04 und [X.], [X.]:C:2006:446, Rz 51; [X.]-Vorlagebeschluss vom 6. April 2016 V R 25/15, [X.]E 254, 139; [X.]-Urteile vom 18. Februar 2016 V R 62/14, [X.]E 253, 283, [X.] 2016, 589; in [X.], 254, [X.], 744; [X.]-Beschluss vom 13. Oktober 2014 V B 19/14, [X.]NV 2015, 243).

b) Es fehlt vorliegend jede Grundlage für einen derartigen Vertrauensschutz; insbesondere geht es nicht um den guten Glauben des [X.] an die Rechnungsangaben. Dem [X.]läger waren die Umstände, aus denen das [X.] --zu Recht-- zu dem Ergebnis gelangt ist, dass nicht die [X.], sondern die [X.] die streitgegenständlichen Lieferungen ausgeführt hat, bekannt. Einen guten Glauben an bestimmte rechtliche Schlussfolgerungen gibt es nicht, dieser kann folglich auch nicht geschützt werden.

4. Die geltend gemachten Verfahrensfehler sind nicht hinreichend dargelegt bzw. liegen nicht vor.

a) Eine Überraschungsentscheidung liegt nicht deshalb vor, weil das [X.] von der fehlenden Identität von [X.]n und leistenden Unternehmern ausgegangen ist.

Eine gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 [X.]O) verstoßende Überraschungsentscheidung liegt nur vor, wenn das [X.] sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 1. Februar 2012 VI B 71/11, [X.]NV 2012, 767, m.w.N.). Eine unzulässige Überraschungsentscheidung ist dagegen nicht gegeben, wenn das [X.] das angefochtene Urteil auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt hat, der im bisherigen Verfahren zumindest am Rande angesprochen worden ist (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 20. Mai 2016 III B 62/15, [X.]NV 2016, 1293; vom 11. Januar 2012 IV B 142/10, [X.]NV 2012, 784, m.w.N.). Die Frage, wer die Lieferungen ausgeführt hat, ist bereits Gegenstand der Einspruchsentscheidung und damit auch des finanzgerichtlichen Verfahrens gewesen.

b) Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das [X.] hat der [X.]läger nicht dargelegt. Die schlüssige Darlegung der Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das [X.] gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O erfordert u.a. Angaben, welche Tatsachen das [X.] mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem [X.] eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines --insoweit [X.] hätte aufdrängen müssen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 2. März 2017 XI B 81/16, [X.]NV 2017, 748, Rz 28; vom 4. September 2017 XI B 107/16, [X.]NV 2017, 1412, Rz 27, m.w.N.). Weiter ist darzulegen, welches Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den [X.]läger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 26. April 2018 XI B 117/17, [X.]NV 2018, 953; vom 25. Oktober 2016 VIII B 50/16, [X.]NV 2017, 57). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht.

c) Soweit der [X.]läger die Beiziehung der Steuerfahndungsakten rügt, liegt kein Verfahrensfehler vor. Wie das Gericht den von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Sachverhalt aufklärt, steht in seinem Ermessen und ist daher nicht von der Zustimmung der Beteiligten abhängig ([X.]-Beschluss vom 22. Januar 2008 [X.], [X.]NV 2008, 603, zur Beiziehung von Schriftstücken).

5. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 47/16

14.02.2019

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 26. Juli 2016, Az: 2 K 710/14, Urteil

Art 103 Abs 1 GG, § 96 Abs 2 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 118 Abs 2 FGO, § 163 AO, § 227 AO, § 14 Abs 4 UStG 2005, § 14a UStG 2005, § 15 Abs 1 UStG 2005, Art 167 EGRL 112/2006, Art 178 Buchst a EGRL 112/2006, Art 226 Nr 5 EGRL 112/2006, UStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.02.2019, Az. V R 47/16 (REWIS RS 2019, 10325)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 1766 REWIS RS 2019, 10325


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. V R 47/16

Bundesfinanzhof, V R 47/16, 14.02.2019.


Az. 2 K 710/14

FG München, 2 K 710/14, 26.07.2016.


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