Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.10.2021, Az. 30 W (pat) 532/20

30. Senat | REWIS RS 2021, 2045

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „BURNING HOT (IR-Marke, Wort-Bildmarke)“ – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 7. Oktober 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 09 – [X.] – des [X.] vom 7. Februar 2020 aufgehoben.

Gründe

[X.].

1

Die international registrierte Marke [X.] 522

Abbildung

2

sucht in der [X.] um Schutz nach für die Waren

3

“Klasse 09: Apparatus for recording, [X.]; coin-operated mechanisms for vending machines; mechanisms for coin-operated apparatus; data processing equipment and computers;

4

Klasse 28: [X.]; [X.], automatic and coin-operated”.

5

Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 9 – [X.] – des [X.] hat der Marke mit Beschluss vom 7. Februar 2020 den Schutz in der [X.] verweigert, da es der Marke für die beanspruchten Waren an jeglicher Unterscheidungskraft fehle (§§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B [X.]).

6

Der Verkehr werde in der um Schutz nachsuchenden Marke lediglich ein branchenüblich gestaltetes Display eines Glücksspielautomaten mit den bei diesen Geräten gebräuchlichen Spiel- und Funktionselementen und damit lediglich eine Darstellung der beanspruchten Waren erkennen, darin aber keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen. Daran ändere auch der Schriftzug „[X.] [X.]“ nichts. So sei diese Wortfolge, wenn überhaupt, nur bei genauer Betrachtung des Zeichens erkennbar, da die vielen farbigen Stilelemente die Marke vordergründig bestimmten und eine grüne Schrift auf grünem Untergrund den Schriftzug in den Hintergrund rücken ließen. Vor allem aber stehe die Wortfolge auf Grundlage ihrer auch für inländische Verkehrskreise erkennbaren wortsinngemäßen Bedeutung „brennend heiß/brandheiß“ für „zeitnah, aktuell bzw. trendy“, so dass sie sich in Bezug auf die beanspruchten Waren in einem Hinweis darauf beschränke, dass es sich bei diesen um eine hochmoderne, neuartige, dem trendigen Zeitgeschmack entsprechende Variante handele.

7

Die Wort-[X.] könne daher nicht als betrieblicher Herkunftshinweis dienen.

8

Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt, die sie nicht begründet hat.

9

Sie beantragt mit Schriftsatz vom 12. März 2020 jedoch,

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 – [X.] – des [X.] vom 7. Februar 2020 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

[X.][X.].

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg. Der [X.] Marke kann nach § 113, § 107, § 37 Abs. 1, § 8Abs. 2Nr. 1und 2[X.] i. V. m. PMMA Art5, [X.] Art 6 quinquies B Nr. 2 der Schutz nicht versagt werden. Fehlende Unterscheidungskraft gemäß § 8Abs. 2Nr. 1[X.]wie auch ein der Eintragung entgegenstehendes [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] lassen sich bei der schutzsuchenden Marke in ihrer Gesamtheit und im Zusammenhang mit den maßgeblichen Waren nicht feststellen.

1. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] schließt von der Eintragung bzw. vom Schutz als Marke Zeichen aus, denen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. [X.] [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 932 Rn. 7 – #darferdas? [X.]; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 608 Rn. [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 229 Rn. 27 – [X.]/[X.] [Bio[X.]D]; BGH [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Schutzhindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.], 301 Rn. 15 – [X.]; [X.], 934 Rn. 10 – [X.]; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmelde- bzw. Schutzerstreckungszeitpunkt (BGH [X.],1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – [X.] [#darferdas?]; [X.], 608 Rn. 67 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 411 Rn. 24 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.] 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).

Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird ([X.] GRUR 2004, 674 Rn. 86 – [X.]/[X.] [Postkantoor]; [X.], 932 Rn. 8 – #darferdas? [X.]). Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen sieht ([X.], 301 Rn. 15 – [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard).

2. Nach diesen Grundsätzen kann dem um Schutz nachsuchenden Zeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren nicht die notwendige Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] abgesprochen werden.

Gegenstand der um Schutz nachsuchenden Marke ist die zweidimensionale Abbildung einer mit Spielzeichen (u.a. Früchte) bzw. Funktionsbuttons ausgestatteten (Online-)Spielfläche einer im [X.] umgangssprachlich als „einarmige Banditen“ bezeichneten und im Laufe der Jahrzehnte hinsichtlich ihrer Ausstattung und Funktionen stets weiterentwickelten Glücksspielmaschine, die Walzen mit Symbolen, bei denen es sich traditionell oft um Früchte handelt, in Bewegung setzt und die auch schon seit langer Zeit Gegenstand digitaler [X.] im Rahmen von sog. „Online-Casinos“ ist. [X.]n die dargestellte Benutzungsoberfläche ist dabei am oberen Rand in grüner Schrift mit schwarzer Umrandung die in Großbuchstaben wiedergegebene Wortfolge „[X.] [X.]“ nach Art eines Titels integriert.

Es handelt bei der um Schutz nachsuchenden Marke daher nicht um eine reine Bildmarke, sondern um eine Wort- und Bildelemente kombinierende Wort- [X.]. Bei einer solchen Kombinationsmarke kommt es auf die Schutzfähigkeit der Marke in ihrer Gesamtheit an. So reicht ein schutzfähiger Markenteil trotz weiterer schutzunfähiger Wort- und/oder [X.] grundsätzlich für eine schutzbegründende Unterscheidungskraft aus.

Ausgehend davon ist zwar mit der Markenstelle davon auszugehen, dass die Bildelemente des um Schutz nachsuchenden Zeichens sich auf die Darstellung einer mit branchenüblichen Spielzeichen (Früchte) bzw. Funktionsbuttons ausgestatteten (Online-)Spielfläche eines solchen im [X.] als „fruit-slot“ bzw. „fruit–game“ bezeichneten (Online-)Glücksspiels (vgl. dazu [X.] v. 17. Mai 2017 [X.]. 34 – MULT[X.] FRU[X.]TS) beschränken und daher als warenbeschreibende bildliche Wiedergabe (eines Teils) der im [X.] genannten Waren nicht geeignet sind, die Waren ihrer Herkunft nach zu individualisieren.

Jedoch kann dem Zeichen in seiner Gesamtheit im Hinblick auf die in die Darstellung der Benutzungsoberfläche am oberen Rand nach Art eines Titels integrierte Wortfolge „[X.] [X.]“ Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

Soweit die Markenstelle eine schutzbegründende Wirkung der Wortfolge „[X.] [X.]“ mit der Begründung verneint hat, dass diese Wortfolge mit „brandheiß/brennend heiß“ zu übersetzen sei und daher in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren iS von „zeitnah, aktuell bzw. trendy“ verstanden werde, so dass sie sich in Bezug auf die beanspruchten Waren in einem werblich-anpreisenden Hinweis darauf beschränke, dass es sich bei diesen um eine hochmoderne, neuartige, dem trendigen Zeitgeschmack entsprechende Variante handele, kann dem nicht gefolgt werden.

Ein solches Verständnis wäre zwar bei einer Bedeutung von „[X.] [X.]“ iS von „brandheiß“ nicht auszuschließen, da diese Begriffskombination in der inländischen Werbung gleichbedeutend für „aktuell, zeitgemäß“ o.ä. verwendet wird. Jedoch entspricht eine Übersetzung von „[X.] [X.]“ mit „brandheiß“ nicht dem Wortsinn dieser [X.] Wortfolge. Ein solche Übersetzung lässt sich weder lexikalisch noch im Werbesprachgebrauch nachweisen, so dass der Verkehr die Wortfolge „[X.] [X.]“ jedenfalls nicht ohne interpretatorische Zwischenschritte in diesem Sinne verstehen wird.

Bei einer dem Wortsinn entsprechenden und lexikalisch belegbaren Übersetzung von „[X.] [X.]“ iS von „brennend heiß“ erschließt sich dem Verkehr die Wortfolge hingegen nicht ohne weiteres als Werbeschlagwort in dem von der Markenstelle angenommenen Sinne „zeitnah, aktuell“ o.ä. Wenngleich dem Ausdruck „brennend heiß“ eine gewisse Assoziation in diesem Sinne nicht abgesprochen werden kann, so lässt sich eine Verwendung von „brennend heiß“ als Synonym für „aktuell“ o.ä. – anders als bei „brandheiß“ – nicht nachweisen.

„[X.] [X.]“ wird in seiner Bedeutung „brennend heiß“ hinsichtlich der beanspruchten Waren, soweit diese einen gedanklichen [X.]nhalt verkörpern können, auch nicht als sachbezogener bzw. inhaltsbeschreibender Titel für diese Waren verstanden, so dass diese Wortfolge ohne weiteres geeignet ist, die beanspruchten Waren der um Schutz nachsuchenden Marke ihrer betrieblichen Herkunft nach zu individualisieren.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann weiterhin nicht davon ausgegangen werden, das der Verkehr bei Wahrnehmung des Zeichens diesen Schriftzug vernachlässigen wird. [X.]nsoweit ist zu beachten, dass beim Zusammentreffen schutzfähiger mit [X.] nicht erforderlich ist, dass der schutzfähige (Wort- oder Bild-)Bestandteil in der Marke dominiert oder deren Gesamteindruck prägt. Er muss jedoch so hervortreten, dass er noch als eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden kann. Davon ist vorliegend auszugehen. Denn auch wenn der Wortbestandteil „[X.] [X.]“ sich in seiner Farbgestaltung nicht besonders deutlich vom Hintergrund abhebt, so tritt er dennoch aufgrund seiner Größe und seiner Anordnung im oberen Teil des Bildes, wo üblicherweise (Glücks-)Spielenamen und – Bezeichnungen angeordnet und daher vom Verkehr auch dort erwartet werden, noch so deutlich hervor, dass der Verkehr den Schriftzug bei Wahrnehmung der Marke nicht vernachlässigen wird.

Der um Schutz nachsuchenden Marke kann daher in ihrer Gesamtheit trotz des die Waren beschreibenden bzw. abbildenden Bildelements in Form der Darstellung einer branchenüblichen Benutzungsoberfläche eines (Online)-Glücksspiels) aufgrund der aus sich heraus als betrieblicher Herkunftshinweis geeigneten und damit schutzbegründenden Wortfolge „[X.] [X.]“ Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

3. Einer Registrierung steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen, da die um Schutz nachsuchende Marke aus den genannten Gründen keine sich sofort und ohne weiteres erschließende unmittelbar beschreibende Bedeutung hat.

4. Daher war der angegriffene Beschluss aufzuheben.

Meta

30 W (pat) 532/20

07.10.2021

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 37 Abs 1 MarkenG, § 107 MarkenG, § 113 MarkenG, Art 5 MAbkMadridProt, Art 6quinquies Abschn B Nr 2 PVÜ

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.10.2021, Az. 30 W (pat) 532/20 (REWIS RS 2021, 2045)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2045

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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