Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.01.2018, Az. XII ZB 248/16

12. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15498

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Gegenstand

Verfahrenskostenhilfe in einer Familiensache: Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bei Abschluss eines Mehrvergleichs


Leitsatz

Schließen die Beteiligten in einer selbständigen Familiensache einen Vergleich unter Einbeziehung nicht anhängiger Verfahrensgegenstände (Mehrvergleich), hat der unbemittelte Beteiligte einen Anspruch auf Erweiterung der ihm bewilligten Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten auf sämtliche in diesem Zusammenhang ausgelöste Gebühren (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 8. Juni 2004, VI ZB 49/03, BGHZ 159, 263 = FamRZ 2004, 1708 und BGH, Beschluss vom 30. Mai 1984, VIII ZR 298/83, BGHZ 91, 311 = NJW 1984, 2106).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 1. Familiensenats des [X.] in [X.] vom 10. Mai 2016 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - [X.] vom 21. Januar 2016 dahingehend abgeändert, dass die dem Antragsteller für die erste Instanz bewilligte Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S.            auf den Abschluss der Vereinbarung vom 21. Januar 2016 einschließlich der Differenzgebühren im Zusammenhang mit den nicht anhängigen Verfahrensgegenständen Umgang und Kindesunterhalt erweitert wird.

Das [X.] ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: bis 500 €

Gründe

A.

1

Der Antragsteller begehrt die Erweiterung der ihm erstinstanzlich für den Abschluss eines [X.] bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf sämtliche hiermit im Zusammenhang stehenden Differenzgebühren.

2

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die nicht miteinander verheirateten Eltern ihrer Tochter M. Sie haben vor dem Amtsgericht ein Verfahren zur Regelung des Aufenthalts ihres gemeinsamen Kindes geführt. Hierfür ist dem Antragsteller mit Beschluss vom 15. April 2015 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin bewilligt worden. Nach Durchführung eines Erörterungstermins und Erlass eines [X.] zur Einholung eines Sachverständigengutachtens schlossen die Kindeseltern eine außergerichtliche Vereinbarung, in der sie neben Regelungen zum Aufenthalt ihres Kindes auch solche zum Umgangsrecht und zum Kindesunterhalt getroffen haben. Diese Vereinbarung hat die beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers beim Amtsgericht zur gerichtlichen Feststellung gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO i.V.m. §§ 113 Abs. 1, 36 Abs. 3 FamFG eingereicht. Zugleich hat der Antragsteller beantragt, die ihm bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss der Vereinbarung zu erstrecken sowie auf die im Zusammenhang mit der Regelung der nicht anhängigen Angelegenheiten Umgang und Kindesunterhalt entstandenen Gebühren.

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 21. Januar 2016 die Verfahrenskostenhilfe für die erste Instanz (nur) auf den Abschluss des gerichtlich festgestellten Vergleichs erweitert. Die Beschwerde des Antragstellers ist ohne Erfolg geblieben. Gegen diese Entscheidung richtet sich seine zugelassene Rechtsbeschwerde.

B.

4

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und es um Fragen des Verfahrens der Verfahrenskostenhilfe geht (vgl. [X.]sbeschluss vom 22. Oktober 2014 - [X.]/14 - FamRZ 2015, 133 Rn. 4 mwN). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

5

Auch in der Sache hat die Rechtsbeschwerde Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dahingehend, dass die dem Antragsteller gewährte Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten auf sämtliche Gebühren im Zusammenhang mit dem Abschluss des [X.] erstreckt wird.

I.

6

Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Antragsteller könne hinsichtlich der nicht anhängigen [X.] Umgang und Kindesunterhalt eine Erweiterung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe lediglich auf eine hierdurch entstandene [X.], nicht aber auf eine [X.] und [X.] verlangen.

7

Werde - wie vorliegend - Verfahrenskostenhilfe für einen Vergleich über nicht anhängige Ansprüche bewilligt, könne der beigeordnete Rechtsanwalt nur die Festsetzung einer [X.] aus dem [X.] verlangen. Diese Konstellation sei vergleichbar mit derjenigen eines [X.]es im Erörterungstermin des [X.]s. Insoweit gelte der Grundsatz, dass für nicht anhängige Verfahren - und damit auch für das [X.] selbst - Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden könne. Um dem Ausnahmecharakter von § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO Rechnung zu tragen, sei der Abschluss des Vergleiches von diesem Grundsatz ausgenommen. Dementsprechend habe der [X.] entschieden, dass Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe lediglich für die [X.], also für den Abschluss des Vergleichs selbst, bewilligt werden könne, nicht aber für das ganze Verfahren. Dies müsse dann ebenso für im Verfahren nicht anhängige [X.] gelten. Denn da die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung voraussetze, eine derartige Prüfung jedoch nicht erfolgt sei, komme eine Erstreckung auf nicht anhängige Ansprüche nicht in Betracht.

8

Hierfür spreche auch die seit 1. August 2013 geltende Neufassung des § 48 Abs. 3 [X.]. Der Gesetzgeber habe mit dieser Neuregelung klargestellt, dass im Falle eines Vergleichsabschlusses in [X.]n alle in diesem Zusammenhang anfallenden Gebühren zu erstatten seien. Da sich die Vorschrift jedoch ausdrücklich nur auf die Beiordnung in [X.]n beziehe, sei im Umkehrschluss daraus abzuleiten, dass bei sonstigen selbständigen Familiensachen eine automatische Erstreckung auf andere Verfahren nicht erfolge.

9

Schließlich sei es auch nach dem Sinn und Zweck der Verfahrenskostenhilfe als einer sozialhilfeähnlichen Leistung staatlicher Daseinsfürsorge nicht geboten, diese über die dem beigeordneten Rechtsanwalt zustehende [X.] hinaus auf die [X.] und [X.] zu erstrecken. Die Verfahrenskostenhilfe solle nach ihrem Sinn und Zweck einer weniger bemittelten [X.] ermöglichen, ihr Recht vor Gericht zu verfolgen, nicht aber ihre Vergleichsbereitschaft für nicht anhängige [X.] erhöhen. Lediglich der Abschluss des Vergleichs selbst sei aufgrund des aus § 278 Abs. 1 ZPO und § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG resultierenden Rechtsgedankens hiervon ausgenommen.

II.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Wird in einer selbständigen Familiensache ein Vergleich unter Einbeziehung nicht anhängiger [X.] geschlossen (sog. [X.]), entsteht für den am Vergleich mitwirkenden Rechtsanwalt hinsichtlich der nicht anhängigen [X.] neben der [X.] (Nr. 1000 VV [X.]) regelmäßig auch eine 0,8-fache Verfahrensgebühr ([X.]. 3100, 3101 Ziffer 2 VV [X.]). Erfolgt der Abschluss des Vergleichs in einem Termin zur mündlichen Verhandlung, fällt zudem eine 1,2-fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 2 VV [X.] sowie Vorb. 3 Abs. 3 VV [X.] aus dem Wert des Vergleichs an. Wegen der Begrenzung der jeweiligen Einzelgebühren auf den Wert aus dem Gesamtbetrag sämtlicher [X.] nach dem höchsten Gebührensatz (§ 15 Abs. 3 [X.]) reduzieren sich die Einzelgebühren für die nicht anhängigen [X.] gewöhnlich auf sogenannte Differenzgebühren.

2. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob der beigeordnete Rechtsanwalt - außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 [X.] - diese zusätzlichen Gebühren im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe von der Staatskasse erstattet verlangen kann, wenn - wie im vorliegenden Fall - der [X.] die Verfahrenskostenhilfe nur auf den Abschluss der Vereinbarung erstreckt. Dies ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten.

a) Einige Oberlandesgerichte vertreten die Auffassung, dass der beigeordnete Rechtsanwalt in diesen Fällen aus der Staatskasse die Erstattung weder der Verfahrensgebühr noch der Terminsgebühr aus dem Mehrwert des Vergleichs verlangen könne. Zur Begründung wird dabei einerseits die fehlende Möglichkeit des Gerichts herangezogen, hinsichtlich der nicht anhängigen [X.] die Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder -verteidigung zu prüfen (§ 114 Satz 1 ZPO). Andererseits wird darauf abgestellt, dass die [X.] vergleichbar mit derjenigen eines [X.]es im Erörterungstermin des [X.]s sei (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO), für die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe ebenfalls nur für die [X.] bewilligt werden könne ([X.] [X.], 993 f.; [X.], 316 f.; [X.] 2017, 418; [X.] Beschluss vom 12. Juli 2016 - 12 WF 134/16 - juris Rn. 4; [X.] [X.] 316 f.; [X.] 2017, 197; [X.] [X.] 2015, 640; [X.] [10. Zivilsenat] [X.] 2015, 236, 237 f. und [X.], 835, 836; [X.] [1. [X.]] FamRZ 2014, 1877 f.).

b) Teilweise wird die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf die Differenzgebühren davon abhängig gemacht, ob zwischen dem eigentlichen Verfahrensgegenstand und dem zusätzlichen Gegenstand des [X.] ein enger Zusammenhang besteht ([X.] [X.], 320, 321; [X.] [1. [X.]] [X.] 2015, 141, 142 und [X.] 2014, 527, 528 f.).

c) Andere Oberlandesgerichte sind der Meinung, dass durch die Erweiterung einer bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss eines [X.] dem beigeordneten Rechtsanwalt sämtliche mit dem [X.] anfallenden Gebühren aus der Staatskasse zu erstatten sind, auch wenn der [X.] dies nicht ausdrücklich anordnet. Dabei werden insbesondere der Sinn und Zweck der Verfahrenskostenhilfe sowie die Verfahrensökonomie in den Vordergrund gerückt ([X.] [X.], 1959 f.; [X.] [21. Zivilsenat] [X.], 394, 395 f. und [X.] [15. Zivilsenat] FamRZ 2014, 1878 f.; [X.] [X.], 317, 318; [X.] [2. [X.]] [X.] 2016, 136 f.; [X.] FamRZ 2014, 1875, 1876 f.; [X.], 1416, 1417; [X.]/Müller-Rabe [X.] 22. Aufl. § 48 Rn. 168 ff. mwN).

d) Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Der unbemittelte Verfahrensbeteiligte in einer selbständigen Familiensache hat einen Anspruch auf Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten auf sämtliche im Zusammenhang mit einem [X.] ausgelöste Gebühren - sei es im Wege der Auslegung einer bereits erfolgten Bewilligung, sei es im Wege einer ergänzenden Beschlussfassung.

aa) Gemäß § 76 Abs. 1 FamFG bzw. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Verfahrensführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Verfahrenskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dieser Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe ist Ausfluss des verfassungsrechtlichen Gebots einer weitgehenden Angleichung der Situation von [X.] und [X.] bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, welches in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet ([X.] NJW 2012, 3293 mwN; [X.] NJW 1991, 413 mwN). Danach darf [X.] die Rechtsverfolgung und -verteidigung im Vergleich zu [X.] nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Der [X.] muss grundsätzlich ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie ein Bemittelter. Er muss einem solchen [X.] gleichgestellt werden, der seine Aussichten vernünftig abwägt und dabei auch sein Kostenrisiko berücksichtigt ([X.] NJW 2012, 3293 mwN).

Diese durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte [X.] wäre nicht gewahrt, wenn trotz der Erweiterung der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss des [X.] die dem beigeordneten Rechtsanwalt durch die Vornahme dieser Verfahrenshandlung nach den Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erwachsenden Gebühren teilweise nicht von der Staatskasse getragen würden und im Übrigen die Vergütungspflicht des bedürftigen Beteiligten bestehen bliebe. Anders als ein begüterter Verfahrensbeteiligter könnte der bedürftige Beteiligte in diesem Fall von der Möglichkeit, das anhängige Verfahren durch den Abschluss eines [X.] zu beenden, nur dann Gebrauch machen, wenn er trotz seiner im Bewilligungsverfahren festgestellten Bedürftigkeit wirtschaftlich in der Lage wäre, die zusätzlich anfallenden Rechtsanwaltsgebühren zu tragen. Sollte er die hierfür erforderlichen Mittel nicht aufbringen können, bliebe ihm nur die Möglichkeit, bezüglich der nicht anhängigen Gegenstände ein gesondertes Verfahren zu betreiben und dort erneut um die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe anzutragen. Dem bedürftigen Beteiligten würde dadurch gegenüber einem begüterten Beteiligten die - oft zweckmäßige - umfassende Regelung von streitigen Rechtsverhältnissen erheblich erschwert. Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen tragfähigen sachlichen Grund.

bb) Nach § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für jeden Rechtszug besonders. Der Begriff des Rechtszugs ist kostenrechtlich zu verstehen und bezeichnet jeden Verfahrensabschnitt, der besondere Kosten verursacht ([X.] Beschluss vom 8. Juli 2004 - [X.] 565/02 - [X.], 1707, 1708). Nach §§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 [X.] umfasst der gegen die Staatskasse gerichtete Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts daher grundsätzlich sämtliche anwaltliche Gebühren, die aufgrund der Tätigkeit, die der beigeordnete Rechtsanwalt in dem von der Bewilligungsentscheidung erfassten Verfahrensabschnitt ausübt, anfallen. Eine auf bestimmte Gebührentatbestände beschränkte Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts sieht das Gesetz weder in den §§ 76 ff. FamFG noch in den §§ 114 ff. ZPO vor ([X.] [X.], 1959 f.; [X.] [X.] 2016, 470).

Da die gesetzliche Vergütung des Rechtsanwalts für die Mitwirkung an einem (Mehr-)Vergleich sich nicht in der [X.] aus dem erhöhten Vergleichswert erschöpft, sondern sich auch auf die [X.] und -terminsgebühr erstreckt, widerspräche eine Beschränkung der Verfahrenskostenhilfe auf die [X.] nicht nur dem Grundsatz des § 45 Abs. 1 [X.], wonach der beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse erhält ([X.] FamRZ 2014, 1878, 1879). Es bliebe auch unberücksichtigt, dass die zuletzt genannten Differenzgebühren in einem engen Zusammenhang mit dem Abschluss des [X.] stehen (vgl. [X.] [X.], 394, 396). Die Verfahrensgebühr ist sogar unlösbar mit der Entstehung der [X.] verbunden ([X.] FamRZ 2014, 1875, 1876) und der unbemittelte Verfahrensbeteiligte darf darauf vertrauen, aufgrund der für den Abschluss des [X.] bewilligten Verfahrenskostenhilfe von sämtlichen Gebührenansprüchen freigestellt zu werden, die seinem beigeordneten Rechtsanwalt zustehen (vgl. [X.] [X.], 1959 f.).

cc) Entgegen der Auffassung des [X.] lässt sich auch aus § 48 Abs. 3 [X.] nicht im Wege eines Umkehrschlusses ableiten, dass außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Abschluss eines [X.] nicht auf die Verfahrens- und Terminsgebühr erstreckt werden kann.

(1) Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 [X.] erstreckt sich die Beiordnung in einer [X.] im Falle des Abschlusses eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des [X.] auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag einen der in der Vorschrift bezeichneten [X.] betrifft. Der Vorschrift kommt insoweit Ausnahmecharakter zu, als der für die [X.] beigeordnete Rechtsanwalt kraft Gesetzes auch für den Abschluss eines [X.] beigeordnet ist, sofern dieser einen der in der Vorschrift genannten [X.] betrifft. Das Gericht muss daher innerhalb des Anwendungsbereichs der Norm die für die [X.] bewilligte Verfahrenskostenhilfe nicht auf den Abschluss des [X.] erstrecken. Zweck dieser Vorschrift ist es, Beteiligten mit geringem Einkommen auch ohne einen entsprechenden Ausspruch in der Bewilligungsentscheidung die gleiche Möglichkeit zu verschaffen, eine Vereinbarung zu Scheidungsfolgen zu schließen, wie Beteiligten mit ausreichend hohem Einkommen und dadurch weitere Rechtsstreitigkeiten über die Scheidungsfolgen zu verhindern. In der Zusammenschau mit § 48 Abs. 1 und 5 [X.] lässt sich daher aus § 48 Abs. 3 [X.] im Wege eines Umkehrschlusses nur herleiten, dass bei selbständigen Familiensachen eine Erweiterung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss eines [X.] nicht kraft Gesetzes eintritt, sondern einer Anordnung durch gerichtlichen Beschluss bedarf. Demgegenüber lässt sich hieraus nicht folgern, außerhalb des [X.] könne sich eine Erweiterung der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Fall eines [X.] allein auf die [X.] und nicht auch auf die übrigen Differenzgebühren beziehen.

(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber durch das zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. [X.]) vom 23. Juli 2013 ([X.] 2586) mit Wirkung zum 1. August 2013 den Wortlaut des § 48 Abs. 3 Satz 1 [X.] dahingehend ergänzt hat, dass sich die Beiordnung in einer [X.] im Fall des Abschlusses eines Vergleichs auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten erstreckt, soweit der Vergleich auch eine der in § 48 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 6 [X.] genannten Angelegenheiten betrifft.

Aufgrund des Wortlauts des § 48 Abs. 3 Satz 1 [X.] in der bis zum 31. Juli 2013 gültigen Fassung wurden in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen insbesondere dazu vertreten, ob die gesetzliche Ausdehnung der in einer Ehe- oder Partnerschaftssache bewilligte Verfahrenskostenhilfe zur Folge hat, dass der beigeordnete Rechtsanwalt neben der [X.] auch die [X.] von der Staatskasse erstattet verlangen kann (ablehnend: [X.] FamRZ 2005, 1264; [X.] FamRZ 2009, 1779 und OLG Hamm Beschluss vom 25. Februar 2012 - 6 [X.]/12 - juris; bejahend: [X.] FamRZ 2008, 707; [X.] FamRZ 2008, 1010 und OLG Saarbrücken FamRZ 2009, 143).

Im Hinblick auf diesen Meinungsstreit wollte der [X.] mit der Ergänzung des Wortlauts der Vorschrift lediglich klarstellen, dass im Falle eines [X.]es in einer Ehe- oder Lebenspartnerschaftssache alle in diesem Zusammenhang anfallenden Gebühren zu erstatten sind, weil allein hierdurch Beteiligte mit einem geringem Einkommen die gleiche Möglichkeit erhalten würden, ihre Streitigkeiten möglichst umfangreich beizulegen, wie Beteiligte mit einem ausreichend hohen Einkommen (BT-Drucks. 17/11471 [X.]). Diese Erwägung, welche maßgeblich auf den verfahrensökonomischen Aspekt eines [X.]es abstellt, gilt aber in gleichem Maße für einen [X.] im Rahmen einer selbständigen Familiensache. Deshalb wäre es nach diesem Gesetzeszweck bereits von [X.] wegen (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht gerechtfertigt, die Frage des Vergütungsanspruchs für die Herbeiführung eines [X.] bei selbständigen Familiensachen anders zu behandeln als bei einem [X.] im Scheidungsverbund ([X.] FamRZ 2014, 1878, 1879).

(3) Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 [X.] die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht auf sämtliche durch den Abschluss eines [X.] anfallenden Rechtsanwaltsgebühren erstreckt werden kann, lassen sich daher weder dem Wortlaut der Vorschrift noch dem Gesetzeszweck entnehmen. Auch die Gesetzesbegründung gibt für eine entsprechende Absicht des Gesetzgebers nichts her.

dd) Der vom Antragsteller begehrten Erweiterung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe steht auch nicht entgegen, dass für die weiteren in den Vergleich einbezogenen Regelungsgegenstände die nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich erforderliche Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht erfolgen kann.

Richtig ist, dass ohne Anhängigkeit der betreffenden [X.], d.h. ohne einen verfahrenseinleitenden Antrag gemäß §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 FamFG oder eine Antragsschrift im Sinne der §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 253 Abs. 2 ZPO, eine diesbezügliche summarische Prüfung kaum durchführbar sein dürfte (vgl. [X.] FamRZ 2014, 1877, 1878). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die von einem [X.] erfassten nicht anhängigen [X.] regelmäßig allenfalls eingeschränkt einer Beurteilung ihrer Erfolgsaussichten nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugänglich sind. Denn ein [X.] erschöpft sich nicht darin, einen Streit oder eine Ungewissheit der Beteiligten über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen [X.] zu beseitigen (§ 779 Abs. 1 BGB). Er geht vielmehr über den eigentlichen Streitfall hinaus. Die nicht anhängigen [X.], welche im Rahmen eines [X.] mitgeregelt werden, müssen daher nicht notwendigerweise streitige Positionen betreffen. Es erscheint ebenso naheliegend, dass die Beteiligten zur Vermeidung weiterer gerichtlicher Auseinandersetzungen gegnerische Ansprüche unstreitig stellen und einer einvernehmlichen Regelung zuführen, deren Durchsetzung nach summarischer Prüfung eher wenig Aussicht auf Erfolg hätte. Oder sie beziehen von vornherein unstreitige Punkte in ihren Vergleich mit ein, um etwa im Zusammenhang mit ihrer Ehescheidung eine umfassende Vermögensauseinandersetzung zu erreichen. Eine derartige Einigung würde aber weniger das Ergebnis gegenseitigen [X.] wiedergeben als vielmehr eine bloße Feststellung beinhalten (vgl. [X.] [X.], 835, 836).

Daher müsste in zahlreichen Fällen mangels Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung schon die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf die [X.] für einen [X.] auf rechtliche Bedenken stoßen. Dies würde der besonderen Bedeutung nicht gerecht, welche dem [X.] für eine umfassende Regelung komplexer Lebenssachverhalte zukommt. Im Übrigen liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Einigung, welche über den Verfahrensgegenstand hinausgeht, als gerichtlichen Vergleich protokolliert ([X.]sbeschluss [X.]Z 191, 1 = [X.], 1572 Rn. 16 f.).

ee) Entgegen der Auffassung des [X.] steht einer Erstreckung der Verfahrenskostenhilfebewilligung auf sämtliche durch den Abschluss eines [X.] anfallenden Rechtsanwaltsgebühren auch die Rechtsprechung des [X.]s nicht entgegen.

(1) Zwar hat der [X.] entschieden, dass bei Abschluss eines [X.] im Erörterungstermin nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO Prozesskostenhilfe nur für den Vergleich selbst und nicht für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt werden könne. Deshalb beschränke sich die Gewährung der Prozesskostenhilfe ausschließlich auf den Vergleich und umfasse insbesondere nicht die einem Rechtsanwalt unabhängig hiervon zustehende Verfahrensgebühr gemäß [X.]. 3100, 3335 VV [X.] (nach altem Recht: §§ 51 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) sowie die Terminsgebühr gemäß Vorb. 3 Abs. 3 i.V.m. Nr. 3104 VV [X.] (nach altem Recht: [X.] nach §§ 51 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO).

(2) Diese Rechtsprechung beruht indes auf dem Grundsatz, wonach für das Prozess- bzw. [X.] an sich eine Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe nicht in Betracht kommt (vgl. [X.]Z 159, 263 = [X.], 1708, 1709; [X.]Z 91, 311 = FamRZ 1985, 690). Insoweit stellt § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO eine Ausnahmevorschrift dar. Bei [X.] auf beiden Seiten sprengt die Vorschrift den Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens und gestattet aus [X.] eine gütliche Regelung über die Hauptsache bereits vorprozessual im Wege eines Vergleichs ([X.]Z 159, 263 = [X.], 1708, 1709).

Wird demgegenüber - wie im vorliegenden Fall - ein [X.] im Rahmen einer bereits rechtshängigen selbständigen Familiensache geschlossen, ist dem unbemittelten Beteiligten für den rechtshängigen Verfahrensgegenstand Verfahrenskostenhilfe bereits bewilligt worden. Der Grundsatz, wonach Verfahrenskostenhilfe für das Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren an sich nicht gewährt werden kann, entfaltet dann keine Wirkung mehr. Es kommt nicht länger darauf an, ob und inwieweit § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO ausnahmsweise eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im [X.] ermöglicht, sondern es geht um den Umfang der Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten in einem bereits rechtshängigen Verfahren, in dem zulässigerweise materiell-rechtliche Gegenstände mitgeregelt werden, welche außerhalb des [X.] streitig oder ungewiss sind ([X.], 1416, 1417 mwN).

3. Gemessen hieran kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Sie ist gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO aufzuheben. Der [X.] kann gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO selbst entscheiden, da die Sache zur Entscheidung reif ist.

Da das Amtsgericht die dem Antragsteller für die erste Instanz bewilligte Verfahrenskostenhilfe lediglich auf die [X.] für den abgeschlossenen Vergleich, nicht aber auf die Verfahrensgebühr für die nicht anhängigen [X.] Umgang und Kindesunterhalt erweitert hat, ist der Beschluss des Amtsgerichts unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung dahingehend abzuändern, dass die dem Antragsteller gewährte Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten auf sämtliche Gebühren im Zusammenhang mit dem Abschluss des [X.] erweitert wird.

Dose     

      

Schilling     

      

Günter

      

Botur     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 248/16

17.01.2018

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 10. Mai 2016, Az: 1 WF 127/16

§ 36 Abs 3 FamFG, § 76 Abs 1 FamFG, § 113 Abs 1 FamFG, § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 278 Abs 6 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.01.2018, Az. XII ZB 248/16 (REWIS RS 2018, 15498)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 691-692 REWIS RS 2018, 15498

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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