Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2011, Az. I ZB 20/11

I. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3911

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB
20/11
vom

17. August 2011

in dem Rechtsbeschwerdeverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Aufschiebende Wirkung
ZPO § 570 Abs. 1, §§ 888, 890
Die Beschwerde gegen die Festsetzung eines Zwangs-
oder Ordnungsmittels hat auch bei Zwangs-
oder Ordnungsmittelbeschlüssen gemäß §§ 888, 890 ZPO aufschiebende Wirkung.

[X.], Beschluss vom 17. August 2011 -
I [X.]/11 -
KG Berlin

[X.]

-
2
-

Der I. Zivilsenat des [X.] hat am 17.
August 2011 durch [X.]
Dr.
Bornkamm und die Richter Prof. Dr.
Büscher, Dr.
Schaffert, Dr.
Koch und Dr.
Löffler

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2.
Zivilsenats des [X.] vom 23.
Februar 2011 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6.000

Gründe:

I.
Der Gläubiger ist Gesellschafter der i.

GbR. Er hat vor dem [X.] eine durch Urteil vom 12.
Dezember 2007 bestätigte [X.] erwirkt, mit der dem Schuldner unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel unter anderem untersagt
wurde,
mit der
i.

GbR
innerhalb von drei Monaten in Wettbewerb zu treten.

Mit Beschluss vom 9.
Mai 2008 hat das [X.] gegen den Schuld-ner wegen Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000

Ordnungshaft festgesetzt. Der vom Schuldner eingelegten sofortigen Be-schwerde hat das [X.] mit Beschluss vom 4.
Juni 2010 abgeholfen und den Beschluss vom 9.
Mai 2008 aufgehoben.

1
2
-
3
-

Der vom Gläubiger gegen den Beschluss vom 4.
Juni 2010 eingelegten sofortigen Beschwerde hat das [X.] unter Hinweis darauf nicht abgehol-fen, dass mittlerweile Vollstreckungsverjährung eingetreten sei und für den Ordnungsmittelantrag des Gläubigers daher kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehe. Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des [X.]s vom 4.
Juni 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entschei-dung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die Wiederherstellung des landgerichtlichen Beschlusses vom 4.
Juni 2010.

II.
Nach Ansicht des [X.] besteht hinsichtlich des mit dem Beschluss vom 9.
Mai 2008 festgesetzten Ordnungsgeldes kein Vollstre-ckungshindernis wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung. Mit der Festsetzung eines Ordnungsmittels nach §
890
ZPO scheide Verfolgungsver-jährung nach Art.
9 Abs.
1 [X.] aus und komme daher allein noch eine Vollstreckungsverjährung nach Art.
9 Abs.
2 [X.] in Betracht. Die danach mit der Vollstreckbarkeit des Ordnungsmittels beginnende Verjährungsfrist von zwei Jahren ruhe gemäß Art.
9 Abs.
2 Satz
4 Nr.
1 [X.], solange die [X.] nach dem Gesetz nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kön-ne. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des §
570 Abs.
1 ZPO habe eine Beschwerde auch dann diese aufschiebende Wirkung, wenn sie sich gegen die Festsetzung eines
Ordnungs-
oder
Zwangsmittels
nach §§
888, 890 ZPO richte. Die in der Begründung des [X.] enthaltenen Ausführungen ließen keinen sicheren Schluss auf einen gegenteiligen Willen des Gesetzgebers zu. Der Umstand, dass eine Aus-dehnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen Beschlüsse nach §§
888, 890 ZPO in der Vergangenheit -
soweit ersichtlich
-
nicht diskutiert [X.] sei, könne die Mehrdeutigkeit des geäußerten gesetzgeberischen Willens 3
4
5
-
4
-

nicht ausräumen. Für die aufschiebende Wirkung der Beschwerde auch in den Fällen der §§
888, 890 ZPO spreche zudem die
in der Begründung des [X.] enthaltene Bezugnahme auf die Generalklauseln in §
149 Abs.
1 Satz
1 VwGO, §
131 Abs.
1 Satz
1 FGO und §
175 Satz
1 SGG; denn diese Wirkung gelte auch für das Zwangsgeld, das nach §
172 VwGO, §
154 FGO und §
201 SGG zur Durchsetzung einer der
Behörde durch Urteil oder einstwei-lige Anordnung auferlegten Verpflichtung
festzusetzen sei.

III. Die
gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde ist zwar aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO) und auch ansonsten zulässig.
In der Sache hat sie aber keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht ist bei seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass keine Verjährung eingetreten und der
vom Gläubiger gestellte Vollstreckungsantrag
daher nicht wegen fehlenden
Rechts-schutzinteresses
unzulässig
ist.

1. Das Beschwerdegericht hat mit Recht und von der Rechtsbeschwerde insoweit auch unbeanstandet angenommen, dass auf die Ordnungsmittel des §
890 ZPO die Regelung des Art.
9 [X.] anzuwenden ist (vgl. [X.], [X.] vom 5.
November 2004

IXa
ZB
18/04, [X.]Z 161, 60, 63). Dasselbe gilt für seine Annahme, in Fällen, in denen
wie vorliegend
das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers ein Ordnungsmittel bereits festgesetzt hat, könne keine Verfolgungsverjährung im Sinne des
Art.
9 Abs.
1 [X.] mehr eintreten ([X.]Z 161, 60, 64 bis 66).

2. Das Beschwerdegericht hat des Weiteren
insoweit entgegen der [X.] der Rechtsbeschwerde
mit Recht angenommen, dass der danach allein in Betracht kommenden Vollstreckungsverjährung im Sinne des Art.
9 Abs.
2 [X.] entgegenstand, dass diese Verjährung zwar mit der Vollstreckbarkeit 6
7
8
-
5
-

begonnen (Art.
9 Abs.
2 Satz
3 [X.]; vgl. [X.]Z 161, 60, 65), aber seit der Einlegung der sofortigen Beschwerde durch den Beklagten am 21.
Mai 2008 gemäß Art.
9 Abs.
2 Satz
4 Nr.
1
[X.] geruht hat. Das Beschwerdegericht hat mit Recht die
in diesem Zusammenhang
entscheidende
Frage
bejaht, ob die aufschiebende Wirkung, die eine Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnung oder Zwangsmittels gemäß §
570 Abs.
1 ZPO hat, auch bei Zwangs-
und Ordnungsmittelbeschlüssen gemäß §§
888, 890 ZPO eintritt.

a) Die genannte, in der Rechtsprechung wie auch im Schrifttum umstrit-tene und vom [X.] (vgl. [X.]Z 161, 60, 65) bislang noch nicht entschiedene Frage wird teilweise mit der Begründung verneint, die weite [X.] des §
570 Abs.
1 ZPO beruhe auf einem Redaktionsversehen, das dem Gesetzgeber bei der Neufassung der Vorschriften über die Beschwerde im Zu-ge der [X.] 2002 unterlaufen und durch eine einschränkende Ausle-gung dieser Vorschrift zu korrigieren sei (vgl. [X.], [X.] 2003, 716
f.; MünchKomm.ZPO/[X.], 3.
Aufl., §
570 Rn.
2; [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
888 Rn.
48 und §
890 Rn.
70; [X.]/[X.], ZPO, 28.
Aufl., §
570 Rn.
2; [X.]/[X.] aaO §
888 Rn.
15 und §
890 Rn.
20; [X.], ZPO, 3.
Aufl., §
888 Rn.
33 und §
890 Rn.
29; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, 32.
Aufl., §
570 Rn.
1; [X.] in [X.]/[X.] aaO §
888 Rn.
18 und §
890 Rn.
40; Walker in [X.]/Walker, Vollstreckung
und Vorläufiger Rechtsschutz, 5.
Aufl., §
888 Rn.
51; [X.][X.]/[X.], Zwangsvollstreckungsrecht, 12.
Aufl., §
38 Rn.
21). Diese Ansicht wird außer mit der vollstreckungsrechtlichen Funktion der §§
888, 890 ZPO und dem [X.], dass in diesen Bestimmungen das Wort "Festsetzung" nicht verwendet wird, vor allem damit begründet, dass der Gesetzgeber nach der Begründung zum
Regierungsentwurf
des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses nichts an der bisher bestehenden Rechtslage habe ändern wollen, nach der [X.] gegen Beschlüsse gemäß §§
888, 890 ZPO keine aufschiebende Wirkung 9
-
6
-

gehabt hätten. Sie nimmt dabei insbesondere auf die Formulierung in der [X.] Bezug, wonach die an die Stelle des Enume-rationsprinzips in §
572 ZPO aF tretende Generalklausel des
§
570 Abs.
1 ZPO die nach dem bisherigen Recht unvollständige Aufzählung einzelner Ordnung und Zwangsmittel "ohne inhaltliche Änderung" obsolet mache (vgl. [X.], [X.] 2003, 715, 716 mit Hinweis auf BTDrucks. 14/4722, S.
112).

b) Das Beschwerdegericht weist demgegenüber zur Begründung seiner gegenteiligen, in der Rechtsprechung und im Schrifttum ebenfalls verbreiteten Ansicht (vgl. [X.], [X.] 9, 301, 302; Beschluss vom 12.
Juni 2009
6
W
81/09, juris Rn.
3; [X.]/Schütze/Jänich, ZPO, 3.
Aufl., §
570 Rn.
3; [X.]/[X.], ZPO, 69.
Aufl., §
570 Rn.
4 und §
890 Rn.
40; [X.] in [X.]/Walker aaO §
890 Rn.
56; [X.] in Prütting/[X.] aaO §
570 Rn.
2; [X.] in ZPO, 4.
Aufl., §
570 Rn.
3; Musielak/[X.], ZPO, 8.
Aufl., §
890 Rn.
20) mit Recht darauf hin, dass die Äußerung des [X.] an der bewussten Stelle keineswegs eindeutig, sondern im Gegenteil in sich widersprüchlich ist. So findet sich dort zwischen den [X.], auf die sich die
von der Rechtsbeschwerde befürwortete Ansicht stützt, die Wendung eingestreut, die Beschwerde habe "nunmehr immer dann aufschie-bende Wirkung, wenn sie die Festsetzung eines Ordnung oder Zwangsmittels zum Gegenstand" habe. Bei dieser Sachlage erscheint es allenfalls möglich, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung lediglich die zu §
572 ZPO aF überwiegend vertretene Ansicht bestätigen wollte, dass die dort enthaltene [X.] einzelner Bestimmungen unvollständig und die Regelung daher auf entsprechend gelagerte andere Fälle zu erstrecken sei. Wohl näher, zumindest aber ebenso nahe liegt die Annahme, dass der Gesetzgeber mit einer generel-len Regelung im reformierten Gesetz sonst absehbar erneut
drohenden
Ab-grenzungsschwierigkeiten bei der Behandlung der einzelnen Fälle entgegenwir-ken wollte. Bei diesen Gegebenheiten verbietet sich eine Normauslegung, die 10
-
7
-

den für sich gesehen durchaus klaren Wortlaut des §
570 Abs.
1 ZPO im [X.] auf einen möglicherweise gegenteiligen Willen des Gesetzgebers korri-giert.
Dies gilt umso mehr deshalb, weil
wie das Beschwerdegericht ebenfalls zutreffend berücksichtigt hat

nach den in §
149 Abs.
1 Satz
1 VwGO, §
131 Abs.
1 Satz
1 FGO und §
201 SGG enthaltenen Generalklauseln, auf die sich der [X.] zur Begründung der in §
570 ZPO enthaltenen neuen Regelung bezogen hat, Beschwerden aufschiebende Wirkung insbesondere auch bei [X.] gemäß §
172 VwGO, §
154 FGO und §
201 SGG ha-ben, die Behörden zur Erfüllung ihnen gerichtlich auferlegter
Pflichten veranlas-sen
sollen
(vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], VwGO, 11. Lieferung Juli 2005, § 149 Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.], VwGO, § 149 Rn. 1).

3. Die vom Beschwerdegericht auf der Grundlage des §
572 Abs.
3 ZPO vorgenommene Zurückverweisung an das [X.] lässt zumal unter Be-rücksichtigung dessen, dass dieses sich -
von seinem Standpunkt aus folgerich-tig
-
mit dem sachlichen Beschwerdevorbringen des Gläubigers noch nicht aus-einandergesetzt hat,
keinen Ermessensfehler erkennen und wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht beanstandet.

11
-
8
-

IV. Nach allem ist die Rechtsbeschwerde des Schuldners unbegründet und deshalb mit der Kostenfolge aus §
97 Abs.
1 ZPO zurückzuweisen.

Bornkamm
Büscher
Schaffert

Koch
Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.06.2010 -
94 O 101/07 -

KG Berlin, Entscheidung vom 23.02.2011 -
2 W 1/11 -

12

Meta

I ZB 20/11

17.08.2011

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2011, Az. I ZB 20/11 (REWIS RS 2011, 3911)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3911

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZB 52/11 (Bundesgerichtshof)


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