Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2003, Az. IX ZR 28/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1298

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:9. Oktober 2003PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]:ja [X.] §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 129, 131 Abs. 1 Nr. 1Verkauft der spätere Schuldner ohne vorherige Verpflichtung im letzten Monat vordem Eröffnungsantrag an einen Insolvenzgläubiger (Käufer) Gegenstände, die [X.] anderen Gläubiger zur Sicherheit übereignet hatte und die dieser zur [X.] nur an diesen Käufer "freigibt", so werden die Insolvenzgläubiger im [X.] durch die dadurch zugunsten des Käufers hergestellte [X.]; die Aufrechnung des Käufers gegen die Kaufpreisforderung ist [X.] § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] i.V. mit § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] unwirksam.[X.], Urteil vom 9. Oktober 2003 - [X.] - [X.] [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] Recht erkannt:Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 16. Januar 2003 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Der Kläger ist Verwalter in dem am 26. Mai 2000 eröffneten Insolvenz-verfahren über das Vermögen der [X.] (imfolgenden: Schuldnerin), die eine Bauunternehmung mit zwei Arbeitnehmernbetrieb.Die Schuldnerin verkaufte der [X.]n am 16. März 2000 Teile ihrerGeschäftsausstattung und Waren, die sie zuvor der bank (im folgenden: [X.]) zur Sicherung bestehender Forderun-gen von mehreren 100.000 DM sicherungsübereignet hatte, zu einem Preis von66.000 DM. Die [X.], die an der [X.]n als Gesellschafterin beteiligt war,hatte das [X.] "freigegeben" mit der Maßgabe, daß es an die überbessere Verwertungsmöglichkeiten verfügende [X.] veräußert werde. [X.] -[X.] rechnete mit eigenen Forderungen gegen die Kaufpreisforderung [X.] auf.Am 4. April 2000 stellte die Schuldnerin den Antrag auf Eröffnung [X.].Der Kläger hält die Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V. mit § 130Abs. 1 Nr. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] für unzulässig und verlangt Zahlung [X.]. Landgericht und [X.] haben der Klage stattgegeben.Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der [X.].Entscheidungsgründe:Die Revision ist nicht begründet.[X.] Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger könne die Unzuläs-sigkeit der Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] geltend machen, [X.] er gleichzeitig die Anfechtung des zugrundeliegenden Rechtsgeschäftes,hier des Kaufvertrages zwischen der [X.]n und der Schuldnerin, erklärenmüsse. Die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] seien vorliegend er-füllt. Die [X.] habe die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine nach § 130Abs. 1 Nr. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] anfechtbare Rechtshandlung erlangt. [X.] im Sinne von § 129 [X.] liege darin, daß die [X.] durch die Aufrechnung Befriedigung eines Anspruchs in Höhe von66.000 DM erlangt habe, bezüglich dessen sie sich ansonsten auf eine geringe-re Insolvenzquote hätte verweisen lassen müssen. Daß die der [X.]n ver-kauften Gegenstände im Sicherungseigentum der [X.] gestanden hätten, än-dere daran nichts. Denn die Vereitelung der durch die §§ 166 ff [X.] begrün-deten Rechte des Insolvenzverwalters führe zu einer jedenfalls mittelbarenGläubigerbenachteiligung.[X.] gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision greifennicht durch.1. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß der Klä-ger nicht gehindert ist, lediglich die Unzulässigkeit der Aufrechnung gemäß § 96Abs. 1 Nr. 3 [X.] geltend zu machen, ohne gleichzeitig die Anfechtung des dieAufrechnungslage begründenden Rechtsgeschäfts (hier: des Kaufvertrages) zuerklären. Der Senat hat bereits zur Rechtslage nach der Konkursordnung undnach der Gesamtvollstreckungsordnung entschieden, daß die Herstellung einerAufrechnungslage einen selbständigen Anfechtungstatbestand darstellt. Die"Rückgewähr" der Aufrechnungslage erfolgt in der Durchsetzung der Kauf-preisforderung unabhängig von der Gegenforderung; diese kann nicht im Wegeder Aufrechnung zur Erfüllung der Schuld aus § 433 Abs. 2 BGB verwendetwerden ([X.]Z 147, 233, 235 f; [X.], Urt. v. 4. Oktober 2001 - [X.]/00,ZIP 2001, 2055, 2056 f). Wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, kann fürdie Bestimmung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nichts anderes gelten, weil nach- 5 -dieser Vorschrift die Unzulässigkeit der Aufrechnung kraft Gesetzes eintritt, so-fern die Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] stelltallein darauf ab, daß "die Möglichkeit der Aufrechnung", also die Herstellungder Aufrechnungslage, durch die anfechtbare Rechtshandlung erlangt wurde(vgl. MünchKomm-[X.]/[X.] § 96 Rn. 38; [X.], [X.] 12. Aufl. § 96Rn. 24).2. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 3[X.] im Ergebnis zu Recht als erfüllt angesehen.a) § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] erfaßt auch den Fall, daß die Aufrechnung - wiehier - vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärt worden ist. Die Aufrech-nungserklärung wird, wenn die Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen, mit derEröffnung rückwirkend unwirksam (BT-Drucks. 12/2443, [X.]; MünchKomm-[X.]/[X.] aaO Rn. 37; [X.] aaO).b) Die [X.] hat die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine nach§ 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] anfechtbare Rechtshandlung erlangt. Die Aufrech-nungslage wurde in inkongruenter Weise hergestellt, weil die [X.] daraufkeinen Anspruch hatte (vgl. [X.]Z 147, 233, 240). Eine Verpflichtung [X.], mit der [X.]n den Kaufvertrag über die Teile ihrer Geschäfts-ausstattung und über die verkauften Waren abzuschließen, bestand nicht. [X.] wurde am 16. März 2000 geschlossen; die [X.] also im letzten Monat vor dem am 4. April 2000 gestellten Antrag auf Eröff-nung des Insolvenzverfahrens begründet.c) Entgegen der Auffassung der Revision hat die Herstellung der [X.] die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligt (§ 129 Abs. 1- 6 -[X.]). Die [X.] hätte ohne die Aufrechnungslage auf ihre ungesichertenForderungen gegen die Schuldnerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrensallenfalls eine Quote des Nennwerts erhalten. Den Kaufpreis für die an sie ver-äußerten Gegenstände schuldete sie dagegen in voller Höhe. Wird die vollwer-tige Kaufpreisschuld durch Aufrechnung mit einem entsprechenden Teil der(minderwertigen) Forderungen der [X.]n erfüllt, so entgeht der [X.] der Unterschied zwischen dem Nennwert der Kaufpreisschuld der [X.] und der bloßen Quote auf deren Gegenforderungen. Da auf die übrigenInsolvenzgläubiger dann rechnerisch eine entsprechend verringerte [X.] entfällt, sind diese insgesamt geschädigt (vgl. [X.]Z 147, 233, 238).d) An einer Gläubigerbenachteiligung fehlt es nicht deshalb, weil die vonder Schuldnerin an die [X.] verkauften Gegenstände zuvor an die [X.] [X.] übereignet waren, die mit der [X.]n wirtschaftlich verbundene[X.] das [X.] zur Veräußerung an die [X.] "freigegeben" hatteund sich die Befriedigung der [X.]n durch Aufrechnung daher, wie die [X.] meint, bei einer Gesamtbetrachtung als ein wirtschaftlich neutraler [X.]) Rechtlich zutreffend ist das Berufungsgericht von dem Grundsatzausgegangen, daß mehrere Rechtshandlungen selbst dann anfechtungsrecht-lich selbständig zu erfassen sind, wenn sie gleichzeitig vorgenommen werdenoder sich wirtschaftlich ergänzen ([X.], Urt. v. 7. Februar 2002 - [X.]/99,ZIP 2002, 489, 490). Für die Beurteilung, ob die [X.] die Möglichkeit [X.] durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (§ 96 Abs. 1Nr. 3 [X.]), ist deshalb nur auf diejenigen Rechtshandlungen im Verhältnis zwi-schen der [X.]n und der Schuldnerin abzustellen, durch die die Aufrech-nungslage begründet wurde. Besondere Voraussetzungen, unter denen [X.] 7 -nahmsweise die Berücksichtigung der "Freigabeerklärung" der [X.] im Rah-men einer sie umfassenden einheitlichen Rechtshandlung in Betracht kommenkönnte, sind hier nicht gegeben. Dazu genügt es weder, daß die [X.] an der[X.]n beteiligt ist, noch reicht es aus, daß sie auf das ihr nach Insolvenzer-öffnung zustehende Absonderungsrecht an den verkauften Gegenständendurch deren "Freigabe" zur Veräußerung an die [X.] verzichtet hat. Nachdem Vortrag der [X.]n ist die [X.] nur eine ihrer Gesellschafterinnen. [X.], ob Rechtshandlungen verschiedener Gläubiger ausnahmsweise an-fechtungsrechtlich einheitlich zu beurteilen sein könnten, wenn zwischen ihnenrechtliche oder wirtschaftliche Identität besteht, stellt sich hier daher nicht.bb) Das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung kann nicht deshalbverneint werden, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts an denvon der Schuldnerin an die [X.] verkauften und übereigneten [X.] zuvor Sicherungseigentum der [X.] bestanden hat. Das Sicherungsei-gentum gewährte der [X.], der selbst Forderungen in Höhe von mehreren100.000 DM gegen die Schuldnerin zustanden, zwar nach Eröffnung des [X.] gemäß § 51 Nr. 1 in Verbindung mit § 50 Abs. 1 [X.] ein Rechtzur abgesonderten Befriedigung nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 [X.]. Nach§ 170 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] hat der absonderungsberechtigte Insolvenz-gläubiger nicht bloß einen Anspruch auf die Insolvenzquote, sondern er ist nachAbzug der Kosten der Feststellung und der Verwertung aus dem [X.] aus der Verwertung des Gegenstandes der abgesonderten Befriedigungbis zur vollen Höhe seines Anspruchs zu befriedigen (vgl. MünchKomm-[X.]/Ganter, vor §§ 49 bis 52 Rn. 1). Entgegen der Auffassung der Revision [X.] aber nicht, daß sich die Veräußerung der sicherungsübereigneten [X.] an die [X.] im Einverständnis mit der [X.] für die [X.] im Ergebnis als ein wirtschaftlich neutraler Vorgang darstellt. Denn die- 8 -sicherungsübereigneten Gegenstände stellten bei Begründung der Aufrech-nungslage trotz des Absonderungsrechts der [X.] für die Insolvenzmasse ei-nen selbständigen, im [X.] geschützten Vermögenswert dar (vgl. [X.]Z 147,233, 239). Dieser Vermögenswert ist den [X.] durch die [X.] an die [X.] entzogen worden. Im Ergebnis zu Recht hat das [X.] angenommen, daß dieser der Insolvenzmasse verbleibende [X.] in dem durch § 166 Abs. 1 [X.] begründeten Verwertungsrechtdes Insolvenzverwalters zum Ausdruck kommt, das im Interesse aller [X.] besteht.Dagegen ist eine die Gläubiger benachteiligende Wirkung im Sinne des§ 129 [X.] entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. [X.]/[X.]/[X.] NZI 2002, 20, 21; [X.], Insolvenzrecht 3. Aufl.Rn. 21.20 und Rn. 13.49; [X.], [X.] 819 Rn. 14) nicht schon darin zusehen, daß bei [X.] vor Verfahrenseröffnung fürdie Insolvenzmasse nicht die Kostenpauschale nach den §§ 170, 171 [X.] [X.] werden kann (wie hier [X.] [X.] 1739 f.; [X.] 2000,10, 12; [X.] 2. Aufl. § 129 Rn. 67 a; vgl. auchHK-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 129 Rn. 58). Mit den §§ 170, 171 [X.] soll lediglich dieMehrvergütung ausgeglichen werden, die durch die Bearbeitung von [X.] innerhalb des Insolvenzverfahrens anfällt ([X.], Urt. v. 20. Fe-bruar 2003 - [X.], [X.], 632, 635, z.[X.]. in [X.]Z). Soweit solcheMehrkosten nicht entstehen, soll der Masse folglich auch kein Anspruch aufeinen Kostenbeitrag zukommen; nach § 170 Abs. 2 [X.] entfällt daher bei-spielsweise der Anspruch auf Abführung einer Verwertungskostenpauschale,wenn der Verwalter dem Gläubiger die Verwertung überläßt. Sind [X.] schon vor Verfahrenseröffnung weggefallen, entsteht weder [X.] auf Ausgleich von Feststellungskosten noch ein solcher auf Ausgleich- 9 -von Verwertungskosten. Soweit der Insolvenzverwalter auch den [X.] vor Insolvenzeröffnung weggefallener Sicherungsrechte zu prüfen hat,gehört dies zu seinen allgemeinen Verwaltungsaufgaben, für deren Erfüllungkeine besondere Leistung an die Insolvenzmasse vorgesehen ist ([X.] aaO).Die Masse hat keinen Anspruch darauf, daß Absonderungsrechte (nur) [X.] bleiben, damit deren Feststellung und Verwertung im [X.] verursachen, die durch Zahlung einer [X.] und Verwertungs-kostenpauschale nach den §§ 170, 171 [X.] ausgeglichen werden müssen.cc) Im vorliegenden Fall steht der Annahme eines wirtschaftlich neutralenGeschehens ferner entgegen, daß nach den in der Revisionsinstanz nicht an-gegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts das Besitzrecht der Schuld-nerin zur Zeit der fraglichen Rechtshandlung noch nicht beendet, der Siche-rungsfall noch nicht eingetreten war und infolge des Verkaufs der Gegenstände,die die durch Sicherungsübereignung gesicherte [X.] "freigegeben" hatte, un-gesicherte Forderungen der [X.]n befriedigt worden sind. Bei [X.] kann nicht davon ausgegangen werden, es habe nur eine für die [X.] neutrale Verschiebung auf der [X.] stattgefunden. Dadie [X.] das [X.] nicht für sich selbst verwertet hat, braucht nichtgeprüft zu werden, ob eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger dann [X.] wäre, weil sich die [X.] nur im Umfang ihres Absonderungsrechts- 10 -aus den Gegenständen der Insolvenzmasse selbst befriedigt hätte (vgl. dazu[X.], Urteil vom 21. März 2000 - [X.], [X.], 898; Urt. v. 16. März1995 - [X.], [X.], 630, 634; Urt. v. 11. Juli 1991 - [X.] 1991, 1014, 1017; ferner MünchKomm-[X.]/Kirchhof § 129 Rn. 109).[X.] Ganter [X.] [X.]

Meta

IX ZR 28/03

09.10.2003

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2003, Az. IX ZR 28/03 (REWIS RS 2003, 1298)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1298

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