Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2016, Az. IV ZR 353/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16089

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:170216UIVZR353.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 353/14

Verkündet am:

17. Februar 2016

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

[X.] §
201; [X.] (hier § 5 (1) b [X.]/KK 94)

1.
Eine Krankheit im Sinne von §
5 (1) b [X.]/KK 94 ist auch dadurch gekennzeichnet, dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktio-nen mit sich bringt und deshalb die Notwendigkeit einer Heilbehandlung begrün-det.

2.
Ein Erfahrungssatz, wonach sich die versicherte Person mit [X.] ihr durch ärztli-che Aufklärung bekannt gewordenen möglichen Krankheitsfolgen eines geplanten ärztlichen Eingriffs, die mit einer gewissen Häufigkeit beobachtet werden, im Sinne einer billigenden Inkaufnahme abfindet, besteht nicht.

[X.], Urteil vom 17. Februar 2016 -
IV ZR 353/14 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterinnen Dr.
Brockmöller und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 17.
Februar 2016

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] zu 1 wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 6. August 2014
aufgehoben, soweit darin zum Nachteil des [X.] zu 1 entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur
neuen
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwie-sen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger zu 1 (im Folgenden: Kläger) verlangt von der Beklagten [X.] wegen einer bei seiner Ehefrau, der früheren Klägerin zu 2,
durchgeführten Auswechslung von [X.].
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Er hält seit Ende 2005/Anfang 2006 eine private Krankheitskosten-versicherung bei der Beklagten. Seine Ehefrau
ist darin mitversichert. Dem Vertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten-
und Krankenhaustagegeldversicherung (im [X.]: [X.]) zugrunde, deren ersten Teil die Musterbedingungen des [X.] der privaten Krankenversicherung ([X.]/KK 94) bilden. Darin heißt es unter anderem:

"Der Versicherungsschutz
§ 1

Teil I

(1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für [X.]en, Unfälle und andere im Vertrag genannte [X.]. Er gewährt im Versicherungsfall

a) in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Auf-wendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen,

(2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heil-behandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Be-fund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. Muß
die Heilbehandlung auf eine Krankheit oder Unfallfolge ausgedehnt werden, die mit der bisher behandelten nicht ursächlich zusammenhängt, so entsteht insoweit ein neuer

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§ 5
Einschränkung der Leistungspflicht

Teil I

(1) Keine Leistungspflicht besteht

b) für auf Vorsatz beruhende Krankheiten und Unfälle ein-schließlich deren Folgen sowie für
Entziehungsmaßnah-men einschließlich Entziehungskure

Bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrages hatte sich die Ehefrau des [X.] im Jahre 2004 aus kosmetischen Gründen mittels Implantaten die Brüste vergrößern lassen, was der Kläger im [X.] bei Beantwortung der dort gestellten Gesundheitsfragen nicht angegeben hatte. Ende 2011 bildete sich in der rechten Brust der Ehefrau des [X.] ausgelöst durch das Implantat eine schmerzhafte Kapselfibrose; in ihrer linken Brust war es zu
einer [X.] gekommen. Am 19. Januar 2012 wurde deshalb ein beidseitiger [X.]
vorgenommen, für den das ausführende in Rechnung stellte.

Der Kläger meint, die Beklagte sei hierfür eintrittspflichtig, [X.] schulde sie die Kostenerstattung wegen Verletzung vorvertragli-cher Pflichten, weil sie bei Vertragsschluss darüber hätte informieren müssen, dass sie für die Folgen kosmetischer [X.]en nicht einste-he.

Die Beklagte lehnt die Kostenerstattung
unter Berufung auf § 5 Teil
I (1) b [X.]
ab. Da die Ehefrau des [X.] vor ihrer [X.] im 3
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Jahre 2004, die nicht zum Zwecke einer Heilbehandlung erfolgt sei,
über die mit der Brustvergrößerung verbundenen Risiken aufgeklärt worden sei, zu denen auch eine Kapselfibrose oder eine unerwünschte Formver-änderung zählte, habe sie diese Komplikationen bedingt vorsätzlich her-beigeführt.
Weiter bestreitet die Beklagte die medizinische Notwendigkeit des Implantatwechsels.

Das [X.] hat die Klage beider Eheleute abgewiesen, das Berufungsgericht die vom Kläger eingelegte Berufung nach Einholung eines medizinischen [X.]engutachtens zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat dem Kläger die Erstattung der Kosten für den [X.] nach § 201 [X.] versagt, weil seine mitversicherte Ehefrau
die Krankheit vorsätzlich bei sich selbst herbeigeführt habe. Auf Einwän-de des [X.] gegen die Wirksamkeit der Ausschlussklausel in § 5 Teil I (1) b [X.]
komme
es deshalb nicht an. Der Kläger könne die Kostener-stattung auch nicht als Schadensersatz wegen Verletzung vorvertragli-cher Pflichten verlangen.

Brustimplantate führten zu einem objektiv nach ärztlichem Urteil bestehenden anormalen, regelwidrigen Körperzustand und damit zu [X.] Krankheit. Dabei könne dahinstehen, ob gene-6
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rell der Zustand nach einer Schönheitsoperation als anormaler Körperzu-stand und damit im versicherungsrechtlichen Sinne als Krankheit einzu-stufen sei. Jedenfalls wenn eine solche [X.] die Einbringung eines Fremdkörpers in Form eines Brustimplantats zum Ziel habe, werde ein dauerhaft regelwidriger und anormaler Zustand geschaffen. An[X.] als die Einbringung von anderen Fremdkörpern, wie etwa Herzschrittma-chern oder Prothesen, geschehe dies nicht aus medizinischen, sondern nur aus kosmetischen Gründen.

Nach § 201 [X.] müsse sich der Vorsatz der versicherten Person lediglich auf die Krankheit, nicht auch auf deren Folgen erstrecken, wo-bei bedingter Vorsatz genüge. Die Kapselfibrose sei eine solche Folge des
von der Ehefrau des
[X.] nach Einsetzten der Brustimplantate mit zumindest bedingtem
Vorsatz herbeigeführten regelwidrigen Körper-zustandes.

Im Übrigen sei aber sogar die Kapselfibrose vom bedingten [X.] der Versicherten erfasst, weil es sich nach den Ausführungen des medizinischen [X.]en um eine natürliche, je nach [X.] in 5%
bis 20% der Fälle eintretende Fremdkörperreaktion auf das [X.] handele.
Über das Risiko der Kapselfibrose sei die Versicherte vor ihrer [X.] aufgeklärt worden.
Jedenfalls dann, wenn es sich bei einer Folgeerkrankung um eine nicht ganz fernliegende Folge des ur-sprünglichen Eingriffs handele, sondern diese

wie hier

Folge eines natürlichen Abstoßungsprozesses sei, der in einer bedeutsamen Zahl von Fällen auftrete, nehme der über diese Folge aufgeklärte Versicherte diese billigend in Kauf. In der Einwilligung in eine Schönheitsoperation liege auch keine den Vorsatzbegriff des § 201 [X.] anderenfalls mög-licherweise einschränkende sozialadäquate Handlung.

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Nach dem hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2007 gelten-den Versicherungsvertragsrecht sei die Beklagte nicht verpflichtet gewe-sen, ohne Anlass darüber aufzuklären, dass Folgebehandlungen einer Schönheitsoperation nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien. Ein solcher Beratungsanlass habe gefehlt, weil der Kläger die Schönheits-operation seiner Ehefrau bei Vertragsschluss nicht angegeben habe.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht die Klage nicht abweisen dürfen.

1. Zu Unrecht hat es
angenommen, bereits die 2004 mittels der Implantate herbeigeführte Brustvergrößerung habe bei der Ehefrau des [X.] zu einer Krankheit im Sinne von § 201 [X.] bzw. §
1 Teil I (1) und §
5 Teil I (1) Buchst. b [X.]
geführt.

a)
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Be-rücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht
(Senats-urteil vom 23. Juni 1993
[X.], [X.]Z 123, 83, 85; st. Rspr.).

b)
Unter einer [X.] Krankheit wird ein solcher Versicherungsnehmer entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch
(vgl. zu diesem Maßstab Senatsurteile vom 4. März 2015

IV ZR 128/14, [X.], 383 Rn.
12; vom 10. Dezember 2014
-
IV ZR 289/13, [X.], 88 Rn. 26; vom 8. Mai 2013

IV ZR 174/12, [X.], 334 Rn. 12;
st.
Rspr.), wie er sich auf der Grundlage allgemein bekannt gewordener medizinischer Erkenntnisse herausgebildet hat (vgl. dazu [X.], 388),
einen objektiv nach ärztlichem Urteil bestehenden anorma-12
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len, regelwidrigen Körper-
oder Geisteszustand verstehen
(vgl. nur Se-natsurteile vom 17. Dezember 1986

[X.], [X.]Z 99, 228 unter I[X.] a; vom 21.
September 2005

IV ZR 113/04, [X.]Z 164, 122 unter [X.]; vom 15. September 2010

IV ZR 187/07,
r+s 2011, 75 Rn. 11), wobei sich die Einstufung als "anormal"
aus einem
Vergleich mit der normalen
biologischen
Beschaffenheit des Menschen, die Einstufung als "regelwid-rig"
aus der ergänzenden medizinischen
Bewertung eines anormalen [X.] ergibt.

Eine Krankheit ist nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch auch dadurch gekennzeichnet, dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (Prölss/[X.], [X.] 29. Aufl. § 192 Rn. 20; MünchKomm-[X.]/Kalis,
§
192 Rn. 16; [X.]. in [X.]/[X.], [X.]. § 1 [X.]/KK Rn. 15,
jeweils m.w.[X.]) und deshalb die Notwendigkeit einer Heilbehandlung [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 19. Juni 1952

III ZR
295/51, [X.]Z 7, 30 unter 3 zu § 616 Abs. 2 BGB; vgl. dazu auch [X.], Urteil vom 19. Juni 1963

3 RK
37/59, [X.], 179 unter II).

c) Danach führt

an[X.] als das Berufungsgericht meint

eine
mit-tels ärztlichen
Eingriffs vorgenommene Brustvergrößerung
nach allge-meinem Sprachgebrauch zu keiner Krankheit
im Sinne der Bedingung. Zwar mag die Implantation
eines Fremdkörpers, etwa eines
Silikonkis-sens, einen biologisch anormalen Körperzustand bewirken,
medizinisch regelwidrig im Sinne einer Erkrankung ist dieser nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers aber schon deshalb nicht, weil

wenngleich
nicht medizinisch geboten -
er von einem Arzt unter Beachtung medizinischer Regeln und Sorgfaltsanforderungen her-beigeführt wird und bei normalem, komplikationsfreiem Verlauf auch 17
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nicht zur Störung körperlicher oder geistiger Funktionen führt und keinen Behandlungsbedarf begründet.

Dementsprechend
wird beispielsweise in Teilen der
Rechtspre-chung zu Recht angenommen, eine medizinisch nicht gebotene, lediglich mit Blick auf die individuelle Lebensplanung durchgeführte Sterilisation führe nicht zu einer Krankheit (vgl. [X.], 1383, 1384; offen gelassen von [X.], 1170; vgl. für die [X.] Krankenversicherung [X.] NJW 1986, 1572, 1573).
Denn eine solche mit ärztlicher Hilfe freiwillig herbeigeführte Unfruchtbarkeit wird ein Versicherungsnehmer nach dem allgemeinen Sprachgebrauch schon deshalb nicht als krankhaft ansehen, weil sie keinen weitergehenden [X.] auslöst.
Lässt eine versicherte Person bewusst und gewollt einen ärztlichen Eingriff aus kosmetischen Gründen vornehmen, so wird auch der dadurch geschaffene Zustand selbst dann, wenn Fremdkörper implantiert werden, weder von der Rechtsgemeinschaft noch von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer als "krankhaft"
angesehen. Solche ärztlichen Eingriffe sind nicht verboten. Wer sie vor-nehmen lässt, will sich damit nicht in die Situation eines Kranken bege-ben (vgl. [X.] aaO). Soweit die Beklagte behauptet und unter [X.] gestellt hat, die Implantation von Silikonkissen führe in jedem Fall zu körperlichen Abwehrreaktionen, die einen fortschreitenden Prozess in Gang setzten, der dann zu Komplikationen wie einer Kapsel-fibrose führen könne, hat das Berufungsgericht entsprechende Feststel-lungen nicht getroffen.
[X.] beraten hat es lediglich [X.], dass eine Kapselfibrose in 5%
bis 20% der Fälle eintreten könne. Selbst wenn man aber unterstellt, dass auch in den übrigen Fällen stets körperliche Reaktionen auf die Implantate stattfinden, ist deren Behand-lungsbedürftigkeit und ein Einfluss auf körperliche Funktionen nicht er-19
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sichtlich. Allein der Umstand, dass der Körper auf eingebrachte Silikon-implantate reagiert, schafft somit noch keinen Zustand einer bedin-gungsgemäßen Krankheit.

2. Hat mithin die 2004 durchgeführte
Brustvergrößerung zunächst zu keiner [X.] Krankheit geführt, kommt es weder für den Leistungsausschluss nach § 201 [X.] noch den aus § 5 Teil I (1) Buchst. b [X.]
darauf an, ob sich die Ehefrau des [X.] dieser Opera-tion vorsätzlich und freiwillig unterzogen hat, denn Krankheiten im Sinne dieser Bestimmungen stellen [X.]falls
die späteren Komplikationen, d.h. die Kapselfibrose und die [X.] dar.

Die Beklagte wäre nur dann leistungsfrei, wenn

wie das [X.] jedenfalls in Bezug auf die Kapselfibrose weiter angenom-men hat

die Ehefrau des [X.] auch diese
sowie die [X.] zumindest billigend in Kauf genommen hätte.
Die dazu vom [X.] angestellten Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung
in-des
ebenfalls nicht stand.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine versicherte [X.] nehme die Folgeerkrankung einer [X.] jedenfalls immer dann billigend in Kauf, wenn es sich um eine nicht ganz fernliegende Folge des ursprünglichen Eingriffs,
sondern um einen natürlichen Abstoßungs-prozess handele, der in einer durchaus bedeutsamen Zahl von Fällen
(hier in 5%
bis 20% der Fälle)
auftrete, und die versicherte Person vor der [X.] darüber aufgeklärt worden sei.
Damit hat das Berufungs-gericht seiner Beweiswürdigung zur Frage des Vorsatzes der Versicher-ten einen unzutreffenden
Erfahrungssatz zugrunde gelegt und die gebo-tene umfassende Prüfung nicht vorgenommen, ob die Ehefrau des Klä-20
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gers die Komplikationen nach ihrer Brustoperation vorsätzlich herbeige-führt hat.

b) Vorsatz ist gekennzeichnet durch das Zusammentreffen eines Wissens-
und eines Wollens-Elementes in der Vorstellung der handeln-den Person (vgl. [X.], Urteile
vom 20. Dezember 2011

[X.]/10 VersR 2012, 454 Rn. 9, 10
m.w.[X.]; vom 2.
Juni 1993

[X.], [X.], 960 unter [X.] insoweit in [X.]Z 122, 388 nicht abgedruckt).

aa) Die vorsätzliche Herbeiführung einer Krankheit durch eine ver-sicherte Person erfordert deshalb zunächst ihr Wissen darüber, dass ihre
Handlungsweise, etwa die Duldung eines medizinischen Eingriffs,
zu dieser Krankheit führen kann, wobei die Vorstellung genügt, die [X.] könne mögliche Folge der Handlung sein. Dieses Wissen kann, wie das Berufungsgericht noch zutreffend annimmt, insbesondere
auch aus der ärztlichen Aufklärung über mögliche Folgen einer geplanten [X.] herrühren. Wird eine versicherte Person

wie hier

darüber aufge-klärt, dass die operative Einbringung eines Fremdkörpers mit einer ge-wissen Häufigkeit einen natürlichen Abstoßungsprozess hervorrufen kann, so weiß die versicherte Person fortan um diese mögliche Gefahr.

bb) Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob auch das Wollens-Element des Vorsatzes erfüllt ist, das zum Wissen des
Handelnden hin-zutreten muss. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht eine diesbezügliche gesonderte Prüfung mit der Erwägung für entbehrlich erachtet,
dass [X.] dann, wenn die versicherte
Person
über mögliche [X.]sfolgen aufgeklärt werde und diese Folgen in einer
"durchaus bedeutsamen Zahl von Fällen"
aufträten, bereits das so vermittelte Wissen bedingten [X.] begründe. Wäre das richtig, hätte die aus Haftungsgründen regel-mäßig extensive medizinische Aufklärung über die
mit einer gewissen 23
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Häufigkeit
möglichen Folgen geplanter ärztlicher Eingriffe nach § 201 [X.] den weitgehenden Verlust des [X.] für danach eintretende Komplikationen zur Folge.

Das Wollens-Element des Vorsatzes ist nur dann gegeben, wenn der Handelnde im Wissen um den möglichen Eintritt eines schädlichen "Erfolges"
sich mit diesem im Interesse der Handlung in der Weise abfin-det, dass er diesen Erfolg billigend in Kauf nimmt ([X.] aaO m.w.[X.]). Dabei ist nicht entscheidend, welche Schlüsse ein verständig handelnder Dritter in der Rolle des Handelnden aus dessen Wissen hätte ziehen können oder müssen, denn das könnte

wenn der konkret Handelnde diese Schlüsse nicht gezogen hat -
lediglich einen [X.] begründen. Entscheidend ist vielmehr allein die Vorstellung, die der kon-kret Handelnde
mit seinem Verhalten verbindet. Dabei verläuft die [X.] zwischen bewusster Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz bei der Prognose über den weiteren Geschehensablauf.

Das
lässt sich

was das Berufungsgericht verkannt hat

nur für den Einzelfall unter

hier unterbliebener -
umfassender Würdigung der Fallumstände treffen.
Ein Erfahrungssatz, wonach sich die versicherte Person mit [X.] ihr durch ärztliche Aufklärung bekannt gewordenen möglichen Krankheitsfolgen eines geplanten ärztlichen Eingriffs, die mit einer gewissen Häufigkeit beobachtet werden, im Sinne einer billigenden Inkaufnahme abfindet, besteht nicht. Einer solchen generalisierenden Betrachtung steht bereits die

ebenfalls nur allgemeine

Erwägung ent-gegen, dass sich Patienten einem ärztlichen Eingriff in aller Regel in der Hoffnung unterziehen, dieser werde erfolgreich und komplikationsfrei verlaufen.
Welche Vorstellungen eine versicherte Person mit einem be-vorstehenden ärztlichen Eingriff konkret verbindet, muss deshalb stets im Einzelfall geklärt werden.

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3. Hierzu wird das Berufungsgericht noch die erforderlichen Fest-stellungen zu treffen haben. Zudem hat es aus seiner Sicht konsequent, die Einwände der Beklagten gegen die medizinische Notwendigkeit des [X.] bisher nicht abschließend geprüft.
Es hat [X.] nicht geklärt, ob es hier medizinisch notwendig war, nicht nur die alten Implantate zu entfernen, sondern auch neue Implantate einzu-setzen.

[X.] [X.]

[X.]

Dr. Brockmöller [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.12.2012 -
1 O 56/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 06.08.2014 -
12 U 18/13 -

28

Meta

IV ZR 353/14

17.02.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2016, Az. IV ZR 353/14 (REWIS RS 2016, 16089)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16089

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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