Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2010, Az. VIII ZB 33/10

8. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 3418

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Gegenstand

Kostenfestsetzungsverfahren: Anrechnung der anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Altfällen


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 25. März 2010 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts [X.] vom 12. Januar 2010 dahin abgeändert, dass über die dort festgesetzten Kosten hinaus die von dem Kläger an die Beklagte aufgrund des Urteils des Amtsgerichts [X.] vom 19. August 2009 zu erstattenden Kosten auf weitere 211,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. August 2009 festgesetzt werden.

Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Streitwert: 211,17 €.

Gründe

I.

1

Die Parteien haben um Ansprüche des [X.] aus Warenlieferungen gestritten. Das Amtsgericht hat die Klage durch rechtskräftiges Urteil vom 19. August 2009 abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 4.172,02 € auferlegt. Hierauf gestützt hat die Beklagte unter dem 28. August 2009 die Festsetzung von Kosten in Höhe von 835,98 € gegen den Kläger beantragt. Das Amtsgericht hat die der [X.] zu erstattenden Kosten auf insgesamt 624,81 € nebst Zinsen festgesetzt und dabei die in Höhe von 354,90 € zur Erstattung angemeldete Verfahrensgebühr mit Rücksicht auf ein vorprozessuales Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten der [X.] nur mit dem 0,65-fachen Satz (177,45 € netto [X.] Mehrwertsteuer = 211,17 €) in Ansatz gebracht. Ihre mit dem Ziel, die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr zu beseitigen, eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Festsetzung einer ungekürzten 1,3-fachen Verfahrensgebühr weiter.

[X.]

2

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 575 ZPO) hat Erfolg.

3

1. Das Beschwerdegericht ist mit dem Amtsgericht der Auffassung, dass es nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV [X.] zu einer Kürzung der von der [X.] angesetzten Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV [X.] auf den 0,65-fachen Satz kommen müsse. An dieser im Senatsbeschluss vom 22. Januar 2008 ([X.] 57/07, [X.], 1323) dargestellten Rechtslage ändere auch der seit dem 5. August 2009 geltende § 15a [X.] nichts, weil nicht diese Bestimmung, sondern die Übergangsvorschrift des § 60 [X.] Anwendung finde, wonach die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen sei, wenn - wie hier - der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne von § 15 [X.] vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden sei. Der Auffassung des [X.] und des X[X.] Zivilsenats des [X.] (Beschlüsse vom 2. September 2009 - [X.], [X.], 3101; vom 9. Dezember 2009 - [X.] ZB 175/07, NJW 2010, 1375), wonach die Anrechnungsbestimmung des § 15a [X.] auch rückwirkend anzuwenden sei, weil es sich hierbei nicht um eine inhaltlich neue Regelung, sondern lediglich um eine Klarstellung der bisherigen Gesetzeslage handele, könne nicht gefolgt werden. Durch § 15a [X.] sei vielmehr die Frage der Anrechnung im Wege der Gesetzesänderung inhaltlich neu geregelt worden, so dass § 60 Abs. 1 [X.] eingreife und bei den zeitlich vor Inkrafttreten des § 15a [X.] entstandenen Gebühren die beschriebene Anrechnung vorzunehmen sei.

4

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

5

Die Rechtsbeschwerde macht zutreffend geltend, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV [X.] vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens der Parteien in der Weise hätte erfolgen müssen, wie sie nunmehr in § 15a [X.] beschrieben ist, der durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des [X.] im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 ([X.]) in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügt worden und gemäß Art. 10 Satz 2 dieses Gesetzes am 5. August 2009 in [X.] getreten ist.

6

a) Die Frage, ob sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV [X.] die in einem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV [X.] gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV [X.] vermindert, war bislang umstritten und ist auch nach Einfügung des § 15a [X.] umstritten geblieben, soweit es den zeitlichen Geltungsbereich dieser Anrechnungsvorschrift betrifft. Dessen Absatz 1 bestimmt zur Anrechnung einer Gebühr, dass in Fällen, in denen das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern kann, jedoch nicht mehr als den um den [X.] verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Absatz 2 sieht vor, dass ein Dritter sich auf die Anrechnung nur berufen kann, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.

7

b) Der Senat hat bis zum Erlass des § 15a [X.] in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV [X.] auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV [X.] nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV [X.] anfallende Verfahrensgebühr vermindert und dass es für die Anrechnung ohne Bedeutung ist, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist oder nicht. Dieser im Senatsbeschluss vom 22. Januar 2008 ([X.] 57/07, aaO Rn. 6 ff.) näher ausgeführten Sichtweise, der insbesondere mehrere Zivilsenate des [X.] gefolgt sind, hat sich der [X.] Zivilsenat des [X.] (Beschluss vom 2. September 2009 - [X.], aaO Rn. 6 ff.), nicht anzuschließen vermocht, seine Bedenken jedoch nicht näher ausgeführt, weil er den zwischenzeitlich in [X.] getretenen § 15a [X.] auch auf noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren angewandt wissen will. Dies hat er damit begründet, dass der Gesetzgeber mit dem neu eingefügten § 15a [X.] das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht geändert, sondern lediglich die seiner Ansicht nach bereits vor dessen Einfügung bestehende Rechtslage klargestellt habe, derzufolge sich die Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV [X.] grundsätzlich im Verhältnis zu [X.], also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht auswirke, sondern nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant betreffe. Dieser Sichtweise, der sich mehrere Zivilsenate des [X.] angeschlossen haben, ist auch der Senat durch Beschluss vom 10. August 2010 ([X.] 15/10, zur [X.] vorgesehen) zur Vermeidung eines der Sache nicht angemessenen Vorgehens nach § 132 GVG beigetreten.

8

Danach ist auch für die [X.] vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV [X.] angeordnete Anrechnung für die Höhe der gesetzlichen Gebühren, deren Erstattung § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Verhältnis der Prozessparteien untereinander vorsieht, ohne Bedeutung ist und eine obsiegende Prozesspartei mithin die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV [X.] beanspruchen kann.

9

3. Die Rechtsbeschwerde rügt hiernach zu Recht, dass das Beschwerdegericht die angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV [X.] nur gekürzt und nicht mit dem 1,3-fachen Satz in Ansatz gebracht hat. Da in der Sache keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO nach Maßgabe vorstehender Beschlussformel in der Sache selbst zu entscheiden.

Ball                                                          [X.]                                               Dr. Hessel

                           Dr. [X.]                                                    Dr. Fetzer

Meta

VIII ZB 33/10

14.09.2010

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Stade, 25. März 2010, Az: 7 T 48/10, Beschluss

Vorbem 3 Abs 4 RVG-VV, Nr 2300 RVG-VV, Nr 3100 RVG-VV, § 15a RVG, § 60 RVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2010, Az. VIII ZB 33/10 (REWIS RS 2010, 3418)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3418

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