Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.06.2015, Az. 3 StR 202/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 8906

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Gegenstand

Strafverfahren: Fortsetzung unterbrochener Hauptverhandlung durch Verhandlung über die Erforderlichkeit weiterer Verhandlungsunterbrechungen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Mit der Rüge, die Hauptverhandlung sei entgegen § 229 Abs. 1 [X.] für die Dauer von mehr als drei Wochen unterbrochen gewesen, hat das Rechtsmittel Erfolg.

2

1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

3

Am 5. November 2014 wurde die Hauptverhandlung unterbrochen. Zum [X.] am 26. November 2014 wurde eine Zeugin geladen. Diese ließ am 25. November 2014 unter Vorlage eines ärztlichen Attests mitteilen, sie könne der Ladung wegen einer akuten, voraussichtlich bis 2. Dezember 2014 bestehenden Erkrankung keine Folge leisten. Dies gab der Vorsitzende in der Hauptverhandlung am 26. November 2014 bekannt; das Attest und die Mitteilung wurden laut Protokoll "zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht". Anschließend wurde die Hauptverhandlung erneut unterbrochen; gemäß Absprache mit den Verfahrensbeteiligten wurde [X.] auf den 10. Dezember 2014 bestimmt.

4

2. Die Rüge, die Hauptverhandlung sei zwischen 5. November und 10. Dezember 2014 - mithin länger als drei Wochen - unterbrochen gewesen, hat Erfolg. Am 26. November 2014 wurde die Hauptverhandlung nicht im Sinne von § 229 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 [X.] fortgesetzt.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung gilt eine Hauptverhandlung dann als fortgesetzt, wenn zur Sache verhandelt und das Verfahren gefördert wird (vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 2014 - 4 [X.], [X.], 220). Zwar kann auch in der Befassung lediglich mit Verfahrensfragen eine Förderung des Verfahrens in der Sache liegen, wenn deren Ziel die Klärung ist, durch welche Untersuchungshandlungen der Aufklärung des Sachverhalts Fortgang gegeben werden kann ([X.] aaO). Nicht ausreichend hierfür ist jedoch allein die in der Sache selbst nicht weiterführende Prüfung und Erörterung, ob eine - weitere -Unterbrechung der Hauptverhandlung notwendig ist und wann diese gegebenenfalls fortgesetzt werden kann (vgl. [X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., § 229 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.], 58. Aufl., § 229 Rn. 11; jeweils mwN). So liegt der Fall indes hier.

6

b) Allerdings hat der [X.] die Auffassung vertreten, dass die [X.] des § 229 Abs. 1 [X.] auch dann gewahrt ist, wenn die für den [X.] in Aussicht genommene weitere Förderung des Verfahrens in der Sache infolge unvorhersehbarer Ereignisse nicht stattfinden kann ([X.], Beschluss vom 5. November 2008 - 1 StR 583/08, [X.], 384). Der [X.] kann offen lassen, ob er dieser Ansicht beitreten könnte, insbesondere, ob sie mit dem wesentlichen Zweck des § 229 [X.], der Wahrung der Konzentrationsmaxime ([X.]/[X.] aaO, Rn. 1 mwN), noch zu vereinbaren ist; denn auf die vorliegende Sachverhaltsgestaltung ist diese Entscheidung jedenfalls nicht übertragbar. Ihr lag zu Grunde, dass das Gericht im [X.] zunächst einem mit veränderter Sachlage begründeten Unterbrechungsantrag des Verteidigers entsprechen musste. Demgegenüber war das [X.] hier ausschließlich infolge der Erkrankung der geladenen Zeugin daran gehindert, die Beweisaufnahme wie vorgesehen fortzusetzen. Welche Auswirkungen es auf den Lauf der höchstzulässigen [X.] hat, wenn ein Verfahrensbeteiligter wegen Krankheit nicht zur Hauptverhandlung erscheinen kann, ist indes Gegenstand der besonderen und abschließenden Regelung in § 229 Abs. 3 [X.]. Eine Hemmung der [X.] wegen Erkrankung eines Zeugen ist dort nicht vorgesehen. Dies kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Bekanntgabe einer Erkrankung als Sachverhandlung im Sinne einer Fortsetzung der Hauptverhandlung nach § 229 Abs. 4 Satz 1 [X.] gewertet wird, durch die die [X.] gewahrt wird.

[X.]     

Hubert     

     Mayer

Gericke     

Ri'in[X.] Dr. Spaniol befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

[X.]

Meta

3 StR 202/15

30.06.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Koblenz, 18. Dezember 2014, Az: 2070 Js 12755/14 - 1 KLs

§ 229 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.06.2015, Az. 3 StR 202/15 (REWIS RS 2015, 8906)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8906

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