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PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2017:131117BNOTZ.BRFG.2.17.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ(Brfg) 2/17
vom
13. November 2017
in der verwaltungsrechtlichen Notarsache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BNotO § 6 Abs. 3, § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1
a)
Der dreijährige Anwärterdienst stellt nach der Vorschrift des § 7 Abs. 1 BNotO keine zwingende Voraussetzung für die Bestellung zum (hauptberufli-chen) Notar dar. Die zuständige Landesjustizverwaltung ist nicht gezwungen, im Falle eines Konkurrenzverhältnisses von Notaren und landesangehörigen Notarassessoren, die ihren dreijährigen Anwärterdienst noch nicht beendet haben, von vornherein dem Notar den Vorrang einzuräumen.
b)
Ein bei der Auswahl mehrerer Bewerber um ein hauptberufliches Notaramt zur Anwendung kommendes 50-Punkte-System, bei dem die Leistungen in der Zweiten juristischen Staatsprüfung und das maßgeblich durch dienstliche Beurteilungen sowie etwaige Leistungsbilder und Geschäftsprüfungsberichte bestimmte Leistungsbild mit jeweils 35
%, die Dauer notarspezifischer Tätig-keiten mit 12
%, das Ergebnis der Ersten juristischen Staatsprüfung und be-sondere notarspezifische Zusatzqualifikationen jeweils mit 4
% sowie der von den Bewerbern in einem Vorstellungsgespräch hinterlassene Gesamtein-druck mit 10
% der Gesamtbewertung gewichtet werden, hält sich im Rah-men des der Justizverwaltung bei der Auswahlentscheidung zuzubilligenden Beurteilungsspielraums, sofern es nicht schematisch gehandhabt wird.
BGH, Beschluss vom 13. November 2017 -
NotZ(Brfg) 2/17 -
OLG München
wegen Besetzung einer Notarstelle
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Der Notarsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13.
November 2017 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Prof. Dr. Radtke, die Richterin
Dr. Roloff und die Notare Dr. Strzyz und Dr. Hahn
beschlossen:
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts München vom 15. März 2017 -
VA-Not 1/16
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zuzulassen, wird abge-lehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der den Beigeladenen entstandenen Kosten zu tragen; diese tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger greift die Entscheidung des Beklagten über die Besetzung der im Bayerischen Justizministerialblatt Nr. 9/2015 vom 2. November 2015 ausge-schriebenen Notarstelle in Lu. an, auf die sich unter anderem er und der Beige-ladene zu 2 beworben haben. Die Ausschreibungsfrist endete am 25. Novem-ber 2015. In der Ausschreibung hieß es, es werde Bewerbungen von Notaras-1
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sessoren entgegengesehen, die zum 1. Februar 2016 eine dreijährige Mindest-anwärterzeit (§ 7 Abs. 1 BNotO) vollendet hätten. Der genannte Stichtag gelte entsprechend hinsichtlich der Mindestverweildauer am bisherigen Amtssitz.
Für die Stelle in Lu. bewarben sich neben dem Kläger, der als Notar in G. (Nordrhein-Westfalen) tätig ist, sechs bayerische Notarassessoren, darunter auch der Beigeladene zu 2. Die Frist im Sinne des §
7 Abs.
1 BNotO endete
bezüglich des dienstältesten Notarassessors -
des Beigeladenen zu 2 -
am 28.
Februar 2016.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2016 kündigte der Beklagte dem Kläger an, dass er beabsichtige, die Notarstelle in Lu. dem Beigeladenen zu 2 zu über-tragen. Zur Begründung führte er aus, vorliegend erfülle keiner der Bewerber die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 BNotO. Bei der Auswahlentscheidung unter ausschließlich auswärtigen Bewerbern ermittle er die Bewerberreihenfol-ge auf der Basis eines konkreten Eignungsvergleichs anhand der unterschied-lich gewichteten Kriterien eines 50-Punkte-Systems. Dieses konkretisiere die Auswahlkriterien des § 6 Abs. 3 BNotO im Rahmen des ihm bei der Beset-zungsentscheidung eingeräumten Beurteilungsspielraums. Auch für den vorlie-genden Fall, in dem sich um eine Notarstelle neben dem Kläger als auswärti-gem Bewerber
ausschließlich bayerische Notarassessoren beworben hätten, die zum Stichtag noch keinen mindestens dreijährigen Anwärterdienst absol-viert hätten, halte der Beklagte die Anwendung des 50-Punkte-Systems für sachgerecht. Dabei würden die Leistungen in der Zweiten juristischen Staats-prüfung und das maßgeblich durch dienstliche Beurteilungen sowie etwaige Leistungsbilder und Geschäftsprüfungsberichte bestimmte Leistungsbild mit jeweils 35 %, nämlich maximal 17,5 von 50 Punkten gewichtet. Die Dauer notarspezifischer Tätigkeiten werde mit 12 % (maximal 6 Punkten) bewertet. Das Ergebnis der Ersten juristischen Staatsprüfung und besondere notarspezi-2
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fische Zusatzqualifikationen würden jeweils mit 4 % der Gesamtbewertung (ma-ximal 2 Punkten) berücksichtigt. Schließlich
gehe der von den Bewerbern in einem Vorstellungsgespräch hinterlassene Gesamteindruck mit 10 % (maximal 5 Punkten) in das Gesamtergebnis ein. Der anhand dieses Systems zwischen dem Kläger und dem dienstältesten bayerischen Notarassessor -
dem Beigela-denen
zu 2 -
durchgeführte Vergleich führe zu dem Ergebnis, dass dem Beige-ladenen zu 2 mit 42,67 Punkten gegenüber dem Kläger mit 40,425 Punkten der Vorzug zukomme.
Mit der Klage vom 18. März 2016 beantragt der Kläger, den Bescheid des Beklagten vom 22. Februar 2016 aufzuheben und den Beklagten zu ver-pflichten, dem Kläger die im Bayerischen Justizministerialblatt Nr. 9/2015 vom 2. November 2015 ausgeschriebene Notarstelle in Lu. zu übertragen, hilfswei-se, den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der von dem Kläger gerügte Verstoß gegen § 7 Abs. 1 BNotO liege nicht vor. Nach dieser Vorschrift solle in der Regel nur zum Notar bestellt werden, wer die dreijährige Anwärterzeit bereits abgeleistet habe und sich im Anwärterdienst des Landes befinde, in dem er sich um die Bestellung bewerbe. Bereits aus dem Wortlaut folge, dass Ausnahmen grundsätzlich möglich seien. Da weder der Beigeladene zu 2 noch der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 BNotO erfüllt hätten, habe der Beklagte den Aspekt der Eignung als so übergeordnet angesehen, dass er eine Auswahlentscheidung nach dem Prinzip der Bestenauslese getroffen habe, § 6 Abs. 3 BNotO.
Es stelle keinen Ermessensfehlgebrauch dar, dass der Beklagte in der Vergangenheit gegenüber dem Kläger auf der Einhaltung der Mindestverweil-4
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dauer von fünf Jahren auf dem ihm in Nordrhein-Westfalen zugewiesenen Amtssitz bestanden habe, nun aber für den Beigeladenen zu 2 eine Ausnahme von § 7 Abs. 1 BNotO mache. Es fehle insoweit bereits an einer Vergleichbar-keit der Sachverhalte, weil die Beachtung der Mindestverweildauer in einem anderen Bundesland Ausfluss des in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Grundsat-zes der Bundesstaatlichkeit und dem daraus folgenden Gebot des bundes-freundlichen Verhaltens sei.
Die gemäß § 6 Abs. 3 BNotO getroffene Auswahlentscheidung sei vom Senat nur daraufhin zu überprüfen, ob ihr ein zutreffendes Verständnis des ge-setzlichen Auswahlmaßstabs zugrunde liege, ob allgemein gültige Wertmaß-stäbe beachtet und sachwidrige Erwägungen ausgeschlossen seien und ob schließlich der zu beurteilende Tatbestand verfahrensfehlerfrei festgestellt wor-den sei. Der Beklagte sei berechtigt, die Auswahlkriterien des § 6 Abs. 3 BNotO im Rahmen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums durch ein ausdiffe-renziertes Punktesystem zu konkretisieren. Eine Beeinträchtigung der Rechte des Klägers bei dessen Anwendung liege nicht vor.
Der Kläger beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen.
II.
Ein Grund zur Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs.
2 VwGO i.V.m. §
111d Satz 2 BNotO) besteht nicht.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§
124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) oder besondere tat-sächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§
124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i.V.m. 7
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§
111d Satz 2 BNotO) sind nicht ersichtlich. Der Rechtssache fehlt entgegen der Ansicht des Klägers auch die grundsätzliche Bedeutung (§
124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO).
1. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts begegnet unter Berücksich-tigung des Auswahl-
und Ermessensspielraums des Beklagten und der deshalb nach § 114 Satz 1 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO eingeschränkten Nachprüfbarkeit der angefochtenen Entscheidung durch die Gerichte keinen Bedenken. Die vom Kläger geltend gemachten Gründe, auf die er die Unrichtig-keit des Urteils stützt, greifen nicht durch.
Nach gefestigter Rechtsprechung hat die Justizverwaltung zunächst in Ausübung der ihr zustehenden Organisationsgewalt und Personalhoheit nach ihrem freien, allein organisationsrechtlich und personalwirtschaftlich bestimmten Ermessen darüber zu befinden, ob die frei gewordene Notarstelle durch
(Neu-)Bestellung eines Notars oder durch die Verlegung des Amtssitzes eines bereits bestellten Notars (§ 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO) besetzt werden soll. Die-ser Entscheidungsspielraum ist an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege (§ 4
Satz 1 BNotO), insbesondere dem Bedürfnis nach einer an-gemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen unter Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs gemäß § 4 Satz 2 BNotO ausgerichtet. Er besteht auch dann, wenn -
wie hier -
ein sich bewer-bender Notarassessor zum maßgeblichen Zeitpunkt den in § 7 Abs. 1 BNotO in der Regel geforderten dreijährigen Anwärterdienst noch nicht vollständig abge-leistet hat (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2008 -
NotZ 3/08, NJW-RR 2009, 202 Rn. 11), und -
wie hier -
der Amtssitz des konkurrierenden Notars in einem an-deren Bundesland liegt wie die zu besetzende Stelle (Senat, Beschlüsse vom 14. Juli 2003 -
NotZ 47/02, DNotZ 2004, 230 f.; vom 18. Juli 2011 -
NotZ(Brfg) 1/11, NJW-RR 2012, 53 Rn. 14).
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Allerdings sind diese organisatorischen und personalwirtschaftlichen Ge-sichtspunkte nicht allein ausschlaggebend. Vielmehr darf sich die Landesjustiz-verwaltung nicht schematisch auf die Privilegierung ihrer landeseigenen Nota-rassessoren berufen, sondern hat bei jeder einzelnen Auswahlentscheidung das Interesse an einer geordneten Rechtspflege (erneut) in den Blick zu neh-men und zu überprüfen, ob dieses Gemeinwohlziel ein Festhalten an dem Re-gelvorrang rechtfertigen kann (Senat, Beschluss vom 18. Juli 2011 -
NotZ(Brfg) 1/11, NJW-RR 2012, 53 Rn. 16 mwN). Der Beurteilungsmaßstab ist deshalb dahingehend modifiziert, dass bei auffälligen, erheblichen Eignungsunterschie-den der Bewerber die Artt.
3, 12 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2 GG vorrangig zu berück-sichtigen sind
und damit das Prinzip der Bestenauslese durchgreift.
Es kann hier indes dahinstehen, welche organisationsrechtlichen und personalwirtschaftlichen Erwägungen im Einzelnen geeignet wären, nach dem Rechtsgedanken des § 7 Abs. 1 BNotO einen Regelvorrang zugunsten eines landeseigenen Notarassessors, der den Anwärterdienst zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht vollständig abgeleistet hat, gegenüber einem landesfremden Notar zu begründen. Denn der Beklagte hat seine Auswahlentscheidung nicht auf einen dem Beigeladenen zu 2 zukommenden Regelvorrang gestützt, son-dern ist in einen Eignungsvergleich eingetreten und hat eine Entscheidung nach dem Prinzip der Bestenauslese getroffen, § 6 Abs. 3 BNotO i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG. Zutreffend hat das Oberlandesgericht angenommen, dass gegen die ge-troffene Auswahlentscheidung Bedenken nicht bestehen. Eine Überschreitung des dem Beklagten bei der Auswahl eingeräumten Beurteilungsspielraums zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich.
a) Maßstab für die Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern für das Amt des Notars ist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO die persönliche und fachliche Eignung unter Berücksichtigung der die juristische Ausbildung ab-13
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schließenden Staatsprüfung und der bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigten Leistungen. Dabei ist bei der Auswahl hauptberuflicher Notare (§ 3 Abs. 1 BNotO) gemäß §
6 Abs. 3 Satz 2 BNotO die Dauer des Anwärterdiens-tes angemessen zu berücksichtigen. Diese gesetzliche Regelung wird den ver-fassungsrechtlichen Anforderungen gerecht (BVerfG, NJW 2004, 1935, 1936 f.; Senat, Beschluss vom 14. März 2005 -
NotZ 27/04, NJW-RR 2006, 55, 56; je-weils zu § 6 Abs. 3 BNotO aF).
b) Entgegen der Ansicht des Klägers schließt der nicht vollständig abge-leistete Anwärterdienst die Eignung des Beigeladenen zu 2 gemäß § 6 Abs. 1 BNotO und damit seine Berücksichtigung im Rahmen der gemäß § 6 Abs. 3 BNotO zu treffenden Entscheidung -
wie bereits oben ausgeführt -
nicht von vornherein aus (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2008 -
NotZ 3/08, NJW-RR 2009, 202 Rn. 11; BVerfG DNotZ 2005, 473, 476).
aa) Der dreijährige Anwärterdienst stellt nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift des § 7 Abs. 1 BNotO ("soll in der Regel") keine zwingende Voraus-setzung für die Bestellung zum Notar dar. Das ergibt sich auch aus einem Ver-gleich mit dem Wortlaut der -
zwingende Bestellungsvoraussetzungen enthal-tenden -
Vorschriften der §§
5, 6 Abs. 1 BNotO ("darf nur", "Nur solche Bewer-ber sind", "können nicht"). Die zuständige Landesjustizverwaltung ist nicht ge-zwungen, im Falle eines Konkurrenzverhältnisses von Notaren und landesan-gehörigen Notarassessoren, die ihren dreijährigen Anwärterdienst noch nicht beendet haben, von vornherein dem Notar den Vorrang einzuräumen. Der drei-jährige Anwärterdienst hat, wie der Regelvorrang für "Landeskinder", nur inso-weit Bedeutung, als er dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege dient. Es handelt sich ebenfalls nur um eine Regelvoraussetzung, weshalb im Einzel-fall geprüft werden muss, ob sie im Hinblick auf die Grundrechte der Bewerber zur Geltung kommen kann (BVerfG, DNotZ 2005, 473, 476). Der von dem Klä-16
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ger für seine Ansicht herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungs-gerichts vom 20. September 2002 (DNotZ 2002, 891 ff.) lässt sich schon des-halb nichts anderes entnehmen, weil in der dieser zugrunde liegenden Fallge-staltung Bewerbungen von Notarassessoren aus dem fraglichen Bundesland (gar) nicht vorlagen.
bb) Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang ferner geltend macht, bei früheren Bewerbungen sei ihm von dem Beklagten die fehlende Mindest-verweildauer auf seiner bisherigen Stelle entgegengehalten worden, und er könne nicht umhin, angesichts des Abgehens von dem ebenfalls formalen Krite-rium der dreijährigen Anwärterzeit zugunsten des Beigeladenen zu 2
den Ein-druck zu gewinnen, dies erfolge nur, um ihn als Bewerber auszuschalten, stellt er damit die Richtigkeit des angegriffenen Urteils nicht in Frage. Zutreffend hat das Oberlandesgericht insoweit auf die mangelnde Vergleichbarkeit der Sach-verhalte abgestellt, weil die Berücksichtigung der Mindestverweildauer durch den Beklagten -
auf die sich in früheren Bewerbungsverfahren des Klägers die Rheinische Notarkammer nach Abstimmung mit der Justizverwaltung Nord-rhein-Westfalen berufen hatte (Senat, Beschlüsse vom 25. November 2013 -
NotZ(Brfg) 9/13, DNotZ 2014, 307 Rn. 1; vom 20. Juli 2015 -
NotZ(Brfg) 1/15, DNotZ 2015, 876 Rn. 3, 4) -
im Rahmen der gebotenen Abstimmung, Rück-sichtnahme und Zusammenarbeit der Länder erfolgt war (vgl. BVerfG, NJW-RR 2005, 1431,
1432 f.). Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
c) Das von dem Beklagten im Rahmen seiner Auswahlentscheidung verwendete 50-Punkte-System (zu dessen verfassungsrechtlicher Zulässigkeit vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 -
1 BvR 2177/07, juris Rn.
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ff.) hält sich im Rahmen des dem Beklagten eröffneten Beurteilungs-spielraums und begegnet auch im Hinblick auf seine Anwendung im vorliegen-den Einzelfall keinen Bedenken. Insbesondere hat der Beklagte das Punkte-18
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System nicht schematisch angewendet, sondern eine abschließende Gesamt-abwägung im Sinne eines umfassenden individuellen Eignungsvergleichs vor-genommen.
aa) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass das Vorgehen des Beklagten bei der Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO wegen des ihm zuzubilligenden Beurteilungsspielraums nur einer einge-schränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Das angerufene Gericht hat bei der Rechtskontrolle den Charakter der Auswahlentscheidung als Akt wertender Erkenntnis zu beachten. Dieser ist vom Gericht nicht zu wiederholen, sondern nur darauf zu überprüfen, ob ihm ein zutreffendes Verständnis des gesetzlichen Auswahlmaßstabes zugrunde liegt, ob allgemein gültige Wertmaßstäbe beach-tet und sachwidrige Erwägungen ausgeschlossen sind und ob schließlich der zu beurteilende Tatbestand verfahrensfehlerfrei festgestellt wurde (st. Rspr., Se-nat, Beschlüsse vom 13. Dezember 1993 -
NotZ 56/92, BGHZ 124, 327, 331; vom 22. März 2004 -
NotZ 20/03, NJW-RR 2004, 859, 860; vom 14. März 2005 -
NotZ 27/04, NJW-RR 2006, 55, 56; vom 23. Juli 2012 -
NotZ(Brfg) 4/12, DNotZ 2013, 224 Rn. 28 mwN; BVerfG, NJW-RR 2005, 1433, 1434). Dabei war der Beklagte im Rahmen seines Beurteilungsspielraums befugt, die Auswahlkri-terien des § 6 Abs. 3 BNotO durch ein
ausdifferenziertes Punkte-System zu konkretisieren, sofern dieses (ausschließlich) Gesichtspunkte berücksichtigt, die für die persönliche und fachliche Eignung des Bewerbers von Belang sind (Se-nat, Beschluss vom 14. März 2005 -
NotZ 27/04, NJW-RR 2006, 55, 56).
bb) Soweit der Kläger meint, das von dem Beklagten mit beiden Bewer-bern durchgeführte und bei der Bewertung im Rahmen des 50-Punkte-Systems mit 10 %, mithin mit maximal 5 möglichen Punkten gewichtete Vorstellungs-
und Fachgespräch stelle eine im
Gesetz nicht vorgesehene mündliche Prüfung dar, die einer gesonderten Ermächtigung bedürfe, kann der Senat dem nicht 20
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folgen. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats bestehen auch ohne aus-drückliche Regelung im Hinblick auf die allgemeinen Grundsätze des öffentli-chen Dienstrechts gegen die Durchführung eines Vorstellungsgesprächs insbe-sondere dann keine Bedenken, wenn der Bewerber -
wie hier -
den Anwärter-dienst bei einer anderen Landesjustizverwaltung durchlaufen hat (Senat, Be-schlüsse vom 22. März 2004
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NotZ 20/03, NJW-RR 2004, 859, 860; vom 12.
Juli 2004 -
NotZ 4/04, DNotZ 2005, 149, 150; vom 14. März 2005 -
NotZ 27/04, NJW-RR 2006, 55, 57; vgl. auch BVerfG NJW-RR 2005, 1433, 1434). Der Beklagte war daher berechtigt, sich im Rahmen eines solchen Gesprächs einen persönlichen und unmittelbaren Eindruck von der Persönlichkeit und den Fähigkeiten der Bewerber zu verschaffen. Die eingeschränkte Bedeutung sol-cher Gespräche, die nur eine "Momentaufnahme"
vermitteln können (vgl. Se-nat, Beschlüsse vom 22. März und 12. Juli 2004, aaO), hat der Beklagte aus-drücklich berücksichtigt und mit dieser Begründung eine Gewichtung von ledig-lich 10
% vorgenommen.
Der Beklagte hat ferner ein Verfahren gewählt, das die im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2
GG erforderliche Chancengleichheit und Transparenz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 -
1 BvR 2177/07, juris Rn. 34 f.) gewährleistete. Den unmittelbar nacheinander angehör-ten Bewerbern sind zunächst persönliche und organisatorische sowie sodann gleiche fachliche Fragen gestellt worden. Die Antworten der Bewerber hat die Kommission ausführlich dokumentiert und ihre zusammenfassende Bewertung -
gegen die sich der Kläger nicht wendet -
nachvollziehbar begründet. Zu Un-recht meint demgegenüber der Kläger, die Chancengleichheit beider Bewerber könne nur dann gewährleistet werden, wenn sie sich ähnlich wie bei einer mündlichen Prüfung in einem (einzigen) Termin einem Fachgespräch unterzö-gen. Denn (exakt) gleiche Fragen könnten den Bewerbern bei gleichzeitiger 22
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Anwesenheit nicht gestellt werden, ohne die Gefahr, einzelne Bewerber zu be-nachteiligen oder zu bevorteilen.
Im Übrigen käme dem Beigeladenen zu 2 nach den Punktwerten selbst dann der Vorzug zu, wenn die für das Vorstellungsgespräch vergebenen Punk-te aus der Bewertung herausgerechnet würden.
cc) Eine fehlerhafte Gewichtung der von dem Beklagten berücksichtig-ten, für die Eignung der Bewerber maßgeblichen Gesichtspunkte zeigt der Klä-ger nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich. Soweit der
Kläger meint, seine praktische Berufserfahrung und die über einen Zeitraum von mehr als 20 Jah-ren gezeigten guten beruflichen Leistungen seien zu seinen Lasten nicht aus-reichend berücksichtigt worden, während zugunsten des Beigeladenen zu 2 dem Ergebnis des Zweiten juristischen Staatsexamens zu hohes Gewicht ein-geräumt worden sei, greift das nicht durch. Die nur eingeschränkt überprüfba-ren Erwägungen des Beklagten befassen sich hinreichend mit den maßgebli-chen Umständen und wägen sie umfassend ab. Ihnen setzt der Kläger lediglich eine in seinem Sinne günstigere Gewichtung entgegen. Der Beurteilung des Beklagten, dass Umstände, die im Rahmen der nach § 6 Abs. 3 BNotO zu tref-fenden Entscheidung eine Abweichung von dem erzielten Ergebnis erforderten, nicht vorlägen, ist der Kläger indes nicht entgegengetreten.
(1) Der Beklagte war nicht daran gehindert, Leistungsgesichtspunkten bei der Entscheidung ein größeres Gewicht einzuräumen als der Dauer der notarspezifischen Tätigkeiten. Die Erwägung des Beklagten, dass der jährliche Zugewinn an Erfahrung und fachlicher Qualifikation in den ersten Berufsjahren erheblich höher ist als nach einer bereits langjährigen notariellen Tätigkeit, steht mit der Senatsrechtsprechung in Einklang und liegt innerhalb des dem Beklag-ten zustehenden Beurteilungsspielraums (Senat, Beschluss vom 18. Juli 2011 -
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NotZ(Brfg) 1/11, NJW-RR 2012, 53 Rn. 29 mwN). Die von dem Kläger geforder-te deutlich stärkere Berücksichtigung der (bloßen) Dauer der Notartätigkeit ge-genüber den bei dieser Tätigkeit und bei den juristischen Staatsprüfungen ge-zeigten Leistungen der Bewerber würde den Vergleich zwischen Notarassessor und amtierendem Notar stets zugunsten des letzteren ausgehen lassen und dem Assessor damit jede Chance auf Bestellung nehmen (Senat, Beschlüsse vom 14. Juli 2003 -
NotZ 47/02, DNotZ 2004, 230, 234; vom 14. April 2008 -
NotZ 114/07, juris Rn. 21; vom 11. August 2009 -
NotZ 4/09, DNotZ 2010, 467 Rn. 17 mwN; vgl. auch BVerfG, NJW-RR 2005, 1433, 1434
f.). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beklagte nicht entscheidend auf die (bloße) Dauer der notarspezifischen Tätigkeit abgestellt, sondern den dadurch bewirk-ten Zuwachs an Erfahrung und fachlicher Qualifikation durch die Vergabe de-gressiver Einzelpunktwerte berücksichtigt und insgesamt mit 12 % gewichtet hat.
(2) Die generelle Berücksichtigung der Note des Zweiten juristischen Staatsexamens mit 35
% und damit mit gleichem Gewicht wie das Leistungsbild der Bewerber begegnet keinen Bedenken. Die Erwägung des Beklagten, dem Ergebnis
des Zweiten juristischen Staatsexamens, das wesentlich auf der Beur-teilung namentlich nicht gekennzeichneter Arbeiten beruhe und von einem fi-nanziellen Interesse der prüfenden Stelle an der Nachfrage nach Prüfungsleis-tungen frei sei, komme eine besondere Aussagekraft beim fachlichen Eig-nungsvergleich der Bewerber als Nachweis der Leistungsfähigkeit zu, steht mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang (Senat, Beschlüsse vom 3. De-zember 2001 -
NotZ 20/01, NJW-RR 2002, 705 f.; vom 14. März 2005 -
NotZ 27/04, NJW-RR 2006, 55, 56; vgl. auch Beschlüsse vom 14. Juli 2003 -
NotZ 47/02, DNotZ 2004, 230, 234; vom 25. November 2013 -
NotZ(Brfg) 9/13, DNotZ 2014, 307 Rn. 11).
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Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich in der Note des Zweiten juristischen Staatsexamens widerspiegelt, was die Bewerber unter Anspannung aller Kräfte fachlich zu leisten vermögen, und darin die -
ihre Be-deutung unabhängig vom Zeitablauf behaltende -
Fähigkeit des Prüflings zum Ausdruck kommt, in juristischen Kategorien zu
denken und unbekannte Sach-verhalte innerhalb vertretbarer Zeit einer angemessenen Lösung zuzuführen. Er hat aber auch berücksichtigt, dass ein schlechteres Zweites juristisches Staats-examen als Kriterium der fachlichen Eignung mit zunehmender Berufspraxis
an Bedeutung hinter den Beurteilungen aufgrund der Amtstätigkeit als Notar zu-rücktreten kann (vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. August 2009 -
NotZ 4/09, DNotZ 2010, 467, 472; vom 23. Juli 2012 -
NotZ(Brfg) 4/12, DNotZ 2013, 224 Rn. 12 mwN).
Vor diesem Hintergrund hat er eine Gewichtung mit 35 % für angemes-sen gehalten. Diese Würdigung liegt innerhalb des dem Beklagten eingeräum-ten Beurteilungsspielraums (vgl. auch BVerfG NJW-RR 2005, 1433, 1434), zu-mal -
worauf das Oberlandesgericht zu Recht hingewiesen hat -
die Kriterien "Leistungsbild der notarspezifischen Tätigkeit", "Dauer der notarspezifischen Tätigkeit" und "notarspezifische Zusatzqualifikationen" zusammen eine Gewich-tung von 51 % ergeben, und den Bewerbern bei dem mit weiteren 10
% bewer-teten Vorstellungsgespräch Fragen aus dem notarspezifischen Fachwissen ge-stellt wurden, so dass auch insoweit die Möglichkeit bestanden hat, das durch eine lange Berufspraxis erworbene Wissen einzubringen und das Ergebnis der Staatsprüfungen zu relativieren.
2. Auch der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtli-chen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i.V.m. §
111d Satz 2 BNotO) liegt nicht vor. Eine Rechtssache weist dann besondere tatsäch-liche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn sie wegen einer erheblich über 27
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dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zugrunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen Streitigkeiten deutlich abhebt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 25. November 2013 -
NotZ(Brfg) 8/13, juris Rn. 5; vom 13. März 2017 -
NotSt(Brfg) 1/16, juris Rn. 20). Das legt die Antragsschrift nicht ausreichend dar (vgl. Senat, Beschluss vom 25. November 2013 -
NotZ(Brfg) 10/13, juris Rn. 11) und ist -
wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt -
auch im Übrigen nicht ersichtlich.
3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§
124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d
Satz 2 BNotO). Grundsätzliche Bedeutung ist gege-ben, wenn das Verfahren eine klärungsbedürftige und -fähige rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und die deshalb das abstrakte Interesse an einer einheit-lichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senat, Beschluss vom 18. Juli 2011 -
NotZ(Brfg) 1/11, NJW-RR 2012, 53 Rn. 33 mwN). Solche Rechtsfragen sind in der vorliegenden Sache nicht ersichtlich und werden auch vom Kläger nicht aufgezeigt.
Die von dem Kläger für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfragen, mit-hin, ob der Beklagte befugt sei, einen Notarassessor zu bestellen, der die drei-jährige Anwärterzeit zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht vollständig abge-leistet
hatte, sowie, ob das 50-Punkte-System aufgrund seiner Ausgestaltung zu einer Benachteiligung von Bewerbern mit langjähriger Berufserfahrung führe, und ob im Rahmen der Bewerbung ein Vorstellungs-
und Fachgespräch zuläs-sig durchgeführt werden dürfe, sind -
wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt -
durch die Rechtsprechung des Senats bereits geklärt.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 154 Abs. 2 und 3 VwGO.
Galke
Radtke
Roloff
Strzyz
Hahn
Vorinstanz:
OLG München, Entscheidung vom 15.03.2017 -
VA-Not 1/16 -
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Meta
13.11.2017
Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen
Sachgebiet: False
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2017, Az. NotZ (Brfg) 2/17 (REWIS RS 2017, 2487)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 2487
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
NotZ (Brfg) 2/17 (Bundesgerichtshof)
Besetzung einer Notarstelle: Dreijähriger Anwärterdienst als Bestellungsvoraussetzung; Anwendung eines 50-Punkte-Systems bei der Auswahl mehrerer Bewerber
NotZ 51/06 (Bundesgerichtshof)
NotZ (Brfg) 4/12 (Bundesgerichtshof)
Auswahlverfahren für Notarbewerber: Berücksichtigung der Dauer des Anwärterdienstes
NotZ (Brfg) 4/12 (Bundesgerichtshof)
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